Titel: | [Kleinere Mittheilungen.] |
Fundstelle: | Band 309, Jahrgang 1898, Miszellen, S. 238 |
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[Kleinere Mittheilungen.]
Kleinere Mittheilungen.
13. Hauptversammlung des Verbandes Deutscher Architekten- und
Ingenieurvereine.
Am 5. und 6. d. M. wurde in Freiburg i. B. die 13. Wanderversammlung des Verbandes
Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine unter dem Vorsitz des Geh. Oberbauraths
Stübben-Cöln abgehalten. Es waren etwa 400
Delegirte aus allen Theilen Deutschlands erschienen. Auch die nahegelegene Schweiz
und Oesterreich-Ungarn waren zahlreich vertreten. Geh. Oberbaurath Stübben-Cöln eröffnete die Verhandlungen mit einer
längeren Begrüssungsansprache; in deren Verlauf er der vielen und grossen Erfolge
gedachte, die dem deutschen Ingenieurwesen und der Architektur in den letzten Jahren
zu Theil geworden sind, und die auch durch eine leider neuerdings sehr bemerkbar
gewordene Bauspeculation nicht beeinträchtigt werden konnten. Namentlich auf dem
Gebiet der Brücken- und Bahnhofsbauten sei in letzter Zeit Vieles und Grossartiges
geschaffen worden, nachdem mit der Fertigstellung des Nord-Ostseekanals anscheinend
die Aera der grossen Bauten zunächst abgeschlossen erschien. Was technische und
architektonische Ausgestaltung anbelange, ständen diese Bauwerke vielfach einzig da.
Redner erinnert an die Kaiser-Wilhelmbrücke bei Remscheid, das Henrichenburger
Schiffshebewerk, die Cölner und Dresdener Bahnhofsbauten und schliesslich an die
neuerdings mehr in Aufnahme kommenden Thalsperren, die
zugleich das Eingangsthor zu einem neuen Arbeitsfeld für die deutsche Technik
bildeten und zwar insofern, als gegenwärtig die Wasserbaufrage im Vordergrunde des
Interesses stehe. Namentlich in Sachen der Bekämpfung der Hochwassergefahren stehe die deutsche Technik vor grossen Aufgaben. Weiter
sei aber auch auf dem Gebiet der Wasserstrassen und ihres weiteren Ausbaues, sowie
der Ausnutzung der Wasserläufe ein neuer Aufschwung demnächst zu erwarten, und es
sei Pflicht der Technik, sich den bevorstehenden Arbeiten gewachsen zu zeigen. Auf
dem Gebiet des Kleinbahnwesens habe die deutsche
Technik neuerdings ebenfalls tüchtig gearbeitet und dadurch den Vorsprung eingeholt,
den andere Länder vor uns seit Jahren voraus hatten. Die deutsche Elektrotechnik,
wie sie einerseits auf dem Gebiet der Kraftbeschaffung und andererseits in dem
Beleuchtungswesen zum Ausdruck komme, nehme den ersten Rang ein. So sei das
Architekten- und Ingenieurwesen in Deutschland auf allen Gebieten unablässig
vorangeschritten und dürfe auf Grund seiner Leistungen wohl erwarten, auf den Platz
gestellt zu werden, der ihm im öffentlichen Leben zukomme. Nach den üblichen
Begrüssungsansprachen folgte der Geschäftsbericht, den Stadtbauinspector Pinkenburg-Berlin erstattete. Dem Verbände sind 36
Vereine angeschlossen; im verflossenen Jahre sind drei neue und zwar die von Posen,
Stettin und Erfurt hinzugetreten. Ferner haben sich zwei selbständige Vereine in
Halle a. S. gebildet. Der nächste Congress wird 1899 in Braunschweig, der
übernächste im Jahre 1900 in Bremen tagen. Zu einer entsprechenden Betheiligung des
Verbandes an der Pariser Weltausstellung 1900 sind bereits die einleitenden Schritte
gethan worden.
