Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, Miszellen, S. 35 |
Download: | XML |
Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Das Löten von Gusseisen durch „Ferrofix“.
Das Gusseisenlötpasta „Ferrofix“ ist Friedrich
Pich in Berlin nach D. R. P. Nr. 110319 zum Hartlöten von Gusseisen im
offenen Schmiedefeuer patentiert.
Das Verfahren beruht darauf, „die zusammen zu lötenden Gusseisenflächen während des Lötprozesses von
Graphit zu befreien und gleichzeitig das geschmolzene Hartlot mit diesen in
Rotglut sich befindenden graphitfreien Flächen des Gusseisens unter
Luftabschluss in innige Berührung zu bringen.“
Zur Entkohlung der Lötflächen verwendet Pich
Kupferoxydul, welches mit einem Flussmittel (Borax) innig zu einer Pasta gemischt
ist.
Beim Erhitzen des Gusseisens soll das schmelzende Borax die vorher mit einer
Drahtbürste gereinigten Lötstellen gegen Oxydation schützen, das an ihnen noch
vorhandene Oxyd aufnehmen und zugleich den Sauerstoff der Luft von dem Kupferoxydul
abschliessen.
Bei zunehmender Erhitzung soll das schmelzende Kupferoxydul seinen Sauerstoff an die
glühende Gusseisenoberfläche abgeben und dieser sich mit dem Graphit des Gusseisens
zu Kohlenoxyd und Kohlensäure verbinden, während das metallische Kupfer, in sehr
fein verteiltem Zustande freiwerdend, die Lötstellen überzieht und sich mit dem
zufliessenden geschmolzenen Hartlot fest verbindet.
In der königl. technischen Versuchsanstalt CharlottenburgNach Sonderabdruck aus den Mitteilungen der königl.
technischen Versuchsanstalt. sind in verflossenem Jahre
zwei Reihen Zerreissversuche mit in der Anstalt nach dem patentierten Verfahren
gelöteten Gusseisenstäben ausgeführt worden.
Die Versuchsreihe I umfasste a -Stäbe, die
aus Flachstäben durch Lötung bei a gebildet wurden.
Die in solcher Weise gebildeten Stäbe wurden in fünf Fällen gebrochen und wieder
gelötet, sodann auf die gelötete Bruchstelle hin geprüft; in drei Fällen wurden
solche Stäbe vergleichsweise ungebrochen geprüft.
Nur in einem Falle brach der Stab in der Lötstelle schon bei einer Belastung von 8,7
kg/qmm, in den
übrigen vier Fällen ausserhalb der Lötstelle. Die Bruchbelastung lag in diesen
Fällen und bei den ungelöteten Stäben zwischen 9,6 bis 13,8 kg/qmm.
Textabbildung Bd. 317, S. 34
Die Versuchsreihe II wurde an zehn Flachstäben – Querschnitt 35 mm, 12 mm bei einer
Versuchslänge von 380 mm – ausgeführt, von welchen fünf in der Anstalt gebrochen und
wieder gelötet wurden.
Nur ein Stab riss bei den Versuchen, teils im Material, teils in der Lötfuge bei 16,1
kg/qmm; alle
übrigen Stäbe rissen im vollen Material bei einer mittleren Bruchbelastung von
16,9 kg/qmm für
die gelöteten und 17,2 kg/qmm für die ungelöteten Stäbe.
Die gelöteten Stäbe erhielten durch das Glühendmachen eine Durchbiegung, welche bei
zwei Stäben der Versuchsreihe I 3 bis 4,5 mm, bei den Stäben der Versuchsreihe II
0,2 bis 2,1 mm betrug.
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die ermittelte Festigkeit durch die in
gebogenen Stäben bei Zugbelastung entstehenden Biegungsspannungen beeinträchtigt
ist.
Auch Druckproben wurden mit gleich gutem Erfolg angestrebt und zwar zum Teil mit
zerbrochenem und wieder gelötetem Material aus der Versuchsanstalt selbst.
Das Gesamtergebnis fasst die Versuchsanstalt dahin zusammen, dass es bei sorgfältiger Ausführung möglich ist, nach dem Verfahren von Pich
Lötungen an Gusseisen herzustellen, die praktisch die gleiche Festigkeit
besitzen wie das volle Material.
