Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, Miszellen, S. 418 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Neue Unterseeboote der englischen Marine.
Für die englische Kriegsmarine sind seit einiger Zeit fünf neue Unterseeboote im Bau,
welche ihrer Hauptanordnung nach mit dem bekannten, aus Amerika stammenden Holland'schen Unterseeboot (vgl. D. p. J. 1900, Bd. 315, S. 32) übereinstimmen, aber
doch einige Abweichungen und Neuerungen, aufweisen, über welche Zivilingenieur Georges Petit in der Revue
universelle, der wir auch die nebenstehende Zeichnung eines
Längendurchschnittes der Boote entnehmen, einige nähere Angaben macht. Diese
Mitteilungen sind allerdings nicht so eingehend und strikte, als es hinsichtlich
gewisser Einzelheiten wünschenswert wäre, um ein völlig klares Bild gewinnen zu
können, wahrscheinlich weil man nun auch in England mehr Gewicht darauf legt, über
die Einrichtungen der neuesten Kriegsfahrzeuge gleichwie in den anderen grossen
Seestaaten so wenig als möglich in die Oeffentlichkeit gelangen zu lassen.
Nach der oben angezogenen Quelle sind alle fünf in Rede stehenden Boote baulich ganz
gleich ausgeführt, und zwar beträgt ihre Länge 19,20 m und ihre Breite im stärksten
Querschnitte, nämlich beiläufig in der Längsmitte des Bootes, 3,60 m. Der Raum des
verdrängten Wassers belauft sich, wenn das Boot vollständig unter dem Wasserspiegel
eingetaucht ist, auf 160 t. Jedes der fünf Boote wird am Vorderteil mit einem
Torpedolancierrohr versehen sein, welches das Absenden von Torpedos sowohl während
der Fahrt auf der Wasserfläche gestattet, als auch während der Fahrt unter dem
Meeresspiegel ermöglicht, wobei es ganz gleichgültig i.st, ob das Boot steht oder
fährt, bezw. mit welcher Fahrgeschwindigkeit es sich bewegt. Die Mündung des
Torpedolancierrohres liegt ungefähr 50 cm unter der normalen Schwimm-(Wasser-)linie
des Bootes und Anfang wie Ende des Rohres sind mit einem selbstthätigen
Klappensystem versehen, welches das Oeffnen und Schliessen ermöglicht ohne jegliche
Gefahr für das Fahrzeug oder für den Torpedo. Was den eigentlichen Körper des Bootes
anbelangt, so besitzt derselbe durchaus bloss kreisrunde Querschnitte und er gewinnt
auf diese Weise, wie es der Längsschnitt ersichtlich macht, die Zigarrenform, welche
nach vorne so spitz verläuft, dass es den Booten möglich sein wird, auf den
Unterseefahrten zwischen gewissen zufälligen oder absichtlichen Hindernissen, wie
Telegraphenkabeln, Bojenverankerungen, Seilen, Ketten u. dgl. durchzugleiten, indem
sie die betreffenden Hindernisse zur Seite drängen. Ein zweiter Vorteil der
Zigarrenform liegt bekanntlich darin, dass sie dem Fahrzeug bei der Fahrt im Wasser
und wohl auch unter Wasser einen besonders geringen Reibungswiderstand
gewährleistet. Das Stahlblech, aus welchem die Aussenwand des Schiffskörpers
besteht, besitzt gegen den Wasserdruck einen Widerstand von ungefähr 25 kg pro
Quadratcentimeter.