Von den Vorträgen mögen in kurzem Auszüge diejenigen über Construction und Architektur neuerer deutscher Brückenbauten und über die
Wasserverhältnisse der Gebirgsflüsse hier
wiedergegeben sein. Der erste Referent, Director Rieppel-Nürnberg, führte aus: Der wirthschaftliche Aufschwung des Reiches
in den letzten Jahrzehnten hat die deutsche Ingenieurwelt auf dem Gebiete des
Brückenbauwesens vor grosse Aufgaben gestellt. Es handelte sich dabei einmal um
Aufgaben, die von dem auf diesem Gebiet schon weiter vorgeschrittenen Amerika,
England und Frankreich bereits gelöst waren, zum Theil durch eingewanderte deutsche
Ingenieure; auf der anderen Seite aber stand der deutsche Brückenbau vor ganz neuen
und bis dahin nicht gestellten Aufgaben, deren Lösung ihm, vornehmlich auf Grund der
umfassenden Vorarbeiten, glänzend gelungen ist. Nach der Mehrtens'schen Tabelle ist Deutschland zwar nur mit 24 Feldern mit 2,8 km
Länge an dem allgemeinen Brückenbau betheiligt, während Amerika und England beinahe
das Zehnfache aufzuweisen haben. Was ihm aber an Menge abgeht, hat der deutsche
Brückenbau auf dem Gebiet des Constructionswesens vollständig nachgeholt. Man kann
ohne weiteres behaupten, dass Deutschland auf diesem Gebiete eine führende Stellung
einnimmt. Namentlich im Materialprüfungswesen, der Querschnittsberechnung, der
Lagerung, der Dimensionirungsmethode und dem Spannungswesen ist deutscher Einfluss
bei der Mehrzahl der ausländischen Brückenbauten unverkennbar. Ein grosses Verdienst
gebührt in dieser Beziehung Gerber, dessen
Materialprüfungsmaschine dem Brückenbauwesen einen neuen Aufschwung brachte und
jetzt fast überall im Gebrauch ist. Auch das in Deutschland zum ersten Mal in
Anwendung gebrachte Consolträgersystem hat sich der Aufmerksamkeit des Auslandes zu
erfreuen. In der Knotenpunktausbildung folgt Frankreich bereits ganz den deutschen
Grundsätzen. So war der deutsche Brückenbau genügend vorbereitet, als zu Beginn des
letzten Jahrzehnts jene neuen grossen Aufgaben an ihn herantraten, deren Ausführung
allgemeine Bewunderung erregt hat. Der Redner beschäftigte sich dann eingehend mit
den seit 1884 geschaffenen deutschen Brückenbauten, die in die Systeme: Balken-,
Bogen- und Hängebrücke zerfallen. Die erstere Art leitet die von Andreas Meyer entworfene Strassenbrücke über die
Norderelbe bei Hamburg ein, die Lohseträgerund eine Gesammtlänge von 303 m hat. Ihr Gewicht
beträgt 2430 t. Es folgt die Nogatbrücke bei Marienburg, die sich als zweigleisige
Bahnbrücke von 206,4 m Gesammtlänge mit Fischbauchträger und 1660 t Gewicht
darstellt. Die dritte ist die Weichselbrücke bei Dirschau, die ebenfalls eine
zweigleisige Bahnbrücke mit Fischbauchträger, 774 m Länge und 7075 t Gewicht ist.
Entwurfsverfasser dieser beiden Brücken war Schwedler,
Erbauer aller drei Brücken Harkort. Die vierte ist die
Strassenbrücke über den Neckar bei Mannheim, die 1890 unter Gerber's Mitwirkung mit Consolträgern gebaut wurde. Sie hat eine
Gesammtlänge von 187 m und ein Gewicht von 1674 t. Es folgt dann die von der
Eisenbahndirection Altona bezw. der Gutehoffnungshütte erbaute zweigleisige
Bahnbrücke über die Norderelbe bei Hamburg, bei der wieder Lohseträger zur Anwendung
kamen. Die Länge beträgt 303 m, das Gewicht 2203 t. Die sechste und zugleich grösste
Brücke ist die für Strasse und eingleisige Bahn eingerichtete Weichselbrücke bei
Fordon mit 1283,1 m Länge und 11000 t Gewicht. Diese sowie die nächste, von der Generaldirection der Reichseisenbahnen bezw. Harkort erbaute zweigleisige Eisenbahnbrücke über den
Rhein bei Roppenheim hat Halbparabelträger bezw. Parallelträger. Die Länge der
letzteren beträgt 400,2 m, das Gewicht 4100 t. Die beiden letzten Balkenbrücken, die
der Redner einer Besprechung unterzog, sind die noch in der Ausführung begriffenen