Die englische Fachzeitschrift Engineering bringt in
ihrer Nummer vom 4. Oktober v. J. folgende Bemerkung:
„Auf Seite 543 unseres vorigen Bandes machten wir auf die neue Lötmasse
„Ferrofix“ aufmerksam, welche von H. Bertram
und Co., Queenstreet 28 E. C, vertrieben wird und sich auch für
Gusseisenbrüche verwenden lässt. Seit jenem Zeitpunkt hatten wir in zwei Fällen
gusseiserne Teile unserer Druckpresse zu flicken.
In beiden Fällen liessen wir die Wiederherstellung durch Löten unter Anwendung
von „Ferrofix“ ausführen, und sind mit dem erzielten Erfolg vollständig
zufrieden.
Wir erwähnen diese Thatsache in der Annahme, dass dieselbe auch für andere
Besitzer von Druckerpressen von Wert sein dürfte, welche, wie wir aus Erfahrung
wissen, oft durch den Bruch irgend eines der vielen gusseisernen Teile an ihren
Maschinen in sehr grosse Verlegenheit geraten und die dann oft unter sehr
empfindlichem Zeitverlust entweder die zerbrochenen Teile neu zu ersetzen oder
sich mit den in plumper und kostspieliger Weise geflickten alten Teilen
zufrieden zu geben haben.“
E. A.
Rückblick auf die Entwickelung der Schnellzüge auf den französischen Eisenbahnen.
Gelegentlich der vorjährigen Saisoneröffnung der Gesellschaft
französischer Zivilingenieure besprach der neuerwählte Präsident, Ch. Baudry, Chefingenieur für Betrieb und Zugförderung
der Paris-Lyon-Mittelmeer-Eisenbahn in seiner
Antrittsrede die in den letzten Decennien vor sich gegangene Entwickelung des
Schnellzugverkehrs auf den Eisenbahnen Frankreichs, welcher Rückblick mancherlei
interessante Einzelheiten enthält, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, sie
nachstehend im Auszuge wiederzugeben:
Nichts ist zuvorderst besser geeignet die Fortschritte des Personentransportes auf
den französischen Hauptbahnen zu beleuchten, als der Vergleich der Bequemlichkeiten,
welche den Reisenden früher zur Verfügung standen und jetzt geboten sind, sowie
der Unterschied in den Geschwindigkeiten der Züge. In dieser Richtung hat sich
in Frankreich der grellste Sprung nach vorwärts zwischen den Jahren 1889 und 1900
vollzogen und derselbe kommt nicht etwa lediglich den Reisenden der teuersten
Fahrkartenklasse oder bloss den Luxuszügen zu gute, sondern allen Fahrkartenklassen
und Personenzügen überhaupt. Ja, man könnte füglich behaupten, dass die
Hauptvorteile dieser günstigen Neugestaltung die Reisenden der II. und III.
Wagenklasse geniessen, da sie bis dahin zur Benutzung der schnellfahrenden Züge eben
gar nicht zugelassen waren.
Einen jedenfalls interessanten, wenn auch nicht erschöpfenden Ueberblick gewährt die
Vergleichung der früheren und der jetzigen Fahrzeiten aller von Paris abgehenden
wichtigen Schnellzüge, wie sie in der nachstehenden Tabelle durchgeführt ist.
Eisenbahnlinie
Fahrzeit im Jahre
Ersparnis anFahrzeit
1889
1900
gegen früher
Std.
Min.
Std.
Min.
Std.
Min.
%
Paris-Calais
4
13
3
15
–
58
23
Paris-Lille
3
45
3
–
–
45
20
Paris-Nancy
5
32
4
35
–
57
17
Paris-Marseille
14
19
11
29
2
50
20
Paris-Bordeaux
8
34
6
42
1
52
22
Paris-Havre
3
52
3
–
–
54
23
Paris-Rennes
6
58
5
54
1
4
15
Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass die in Rede stehenden
Zugsgeschwindigkeiten seit 1889 zum mindesten um 15 %, im Durchschnitte aber um 20 %
und im Maximum um 23 % gestiegen sind, was gewiss als ein ganz grossartiger
Fortschritt angesehen werden darf, wenn in Betracht gezogen wird, dass die Erhöhung
der Geschwindigkeit natürlich ohne jegliche Einbusse hinsichtlich der Sicherheit des
Zugverkehres, bezw. der Reisenden erreicht wurde. Bei allen diesen schnellsten Zügen
wird nämlich die in Frankreich gesetzmässig zulässige grösste Fahrgeschwindigkeit
von 120 km in der Stunde nirgends überschritten. Mit dieser Maximalgeschwindigkeit
wurde allerdings bis zum Jahre 1889, obwohl sie damals schon lange Geltung besass,
auf keiner der französischen Eisenbahnen gefahren, ausser ausnahmsweise auf
vereinzelten Streckenstücken mit starken Gefällen; auf horizontaler Bahn jedoch oder
auf Steigungen war man mit den damaligen Schnellzugslokomotiven überhaupt gar nicht
im stände, dieses erlaubte Maximum zu erreichen. Um in letzterer Beziehung eine
günstige Aenderung zu ermöglichen, musste man also vor allem anderen
leistungsfähigere Lokomotiven zu schaffen trachten und, nachdem dies gelungen war,
handelte es sieh nur mehr darum, die mittlere Fahrgeschwindigkeit der äussersten
gesetzlich erlaubten Grenze zu nähern, ohne diese letztere gleichzeitig zu
erweitern, bezw. zu überschreiten.