Das ganze Boot ist durch Stahlblechwände mit Schubthüren in Abteilungen
geschieden, welche voneinander luft- und wasserdicht abgeschlossen werden können; im
besonderen besteht die untere, etwas kleinere Hälfte des ganzen Bootes aus einer
einzigen Reihe aneinander schliessender luft- und wasserdichter Kammern (Schotten),
die nicht nur, wie bei Schiffen im allgemeinen, zur Sicherung dienen sollen, falls
das Boot zufolge eines Zusammenstosses oder eines anderen Unfalles leck würde,
sondern gleichzeitig den Zweck haben, nach Bedarf absichtlich mit Wasser gefüllt zu
werden, um das Senkgewicht des Fahrzeuges zu vermehren, wenn letzteres in die Tiefe
gehen soll. Alle diese Kielschotten sind einerseits durch Pressluftröhren mit dem
Raume des Kapitäns und andererseits mit Ventilen versehen, welche unter gewissen
Vorbedingungen dem Aussenwasser Eingang gewähren; jede derselben hat übrigens auch
eine Klappthür, welche es ermöglicht, in die Schotte einzusteigen, wenn sie leer
ist. Die obere grössere Hälfte des Innenraumes weist vier in verschiedenen
Fussbodenhöhen errichtete Hauptabteilungen auf, welche wieder in verschiedene
Unterabteilungen geschieden und bestimmt sind, zur Unterbringung der verschiedenen
Maschinen, der Torpedos, kurz aller jener Einrichtungen und Hilfsmittel zu dienen,
welche die Gesamtausrüstung des Fahrzeuges bilden. Aber auch auf der Aussenseite des
Bootes befindet sich ein aus Stahlblech ausgeführtes, von Stahlblechrippen
getragenes Deck, das 10 m lang ist, und wo sich die Schiffsmannschaft aufhalten kann
solange sich das Boot ober Wasser befindet. In der Mitte dieses Decks steht der
Einsteigturm, durch den die Bemannung in das Innere des Schiffskörpers gelangt.
Textabbildung Bd. 316, S. 418
Während der Fahrt auf der Wasserfläche erfolgt der Schraubenantrieb mit Hilfe einer
Gaskraftmaschine, für welche ein Vorrat komprimierten Kohlenleuchtgases in
Stahlblechcylindern mitgeführt wird, der für einen mit der grössten
Fahrgeschwindigkeit von 9 Knoten in der Stunde zurückgelegten Weg von 400 Seemeilen
hinreichen soll. Die Gaskraftmaschine ist genau dieselbe, wie sie Holland bei seinem Unterseeboote anwendet, und
gestattet zweierlei Ausnutzungen, nämlich entweder mit 300 Umdrehungen in der
Minute, in welchem Falle ihre Leistungsfähigkeit 160 PS beträgt, oder mit 320
Umdrehungen in der Minute, wobei sich 190 PS Leistungsfähigkeit ergeben. Fährt das
Boot unterseeisch, so wird der Schraubenantrieb von einem Elektromotor besorgt, der
kräftig genug ist, um dem Fahrzeug eine höchste Fahrgeschwindigkeit von 7 Knoten in
der Stunde zu erteilen. Der Elektromotor erhält den erforderlichen Strom von einer
Akkumulatorenbatterie, die ihrerseits genügend leistungsfähig ist, um die
vorgedachte Geschwindigkeit von 7 Knoten für eine vierstündige Fahrt zu sichern.
Eine besonders zweckmässig angeordnete Kuppelungsvorrichtung macht es möglich, ohne
jegliche Störung oder Weitschweifigkeit, sozusagen augenblicklich, die
Schiffsschraubenspindel mit der Gaskraftmaschine oder mit dem Elektromotor zu
verbinden, d.h. die Betriebsweisen des Fahrzeuges zu wechseln. Zur inneren
Ausstattung des Bootes gehören natürlich auch die Verteilungsschalter für den
elektrischen Motor und das Beleuchtungsnetz nebst den verschiedenen Mess-, Anzeige-
und Kontrollapparaten, dann vier Kompressoren für atmosphärische Luft, ferner
cylindrische Stahlblechgefässe als Vorratbehälter für Pressluft, ein vielverzweigtes
Röhrennetz für die Pressluftleitungen u.s.w.
