Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 344, Jahrgang 1929, S. 55 |
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Polytechnische
Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Gegen die „tote Masse“ im Automobilbau.Lehren der Internationalen Automobil-Ausstellung. Die Internationale Automobil-Ausstellung in
Berlin hat gezeigt, daß in den vergangenen 2 Jahren eine starke Angleichung des
europäischen, speziell deutschen, und des amerikanischen Automobilbaus stattgefunden
hat. Es sind Wesensverschiedenheiten ausgeglichen worden, die vor einigen Jahren
noch deutlich ausgeprägt gewesen sind, sowohl in der äußeren Form, als auch im
inneren Bau. Und sicher ist, daß der Automobilbau in der ganzen Welt in den letzten
Jahren auf einem Gebiet viel hinzu gelernt hat, nämlich was die Verringerung der
„toten“ kraftfressenden und verzögernden Massen betrifft.
Noch vor einigen Jahren hatten die amerikanischen Wagen durchweg schwere Motoren und
leichte Karosserien, während die europäischen Motoren verhältnismäßig leicht, dafür
die Karosserien aber schwer waren. Inzwischen hat man auch in Europa gelernt,
leichtere Karosserien zu bauen, und hat sich an die früher verlachten
Blechkarosserien gewöhnt.
Die Verringerung des Motoren-Gewichtes ist deshalb von großem Einfluß auf die
Verkleinerung der „toten Masse,“ weil sein Gewicht auch Stärke und Gewicht
des Unterbaues, der Achsen, der Federung usw. beeinflußt. Die Notwendigkeit, das
Motorengewicht herabzusetzen, haben längst auch die Amerikaner anerkannt, und gerade
hier prägt sich die internationale Angleichung des Automobilbaus stark aus.
Es gibt eine Reihe von Mitteln, das Motorengewicht herabzusetzen. In erster Linie
natürlich die Verwendung leichterer Baumaterialien, die immer weitergehende
Einführung von Leichtmetallen als Automobilbaustoffen. Das zweite Mittel ist die
Steigerung der Drehzahlen. Der Amerikaner hat früher keinen Wert auf hohe
Tourenzahlen gelegt, da er den Wert der Höchstgeschwindigkeit nie überschätzt hat.
In Europa, besonders in Deutschland, zwang früher die Steuergesetzgebung dazu, mit
möglichst kleinem Hubvolumen möglichst große Höchstleistungen zu verbinden, selbst
unter Beeinträchtigung der Fahreigenschaften. Durchweg waren daher die Drehzahlen
bei uns höher als in Amerika. Heute hat die „Steuerformel“ ihre Rolle
ausgespielt, und die hohe Geschwindigkeit, als ein die Konstruktion beeinflussender
Faktor, ist stark in den Hintergrund getreten gegenüber der Elastizität und guten
Fahreigenschaften bei normalem Fahrbetrieb und mittlerer Geschwindigkeit. Die hohe
Drehzahl hat deshalb an Bedeutung verloren, und es scheint, als wenn die Drehzahl in
Zukunft überhaupt ausschließlich von wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt
werden wird und daher ihren Einfluß auf das Motorengewicht verloren hat. Man hat
augenblicklich offenbar die wirtschaftlich günstigsten Drehzahlen erreicht.
