Titel: | Die Belastbarkeit der Gleitlager. |
Autor: | E. vom Ende |
Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 21 |
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Die Belastbarkeit der Gleitlager.
Von Dr.-Ing. E. vom
Ende.
Die Belastbarkeit der Gleitlager.
Die Ergebnisse von Versuchen mit Carobronze und
Gußbronze auf einem Lagerprüfstand Bauart Kammerer werden dargestellt. – Die
Anwendung derselben auf die Praxis bedingt Berücksichtigung der dort bestehenden
Verhältnisse. Diese werden erörtert, insbesondere die durch die Erwärmung des
Lagers entstehenden Veränderungen.
Zur Prüfung der Verwendungsfähigkeit von Oelen und Lagermetallen benutzt man nach
verschiedenen Grundsätzen gebaute Lager-PrüfmaschinenUeber die Lagerprüfung siehe:E. vom Ende u. V. Vieweg, Werkstoffhandbuch,
Nichteisenmetalle S. 14. 13 Beuthverlag Berlin 1927.E. vom Ende, Die neuzeitliche Lagerprüfung,
Zeitschrift für techn. Physik 9 (1928) 4 S. 121.. Eine der
bekanntesten ist die im Versuchsfeld für Maschinen-Elemente an der Technischen
Hochschule zu Berlin verwendete, von Kammerer entworfene Maschine (Bild 1). Diese entstand, als es im Kriege galt, die an
Stelle der knapp werdenden hoch-zinn- und hoch-kupferhaltigen Lagermetalle
herausgebrachten Ersatzmetalle zu prüfen. Die Maschine hat eine Versuchswelle von 40
mm ⌀, die bis zu 3600 kg belastet werden kann. Das Versuchslager ist ein normales
Bamag-Ringschmierlager. Die Drehzahl kann bis 5000 Umdr/Min. gesteig. werden,
entsprechend einer Zapfen-Umfangsgeschwindigkeit von 10 m/sk, Nach den an diesem
Prüfstand gemachten Erfahrungen wurde im vorigen Jahr im Röhrenwerk Caro in Wien ein
Stand zur Prüfung von Lagerbronze aufgestellt (Bild
2), der dann von Herrn Direktor Bühler in Einzelheiten noch verbessert wurde.
Die Belastungsvorrichtung ist nach unten verlegt, so daß das Prüfstück bequem
beobachtet werden kann. Auf dieser Maschine wurden Versuche mit Carobronze,
einer gezogenen Phosphorbronze, durchgeführt, um die Belastungsfähigkeit der
Metalle festzustellen. Das Ergebnis einer Versuchsreihe ist in Bild 3 dargestellt und in Vergleich zu einer
Versuchsreihe mit einer Gußbronze (Sandguß) mit 12 v. H. Zinn gesetzt. Als Grenze
ist eine Temperatur von 70° im Zapfen angenommen worden.
Textabbildung Bd. 339, S. 21
Bild 1: Lagerprüfstand des Versuchsfeldes für Maschinen-Elemente an der T. H.
Berlin. Baurat Kammerer und Welter.
Es fragt sich nun, wie das Ergebnis dieser und ähnlicher Versuche, wie sie vielfach
ausgeführt worden sind, zu bewerten ist. Eine einfache Uebertragung der
Versuchswerte in die Praxis ist natürlich nicht möglich, da die Versuchsbedingungen
den Forderungen der Meßtechnik angepaßt sein u. Vergleiche ermöglichen mußten.
Demgemäß ist in erster Linie das Lager allseits beweglich angeordnet, so daß es sich
dem Zapfen gut anpassen kann. Der Zapfen ist so stark, daß praktisch von einer
Durchbiegung nicht mehr gesprochen werden kann. Ursprünglich war er nur 60 mm stark.
Dies erwies sich als ungenügend. Da eine Verkürzung aus konstruktiven Gründen nicht
möglich war, wurde er auf 70 mm verstärkt. Bei einer Lagerlänge von 34,3 mm ergab
sich die Projektion der Lauffläche zu 24 cm2, die
mit 360 kg/cm2 belastet werden konnte. Auch die
Lagerschale wurde so starr gemacht und so gelagert, daß sie dem Oeldruck an keiner
Stelle nachgeben kann. In der ersten Ausführung war sie nur an den Enden aufgelegt.