Behufs Unter- oder Auftauchens geschieht die erforderliche Ballastierung des Bootes
genau nach der Holland'schen Methode, die sich
erprobtermassen in bewegter See ebenso rasch und sicher durchführen lässt, wie in
ruhigen Gewässern. Durch geeignete Anwendung der verschiedenen, auf einem
gemeinsamen Wandgestelle angebrachten Stellhebel des Pressluftröhrensystems und
sonstiger Rohrhähne und Wechsel ist der Kapitän des Bootes in stand gesetzt, das
Gewicht des Fahrzeuges innerhalb weiter Grenzen ganz nach Belieben und Bedürfnis zu
regeln und auf diese Weise namentlich die Tiefe des Untertauchens, ebenso wie das
dauernde Verweilen in einer und derselben Tiefe lediglich durch wenige Handgriffe zu
bestimmen, oder auch bei besonderen Vorkommnissen, durch welche das Boot
Gewichtsänderungen erleidet, den zur Wahrung der Schiffslage erforderlichen
Belastungsausgleich unverzüglich zu bewerkstelligen. Um den Gewichtsverlust, der
beim Lancieren eines Torpedos eintritt und sonach einen unstatthaften plötzlichen
Auftrieb des Bootes nach sich ziehen würde, unschädlich zu machen, ist überdem eine
eigene mechanische Vorrichtung vorhanden, welche jenen Hebel, der zum Zwecke des
Belastungsausgleiches sonst von der Hand des Kapitäns eingestellt wird, im richtigen
Augenblicke selbstthätig wirksam macht.
Es ist bereits seinerzeit an dieser Stelle von den überraschend günstigen Erfolgen
Erwähnung gemacht worden, welche Ingenieur Holland in
Amerika mit seinem Unterseeboot erzielte. Der amerikanische Admiral Hitshborn, Direktor der Regierungswerften der Vereinigten Staaten, von dem die obgedachten Versuche
geleitet und überwacht worden sind, fasst sein diesfälliges Erkenntnis nachstehend
zusammen: Dieses Boot hat nachgewiesen, dass es in vollkommen senkrechter Richtung
nieder- oder emportauchen kann, und dass man es unter Wasser ohne Schwierigkeit zu
zwingen vermag, sei es stillstehend, sei es während der Fahrt, bis auf wenige Fuss
genau in der gewünschten Tiefe zu verbleiben. Das Untertauchen geschieht rasch. Das
Boot erfüllt sowohl unterseeisch als auch auf dem Wasser alle nautischen Bedingungen
und leidet in beiden Lagen nicht nennenswerter an wagerechten Schwankungen als
irgend andere, gut gebaute Schiffe. Die Freiheit der Bewegung des Untertauchens und
des Emporsteigens erscheint lediglich durch den fehlenden Ausblick beschränkt. Die
innere Ausstattung des Bootes darf als genügend bequem u. sicher gelten, zum
mindesten soweit es die wenigen Tage oder Stunden betrifft, innerhalb welchen
dasselbe berufen ist, Dienst zu thun und lediglich mit seinen eigenen Hilfsquellen
auszulangen.
Zweifellos liess sich das englische Marineministerium erst durch dieses massgebende
günstige Urteil endgültig bestimmen, mit der Bestellung Holland'scher Unterseeboote vorzugehen, doch hat dieser Schritt innerhalb
der englischen Admiralität selbst mancherlei Anfechtungen erfahren. Namentlich ist
es Admiral O'Neil, der unterseeische Kriegsboote
überhaupt nicht gelten lassen will, und dieselben sogar für völkerrechtswidrig
ansieht; andere kaum weniger gewichtige Stimmen sprechen zwar den Unterseebooten
Wert und Berechtigung als Kriegsfahrzeuge nicht ab, halten es aber noch nicht an der
Zeit, dass deshalb gleichfünf Boote desselben Typs angeschafft werden müssten.
