Titel: | [Kleinere Mitteilungen.] |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 656 |
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[Kleinere Mitteilungen.]
[Kleinere Mitteilungen.]
Bücherschau.
Papierstoffgarne (Zellstoffgarne,
Xylolin, Silvalin, Licella) ihre Herstellung, Eigenschaften und
Verwendbarkeit. Studie von Prof. E. Pfuhl, Staatsrat.
Mit 6 Figurentafeln. Riga 1904. G. Löffler. – 143 S.
Unter dem anspruchlosen Titel einer Studie „über einen neuen, eben im Entstehen
begriffenen Industriezweig“ bespricht der Autor auf Grund seiner eigenen
Erfahrungen und der fachlichen Literatur die bisherige Entwicklung der Fabrikation
der Papierstoffgarne (Zellstoffgarne). Die Schrift kann als eine monographische
Darstellung bezeichnet werden. Pfuhl beginnt, in
richtiger Erkenntnis der neuen Fabrikationsverfahren, mit „eingestreuten
Bemerkungen über einzelne in anderen Industriezweigen bereits bekannte Verfahren
lediglich im Hinblick darauf, dass, weil die neue Industrie eine Verbindung
zweier älterer – der Papierindustrie und der Textilindustrie – darstellt, den
Vertretern beider Gelegenheit gegeben werden sollte, sich leichter in dem ihnen
ferner stehenden Gebiet zu orientieren.“ Im Kapitel: „Rohmaterialien und
deren Zubereitung“ werden a) die Lampen,
Hadern, Taue und Abfälle der Baumwoll-, Flachs-, Hanf- und Jutespinnereien (30 bis
100 Rohstoffqualitäten), b) Altes Papier, c) Ersatzstoffe, z.B. Espartogras, Juccafaser,
amerikanisches Schilfrohr usw. und d) weitere
Ersatzstoffe, Holzschliff, Holzzellulose) näher erörtert und gefolgert,
dass zur Garnerzeugung dem Holzschliff eine „sehr
untergeordnete Rolle als Zusatz zukommen dürfte, während als Hauptrohstoff die
Sulfitzellulose bezeichnet werden kann. Auf
Seite 15 bis 24 sind von den seit 1891 erschienenen Patentschriften des Deutschen
Reiches, welche sich auf die neue Industrie beziehen, die wichtigeren zitiert und
kurz erklärt. Claviez & Comp., Leipzig (Pat. 93324
und 101034) stellen aus ungeleimten Papierstreifen ein Papiergespinst – Xylolin – her. Die gedrehten Papierstreifen passieren
ein Frottierwerk. Es werden auch Baumwollfäden mit Papierstreifen übersponnen. Diese
Papiergarne werden zu Schussgarnen in Drillich für Handtücher, in Beinkleidern und
Westen für Sommerstoffe, mit Wollgarnen verwebt, für Winterstoffe verwendet.
Komplette Anzüge (waschbar) sollen nur 7 bis 10 M. kosten. Prof. Zanetti, Catania zwirnt aus 2 bis 3 mm breiten, dünnen
Seidenpapierstreifen, ohne Würgelung (Nitschelung),
hochfeine Garne mit 12 bis 14 km Reisslänge. Der in beiden Fällen benutzte Rohstoff
ist fertiges Papier, ein teueres Produkt, welches mit den Erzeugnissen nach dem
Verfahren von Pieper-Kellner, Türk, Kron sen. und jun.
im allgemeinen nicht konkurrenzfähig sein dürfte. Diese Methoden benutzen einen
beliebigen Halbstoff, meist Holzzellulose, der in Feinzeugholländern vollkommen aufbereitet und
hierauf mittels Sieben in eine sehr dünne breiige Pappe – Flor – verwandelt wird.
Die Fadenbildung ist aber nach den verschiedenen Patenten eine abweichende. Pieper-Kellner würgeln den Faserstoffbrei auf den
Sieben; nach Türk werden die vom Siebe abgegangenen
Bandstreifen durch Würgelung gerundet und verdichtet. Die Spinnerei Altdamm
(Stettin) strebt die Einführung des (Kellner)-Türkschen
Verfahrens durch Erhöhung der Leistungsfähigkeit an. Pfuhl bemerkt (S. 87) „ . . . . Die Produkte, welche diese Firma auf
der Düsseldorfer Ausstellung 1902 in einem Blockhause ausgestellt hatte,
erregten das grösste Interesse der Fachkreise. Sie zeigten die vielseitige
Verwendbarkeit der Zellulose bezw. Papierstoffgarne in der Textilindustrie und
liessen insbesondere auch erkennen, dass dieselben auch in Konkurrenz mit den
teueren Baumwollgarnen bis zu einem gewissen Grade treten können . . . “
Einen erheblichen Fortschritt in der Zellstoffgarnerzeugung kann durch das Kronsche Verfahren (Golzern-Grimma) erwartet werden.