Da sich hierbei eine
merkbare Durchbiegung in der Mitte herausstellte, wurde sie mit dem gewünschten
Erfolg auf der ganzen Länge im Lagerkörper aufgelegt.
Daraus ist zu entnehmen, daß man bei sehr hohen Belastungen auf unbedingte Starrheit
von Zapfen und Lagerschale achten muß.
Textabbildung Bd. 339, S. 22
Bild 2: Lagerprüfstand des Röhrenwerks Caro in Wien. Baurat Kammerer.
Die Einstellbarkeit der Lagerschale entsprechend den Bewegungen des Zapfens hat man
in der Praxis konstruktiv auf verschiedene Weise zu bewirken versucht. Eine restlos
befriedigende Lösung ist noch nicht gefunden. Wie die Verhältnisse bei starrer
Schale liegen, zeigt Bild 4. Man pflegt die Forderung
aufzustellen, daß die Schiefstellung der Welle im Lager den Wert tg α = 0,001 nicht
überschreiten darf. Für diesen Grenzwert und für ein Lager von 40 mm Bohrung sind
die Beträge δ aufgetragen, um die der Zapfen am hinteren Ende von der Lagerkante
absteht. Der Wert darf nicht größer sein als das Lagerspiel. Man sieht, daß dann
selbst bei weitem Laufsitz (WL) die Lagerlänge L nicht größer als 2,0 D sein darf,
wenn er nicht klemmen soll. Das normale Lagerspiel ist aber Laufsitz (L). Dem
entspricht bei L = 1,5 D ein tg α = 0,0004, also ein Winkel, der nicht immer mit
Sicherheit eingehalten werden kann. Daran erkennt man, wie wichtig es ist, daß die
Lagerschale nachgeben kann. Kann sie das nicht, so muß das Lagermetall nachgeben.
Dann leiert sich aber die Schale bald aus und muß neu ausgegossen werden, was nicht
erwünscht ist. Hier ist ein Fall gegeben, bei dem die Wichtigkeit der guten
Gleiteigenschaften des Lagermetalls zu Tage tritt. Bei den vorübergehend
auftretenden Klemmungen wird der Schmierfilm durchbrochen und metallische Berührung
tritt auf. Biegt sich die Welle an beiden Lagerenden nach unten durch, so daß sie im
Bogen durch das Lager hindurchgeht, so liegt sie nur an den Enden richtig auf.
Je kürzer man nun die Lagerschale macht, um so günstiger muß das Anliegen werden, um
so höher kann das Lager belastet werden. Bild 5 zeigt
die im Versuchsfeld in Charlottenburg erreichten Grenzbelastungen bei einem Lager
mit Carobronze. Wie das Bild zeigt, ist durch die Verkürzung der Lagerschale eine
starke Erhöhung der Lagerdrucks ermöglicht worden, Bei dem Längenverhältnis l d =
2,25 trat ein starker Oelabfluß an den Lagerenden auf Eine weitere Verkürzung würde
sich ungünstig auswirken. Wie die Oberfläche der Schale beschaffen sein muß, damit
sie sich nicht abreibt, aber auch den Zapfen nicht beschädigt, muß noch geklärt
werden. Zunächst sei nur festgestellt, daß man mit gezogener Bronze bessere
Erfahrungen gemacht hat als mit Gußbronze, was die Versuche zu bestätigen
scheinen.
Textabbildung Bd. 339, S. 22
Bild 3: Grenzwerte der Belastbarkeit von Carobronze und Gußbronze a. dem
Prüfstand bei einer Temp. v. 70° i. Zapfen.
Textabbildung Bd. 339, S. 22
Bild 4: Beziehungen zwischen der Schiefstellung der Welle, der Lagerlänge und
dem Lagerspiel.
Ein weiterer Punkt, der zu beachten ist, ist die Ausdehnung von Zapfen und Schale und
ihre Beziehung zum Lagerspiel. Bei Lagerversuchen verwendet man der Bequemlichkeit
halber nur die Unterschale. In der Praxis ist aber noch eine Oberschale und vielfach
überhaupt eine volle Büchse vorhanden. Lager für geringe Belastung z.B.