Strassenbrücke über die Süderelbe bei Harburg mit 587,3 m Gesammtlänge und 2450 t
Gewicht und die zweigleisige Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Worms mit 907,7 m
Länge und 5274 t Gewicht. Beide erhalten Fachwerkbogen mit Zugband und
Parallelträger. Die Besprechung der Bogenbrücken leitete der Redner mit der
Erörterung der Strassen- und Bahnbrücke über den Nord-Ostseekanal bei Grünthal ein,
deren Gesammtlänge 156,5 m bei einem Gewicht von 1280 t beträgt. Sie hat
Zweigelenkfachwerkbogen und Sichelträger. Es folgen dann: die Strassenbrücke über
den Neckar bei Cannstatt (Zweigelenkblechbogen), 237,5 m Länge, 1380 t Gewicht; die
Strassen- und Bahnbrücke über den Nord-Ostseekanal bei Levensau
(Zweigelenkfachwerkbogen), 163,4 m Länge, 2810 t Gewicht; die Strassenbrücke über
die Elbe in Dresden (Dreigelenkfachwerkbogen mit ausgestreiften Zwickeln), 152,9 m
Länge, 1835 t Gewicht; die zweigleisige Eisenbahnbrücke über das Wupperthal bei
Müngsten (gelenkloser Fachwerkbogen, Parallelträger mit Gerüstpfeiler), 455 m Länge,
5090 t Gewicht; die Strassenbrücke über die Donau bei Straubing
(Zweigelenkfachwerkbogen, Sichelform), 91 m Länge, 372 t Gewicht; die Strassenbrücke
über die Aar in Bern (gelenkloser Fachwerkbogen bei der Hauptöffnung und Blechbogen
in den Seitenöffnungen), 287 m Länge und 1750 t Gewicht; die Strassenbrücke über den
Rhein bei Düsseldorf (Zweigelenkfachwerkbogen), 593,9 m Länge, 5150 t Gewicht; die
Strassenbrücke über den Rhein in Bonn (Zweigelenkfachwerkbogen), 406,9 m Länge, 3200
t Gewicht; und die Strassenbrücke über den Rhein bei Worms (Zweigelenkfachwerkbogen,
Sichelform), 294,4 m Gesammtlänge und 1830 t Gewicht.
Die drei letzteren Brücken sind noch in der Ausführung begriffen. Das System der
Hängebrücken, bei dessen Besprechung der Redner der grossen Verdienste des
Dresdeners Köpcke um die Ausführung solcher Brücken
gedachte, ist bei der von Köpcke erbauten
Strassenbrücke über die Elbe bei Loschwitz und bei der Strassenbrücke über die Argau
bei Langenargen zur Anwendung gebracht. Erstere hat eine Gesammtlänge von 270,2 m
und 2998 t Gewicht, die letztere 72 m Länge und 137 t Gewicht. Aus diesen Zahlen
ergibt sich für die Balkenbrücken eine Gesammtlänge von 4956,7 m und 37866 t
Gesammtgewicht, für die Bogenbrücken eine Gesammtlänge von 2838,5 m und 24697 t
Gesammtgewicht und für die Hängebrücken 342,2 m Gesammtlänge und 3135 t
Gesammtgewicht, also für die neueren deutschen Brückenbauten zusammen eine
Gesammtlänge von 8137,4 m und ein Gesammtgewicht von 65698 t.
Im Anschluss an diese Mittheilungen bezeichnet es der Redner als erfreulich, dass
auch in architektonischer Beziehung ein Aufschwung im Brückenbauwesen zu verzeichnen
sei, und constatirt, dass das Zusammenwirken zwischen Technik und Architektur mehr
und mehr sich geltend mache. Wenn deshalb bei Gelegenheit des Internationalen
Congresses im Haag eine der grössten deutschen Zeitungen den dort ausgesprochenen
Satz: Die Ingenieure des 19. Jahrhunderts hätten für Kunst und Architektur nichts
übrig! widerspruchslos aufgenommen und ihm sogar in gewisser Beziehung beigestimmt
habe, so betone der heutige Verbandstag, dass dieser allgemeine Satz für das
deutsche Ingenieurwesen nicht zutreffe. Wohl sei es wahr, dass vor nicht allzu
langer Zeit dem Techniker noch alle Mittel beschnitten wurden, so dass ihm für
architektonische Ausgestaltungen kein Pfennig übrig blieb und er sich auf reine
Zweckmässigkeitsbauten beschränken musste. Nachdem aber mit dem
wirthschaftlichen Aufschwunge in Deutschland auch die Mittel für Kunstzwecke
reichlicher fliessen, hat das deutsche Ingenieurwesen sich niemals mehr
künstlerischen Anforderungen gegenüber ablehnend verhalten, und es muss dankbar
anerkannt werden, dass heute zwischen Constructeur und Architekt ein festes Band der
Einigkeit besteht, das hoffentlich nie mehr zerreissen wird.