Ebenso scheint auf dem Gebiet des Hubvolumens die Entwicklung zu einem Kompromiß zu
führen zwischen der alten amerikanischen Tendenz der Erzielung bester
Fahreigenschaften und der europäischen der höchsten Wirtschaftlichkeit. Der
amerikanische Automobilbau, in seiner Entwicklung durch keine technisch anfechtbare
Steuerformel gehemmt, bevorzugte früher Motoren mit sehr großem Hubvolumen und entsprechend hoher
Beschleunigung und gutem Steigvermögen, ohne Rücksicht auf wirtschaftliche
Gesichtspunkte. In Deutschland war die Höhe der Steuer unmittelbar abhängig vom
Hubvolumen, das künstlich klein gehalten wurde, und aus dem, wiederum ohne Rücksicht
auf die Fahreigenschaften, die Höchstleistung herausgeholt werden mußte. Heute
spielt drüben auch die Wirtschaftlichkeit des Betriebes, also letzten Endes die
Brennstoffkosten, eine Rolle, während man in Europa im Konkurrenzkampf den Wert
guter Fahreigenschaften ebenfalls zu schätzen gelernt hat. Die Internationale
Automobil-Ausstellung hat gezeigt, daß die Hubvolumina der Amerikaner in den letzten
Jahren vielfach stark heruntergesetzt, und 2 bis 2 ½ Liter keine Seltenheit mehr
sind; andererseits ist infolge der Aenderung der Steuergesetzgebung vom deutschen
Automobilbau der Zwang zur künstlichen Niedrighaltung des Hubvolumens gefallen, und
manche große Fabrik hat es beim normalen Gebrauchswagen gesteigert, wie z.B. Steyr
von 1 ½ auf 2, Mercedes von 2 auf 2 ½, Brennabor und Adler von 2 ½ auf 3 Liter. Die
Maximalleistung spielt schon infolge der Erhöhung des Hubvolumens eine geringere
Rolle als früher, während die Fahreigenschaften, den Anforderungen von heute
entsprechend, durch weichere Ventilbewegung, engere Gaskanäle, große
Hinterradübersetzungen erhöht worden sind, ohne Herabsetzung der
Wirtschaftlichkeit.
Das entspricht der allgemeinen Entwicklungsrichtung, vorgezeichnet durch den normalen
Fahrbetrieb mit verhältnismäßig niedrigen Geschwindigkeiten, dauerndem Bremsen und
Anfahren im städtischen Verkehr und den Wunsch nach geringerer Benutzung der den
Brennstoffgebrauch erhöhenden Schaltung. Die Höhe der Brennstoffkosten hat
keineswegs an Bedeutung verloren, in Amerika sogar zweifellos an Bedeutung gewonnen,
was im natürlichen Zusammenhang steht mit der immer größer werdenden Ausbreitung und
Ausnutzung des Kraftfahrzeugs. Das hat hier wie drüben ganz allgemein zur
allmählichen Erhöhung des Verdichtungsgrades und damit der Wirtschaftlichkeit
geführt, wenn auch diese Tendenz in Europa sich deutlicher ausgeprägt hat als in
Amerika, wo kompressionsfeste Kraftstoffe (Benzol, Spiritus und deren Gemische mit
Benzin) nicht in so großen Mengen vorhanden sind, im Vergleich mit den Ausmaßen des
Automobilverkehrs, wie bei uns. Die Verdichtungssteigerung erlaubt eine wesentlich
erhöhte Kraftstoffausnutzung, eine größere Kraftentnahme aus dem gleichen
Brennstoff-Luft-Gemisch; sie ist aber abhängig von der Kompressionsfestigkeit der
verwandten Kraftstoffe, die nicht beliebig erhöht werden kann durch einfachen Zusatz
geringer Mengen von klopffestem Brennstoff oder Antiklopfmitteln zum nicht
kompressionsfesten Benzin. Auch auf diesem Gebiet ist zweifellos ein Angleich
zwischen Europa und Amerika auf der Ausstellung erkennbar gewesen, wenn auch
durchschnittlich Europa, beeinflußt von den anders gearteten Verhältnissen des
Brennstoffmarktes und von der größeren Bedeutung wirtschaftlicher Gesichtspunkte auf
diesem Gebiet, den Amerikanern noch etwas voraus ist. Ein Beispiel dafür ist der
neue 1,5-Liter-Wanderer, der normal mit 6,5facher Verdichtung. geliefert wird.
Zweifellos wirkt die höhere Ausnutzung der motorischen Kräfte durch erhöhte
Kompression im Sinne einer Herabsetzung des Motorengewichtes, also in der eingangs
gekennzeichneten allgemeinen Entwicklungsrichtung der Verringerung der
energiefressenden Fahrzeugmasse, und damit letzten Endes auf eine Erhöhung der
Fahreigenschaften hin.
A L.