(S. 55). Die volle Stoffbahn aus dem Ganzzeug wird auf einer Langsiebmaschine
gebildet, sofortin mehrere hundert noch lose zusammenhängende Streifen
getrennt, abgepresst und durch Dampf soweit getrocknet, dass dieselben spinnfeucht
auf Sammelrollen gewickelt werden können. Auf Ringgarnmaschinen werden die einfachen
oder mehrfach vorgelegten Fäden ohne Nitschelung
gezwirnt. Infolge dieser Konstruktion kann die Geschwindigkeit der Langsiebmaschine
voll ausgenutzt werden, was bei der Türkschen
Zylindersiebvorgarnmaschine nicht tunlich ist. Bezüglich der Festigkeits- und
Dehnungswerte hat Pfuhl eine Reihe von Untersuchungen
gepflogen und aus denselben folgende Schlüsse gezogen (S. 103): „ . . . . Aus den
vorliegenden Ergebnissen kann nun, unter Berücksichtigung der vorhanden
gewesenen Nebenumstände (unregelmässiger Betrieb und wiederholte Verarbeitung
ein und desselben Rohmaterials), für alle reinen
Zellstoffgarne ohne Unterschied eine bei normalen Verhältnissen wohl
erreichbare Reisslänge von 5,5 bis 7 km bei 6 bis 7 v. H. Dehnung angenommen
werden. Inwieweit Zusätze von fein gemahlenem Lumpenstorf diese Festigkeit noch
zu erhöhen vermögen, ist bisher nicht bestimmt worden. Angenommen kann jedoch
von vornherein werden, dass durch solche Zusätze eine Zunahme der Festigkeit der
Garne eintreten, wie andererseits ein Zusatz von gekochtem oder ungekochtem
Holzschliff eine Verminderung derselben hervorbringen wird.“ Zur
Vergleichung der obigen Festigkeitswerte mit den Durchschnittswerten von anderen
Fasergarnen gibt Pfuhl (S. 100) an: Baumwollgarne mit
13 bis 14 km, bezw. Bruchdehnung 3,97 v. H.; Ramiegarn 11 bis 12 km bezw. 0,79 bis
1,75 v. H; Flachsgarn (Nassgespinst) 12,4 bis 19,53 km bezw. 1,1 bis 1,78 v. H;
Flachs- und Heedegarn (Trockengespinst) 11,8 bis 12,4 km bezw. 2,5 bis 3,67 v. H.
und Jutewerggarn (nach zahlreichen Versuchen 1887) 9,76 km bezw. 2,0.
Die Zellstoffgarne verlieren, in Wasser eingeweicht, sehr bald vollständig ihre
Festigkeit; nach dem Trocknen erhalten sie wieder ihre Kohärenz. Pfuhl hat auch die Erzeugung der Asbestgarne besprochen (S. 13 und 129). Aus den
vorläufigen Gewebeprüfungen (S. 106) ergibt sich, dass
reine Zellstoffgewebe gegenüber gleich schweren Jutegeweben noch nicht halb so
grosse Festigkeit besitzen, dagegen ist die Durchlässigkeit für feines Siebgut
ausserordentlich gross. Zellstoffgewebe werden sich demgemäss zum Verpacken von
pulverigen Stoffen nicht gut verwenden lassen. Für die Praktiker sind die
ausführlichen Erläuterungen von Fabrikanlagen für
Silvahngarne (S. 86–97) im besondern über die Anlagen in Sodupe und in
Amsterdam, ferner über die Herstellungskosten der Zellstoffgarne nach dem Krönschen Verfahren, über die Anlagekosten einer
Silvalingarnspinnerei und über viele andere kommerziell-technische Daten ein sehr
wertvolles Kompendium. Aus diesem Schatz von Angaben und Mitteilungen des Autors
mögen einige hier angeführt werden. Die Altdammer Patentspinnerei (Stettin) hat für
ihre aus Holzschliff, Holzzellstoff und anderen Faserstoffen hergestellten Garne am
30. Dezember 1903 unter No. 65647 nunmehr die Wortmarke „Licella“ eintragen lassen. „Feinere
Silvalingarne können in allen Nummern inbetreff der Herstellungskosten
sehr gut mit den sehr viel teureren Flachsheede-
und Baumwollgarnen (S. 111) konkurrieren.“ Die Konkurrenzfähigkeit ist auch gegenüber den Jutegeweben zu erreichen.
Die „Studie“ von Pfuhl ist für die in Rede
stehende junge Industrie ein höchst verlässlicher Führer; der theoretische, wie der
praktische Techniker werden das Buch in Fragen über Zellstoffgarne nicht entraten
können. Die angeschlossenen Figurentafeln und der textliche Teil des Werkes sind
gleich wertvoll für die technische wie für die kommerzielle Kalkulation. Die
Ausstattung der „Studie“ ist eine sehr nette und empfehlende.
Ed. Hanausek.
Bei der Redaktion eingegangene Bücher.
Die Eisenbahnen des brasilianischen Staates Sao
Paulo. Von Alberto Kuhlmann, Sao Paulo.
Brasilien, 1904. Selbstverlag des Verfassers. Preis geh. 60 Pf.
Bericht über die XXIV. ordentliche Hauptversammlung des
Vereins deutscher Fabriken feuerfester Produkte (Eingetragener Verein).
Berlin. Dienstag, den 23 Februar 1904. Berlin, 1904. Tonindustrie-Zeitung.
Handbuch zur Berechnung der Feuerungen,
Dampfkessel, Vorwärmer, Ueberhitzer, Warmwassererzeuger, Kalorifere, Reservoire usw.
Von Ed. Brauss, Ingenieur. Hannover, 1904. Gebr.
Jänecke. Preis geb. 2 Mk.
Anleitung zur Momentphotographie. Von Hugo Müller, Berlin, Mitarbeiter der „Photographischen
Rundschau“. Mit 35 Abbildungen. Halle a. S., 1904. Wilh. Knapp. Preis geb. 1
Mk.