Der zweite Referent, Professor Frentzen-Aachen,
beschäftigte sich vornehmlich mit der Frage, wie sich im letzten Jahrzehnt bei der
Ausführung der von dem ersten Referenten erörterten neueren deutschen Brückenbauten
die Beziehungen zwischen dem Constructeur und dem Architekten gestellt haben und kam
ebenfalls zu dem Schluss, dass diese Beziehungen ganz ausserordentlich erfreuliche
und enge seien. Mit der Zulassung der Kunst zu den Preisbewerbungen sei der
Architektur ein neues und ausserordentlich dankbares Gebiet erschlossen worden; man
könne ruhig behaupten, dass die deutsche Architektur auf dem neuen Gebiet schon viel
Erfreuliches geleistet habe. Wie die Constructeure, so seien aber auch die
maassgebenden Instanzen der Behörden und weite Kreise des Volkes zu der Anschauung
gekommen, dass bei den colossalen, völkerverbindenden und für Jahrhunderte
berechneten Brückenbauwerken höhere Ansprüche an künstlerische Ausführung u.s.w.
gestellt werden müssten, als bei Bauten, die lediglich der Zweckmässigkeit dienten.
Dieser erfreuliche Umschwung komme vor allem in den Wettbewerbsprogrammen zum
Ausdruck, die sowohl von behördlicher wie von privater Seite erlassen würden. Diese
Programme enthielten vielfach sogar einen directen Hinweis auf die Nothwendigkeit
der architektonischen Ausgestaltung der Brückenbauten. Mit der fortschreitenden
wirthschaftlichen Entwickelung im Reiche und der Hebung des nationalen Wohlstandes
ist denn auch die architektonische Ausgestaltung gestiegen. Den Anfang machte die
Mainzer Strassenbrücke, deren Ausführung zu weiteren Versuchen anregte. Die
Constructeure nahmen mehr und mehr auf die Entwürfe und Vorschläge der Architekten
Rücksicht und sie machten die Erfahrung, dass ein zweckmässiges Zusammenarbeiten von
grösstem Nutzen war. Leider sei noch vielfach bei den Ingenieuren die Gewohnheit im
Schwunge, zunächst den Entwurf fertig auszuarbeiten und erst dann den Architekten
heranzuziehen. Demgegenüber müsse immer wieder und wieder betont werden, dass die
Grund- und Gesammtform gemeinsam festgestellt werden müsse, und dass es nicht
angängig sei, dem fertigen Entwurf schliesslich gewissermaassen nur einen
architektonischen Mantel umzuhängen. In dieser Beziehung habe das System des
gemeinsamen Preisbewerbs viel gebessert. Andererseits dürfte nicht verschwiegen
werden, dass die Wettbewerbe auch vielfach Nachtheile nach der Richtung hin
brachten, dass eine gewisse Effecthascherei eintrat, die in der Ueberladung der
Brückenbauten mit architektonischen Dingen zum Ausdruck kam. Glücklicherweise seien
diese Dinge meist auf dem Papier geblieben, da sich ihre Ausführung später technisch
unmöglich machte. Immerhin werde noch viel gesündigt. Der Redner bespricht dann
eingehend die Wirkungen, welche der Einfluss der Architektur auf die verschiedenen
neueren Brückenbauten gehabt hat. Zunächst sei auf eine schöne Linienführung Bedacht
genommen und aus diesem Grunde dem System der Bogen- und Hängebrücken gegenüber dem
architektonisch minder schönen System der Balkenbrücken der Vorzug gegeben worden.