Soll die Kühlwasser-Temperatur beim Kraftfahrzeug-Motor niedrig
oder hoch sein? Da das Kühlwasser die Aufgabe hat, die Zylinderwände des
Fahrzeug-Motors abzukühlen, könnte man anzunehmen geneigt sein, daß der Motor um so
wirtschaftlicher, also billiger und besser arbeitet, je niedriger die Temperatur des
Kühlwassers gehalten ist. Man müßte also den Kühler ganz allgemein so groß wie
möglich bauen und zumindest im Hinblick auf die Höchstleistung des Motors
dimensionieren. Daß diese Annahmen und ihre konstruktive Folgerung unter Umständen
zu Trugschlüssen führen können, und daß das Kühlwasser verschiedene, sich teilweise
widersprechende Einflüsse auf den Motorenbetrieb hat, das sollen die folgenden
Betrachtungen zeigen:
An sich bedeuten kalte Zylinderwände einen Verlust, da Wärme aus dem Zylinderinnern
nach außen abgeführt wird. Dieser Verlust infolge der niedrigen Kühlwassertemperatur
ist aber sehr gering; denn wenn man annimmt, daß während des Verbrennungsvorganges
die Temperatur im Zylinder etwa 2100° C beträgt, dann ist die Temperaturdifferenz
zwischen dem Zylinderinnern und der Wandung nicht viel größer bei kaltem Kühlwasser
von etwa 40° C als bei siedendem Kühlwasser. Es ergäben sich Temperaturunterschiede,
die um höchstens 4 % von einander verschieden sind, und, da der Wärmeverlust durch
die Zylinderwandungen allgemein den Wirkungsgrad um ungefähr 10 % verschlechtert, so
würde sich bei niedriger Kühlwassertemperatur dieser Wirkungsgrad um höchstens 4 %
von 10 %, also um ungefähr 0,4 % verschlechtern, und diese kleine Verschlechterung
infolge des Einflusses der Kühlwassertemperatur auf die Wandungsverluste kann man
ohne weiteres vernachlässigen.
Aus einem anderen Grund tritt dagegen beim Uebergang zu kälterem Kühlwasser eine
Verbesserung des Wirkungsgrades ein, die die eben erwähnte Verschlechterung ihrer
Größe nach wesentlich übertrifft. Dieser günstige Einfluß beruht auf der Berührung
des einströmenden Brennstoff-Luft-Gemisches mit den Zylinderwänden. Die mit diesem
Gemisch erreichbare Leistung ist unmittelbar abhängig vom Gewicht dieses Gemisches
und damit von seiner absoluten Temperatur nach dem Eintritt in den Zylinder. Man
kann annehmen, daß beim Uebergang von Kühlwasser von 100° C auf solches von 40° C
die Temperatur dieses Gemisches von 45° C auf 30° C heruntergeht, also um etwa 15°
C. Das würde eine Gewichtsvermehrung der Ladung um rund 3,75 % ergeben, das bedeutet
wiederum eine Erhöhung der Leistung um denselben Betrag. Dieser Leistungsgewinn von
3,75 % ist zahlenmäßig schon wesentlich größer als der eingangs entwickelte
Leistungsverlust von 0,4 %.
Noch ausschlaggebender aber ist der Einfluß der Kühlwassertemperatur auf die
Kolbenreibung. Die Kolbenreibung ist vor allem abhängig von der Viscosität, d.h. der
Dickflüssigkeit des Schmieröls. Diese hängt aber unmittelbar ab von der Temperatur
der Zylinderwandungen. Je höher diese Temperatur ist, um so dünnflüssiger wird das
Oel. Bei kaltem Kühlwasser ist also die Viscosität des Schmieröls hoch und die
Kolbenreibung groß, bei warmem Kühlwasser dagegen ist die Kolbenreibung gering. Es
können sich im normalen Fahrbetrieb hierdurch Gewinne bzw. Verluste bis zu 8 % der
Maschinenleistung ergeben. Das ist der Grund, weshalb man im allgemeinen besser mit
heißem Kühlwasser fährt und lieber auf die im vorigen Absatz angeführten Vorteile
des kalten Kühlwassers verzichtet; denn die Nachteile der Reibungsverluste
übertreffen diese Vorteile fast immer.