Alle diese mehr oder minder begründeten Gegenbestrebungen sind jedoch an den
ausschlaggebenden Stellen ohne wirksamen Eindruck geblieben, sondern damit
zurückgewiesen worden, dass es notwendig sei, die Leistungsfähigkeit der
Unterseeboote auch vom Standpunkte der Schiffstaktik zu prüfen, wozu Einzelexemplare
natürlich nicht ausreichen. Bei den bisher bekannt gewordenen Versuchen wurde das
Unterseeboot vorwiegend nur vom Standpunkte der Küsten- und Hafenverteidigung in
Betracht gezogen und geprüft; es sei für England wichtig, nunmehr des weiteren
festzustellen, in welchem Masse diese Gattung Fahrzeuge auch für den Angriffskrieg
herangezogen werden könne. Die sofortige Errichtung eines ganzen Geschwaders von
Unterseebooten erscheine übrigens für alle Fälle schon aus dem Grunde
gerechtfertigt, da das benachbarte Frankreich ein solches Geschwader bereits besitzt
und noch immer auf weitere Vermehrung der Zahl seiner unterseeischen Boote bedacht
ist.
Die Westlake'sche KohlenstaubfeuerungEngineering News,
14. März 1901, S. 178..
Eine Neuerung auf dem Gebiet der Kohlenstaubfeuerungen ist von William Westlake, dem kürzlich verstorbenen Begründer
der Firma Adams and Westlake Co., Chicago, geschaffen
worden. Die praktische Ausführung der Westlake'schen
Erfindung hatte die Firma Faber du Faur and Donnelly, 132
Nassau St, New York City, übernommen. Unter Leitung Mr. Donnelly's ist die neue Feuerung an einem Kessel in den
Werken von Hubbard and Carpenter, 93 Pearl St., Brooklyn, N.
Y., angebracht worden.
Textabbildung Bd. 316, S. 419
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 316, S. 419
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 316, S. 419
Fig. 3.
Die Westlake'sche Kohlenstaubfeuerung, die in Fig. 1 bis 3
dargestellt ist, unterscheidet sich im Wesentlichen dadurch von den bereits
bekannten Kohlenstaubfeuerungen, dass ein Rost zu Hilfe genommen ist, auf welchem
ein mässiges Feuer gewöhnlicher Kohlen unterhalten wird. Diese Kohlen werden durch
die Thür D eingebracht, welche mittels des Handrades
K auf und nieder gewunden wird. Der Kohlenstaub
wird in den vor der Thür D angeordneten Trichter H gefüllt, dessen Boden durchlöchert ist. Durch die am
Grunde dieses Trichters befindliche, rotierende Walze R, die mit Zähnen versehen ist, wird der Kohlenstaub durch die Löcher
getrieben. Auf der Achse der Walze R ist ein Sperrrad
W befestigt, das von dem schwingenden, mit einer
Sperrklinke ausgestatteten Hebel N angetrieben wird.
Dieser Hebel wird mittels der Lenkerstange A von dem
Hebel L bethätigt, der durch die Lenkerstange B von der kleinen Dampfmaschine E (!) Antrieb erhält. Der eine Arm des Hebels L ist zu einer Kulisse ausgebildet, in welcher sich eine an dem oberen
Ende der Lenkerstange A angebrachte Rolle bewegt. Mit
Hilfe des Hebels M kann diese Rolle beliebig in der
Kulisse verschoben werden; wenn sie sich in der Achse des Hebels L befindet, wird der Lenkerstange A und dem Hebel N keine
Bewegung erteilt; je mehr die Rolle nach links geschoben wird, je grösser ist die
Bewegung von A und dementsprechend der Ausschlag von
N. Die Thür D ist um
so viel hochgewunden, dass eine schmale Oeffnung gebildet wird. Vor diese Oeffnung fällt der
Kohlenstaub in dünnem Strom und wird durch den Luftzug in den Feuerraum
geschafft.