Ferner wurde das System der Brückenthore verbessert. Ganz besonders kam die
Nachahmung mittelalterlicher Burgthore, so in Hamburg und Worms in Aufnahme. Redner
warnt vor der Uebertreibung in der Anwendung dieser Thorform und verbreitet sich
dann der Reihe nach über die Bonner Rheinbrücke, deren ausserordentlich günstiges
Gesammtbild er rühmt, ferner über die Düsseldorfer Brücke, bei welcher die doppelte
Anwendung eines Bogensystems den Gesammteindruck etwas störe, die Loschwitzer
Brücke, deren Linienführung nicht ganz einwandsfrei sei, und schliesslich die
Müngstener Riesenbrücke, deren Ausführung sowohl constructiv wie künstlerisch voll
befriedigen müsse. Auch passe sich das System dem landschaftlichen Bilde
wirkungsvoll an. Bei der in der Ausführung begriffenen Wormser Stadtbrücke seien die
projectirten Thorbogen das Maximum, was sich der Architekt leisten dürfe. Der
Abschluss der Brücke erscheine fast zu energisch. Bei der zweiten neuen Wormser
Brücke, die ausserhalb der Stadt errichtet wird, erscheine die Burgthorform
eigentlich überflüssig. Der Redner wendet sich dann noch einigen ausländischen,
architektonisch interessanten Brückenbauten zu und schliesst mit dem Wunsche, dass
die Einigkeit zwischen Technik und Architektur auch bei den bevorstehenden vielen
Neubauten im Brückenwesen von Bestand sein möge.
Geh. Reg.-Rath Professor Intze-Aachen nahm das Wort zu
einem Vortrage über die Wasserverhältnisse der Gebirgsflüsse, ihre Verbesserung und
Ausnutzung. Der Redner, der bekanntlichder Commission für die Verbesserung der
Wasserverhältnisse im schlesischen Ueberschwemmungsgebiet angehört und seit langen
Jahren im Eifel- und Ruhrgebiet in dieser Beziehung mit Erfolg thätig ist,
schilderte eingehend die Verheerungen, die im Frühjahr im schlesischen Gebirge und
im Jahre 1890 im Ruhrgebiet durch die grossen Niederschläge eingetreten sind. Sodann
verbreitete er sich über die Wasserverhältnisse im Gebirge überhaupt. Das
Niederwasser halte oft monatelang an, wodurch Wassermangel und damit im Zusammenhang
für die anliegenden Betriebe Kraftmangel entstehe, während sich für die
Landwirthschaft eine Verminderung der Ertragsfähigkeit ergebe. Die Grundwassermenge
verringere sich durch die starke Abführung der Bäche, während andererseits die
starken und häufigen Niederschläge, deren nützliche Ausbeutung einen gewissen
Ausgleich herbeiführen würde, heute nur verderbenbringend wirken. Die Frage sei
also: Ist es möglich, durch Zurückhaltung der grossen Wassermassen einerseits den
Ueberschwemmungen zu steuern und andererseits die zurückgehaltenen Wassermassen
wirthschaftlich auszunutzen? Diese Frage ist, was Schlesien anlangt, im Anschluss an
die traurigen Erfahrungen der letzten Zeit bejaht, und man hat bereits die
Ausführung von Anlagen beschlossen, welche dazu dienen sollen, in den Seitenthälern
die Wasserfluthen in entsprechende Sammelbecken zu leiten und sie zur
Kraftentwickelung nutzbar zu machen. Und zwar wird man nur so viel Wasser
zurückhalten, als nach den Ergebnissen der Statistik nothwendig ist, um
Ueberschwemmungen zu verhüten. Andererseits wird man die gewonnene Kraft möglichst
den Anliegern reserviren. Redner wendet sich dann gegen das Abpumpen des
Untergrundwassers seitens industrieller Unternehmungen und verlangt einen
gesetzlichen Schutz gegen den „Diebstahl am Wasser“, wie er in manchen
Gegenden systematisch betrieben werde. Auch gegen die zunehmende Verschmutzung des
Wassers müsse endlich eingeschritten werden. Vor allem aber müsse in den
Quellgebieten Wandel geschaffen werden in Bezug auf die Abholzung. Diese dürfe auf
keinen Fall mehr, wie bisher, betrieben werden. Die Wasserfrage ist eine der
wichtigsten und die Ausnutzung des Wassers von höchster Bedeutung für unsere weitere
wirthschaftliche Entwickelung. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, wie lange der
Kohlenvorrath der Erde reiche, und dann werde die Wasserkraft bis auf weiteres die
erste Rolle zu spielen haben. Es sei deshalb nothwendig, mit allen Mitteln einen
Ausgleich der Wasserabführung anzustreben. Die bisherigen Maassregeln im Wupperthal
und in Schlesien nach dieser Richtung hin haben einen erfreulichen Erfolg gehabt.