Noch ein vierter Umstand ist bei der Beurteilung der Kühlwassertemperatur in Betracht
zu ziehen, und das ist ihr Einfluß auf die Vergasertemperatur. Die Temperatur des
Vergasers und der Saugleitung hängt bei den meisten Motoren unmittelbar von der
Kühlwassertemperatur ab. Deshalb ist bei Verwendung schwer verdampfbarer
Brennstoffe, also solcher, die hochsiedende Bestandteile enthalten (Benzin,
Monopolin usw.) die Kühlwassertemperatur möglichst hoch zu halten, um die
Verdampfung des Brennstoffes und seine Verteilung auf die Luft im Zylinder zu
erleichtern. Bei Kühlwassertemperaturen unter etwa 80° C treten, soweit schwer
verdampfbare Brennstoffe verwandt werden, leicht Niederschläge in den Saugkanälen
und in den Zylinderwandungen ein. Die Folgen sind beträchtliche Verluste durch
unvollkommene Verbrennung, und diese Verluste machen sich bei Benzinbetrieb heute
mehr bemerkbar als bei den, weniger hochsiedende, petroleumartige Bestandteile
enthaltenden Benzinen der Vorkriegszeit. Es gilt also, diese, unter Umständen
ausschlaggebenden, Verluste durch die Verwendung von Kühlwasser nicht zu niedriger
Temperatur zu vermeiden; eine Ueberdimensionierung des Kühlers ist also in vielen
Fällen ein Nachteil, den man in letzter Zeit vielfach durch Kühlerjalousien,
Thermostaten und andere Mittel auszugleichen versucht hat.
Dipl.-Ing. A. Lion.
Die Hamburger Gaswerke und die Gegenwartaufgaben der deutschen
Gasindustrie behandelt eingehend Direktor H. Müller. Die Gasbeleuchtung wurde in Hamburg im Jahre 1845 eingeführt, in
welchem Jahre das von einer englischen Gesellschaft erbaute Gaswerk Grasbrook an der
Elbe den Betrieb aufnahm. Bereits vier Wochen danach richtete eine große Sturmflut
in dem Werke solchen Schaden an, daß die Gasversorgung 9 Monate lang unterbrochen
wurde und erst im Herbst 1846 wieder aufgenommen werden konnte. Das junge
Unternehmen machte bald gute Fortschritte und im Jahre 1864 dehnte sich das Rohrnetz
bereits auf 5 Vororte aus. Vertragsgemäß ging das gesamte Eigentum der
Gasgesellschaft im Jahre 1874 in den Besitz des hamburgischen Staates über, der aber
den Betrieb weiterverpachtete. Im Jahre 1876 wurde ein zweites Gaswerk in Barmbeck
in Betrieb genommen, dessen Tagesleistung 80000 cbm betrug, und im Jahre 1903 kam
als dritte Erzeugungsstätte das Gaswerk Tiefstack hinzu, wo bereits seit 1892
eine Behälterstation sich befand. Im Jahre 1891 hatte der Staat die Gaswerke in
eigene Verwaltung übernommen, im Jahre 1924 erfolgte jedoch die Umwandlung der
Hamburger Gaswerke in eine eigene G. m. b. H.
Während des Krieges bildete das Methangas der im Jahre 1911 zufällig erbohrten
Erdgasquelle in Neuengamme eine wertvolle Ergänzung der Gasversorgung. Die
Gasentnahme aus dieser Quelle erreichte im Jahre 1917 mit 36 Mill. cbm. ihren
Höhepunkt, in der Folge fiel aber der Gasdruck stark ab, so daß diese Quelle heute
nur noch etwa 2500 cbm Gas täglich liefert und wohl bald versiegen wird. Die
Gesamtgasabgabe der Hamburger Gaswerke ist entsprechend der Zunahme der Bevölkerung
in den letzten Jahren stark gestiegen und betrug im Geschäftsjahre 1927/28 rd. 186
Mill. cbm; außer Hamburg und seinen Vororten wurden noch 35 Nachbargemeinden mit Gas
versorgt. Der Gasverbrauch je Kopf der Bevölkerung betrug 163 cbm im Jahre 1927. Der
Preis für 1 cbm Haushaltgas beträgt in Hamburg 17 Pf. zuzüglich Gasmessermiete.
Die Bedeutung, die die Gestaltung der Gastarife für die Hebung des Gasabsatzes sowie
als Werbemittel gegenüber anderen Brennstoffarten hat, wird an Hand der Statistik
näher beleuchtet. Dem heutigen erhöhten Gasverbrauch sind die aus früheren Jahren
stammenden Innenleitungen der Häuser häufig nicht gewachsen, weil sie zu eng sind;
infolgedessen ist man an vielen Orten zu einer Erhöhung des Gasdruckes übergegangen.