Als zweites Hilfsmittel um die Fahrzeiten zu verringern, benutzte man die thunlichste
Kürzung der Aufenthalte in den Mittelstationen, verbunden mit der äussersten
Verminderung der Zahl der Anhaltestationen überhaupt. Auch durch die Geleisanlagen
wurde insofern Vorschub geleistet, als der verstärkte Oberbau und die Wegbringung
aller spitzbefahrener Weichen aus den laufenden Hauptgeleisen die Durchfahrten in
den Zwischenstationen fast ohne Verminderung der Zugsgeschwindigkeit gestatten,
während früher an diesen Bahnstellen durch das notgedrungene Langsamfahren ganz
nennenswerte Einbussen erlitten wurden. Wenn man weiters in Erwägung zieht, dass die
Schnellzüge seit 1890 nicht nur von besonders geeigneten Lokomotiven befördert
werden, sondern auch weit kräftiger konstruierte, dauerhaftere Personenwagen führen
als früher, und dass nicht nur der Oberbau verstärkt und verbessert, sondern auch
die Signalanlagen und sonstigen Sicherungseinrichtungen vervollkommnet worden sind,
so kann wohl die obige Behauptung, die Erhöhung der Zugsgeschwindigkeiten habe sich
ohne jegliche Herabminderung der Sicherheit des Zugsverkehrs vollzogen, als durchaus
richtig gelten. Demgemäss darf sich also das reisende Publikum, welches die
schnellfahrenden Züge benutzt, ohne Bedenken und in ungetrübtester Zuversicht der
neuen, so wertvollen Errungenschaft erfreuen.
Was die Erhöhung der Bequemlichkeit des Reisens anbelangt, so kennzeichnet sich
dieselbe am auffälligsten durch die ganz ausserordentliche Vergrösserung des toten
Gewichtes, welches den Zügen infolgedessen zugewachsen ist. Während beispielsweise
die älteren Wagen I. Klasse der Paris-Lyon-Mittelmeer-Eisenbahn mit vier getrennten Abteilen, keine
Toiletten aufwiesen und ein Gewicht von 422 kg pro Sitzplatz besassen, wiegen die
nächst jüngeren Wagen derselben Klasse, die gleichfalls vier Abteile, aber ausserdem
zwei Toiletteräume enthalten, pro Sitzplatz 559 kg, d. i. um 30 % mehr. Eine andere
dreiachsige neue Type I. Klasse mit vier Abteilen hat einen Seitengang und nur
eine Toilette; dieselbe weist pro Sitzplatz 633 kg, also nahezu um 50 % mehr Gewicht
auf als die alten Wagen. Die jüngste Wagengattung I. Klasse endlich umfasst sieben
Abteile, einen Seitengang und zwei Toiletten; ihr Gewicht beträgt pro Sitzplatz 767
kg, was den zuerst genannten Fahrzeugen gegenüber gar ein Mehr von 80 % ausmacht.