Der Redner geht dann auf die Construction der Wassersammelbecken ein. Er verlangt
neben vollständiger Sicherheit im Bau Gefälligkeit der Ausführung, möglichst hohe
Lage, Billigkeit in der Herstellung und Berücksichtigung der Temperatur- und
Zuflussverhältnisse. Bei einmüthigem Zusammenwirken der Interessenten,
entsprechenden gesetzlichen Schutzmaassregeln und guter Ausführung der Schutzbauten
werde es nicht schwer sein, einerseits den Gefahren der Gebirgsflüsse wirksam zu
begegnen und zum anderen die jetzt vielfach ungünstige wirthschaftliche Lage der
Gebirgsbewohner ausserordentlich zu heben.
Ueberlastung der Sicherheitsventile.
Ueber gefährliche Missbräuche auf Rhein-Schleppdampfern wird im dritten
Vierteljahrsheft der Statistik des deutschen Reichs
folgender Bericht des rheinischen Dampfkessel-Ueberwachungsvereins
wiedergegeben.
Die Explosion auf dem Boote Käthchen gab der
Westdeutschen Binnenschiffahrts-Berufsgenossenschaft zu Duisburg Veranlassung, durch
Schreiben vom 7. Juli 1897 darauf aufmerksam zu machen, dass eine Ueberlastung der
Sicherheitsventile bei den Dampfkesseln der Rheinboote sehr häufig vorkäme, wodurch
schon öfter Unglücksfälle hervorgerufen seien. Gleichzeitig fragte die
Genossenschaft beim Verein an, welche Mittel und Wege wohl eingeschlagen werden
könnten, um diesen Uebelstand zu beseitigen. Auch von anderer Seite war bereits
hierauf hingewiesen worden, so z.B. in dem Jahresbericht der Niederrheinischen
Dampfschleppschiffahrts-Gesellschaft zu Düsseldorf, welcher Bericht auszugsweise in
den verschiedenen Zeitungen unseres Bezirks veröffentlicht wurde. Nach allem diesen
schien man in den betheiligten Kreisen anzunehmen, dass das Ueberlasten von
Sicherheitsventilen auf den Rheinbooten allgemein gang und gäbe sei, ohne dass dies
dahin thatsächlich festgestellt war. Die Kesselrevisionen auf den in Fahrt
befindlichen Schiffen vorzunehmen, hat, namentlich wenn man das Personal dabei
überraschen will, allerdings seine ausserordentlichen Schwierigkeiten, da man ja
dabei die Fahrt des Schiffes nicht unterbrechen darf, doch musste dies einmal
ausgeführt werden, wenn man einen klaren Blick über den auf den Schiffen
herrschenden Betrieb bekommen wollte. Der Revisor unternahm am 23. Juli v. J. mit
einem ihm zu diesem speciellen Zweck zur Verfügung gestellten kleinen Dampfboot
eine Fahrt auf dem Rhein, welche, in Düsseldorf beginnend, bis nach Orsoy ausgedehnt
wurde. An dieser Fahrt betheiligten sich der königl. Regierungs- und Gewerberath Theobald und der königl. Gewerbeinspector Simons, beide aus Düsseldorf. 16 Dampfschiffe, welche
zum grössten Theil sich auf der Bergfahrt befanden, wurden besucht, und ist dabei
festgestellt worden, dass eine Ueberlastung der Sicherheitsventile thatsächlich in
einem grösseren Umfange stattfindet, als man erwartet hatte, denn von diesen 16
Schiffen, von denen noch 2 ausser Betrieb waren, hatten 8 überlastete
Sicherheitsventile. Die Einrichtungen zur Ueberlastung bestanden theils darin, dass
noch besonders schwere Gewichte angehängt waren, theils in einem vollständigen
Absteifen des Ventilhebels gegen die Decke des Kesselraumes oder auch in dem
Einsetzen einer Schraube oder eines besonders abgepassten Stückes zum vollständigen
Niederhalten des Ventilhebels. Die Revision hat also ergeben, dass thatsächlich bei
sehr vielen Rheindampfern, und zwar namentlich bei den kleineren Schleppbooten ein