In Hamburg beträgt der Gasdruck seit vorigem Jahre 70 bis 80 mm; in anderen Städten
hat man den Druck bis auf 300 mm gesteigert unter Verwendung besonderer
Hausdruckregler, deren Einbau aber für eine Großstadt mit sehr hohen Kosten
verbunden ist. Sehr wichtig erscheint in dieser Hinsicht ein verstärktes
Zusammenarbeiten der Gaswerke mit den Architekten, damit bei Neubauten künftig stets die für die Gasverwendung erforderlichen
Einrichtungen geschaffen werden.
Das Stadtrohrnetz von Hamburg hat eine Gesamtlänge von 1442 km, bei seinem Ausbau
spielt die Frage der Druckerhöhung gleichfalls eine sehr wichtige Rolle. Man hat in
Hamburg mit Erfolg versucht, die Belastung eines Rohrstranges zu ermitteln, indem
man transportable Geschwindigkeitsmesser einbaute, die mit einer elektrischen
Schreibvorrichtung versehen sind und somit die Aufnahme von Belastungskurven der
Rohrleitungen während längerer Zeit gestatten. Zur Ueberwachung des Stadtdruckes
dienen 25 registrierende Druckschreiber, die in den verschiedenen Stadtteilen
aufgestellt und mit elektrischer Ferndruckübertragung ausgerüstet sind.
Die Fernversorgung der Hamburger Gaswerke erstreckt sich außer auf die Vororte, wie
oben erwähnt, bereits auf 35 Ortschaften. Die Hochdruckleitungen haben derzeit eine
Gesamtlänge von 102 km, sie wird aber in nächster Zeit 170 km erreichen. Der
Gasverbrauch in den angeschlossenen Gemeinden weist sehr große Schwankungen auf, so
daß bei Vorausberechnungen über den Verbrauch neu anzuschließender Gebiete die
größte Vorsicht geboten ist. Gegen die geplante Gasfernversorgung vom Ruhrgebiete aus äußert
Verf. mehrfache Bedenken, weshalb er der Gruppengasversorgung den Vorzug gibt, wie
sie in Hamburg schon recht weit durchgeführt ist. (Gas- und Wasserfach 1928, S.
841–847, 868–872.)
Sander.
Ueber die Ursache der Explosion von Stahlflaschen macht
Ch. Frémont interessante
Mitteilungen. Die Herstellung der Stahlflaschen erfordert große Sorgfalt, die aber
mitunter außer Acht gelassen wird, wie folgendes Beispiel zeigt: Von einer
geborstenen, 2 m hohen Sauerstoffflasche konnten 25 Sprengstücke gesammelt werden,
die näher untersucht wurden. Die große Zahl der Sprengstücke läßt bereits auf große
Sprödigkeit des Baustoffes schließen. Die Prüfung der Innenwandung ergab das
Vorhandensein zahlreicher blatternartiger Korrosionen und Haarrisse, die zweifellos
vor der Explosion der Stahlflasche bereits vorhanden waren. Das Aussehen der
Bruchflächen deutete darauf hin, daß das Metall plötzlich gerissen war, ohne
merklichen Widerstand zu leisten. Die große Sprödigkeit des Baustoffes wurde durch
Schlagversuche an mehreren Probestücken der geborstenen Flasche bewiesen, weiter
wurde durch Korrosionversuche festgestellt, daß der Stahl Ausscheidungen und
metallische Einschlüsse enthielt, die ziemlich dicht nebeneinander auftraten. Diese
haben die Bildung von Haarrissen verursacht. An Hand mehrerer Abbildungen wird
nachgewiesen, daß die Verunreinigungen sowie die Brüchigkeit des Stahles das Platzen
der Sauerstoffflasche verschuldet haben.
Zu derartigen Mängeln des Baustoffes kommen bisweilen noch Fehler bei der Herstellung
hinzu, so z.B. Ungleichheit der Wandstärke. An Probestücken einer Stahlflasche wurde
auf einer Seite eine Wandstärke von 5,4 mm und auf der gegenüberliegenden Seite eine
Wandstärke von 7,2 mm gemessen. Ferner entstehen beim Ziehen der Flaschen an den
Wandungen Längsriefen, schließlich wird die Verbindung des Halses mit dem
zylindrischen Teile der Flasche durch autogene Schweißung als fehlerhaft bezeichnet.