Bei den zuletzt angeführten Wagen, die auf zwei Drehgestellen ruhen, entfällt ein
grosser Teil der Gewichtszunahme, nämlich 103 kg pro Sitzplatz allein auf die neue
elektrische Beleuchtungsausstattung und auf die Heizanlage. In ähnlicher Weise hat
sich infolge der Zufügung eines Zwischenganges und eines Toiletteraumes auch das
Gewicht bei den Wagen II. Klasse von 256 kg auf 393 kg pro Sitzplatz, d. i. um 53 %
und bei den Wagen III. Klasse von 192 kg auf 261,5 kg, d. i. um 36 % erhöht. Der aus
dieser Gewichtszunahme jedes einzelnen Wagens sich ergebenden Mehrbelastung der Züge
muss übrigens bei den Tageszügen noch das Gewicht der Restaurations- und Küchenwagen
und bei den Nachtzügen ein nennenswertes Teilgewicht der Schlafwagen zugerechnet
werden. Nachdem aber trotz der fortwährenden Zunahme des Gewichts der Wagen, bezw.
der Züge die Geschwindigkeit derselben gleichermassen erhöht werden sollte, so
mussten eben Schnellzugslokomotiven gefunden werden, die alle diese Erschwerungen
durch ihre Leistungsfähigkeit wett zu machen im stände waren. Dass diese Aufgabe so
glänzend gelöst wurde, wie es thatsächlich der Fall ist, darf den
Maschineningenieuren wahrhaftig als ein grosser Triumph gelten.
Im weiteren Verlaufe seiner Rede geht Präsident Baudry
ausführlich in die Entwickelungsgeschichte der modernen französischen
Schnellzugslokomotive ein, für welche die erste Anregung von den vergleichenden
Versuchen ausging, die im März des Jahres 1899 über Einladung des Eisenbahndirektors
Da Bousquet auf den Linien der
Paris-Lyon-Mittelmeer-Eisenbahn durchgeführt worden sind. Die Tendenz der
Konstrukteure liegt seither, wie ja auch die vorverflossenen Jahres in Vincennes ausgestellten französischen Eilzugsmaschinen
auffällig ersehen liesen, vornehmlich in einer steten Steigerung der Rost- und
Heizflächen, sowie des Gesamtgewichtes. So ist die Mittelmeerbahn von 50 t bis auf
56 t, die französische Nordbahn von 47,8 t auf 52,4 t, die Ost-, Orleans-, West- und
Südbahn von 51,3 t auf 58,1 t mit dem Gewichte ihrer Eilzugslokomotiven gestiegen,
was eben um so notwendiger erschien, als einzelne dieser Maschinen 210 t schwere
Züge und selbst noch schwerere mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 bis 110
km in der Stunde befördern müssen. Am meisten imponiert, sowohl was die konstruktive
Durchführung als die vorzüglichen Leistungen an Schnelligkeit und Zugkraft betrifft,
die allerjüngste Eilzugmaschine der französischen Nordbahn; sie besitzt 2,74 qm
Rostfläche, 208,52 qm Heizfläche und ein Gewicht von 63 t.
L. K.
Krupp als Lieferant für Eisenbahnbedarf an Japan.
Die Verwaltung der Staatseisenbahnen in Tokio hatte am 18. Oktober 1901 unter anderem
Bedarf der Ingenieurabteilung auch 1246 t Eisenbahnschwellen; 72 t Stahlschrauben
mit Muttern, 4½ t Patentunterlagscheiben und 256 t Schienennägel zu vergeben.
Der Bedarf ist grösstenteils entweder in Yokohama oder Kobe; etwa ⅓ des Gesamtbedarfs
in Sakai, einem Hafen an der Westküste Japans, zu liefern; für letzteres wird eine
Umladung in Kobe oder Nagasaki notwendig.
Das Ergebnis der Angebote stellt sich wie folgt:
1. Illies und Co., deutsches Haus, Vertreter von Krupp
14339
£
2. Takata, japanisches Haus
14562
„
3. China und Japan, Handelsgesellschaft, amerikani- sches Haus
14988
„
4. Mitsui, japanisches Haus
15477
„
5. Okura, „ „
15647
„
6. Jardine, englisches Haus
15855
„
7. Isono, japanisches Haus
16379
„
8. Birch, englisches Haus
16411
„
Krupp mit dem billigsten Angebot erhielt den Zuschlag,
während früher diese Aufträge nach England oder Amerika gingen. Wie aus den obigen
Zahlen ersichtlich, war der Wettbewerb ein sehr scharfer, wie denn ja heute
überhaupt der Kaufmann seinen Nutzen auf das niedrigste Mass zurückzuschneiden
hat.
Da die japanische Staatsverwaltung nicht früher zahlt als bis sich die betreffende
Ware geprüft und nachgewogen in ihren Niederlagen befindet, so sind in obigen
Preisen eingeschlossen:
1. das Mehr der Kapitalverzinsung (Bankinteressen),
2. die Verzinsung der 10 %igen Sicherheitshinterlegung,
3. die Ladegebühren,
4. der Nutzen des Kaufmanns.