Ueberlasten der Sicherheitsventile in der Absicht vorgenommen wird, mit einer nicht
unwesentlich höheren Dampfspannung zu fahren, als für welche die betreffenden Kessel
concessionirt sind. Die Dampfmaschinen sind bei der höheren Dampfspannung
naturgemäss leistungsfähiger, und ist das Dampfboot in der Lage, eine grössere
Schlepplast zu befördern und dadurch mehr Geld zu verdienen. Es würde deshalb keinen
grossen Einfluss ausüben, wenn die Leute für diesen ungesetzmässigen Zustand nur mit
einer kleinen Geldstrafe belegt würden, wie dies bis jetzt immer seitens des
Gerichts geschehen ist, wenn eine Ueberlastung der Sicherheitsventile oder ein Ueber
schreiten der Dampfspannung zur Anzeige gebracht werden. Die Schiffseigenthümer
würden einfach calculiren, dass sie bei überlasteten Ventilen durch den erzielten
höheren Schlepplohn trotz der eventuell zu zahlenden Geldstrafe immer noch eine
höhere Einnahme hätten. Soll dem Uebelstand wirklich abgeholfen werden, so wird eine
exemplarische Bestrafung der betreffenden Leute nothwendig sein. Berücksichtigt man,
dass bei den gefundenen Einrichtungen theils ein Functioniren der Sicherheitsventile
unmöglich gemacht wurde, und theils durch das Ueberlasten derselben die höchste
zulässige Dampfspannung fast um das Doppelte überschritten werden konnte, so wird
man das Gefährliche eines derartigen Verfahrens einsehen. Zu verwundern ist es dann
nicht mehr, dass in Folge der übermässig hohen Betriebsdampfspannung, welche meist
zu der Kesselconstruction in keinem Verhältniss steht, Explosionen vorkommen, die
stets Verluste an Menschenleben im Gefolge haben. Man kann sich höchstens nur noch
wundern, dass derartige Explosionen nicht öfter vorkommen.
Eingesandt.
Alle gerichtlichen Schutzmarken erlöschen am 1. October d.
J. gemäss den Bestimmungen des § 24 des Waarenbezeichnungsgesetzes, welche bis zu
diesem Tage noch nicht zur Umschreibung in die Zeichenrolle des kaiserl. Patentamtes
zu Berlin angemeldet wurden. Wenn nun auch solche gelöschten Zeichen zu jeder Zeit
wiederum angemeldet werden können, so ist dennoch zu bedenken, dass die Priorität
der ursprünglichen gerichtlichen Eintragung durch die Unterlassung der rechtzeitigen
Anmeldung zu der patentamtlichen Zeichenrolle verloren gegangen ist. Da nun für die
prüfende Abtheilung des Patentamtes gerade die Prioritätsverhältnisse bei den sogen.
bedingten Versagungsgründen maassgebend und
entscheidend sind, so bedeutet der Verlust der Priorität sehr oft auch den Verlust
des Zeichens selbst. Es kann deshalb allen Inhabern der älteren gerichtlichen
Zeichen (Schutzmarken) nicht dringend genug empfohlen werden, dieselben möglichst
sofort und auf jeden Fall vor dem 1. October zur Umschreibung in die patentamtliche
Zeichenrolle anzumelden. Das Waarenzeichenbureau F. A.
Hoppen in Berlin, Charlottenstrasse 3, ertheilt den Lesern dieses Blattes
kostenfrei weitere Auskunft.
P. Johs. Müller und Co. in Berlin SO., Skalitzerstrasse
95 A, wünschen in den Besitz guter kurzer Abhandlungen über das Rettigsche Schulbanksystem zu gelangen, und setzen für
die besten Arbeiten 6 Preise im Gesammtbetrage von 360 M. aus. Als Material für
diese Arbeiten stellt die Firma verschiedene Drucksachen kostenfrei zur Verfügung.
Die Arbeiten sind bis zum 1. November d. J. an Alexander
Bennstein (Berlin N. 58, Stargarderstrasse 74) einzusenden; sie müssen in
üblicher Weise mit einem Kennwort versehen sein.