Durch die Druckbeanspruchungen beim Füllen und Entleeren oder durch Erschütterungen
erfährt das Metall dauernd Biegungen, wodurch die Haarrisse allmählich größer
werden, so daß schließlich durch einen Stoß die Vereinigung von 2 solcher Haarrisse
zustandekommt, die die Explosion der Flasche nach sich zieht. Daß dieser Stoß gar
nicht sehr stark zu sein braucht, zeigt folgendes Beispiel: Eine kleine, nicht
einmal 1 m hohe Stahlflasche zersprang beim bloßen Umfallen auf den Boden.
Das Vorhandensein solch schwerer Materialfehler ist bei der Fabrikation leicht durch
Korrosion -und Bruchversuche festzustellen, so daß solche unbrauchbaren Stähle
ausgeschieden werden können. Anders liegen die Verhältnisse, wenn eine Stahlflasche
einmal fertiggestellt ist. Durch die gewöhnliche Wasserdruckprobe, die gegenwärtig
vorgeschrieben ist, läßt sich nach Ansicht des Verfassers zwar feststellen, ob das
Material für den in Frage kommenden Druck genügend elastisch ist, doch läßt sich mit
dieser Probe nicht die Mürbheit oder Brüchigkeit des Metalles erkennen, die oft die
Ursache von Explosionen sind. Die Wasserdruckprobe gibt daher nach Ansicht des
Verfassers sowohl dem Käufer, als auch dem Spediteur und dem Benutzer der fertigen
Stahlflaschen eine falsche Sicherheit. (Le Genie civil, Bd. 90, S. 239–241.)
Sander.
Ueber die Tieftemperaturverkokung in Europa und in Amerika
macht B. Schapira in der „Feuerungstechnik“ 1928,
S. 85–88, ausführliche Mitteilungen. Bei näherer Prüfung der auf dem Gebiete der
Tieftemperaturverkokung in den letzten Jahren gemachten Fortschritte ergibt sich
nach Ansicht des Verf. ein mangelhaftes Zusammenarbeiten zwischen Chemikern und
Maschinenbauern, denn zahlreiche neue Verfahren seien vom mechanischen Standpunkt
aus betrachtet gut, vom chemischen dagegen unbrauchbar, oder umgekehrt. Er gibt
sodann eine Uebersicht über einige der wichtigsten englischen und amerikanischen
Schwelverfahren, die er in solche mit Außen- bzw. Innenbeheizung einteilt. Am
bekanntesten und ältesten ist das Coalite-Verfahren von Parker, nach welchem in
Barugh (Yorkshire) gearbeitet wird. Die dortige aus 32 stehenden Retorten bestehende
Anlage hat einen Durchsatz von nur 50 t in 24 st. Die Schweltemperatur beträgt bei
diesen Retorten 650°, die Schweldauer 4 st. Als Beispiel für eine liegende Retorte
wird das amerikanische McIntire-Verfahren angeführt, bei dem die Kohle durch eine
feststehende Horizontalretorte, die von außen beheizt wird, mit Hilfe von an einer
Welle befestigten Rührarmen gefördert wird. Ein Tunnelofen, bei dem die Kohle auf
einem endlosen Stahlband ruht und von unten durch geschmolzenes Blei erhitzt wird,
ist der Piron-Ofen, der bei der Ford Motor Co. erprobt worden ist. Die bekannte
Firma Vickers Ltd. baut eine liegende Drehretorte, die sogenannte Fusion-Retorte, in
der eine freibewegliche Rührvorrichtung sich mitdreht, um ein Anbacken der Kohle an
den Wandungen zu verhindern. Auch hier erfolgt die Beheizung von außen, und zwar im
Gegenstrom zur Kohle.