Die Verzinsung kann mit 2½% für etwa 4½ Monate angesetzt werden.
Die Ladegebühren betragen etwa 4 Mk. für 1 t.
E. A.
Bücherschau.
Die Francis-Turbinen und die Entwickelung des modernen Turbinenbaues in Deutschland, der Schweiz, Oesterreich-Ungarn, Italien, Frankreich, England und den Vereinigten Staaten von Amerika. Von
Wilhelm Müller, Ingenieur. Hannover 1901. Gebrüder Jänecke.
Der Verfasser, den Lesern von Dinglers Polytechnischem
Journal seit langem durch seine in dieser Zeitschrift erschienenen Aufsätze
bekannt, stellt sich die Aufgabe „gegenüber den in jüngster Zeit veröffentlichten
Turbinenwerken, die sich fast ausnahmslos auf die theoretische Behandlung dieser
Kraftmaschinen beschränken, die durchgreifenden Umgestaltungen und praktischen
Resultate, welche diesem Zweig der Maschinentechnik im letzten Jahrzehnt ein
eigenartiges Gepräge verliehen, darzustellen, wobei naturgemäss die durch hohe
Nutzeffekte und vorzügliche Anpassungsfähigkeit sich auszeichnenden
Francis-Turbinen besondere Berücksichtigung finden mussten.“ Und man kann
sagen, dass er diese, keineswegs leichte Aufgabe im grossen und ganzen sehr
glücklich gelöst hat. Nur müsste in einem solchen Werke noch mehr, als es hier
geschehen, auf die konstruktive Durchbildung der bei den Turbinen in Frage kommenden
Maschinenteile eingegangen werden, es müsste z.B. näher erläutert werden, welche
besonderen Rücksichten infolge der hier im allgemeinen auftretenden Verhältnisse bei
Bemessung von Zapfen, Lagern, Wellen, Uebertragungsmechanismen u.s.w. in Frage
kommen. Andererseits ist in dem Buche eine solche Fülle von Material gesammelt, dass
wohl kein Ingenieur, mag er nun noch zu den lernenden, oder zu den schon im
praktischen Leben stehenden gehören, es ohne Nutzen aus der Hand legen wird.
Nach einer kurzen Abhandlung über die Entwickelung des Turbinenbaues im allgemeinen
und der Radialturbinen im besonderen geht der Verfasser zu den Francis-Turbinen
über, deren Konstruktion gerade von den leistungsfähigsten Firmen in den letzten
Jahren aufgenommen ist, und denen zusammen mit der Schwamkrug-Turbine die nächste
Zukunft gehören dürfte.
Die Theorie derselben behandelt in einem besonderen Kapitel sehr übersichtlich nach
bekannten Prinzipien Ingenieur Grupp, und gibt zur
Erläuterung der Rechnungen zwei erschöpfend behandelte Beispiele, nicht ohne dabei
den Hinweis zu unterlassen, dass in diesem noch so wenig, wirklich gründlich an Hand
von Versuchen durchforschten Gebiete die Theorie nur Fingerzeige bieten kann, dass
aber den entscheidenden Faktor zum Gelingen des Werkes doch das richtige
konstruktive Gefühl bietet. Wird doch durch die Theorie bisher z.B. die Wirkung des
Saugrohres gar nicht beachtet, durch welche Ablenkung der Wasserfäden und
Wirbelungen hervorgerufen werden, die wahrscheinlich von grösstem Einfluss sind.
Für die Verzeichnung der Schaufelform führt der Verfasser das von Speidel und Wagenbach
veröffentlichteZ. d. V. d. J., 1899 S. 581 ff.,
zuerst von Prof. Kankelwitz in Stuttgart angegebene,
und von Pfarr, damaligen Chefkonstrukteur von J. M. Voith in Heidenheim, jetzigen Professor in
Darmstadt, weiter ausgebildete Verfahren an, während Ingenieur Grupp mit einer neuen Konstruktion an die
Oeffentlichkeit tritt, welche er selbst seinerzeit auf Anregung des verstorbenen
Prof. Teichmann in Stuttgart ausgearbeitet hat, und
welche vor der zuerst genannten den Vorzug grösserer Einfachheit besitzen soll. Es
erscheint uns fraglich, ob der ganzen Frage die Wichtigkeit innewohnt, die man ihr
in gewissen, namentlich akademischen Kreisen gibt. Lehnen doch hervorragende
Turbinenbauer alle diese Betrachtungen über Schaufelformen ab, wie das auch der
Verfasser selbst an anderer Stelle hervorhebt. Es ist wichtig, dass bei der Wahl der
Ein- und Austrittswinkel gewisse Regeln eingehalten werden, die übrige Gestaltung
ist, wie Versuche und langjährige Erfahrungen zeigen, von geringem Einfluss auf den
Nutzeffekt.