Triebwerkslager bestehen oftmals ganz aus Gußeisen, das bekanntlich verhältnismäßig
gute Gleiteigenschaften hat. In Bild 6 ist die
Ausdehnung von Zapfen und Schale für 40 mm Nenndurchmesser bei Lauf sitz Feinpassung
auf gezeichnet. Als Beispiel sei ein Lager mit voller Bronzebüchse gewählt und eine
Temperatur von 70° im Zapfen angenommen. Die Büchse sitzt in einem Gehäuse, das die
Wärme mehr oder weniger stark nach außen ableitet und ausstrahlt, wenn es nicht überhaupt
gekühlt wird. Die in die Welle hineingeleitete Wärme wird dagegen in größerem Maße
aufgespeichert, wodurch diese eine höhere Temperatur annimmt als der
Lagerkörper.
Textabbildung Bd. 339, S. 23
Bild 5: Auf dem Versuchsstand (n. Bild 1) erreichte Grenzbelastungen eines
Lagers mit Carobronze in Abhängigkeit von der Lagerlänge.
Textabbildung Bd. 339, S. 23
Bild 6: Beziehungen zwischen Lagerspiel u. Lagertemp.
Da die Büchse in den letzteren eingepaßt ist, kann sie sich
nicht so stark ausdehnen wie der Zapfen. Bleibt nun im ungünstigsten Fall die
Temperatur des Lagerkörpers um 20° hinter der des Zapfens zurück, so steht nur noch
ein Lagerspiel von S min = 0,009 mm zur Verfügung, also weniger als die Hälfte des
Mindestlagerspiels bei 20°. Ist das Lager ganz aus Gußeisen, so ist selbst bei einer
Temperatur von 70° im Lagerkörper das Mindest-Lagerspiel nicht mehr vorhanden.
Ein Vergleich mit Bild 4 zeigt, daß unter diesen
Umständen in einem Lager mit L > 0,5 D bereits Klemmungen auftreten können, unter
der Voraussetzung sehr genauer Herstellung und starrer Lagerung.
Um diese Verhältnisse an einem praktischen Fall nachzuprüfen, wurden im Versuchsfeld
für Maschinen-Elemente an der Technischen Hochschule zu Berlin Temperaturmessungen
an einem Lager von 40 mm Bohrung vorgenommen. Das Ergebnis zeigt Bild 7. Man sieht, daß das Lager, das durch eine
Belastung von p = 50 kg/cm2 bei v = s 2,72 m/sk
Zapfengeschwindigkeit beansprucht wurde, noch nach 1½ Std. Lauf im Anlaufzustand
war. Erst nach 5 Stunden hatten sich die Temperaturen einigermaßen ausgeglichen und
einen stationären Zustand erreicht. Die mittleren Temperaturen in Zapfen, Schale und
Lagerkörper, die der Ausdehnung zugrunde gelegt werden sollen, sind in Zahlentafel 1
zusammengestellt, wobei zunächst unberücksichtigt bleiben soll, daß die Schale an
der gedrückten Fläche eine wesentlich höhere Temperatur hat als an der unbelasteten
(vergleiche die Punkte u und o in Bild 7).
Textabbildung Bd. 339, S. 23
Bild 7: Temp. in einem Lager von 40 mm Bohrung.
Zahlentafel 1
Teil
Mittlere Temperatur in°C nach
1½ Std.
4 Std.
5 Std.
Zapfen
69
66
62,5
Schale
60
63
59
Lagerkörper
53
57
54
In Zahlentafel 2 sind die Grenzen des noch vorhandenen Spiels angegeben, und zwar
einmal für den Fall, daß die Lagerbüchse sich entsprechend ihrem eigenen
Ausdehnungskoeffizienten ausdehnen kann und zweitens für den Fall, daß sie so stramm
im Gehäuse sitzt, daß ihre Ausdehnung von diesem bestimmt wird.
Zahlentafel 2
Laufzeit
Lagerspiel in mm
Bemerkungen
1½ Std.
