Titel: | Kolben für Verbrennungskraftmaschinen für Leichtmetallegierungen. |
Autor: | W. Schulze |
Fundstelle: | Band 346, Jahrgang 1931, S. 194 |
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Kolben für Verbrennungskraftmaschinen für
Leichtmetallegierungen.
W.
Schulze,
Berlin.
Kolben für Verbrennungskraftmaschinen.
Kolben aus den Leichtmetallegierungen Aluminium und Elektron werden im
allgemeinen Maschinenbau, besonders aber für Verbrennungskraftmaschinen, Automobile
und Motorräder, an Stelle der früher fast ausschließlich benutzten gußeisernen
Kolben in steigendem Maße verwendet. Noch im Jahre 1926 betrug nach amerikanischen
statistischen Ermittlungen der Anteil von Grauguß als Werkstoff für Kolben von
Personenwagen etwa 75 v. H., während die Leichtmetalle nur mit 25 v. H. vertreten
waren. Schon 4 Jahre später hatte sich das Bild direkt im umgekehrten Sinne
geändert, indem 25 v. H. Graugußkolben etwa 75 v. H. Leichtmetallkolben
gegenüberstanden. Wesentlich weiter ist diese Entwicklung in Deutschland
vorgeschritten, wo zur gleichen Zeit nur etwa 12 v. H. Graugußkolben für
Lastautomobile in Betrieb waren; für Personenwagen war der prozentuale Anteil noch
geringer.
Zwei Gründe waren maßgebend für die Einführung des Leichtmetallkolbens: Erstens die
niedrigen spezifischen Gewichte (1,8 g/cm3 und 2,7
g/cm3 für Elektron und Aluminium gegenüber 7,3
g/cm3 für Grauguß), was sich auf die
Verringerung des Gesamtgewichtes der bewegten Massen auswirkt, und zweitens die gute
Wärmeleitfähigkeit der Leichtmetalle, wodurch Wärmestauungen vermieden und die
Leistungsfähigkeitder Maschine gesteigert wird. Von großer Wichtigkeit für das
ganze Problem sind ferner die guten mechanischen Eigenschaften der Elektronbzw.
Aluminiumlegierungen, von denen die letzteren besonders in der Härte dem Grauguß
wenig nachstehen. Dagegen stellte sich als Nachteil der hohe
Wärmeausdehnungskoeffizient der Leichtlegierungen der Entwicklung hemmend gegenüber.
Dieser beträgt etwa 0,000022, während Gußeisen nur 0,000012 besitzt. Dieser
Ausdehnung des Materials in der Wärme muß bei der Fabrikation der Kolben durch
Vergrößerung des Kolbenspiels notwendigerweise Rechnung getragen werden, was aber
andererseits ein Klappern des Kolbens im kalten Motor zur Folge hat. Außerdem
springt die Maschine schlecht an, es treten Kompressionsverluste auf und der Kolben
selbst sowie die Zylinderbahnen werden infolge der ungenügenden Führung beim Druck-
und Richtungswechsel zerschlagen.
Kolbenkonstruktionen.
Auf konstruktionsmäßigem Wege hat man versucht, den ungünstigen
Wärmeausdehnungsverhältnissen der Leichtmetalle entgegenzuarbeiten, indem man an
geeigneten Stellen Einlagen aus Stahlblech mit geringer Wärmeleitfähigkeit,
sogenannte Invar-Streifen angeordnet hat, die mit eingegossen werden. Eine
andere und oft gleichzeitig angewendete Maßnahme stellt das Freilegen der Nabe bei den
Schlitzmantelkolben dar, wodurch die Ableitung der Wärme auf die übrigen
Kolbenteile unterbunden wird. Ferner wird durch die Längsschlitze der Ausdehnung
des Mantels in Richtung der Kolbenaxe Rechnung getragen und der ganze Mantel
erhält eine gewisse Nachgiebigkeit. Fast ganz abgekommen ist man von den
sogenannten Bimetallkolben, bei denen die Köpfe aus Aluminium und die Schäfte
aus Gußeisen oder Stahl bestehen. Diese Kolben haben sich in ihren spezifischen
Gewichten und in der Wärmeableitung als ungenügend gezeigt, auch ist ihre
Haltbarkeit verhältnismäßig gering, da bei den im Betriebe ständig wechselnden
Temperaturen zwei zusammengegossene Werkstoffe, die sich in der Wärme
verschieden stark ausdehnen, notwendigerweise gegeneinander arbeiten und sich an
der Verbindungsstelle lösen müssen. Eine Konstruktion, welche besonders in der
neueren Zeit viel erfolgreich verwendet wird, ist der ellyptisch geschliffene
Kolben, und zwar ellyptisch in dem Sinne, daß die kürzere Achse in Richtung der