Aus den folgenden Betrachtungen möchten wir namentlich die Kapitel „Zur
Gusstechnik“, „Anforderungen des Betriebes“ und „Anstellung von
Brems versuchen“ als besonders interessant hervorheben; der Konstrukteur
wird reiche Anregung aus den zahlreichen Tafeln über verschiedene Ausführungsformen
schöpfen, auf denen wenigstens teilweise auch die konstruktive Durchbildung der
Einzelheiten erkennbar ist.
Den Schluss des ersten Abschnittes vorliegenden Buches bildet ein Kapitel von etwa 20
Seiten, in dem, soweit das in so knapper Form möglich ist, die Bedingungen
auseinandergesetzt sind, welche die Regulierung bei den Turbinen zu erfüllen hat,
und die betreffenden Mechanismen in einigen Beispielen durch Wort und Bild erläutert
werden. Gerade dieses Gebiet ist ja besonders wichtig geworden, seit infolge
der elektrischen Kraftübertragung die Turbinen zum Antriebe von Dynamomaschinen
verwendet werden, wo an ihre Regulierfähigkeit die höchsten Anforderungen gestellt
werden müssen.
Der zweite Teil des Buches gibt eine Darstellung von dem Stande des modernen
Turbinenbaues in den verschiedenen Ländern und hebt namentlich den Unterschied
zwischen der Konstruktion dieser Kraftmaschinen in Amerika und der alten Welt
hervor. Während in Europa, namentlich Deutschland, der Schweiz und Italien, meist
noch die Turbine für jeden einzelnen Fall durchkonstruiert wird, haben die
amerikanischen Fabriken sich eine feste Anzahl Modelle geschaffen, die sie als
Marktware billig herstellen können. Dass diesem System schwere Nachteile anhaften,
zeigt schon allein der Umstand, dass eine italienische Firma mit dem Bau der neuen
Turbinen am Niagarafall beauftragt wurde, wo eben ganz abnormale Verhältnisse
vorlagen, die die Amerikaner nicht zu beherrschen vermochten. Andererseits bietet
auch das Studium des amerikanischen Turbinenbaues viel Interessantes; und aus den
Ausführungen des Verfassers, welche allerdings an dieser Stelle auf Vollständigkeit
keinen Anspruch erheben, ist für den deutschen Fachmann manches Wissenswerte zu
entnehmen. Lehrreich und bemerkenswert ist die Thatsache, dass Frankreich, das Land
der grossen Hydrauliker in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, sich heute
ganz von der wissenschaftlichen Behandlung der Turbinen ab- und der amerikanischen
Fabrikationsmethode zugewandt hat, allerdings nicht zum Vorteile der betreffenden
Industrie.
Das ganze Werk ist in einfacher und flüssiger Sprache geschrieben; nur stört die beim
Verfasser so sehr beliebte Umstellung von Subjekt und Prädikat im zweiten
Hauptsatze, falls zwei solche Sätze mit verschiedenem Subjekt durch „und“
verbunden werden. Diese durchaus undeutsche und direkt fehlerhafte Ausdrucksweise,
welche durch den kaufmännischen Briefstil sich bei uns leider immer mehr
einzubürgern scheint, sollte jeder Schriftsteller streng zu vermeiden suchen.
Von der Verlagsbuchhandlung Gebr. Jänecke in Hannover
ist das Werk vornehm ausgestattet; insbesondere ist die Ausführung der zahlreichen
Tafeln und Textfiguren durchaus zu loben. Beim Binden des Buches sollte man jedoch
vermeiden, dass die Tafeln im Knick zwischen den Text eingeheftet werden, was sich
namentlich bei geometrischen Konstruktionen, wie z.B. auf Tafel III „Schaufelform
für Francis-Turbinen“, störend bemerkbar macht.
November 1901.
F. Mbg.
Berichtigung.
Textabbildung Bd. 317, S. 36
An Stelle der Abbildung einer Achsialturbine auf Seite 4, linke Spalte unten, gehört
die nachstehende Abbildung einer Radialturbine. D. R.