0,023 – 0,0850,011 – 0,070
Volle Ausdehnung derLagerbüchse Ausdehnung
entspr.dem Lagerkörper
4 Std.
0,037 – 0,0980,017 – 0,077
5 Std.
0,035 – 0,0880,017 – 0,076
Die Werte sind in Bild 4 eingetragen. Die unteren
Grenzen liegen größtenteils unter dem Kleinstspiel für Laufsitz. Die oberen Grenzen
pendeln um die obere Laufsitzgrenze herum. Bei Berücksichtigung der ungünstigsten
Fälle muß man jedenfalls damit rechnen, daß nur noch enger Lauf sitz vorhanden ist.
Danach muß sich auch die Durchbiegung der Welle richten. Noch ungünstiger erscheint
die Lage, wenn man berücksichtigt, daß die Temperatur in der Lagerbüchse nicht
überall gleich ist, und zwar nimmt sie von der belasteten Fläche zur unbelasteten
hin in dem untersuchten Lager um 4–14° ab. Dadurch dehnt diese sich ungleichmäßig
und nicht so viel aus, wie wir angenommen haben.
Bedenkt man nun noch, daß bei geteilten Lagern die Schalen durch die Deckelschrauben
aufeinandergepreßt und dadurch verzogen werden können, so erkennt man, daß man bei
der Auswahl des Lagerspiels große Vorsicht walten lassen muß.
Alle diese Umstände müssen bei der Anwendung der Versuchsergebnisse mit dem
Lagermetall auf die Praxis berücksichtigt werden. Bei den Versuchen mit
geschlossenem Lager konnte nur eine Belastung von 50 kg/cm2 erreicht werden, während nach Bild 4 ein ähnliches Material bei v = 2,7 m/sk mit
etwa 160 kg/cm2 belastet werden kann. Es sind also
anscheinend durch die Erwärmung Aenderungen des Lagerspiels eingetreten, die
Klemmungen verursacht haben, so daß der Zapfen ungleichmäßig und dadurch
stellenweise mit höherem Druck angelegen hat. Es ist also nicht der auf die ganze
Lagerfläche bezogene mittlere Druck maßgebend, sondern der örtliche Druck, der sehr
viel höher sein kann. An diesen Stellen tritt halbflüssige Reibung auf, die
allmählich zu Zerstörung oder Heißlaufen führt. Hat nun das Lagermetall gute
Gleiteigenschaften, so wird der Gefahrenpunkt weiter hinausgeschoben als bei einem
Metall mit schlechten Eigenschaften.
Zusammenfassung.
Man pflegt die Gleiteigenschaften der Lagermetalle auf Lagerprüfmaschinen
festzustellen. Die bekannteste derartige Maschine ist die Kammerermaschine des
Versuchsfeldes für Maschinen-Elemente an der Technischen Hochschule zu Berlin. Nach
diesem Modell ist im Röhrenwerk Caro in Wien eine Maschine zur laufenden Prüfung des
Werkstoffs aufgestellt worden. Nach den Ergebnissen der dort durchgeführten Versuche
mit Carobronze und Gußbronze kann man für eine im Zapfen gemessene Grenztemperatur
von 70° eine Grenzbelastungskurve bezüglich der Beanspruchung durch Druck und
Geschwindigkeit aufstellen, wobei die Kurve für Carobronze höher liegt.
Bei der Anwendung der Ergebnisse auf die Praxis sind die Erwärmungsverhältnisse im
Lager zu berücksichtigen. Welle, Lagerbüchse und Lagerkörper haben verschiedene
Ausdehnungskoeffizienten, und Versuche des Versuchsfeldes für Maschinen-Elemente
zeigen auch Temperaturen, die wesentlich voneinander verschieden sind. Daraus ergibt
sich eine Aenderung des Lagerspiels, die im Verein mit der Durchbiegung des Zapfens
zu Klemmungen in einem bei der Montage leicht laufenden Lager führen können.
Lagerlänge, Durchbiegung des Zapfens und Lagerspiel müssen dementsprechend gewählt
werden.
Durch die Klemmungen treten örtliche Ueberlastungen des Lagers mit halbflüssiger
Reibung auf, die durch die Gleiteigenschaften des Lagermetalls ausgeglichen werden
müssen.