stärkeren Materialquerschnitte, die sich in der Wärme auch stärker ausdehnen,
also in der Kolbenbolzenachse liegt, während die längere Achse senkrecht dazu
steht. Zur Vermeidung der unmittelbaren Wärmeübertragung von den Bolzenaugen zum
Kolbenmantel ist der Uebergang von den ersteren zu den Mantelflächen durch
Trennschlitze unterbrochen. Unter Berücksichtigung der Ausdehnungsverhältnisse,
denen auch der Graugußzylinder bei der Erwärmung im Betriebe unterliegt, wird
durch die ungleichmäßige Verlängerung der beiden Ellypsenachsen, indem sich die
längere Achse um den Betrag verkürzt, den die kurze Achse über das normale Maß
hinaus wächst, ein Kolben erzeugt, der in der Wärme auf seinen ganzen
Mantelumfang bei gleichbleibendem Spiel trägt. Eine sinnentsprechende Abänderung
des ellyptisch geschliffenen Kolbens ist bei einer anderen Konstruktion dadurch
gefunden worden, daß die Flächenteile des Mantels, die als Tragflächen nur eine
geringe Rolle spielen, schon im Gußstück hinter den Arbeitsflächen zurückstehen,
und dadurch beim Drehen und Schleifen unbearbeitet bleiben. Infolge ihrer
schwächeren Ausbildung vollzieht sich auch die Deformation des Kolbens in der
Wärme innerhalb dieser unbearbeiteten Mantelflächen, so daß die Tragflächen
unbeeinträchtigt bleiben.
Kolbenlegierungen.
Entsprechend der hohen Bedeutung die dem Kolben als Teil des Verbrennungsmotors
zukommt, hat man in der letzten Zeit neben seiner zweckentsprechenden
konstruktiven Durchbildung seine weitere Entwicklung auch auf metallurgischem
Wege durch Verbesserung der leichtmetallischen Werkstoffe erstrebt und die
mechanischen Eigenschaften auf ein Höchstmaß zu bringen versucht. Von einem
guten Kolbenmaterial werden gefordert: An mechanischen Eigenschaften gute
Zugfestigkeit, gute Bruchdehnung sowie besonders hohe Härte bei den ständig
auftretenden starken Erwärmungen auf Temperaturenbis zu 300°; an
physikalischen Fähigkeiten gute Wärmeleitfähigkeit und einen möglichst niedrigen
Wärmeausdehnungskoeffizienten. Außerdem spielen die Laufeigenschaften und die
Widerstandsfähigkeit gegen Druckbeanspruchung eine wichtige Rolle. Diese
Bedingungen lassen sich bis zu einem bestimmten Maße durch Veränderung der
Zusammensetzung des Werkstoffes erreichen, wenn man die gegenseitige
Beeinflussung der einzelnen Metalle genau kennt. So erniedrigt z.B. ein hoher
Siliziumzusatz zu Aluminium den Wärmeausdehnungskoeffizienten, was für den
Kolben besonders günstig ist. Mangan zum Aluminium zulegiert erhöht die Härte,
zuviel davon macht jedoch spröde und verschlechtert außerdem die
Wärmeleitfähigkeit. Die letztere Eigenschaft wird besonders von Zusatzmetallen
beeinträchtigt, die im Aluminium nicht als elementare Bestandteile fortbestehen
bleiben, sondern mit diesen Mischkristalle bilden. Härtesteigernd auf Aluminium
wirkt auch Nickel, was aber nicht zugleich die ungünstigen Eigenschaften in
bezug auf Wärmeleitfähigkeit hat wie Mangan. Ein in fast allen Kolbenlegierungen
anzutreffender metallischer Bestandteil ist ferner das Kupfer, was besonders die
Laufeigenschaften der Kolben verbessert. Unter Berücksichtigung dieser Momente
enthalten bekannte Aluminiumkolbenlegierungen bis zu 15 v. H. Kupfer bei
geringen Anteilen an Silizium, Eisen, Nickel, Magnesium und kein oder viel
Mangan (etwa 7 v. H.). Andere sehr bewährte Kolbenlegierungen bestehen aus 12
bis 25 v. H. Silizium, etwa 5 v. H. Kupfer und geringen Teilen an Mangan, Nickel
und Magnesium. Aus einem besonders hoch kupferhaltigen Material sind der
amerikanische Aluminiumkolben „Permite Unitype“ und der
Nelson-Bohnalite-Kolben, die von Ford, Chevrolet und Roosevelt viel verwendet
werden. Auch der vorgeschriebene Invarschlitzmantelkolben besteht aus gleichem
Material. Hohe Anteile an Silizium besitzen besonders die bewährten deutschen
Kolbenlegierungen. So enthält das sogenannte Suprakolbenmaterial bis zu 20 v. H.