Das auf dem Rost unterhaltene Kohlenfeuer bildet etwa ⅓ bis ½ der gesamten zur
Verwendung kommenden Brennstoffmenge; als Brennstoff kann hierfür jede Art Kohle
dienen, die auf einem Rost gefeuert wird. Die Beschickung dieser Kohlen geschieht
alle 2 bis 3 Stunden mit der Hand. Der Rest der Brennstoffmenge, die zum
Aufrechthalten des verlangten Dampfdrucks notwendig ist, wird in Form von
Kohlenstaub durch den Trichter zugeführt, wobei zur Regelung der Kohlenstaubzufuhr
eine besondere automatische Vorrichtung dient.
Diese Reguliervorrichtung besteht aus einem vertikalen Dampfcylinder, welcher mit dem
Kessel in Verbindung steht und in welchem sich ein durch ein Kontregewicht
entlasteter Kolben bewegt. Wenn der Dampfdruck im Kessel unter die normale Höhe
herabsinkt, wird der Kolben von dem Kontregewicht in dem Cylinder aufwärts gezogen.
Durch diese Bewegung des Kolbens wird der Hebel M
bethätigt und die an der Lenkerstange A befindliche
Rolle aus der Totstellung bewegt, so dass die Kohlenstaubzufuhr erfolgt.
Gleichzeitig wird mit Hilfe von Seilen und Flaschenzügen ein Schieber in den
Feuerzügen geöffnet. Sobald der Dampfdruck über die normale Höhe steigt, wird durch
Verschiebung der Rolle in die Totlage die Kohlenstaubzufuhr eingestellt und der
Schieber geschlossen.
Die in den Werken von Hubbard and Carpenter zur
Anwendung gelangte Kohlenstaubfeuerung soll sich gut bewährt haben. Der Kessel, an
welchem sie angebracht ist, versorgt eine Maschine mit Dampf, die während der
Arbeitszeit sehr verschieden belastet ist; der Kesseldruck unterliegt aber trotzdem
keinen nennenswerten Schwankungen und es findet keine Rauchbildung statt, obwohl der
gefeuerte Kohlenstaub aus weicher Kohle hergestellt ist.
Vor kurzem sind auch zum erstenmal erfolgreiche Versuche angestellt worden, harte
Kohle zu Kohlestaub zu verarbeiten; die hauptsächlichste Schwierigkeit bestand
hierbei darin, das Material genügend fein zu pulverisieren.
H.
Bücherschau.
Histoire des Mathématiques par
Jacques Boyer. Paris 1900. Carré et Naud.
Das Werk bezweckt nicht „Die Geschichte der Mathematik“, z.B. eines M. Cantor's, zu ersetzen oder auch zu ergänzen.
Verfasser gibt eine populäre kurze Darstellung der säkularen Entwickelung der
Mathematik, indem er nur dasjenige hervorhebt, was wichtig und leicht fassbar, ohne
Formeln mit Worten zu fassen ist. Der Leserkreis, auf den er zielt, ist die
studierende Jugend. Aber auch ein jeder Liebhaber der Wissenschaft – und bei der
fortschreitenden Popularisation des Wissens wächst deren Zahl unaufhaltsam – wird
damit eine nützliche und aufmunternde Lektüre dargeboten. Werke, dem Cantor'schen ähnlich, sind Liebhabern nicht zugänglich.