Silizium, das Alusilkolbenmaterial sogar bis zu 25 v. H. Silizium.
Werkstoffeigenschaften und deren Prüfung.
Die mechanischen Eigenschaften dieser Legierungen, ermittelt nach dem bekannten
Verfahren in der Zerreißmaschine bzw. der Brinell-Härteprüfmaschine beträgt für
Kolbenmaterial mit hohem Kupfergehalt etwa 15 bis 20 kg/mm2 Zugfestigkeit, 1 bis 2 v. H. Bruchdehnung,
90 bis 120 kg/mm2 Brinellhärte. Mitunter wird
für besondere Konstruktionen von Zweitakterkolben auch noch Sandguß verwendet,
dessen Eigenschaften jedoch um einige Prozente tiefer liegen. Kolbenlegierungen
mit hohen Siliziumanteilen ohne sonstige verbessernde metallische Zusätze
besitzen nur etwa 12 bis 14 kg/mm2
Zugfestigkeit, 2 bis 4 v. H. Bruchdehnung und 80 bis 90 kg/mm2 Brinellhärte. Diese Eigenschaften lassen
sich jedoch durch Beimengen von Mangan, Nikkel und Magnesium auf 14 bis 18
kg/mm2 Zugfestigkeit, etwa 6 v. H.
Bruchdehnung und 140 kg/mm2 Brinellhärte steigern, von
denen die Härte selbst bei gesteigerten Temperaturen bis zu 300° eine Höhe von
20 bis 40 kg/mm2 beibehält. Wie bereits
erwähnt, kommt auch das leichte Elektron als Kolbenmaterial in Frage; es besitzt
16 bis 20 kg/mm2 Zugfestigkeit, 3 bis 5 v. H.
Bruchdehnung und 40 bis 50 kg/mm2
Brinellhärte. Auf dem Wege des Teilpreßverfahrens verarbeitet wird ferner das
vergütbare Leichtmaterial Dur-Alumin für Automobilkolben verwendet. Durch den
Vergütungsprozeß (Abschrecken bei 540° mit anschließendem mehrtägigem Lagern),
lassen sich Festigkeitszahlen von über 30 kg/mm2 erreichen, wobei die Härte allerdings nur 100 bis 120 kg/mm2 beträgt. Diesen Zahlen gegenüber besitzt
Grauguß etwa 20 bis 30 kg/mm2 Zugfestigkeit
bei 180 kg/mm2 Brinellhärte. Die
Festigkeitsprüfung hat man bereits auch auf ganze Kolben übertragen und
untersucht diese mittels geeigneter Hilfswerkzeuge ebenfalls in der
Zerreißmaschine, wobei die obere Aufhängung am Kolbenboden, die untere mittels
des Kolbenbolzens in Höhe der Augen angebracht wird. Kolben von 90 mm Ø hielten
bei diesen Prüfungen bis zu 5500 kg Belastung aus, ohne daß der Bruch eintrat.
Gleiche Untersuchungen werden in der Wärme ausgeführt, wobei der Kolbenboden
durch ein geeignetes elektrisches Heizelement erwärmt wird.
Die Ermittlung des Wärmeausdehnungskoeffizienten gehört zu den Prüfarten der
neueren Zeit, wird aber auch schon allgemein für Metalle angewendet und
besonders für Speziallegierungen, als welche die Kolbenwerkstoffe anzusprechen
sind. Für solche Messungen hat man verschiedene Apparate konstruiert, die im
Prinzip jedoch in gleicher Weise arbeiten. Man verwendet für die Prüfungen
gewöhnlich kleine Probestäbe von 5 bis 10 mm Durchmesser und zehnfacher, also 50
bis 100 mm Länge. Die Probekörper werden auf beiden Stirnseiten mit einem Körner
versehen und zwischen 2 Quarz-spitzen gespannt. Zur Erwämung kommt der Prüfstab
in eine Quarzröhre und diese in einen elektrischen Ofen, wo die Steigerung der
Temperatur stufenweise auf 50, 100, 150, 200° und so weiter bis auf 300°
durchgeführt wird. Die Verlängerung des Probestabes bei dieser Temperatur
überträgt sich auf die eine der beiden Quarzspitzen und durch diese auf einen
Feinmaßstab, wo die Gesamtverlängerung mittels eines Fernrohres abzulesen ist.