Hier bekommt man aber leicht eine zusammenhängende Uebersicht über den Werdegang und
den Bestand der modernen Mathematik. Man sieht, dass auch in diesem Fundament alles
Wissens z. Z. nicht alle Fragen ausgeschlossen und erledigt sind. Was scheint z.B.
unerschütterlicher als die von Euklides aufgebaute
Geometrie? Und doch entstehen im 19. Jahrhundert Aenderungen an dieser Pyramide,
eingeführt durch Lobatschewski, Riemann, Beltrami und
Lie, so dass die euklidische Geometrie nur eine der
Geometrien wird. Kurzsichtige können erschrocken werden, wenn sie sehen, dass an den
Pfeilern des Wissens so in der Gegenwart des grossen Publikums gerüttelt wird. Wer
aber eines weiteren Blickes fähig ist, wird das Buch von Boyer willkommen heissen. Warum? das ist gleich gesagt. Brunetière, Nietzsche, Tolstoi u.a. sagen, die
Wissenschaft sei Bankerott erklärt; sie sagen es dem grossen Publikum. Die Gelehrten
verschmähen es, solchen Tadlern entgegen zu treten, und zwar aus dem Grunde, weil
ihre Werke ohnedem diese Verleumdung widerlegen. Gut. Aber die wissenschaftlichen
Werke sind ja dem Publikum nicht zugänglich, und bei dem besten Willen kann dasselbe
nicht die Frage beantworten: was und worin die Angreifenden recht und unrecht haben,
denn diese berufen sich auf Autoritäten, und irgendwo dürfen sie wohl recht haben.
Wer es nun mit dieser Frage ernsthaft meint, dem sind solche Bücher, wie das von Boyer nicht nur Zeitvertreib: Er sieht, was denn
eigentlich in der Wissenschaft fest steht, was und warum modifiziert wird und
erkennt in der Umänderung selber die nötige Folge des Fortschrittes und wird nicht
mehr Gehör leisten solchen Pseudopropheten, deren Popularität nur auf dem Unwissen
des Publikums ruht. Darum heissen wir das Werk von Boyer willkommen. Die Ausstattung ist elegant, die Schriftweise klar und
die Abbildungen samt Portraits fein ausgeführt.
P. K. v. E.
The Construction of large Induction
Coils. A Workshop Handbook. By A. T. Hare, M.
A. late scholarof Wadham-College, Oxford. With thirty-five illustrations.
London 1900. Methuen and Co.
Die epochale Entdeckung der X-Strahlen durch Prof. Röntgen im Jahre 1896 lenkte die Aufmerksamkeit der Physiker und vieler
anderer auf die Konstruktion kräftiger Induktorien. Allein in der Litteratur war in
dieser Beziehung fast nichts zu finden und das wenige, was überhaupt aufzutreiben
war, erwies sich als unzulänglich, wenn nicht gar irreführend. Man war, da
diejenigen, welche die Schwierigkeiten der Konstruktion grosser Induktionsspulen
überwunden hatten, im eigenen Interesse nichts davon verlauten liessen, zur
Erreichung seines Zieles auf mühsames Experimentieren angewiesen, welches wohl in
der Mehrzahl der Fälle nicht zu dem gewünschten Erfolge führte, da jede
Unvorsichtigkeit bei der manuellen Durchführung die ganze bisher geleistete Arbeit
in Frage stellte. Der Verfasser dieses Buches, welcher sich noch als Student mit der
Konstruktion kräftiger Induktorien intensiv befasste und die Schwierigkeiten, welche
sich der Herstellung derselben entgegenstellten, kennen und überwinden lernte, hat
sich nun der dankenswerten Aufgabe unterzogen, seine Erfahrungen auf diesem Gebiete
zu sammeln und zu veröffentlichen. Sein Zweck ist hierbei, durch eine das kleinste
Detail umfassende Instruktion es jedem Elektroingenieur zu ermöglichen, sich seine
Induktorien selbst zu bauen. Die hierin gegebenen Anleitungen, welche alles
umfassen, was für die Herstellung solcher Induktorien zu wissen notwendig ist, sind
in einer so einfachen und klaren Weise gegeben, dass es selbst dem der englischen
Sprache weniger Mächtigen leicht möglich wird, denselben zu folgen. Auf
wissenschaftlichen Wert macht dasselbe keinen Anspruch, wiewohl alle durch die
Theorie festgesetzten Anhaltspunkte in demselben praktisch verwertet erscheinen, und
beschäftigt es sich daher ausschliesslich mit dem praktischen Teile der
Konstruktion. Nach eingehender Durchsicht dieser Anleitung darf geschlossen werden,
dass das einleitend gegebene Versprechen des Verfassers, es sei jeder in der Lage,
durch getreuliche Befolgung aller hier gegebenen Anordnungen eine Induktionsrolle zu
bauen, welche Funken von 33 bis 34 cm Länge gibt, thatsächlich erfüllt wird. Da die
Ausstattung des Werkes eine vorzügliche ist, die beigegebenen Zeichnungen
übersichtlich und deutlich gehalten sind, dürfte, da auch in Deutschland das
Bedürfnis nach einem derartigen Werke vorliegt, sich dieses Buch auch in deutschen
Leserkreisen einer freundlichen Aufnahme erfreuen.