In ähnlicher Art hat man auch die Wärmeausdehnung ganzer Kolben zu messen
versucht; eine unmittelbare Anlehnung an die Betriebsverhältnisse ist jedoch in
dieser Form nicht zu erzielen, da die Erwärmung des Kolbens im Motor nicht
gleichmäßig erfolgt, sondern derselbe am Boden höheren Temperaturen ausgesetzt
ist als am Mantel.
Für die Prüfung der Wärmeleitfähigkeit gibt es ausgearbeitete Verfahren noch
nicht, man ermittelt dieselbe meist auf behelfsmäßigem Wege indem man geeignete
Probestäbe aus Leichtmetallegierungen mit einem solchen aus Reinaluminium
vergleicht, dessen Wärmeleitfähigkeit bekannt ist.
Von den weiteren Eigenschaften ist die Widerstandsfähigkeit eines Kolbens
gegen Druckbeanspruchung sehr wichtig und wird daher für seine Beurteilung mit
herangezogen. Obwohl der Druck, dem ein Kolben im Betriebe ausgesetzt ist, an
seinem ganzen Boden gleichmäßig erfolgt, hat sich gezeigt, daß eine Prüfmethode,
bei der die gleichen Beanspruchungsverhältnisse herrschen, ungenaue Werte
ergibt, weil dabei die stärkste Belastung am äußeren Umfang des Kolbens
auftritt. Man ist daher dazu übergegangen, den Kolben für die Druckprüfung in
seinem Bolzen von unten abzustützen und den Boden mittels eines abgestumpften,
schneidenförmigen Druckstückes längs und quer zur Bolzenachse einzudrücken.
Brüche, die bei dieser Prüfung auftreten, gleichen denen, die im Betriebe
entstehen, so daß man die Belastungswerte mit den Betriebsbelastungen immerhin
vergleichen kann.
Auch die Kenntnis der Laufeigenschaften eines Materials ist für seine Beurteilung
für Kolbenzwecke notwendig. Da die Widerstandsfähigkeit gegen Verschleiß sowohl
vom Gefügeaufbau und der Dichte eines Werkstoffes wie von der
Oberflächenbeschaffenheit des Werkstoffes und der guten oder schlechten
Schmierung an den Reibungsflächen beeinträchtigt wird, hat man auch für diese
Prüfung besondere Maschinen gebaut, bei denen durch Konstanthalten aller
einflußreichen Faktoren gute Vergleichswerte zu erzielen sind. Bekannt sind für
Laufeigenschaftsuntersuchungen Reibungs- bzw. Verschleißprüfmaschinen, in denen
Leichtmetallringe, die fest auf einer drehbaren Unterlage sitzen, mit einer
Geschwindigkeit von 8 bis 10 m/Sekunde (etwa entsprechend der normalen
Kolbengeschwindigkeit) laufen und dabei an ihren äußeren Umfangsflächen durch
Hebeldruck beliebig belastet werden können. Der Verschleiß des Ringes läßt sich
durch Messung feststellen.
Sowohl die beschriebenen Konstruktionen als auch die Werkstoffe und die
Prüfmethoden haben ihre heutige Entwicklung einer jahrelangen kritischen
Beobachtung der Betriebsverhältnisse zu danken, denen der Kolben als einer der
wichtigsten Teile des Motors einer Verbrennungskraftmaschine ausgesetzt ist. Zur
erfolgreichen Anwendung der Leichtmetalle im Verbrennungskraftmaschinenbau hat
nach neuesten Mitteilungen auch die Entwicklung geeigneter Zylinderwerkstoffe
beigetragen, die eine um 50 v. H. höhere Wärmeausdehnung besitzen sollen als
normales Gußeisen und sich dadurch den Wärmeausdehnungsverhältnissen der
Leichtmetallegierungen im Betriebe besser anpassen. Zweckmäßige Neuerungen sind
auch bei der Konstruktion der Kolbenringe erreicht worden. Bekannt sind z.B.
dreiteilige zusammengesetzte Kolbenringe, die so beschaffen sind, daß sie
zugleich die Zylinderwand und die Kolbenringnute abdichten, wodurch das Klappern
des Kolbens im kalten Motor sowie das Schlagen desselben beim Hubwechsel und
andere unangenehme Störungsmomente fortfallen sollen.