A. P.
Die mechanischen und elektrischen
Konstruktionen für elektrische Eisenbahnen von Joseph Krämer. Leipzig 1900. Oskar Leiner.
Dieses als Hilfsbuch für Maschinen-, Elektro- und Eisenbahningenieure, Konstrukteure
und Wagenbauer bestimmte Werk darf hinsichtlich der an dasselbe angeschlossenen 33
Tafeln als die Fortsetzung eignes bereits in zweiter Auflage erschienenen Buches
desselben Autors, „Konstruktion und Berechnung für 20
verschiedene Typen von Dynamo-Gleichstrommaschinen, angesehen
werden. Unbeschadet dessen bildet jedoch der Text an sich ein selbständiges Ganzes
und behandelt derselbe an erster Stelle die allgemeinen und ziffermässigen Vorteile
des elektrischen Bahnbetriebes, sodann die bauliche Ausführung von elektrischen
Bahnen und ihre Betriebseinrichtungen, sowie die Anordnung und Berechnung der
Eisenbahnelektromotore, ferner die Konstruktion verschiedener elektrischer
Generatoren für Traktionszwecke und deren Berechnung, und endlich eine Menge
Wissenswertes betreffs der für elektrische Eisenbahnen dienlichen Dampf- und anderen
Krafterzeuger. Besonders eingehend sind allerdings nur die Elektromotoren und die
Generatoren in Betracht gezogen, jedoch findet sich auch in den anderen Abschnitten
ausser dem Wichtigsten und Notwendigen mancherlei Praktisches, das in
maschinentechnischen Schriften im allgemeinen übergangen oder doch nur flüchtig
berührt zu werden pflegt. Ebenso rühmenswert darf es gelten, dass nicht versäumt
worden ist, auch der Beleuchtung der kaufmännischen Seite des Gegenstandes
gebührenden Raum zu gewähren; was aber schliesslich das Buch als Vademekum im
eingangs angeführten Sinne, sowie als Vorlagenwerk für Konstruktionsbureaux wirklich
im hervorragenden Masse geeignet macht, sind die zum Teil in Farbendruck
ausgeführten, sorgsamst kotierten, vorzüglichen Werkzeichnungen. Gleichwie diese
Tafeln verdienen aber auch die 84 in den Text eingesetzten, ebenso schönen als
instruktiven Abbildungen und die ganze tadellose Ausstattung des Buches alles Lob.
Schliesslich möge aber nicht unerwähnt bleiben, dass der Autor so recht zu einer
unbefangenen, eminent sachlichen und klarstellenden Beurteilung der Vor- und
Nachteile der verschiedenen Eisenbahnbetriebsformen berufen gewesen wäre, nachdem
derselbe ein ebenso gewiegter und langgedienter Eisenbahnmann ist als Elektriker; er
entscheidet jedoch rascher und weitgehender zu Gunsten des elektrischen Betriebes,
als es zur Zeit noch unanfechtbar gerechtfertigt erscheint.