Von den Verfahren mit Innenbeheizung bespricht Verf. näher die Vertikalretorten von
McLaurin und von Hood-Odell, von denen jene im Gaswerk in Glasgow in Betrieb ist,
während diese in Amerika für die Verschwelung von Braunkohle Anwendung findet,
ferner die geneigte Drehretorte von Nielsen, bei der ebenfalls die Verschwelung mit
Hilfe von heißem Generatorgas erfolgt. Zum Schluß wird kurz auf die
Brikettverschwelung nach Sutcliffe-Evans sowie auf die Verschwelung von Kohlenstaub
nach McEwen-Runge hingewiesen, die als Heizmittel heißes Koksofengas bzw. Rauchgas
benutzen.
Sander.
Beitrag zur Gewinnung von Tieftemperatur-Teer. G. Kroupa erörtert an Hand der österreichischen Förder- und
Verbrauchsmengen von Braunkohle die Bedeutung der Urteergewinnung für die Verwertung
der Abfall- und Kleinkohle, deren Menge etwa 40 % der gesamten Förderung beträgt. Er
verweist sodann auf die Anforderungen, die an einen Schwelofen für die Verarbeitung
von Kleinkohle (Korn 0–25 mm) sowie im Hinblick auf die günstigste Teerausbeute zu
stellen sind, und beschreibt einen von ihm konstruierten Schwelofen, bei dem die
Kohle kontinuierlich über im Zickzack übereinanderliegende schräge Flächen rutscht und hierbei
einer allmählich steigenden Erhitzung ausgesetzt ist. Es handelt sich hierbei um
einen gemauerten Schachtofen von 4,5 × 2,5 m Grundfläche, in den vier kastenartige
feststehende Herde eingebaut sind, die durch Kniestücke miteinander verbunden sind.
Drei dieser Herde werden durch je einen Gasbrenner, der beliebig eingestellt werden
kann, beheizt, während in dem vierten Herd nur die heißen Abgase der drei anderen
Herde wirken, lieber dem Schwelraum ist eine stehende eiserne Retorte von 2 m Höhe
angebracht, die von den Abgasen des Schwelofens außen umspült wird und zur
Vortrocknung der Kohle dient. Die Kohle wird durch zwei Fülltrichter mit
Konusverschluß in die Eisenretorte aufgegeben. Der bei der Trocknung gebildete
Wasserdampf wird durch ein in der Mitte der Retorte angebrachtes senkrechtes
Abzugrohr abgeleitet. Die getrocknete Kohle gelangt unmittelbar in den Schwelraum,
der an seinem unteren Ende durch eine kreuzförmige Walze abgeschlossen ist. Durch
diese wird der heiße Schwelkoks kontinuierlich in einen Kühlraum ausgetragen. Die
beschriebene Bauart des Ofens ermöglicht eine rasche Verschwelung der Kohle, da
diese in einer Schichtstärke von nur etwa 40 mm dauernd über die heißen
Schrägflächen rieselt und sich hierbei ständig mischt. Die Schweldämpfe und Gase
werden durch Kanäle in den Längsseiten des Ofens abgeleitet und der Kondensation
zugeführt. Als besonderes Merkmal des Ofens bezeichnet Verf. die Möglichkeit, jeden
einzelnen Herd auf eine bestimmte Temperatur zu erhitzen und so die Entteerung der
Kohle ebenso schonend wie im Laboratorium vorzunehmen. (Petroleum 1928, S.
894–898.)
Sander.
Die Umwandlung von Methan in Wasserstoff und Kohlenoxyd
haben Fr. Fischer und H. Tropsch näher untersucht. Die Umwandlung von Erdgas,
Kokereigas und anderen methanhaltigen Gasen in Wasserstoff-Kohlenoxydgasgemische hat
großes praktisches Interesse, weil diese Gasgemische einmal zur synthetischen
Gewinnung von Kohlenwasserstoffen, Methanol oder Synthol Verwendung finden können,
anderseits nach Umsetzung des Kohlenoxyds mit Wasserdampf in Kohlensäure und
Wasserstoff aber auch für die Ammoniaksynthese von Wichtigkeit sind.
Die Zersetzung des Methans läßt sich nach verschiedenen Richtungen vornehmen, je
nachdem man mit oder ohne Wasserdampfzusatz arbeitet. Die früheren Versuche von
Berthelot, Haber, Mayer und Altmayer, Bone u.a. werden kurz erörtert, ebenso werden
die entsprechenden Patente angeführt, unter denen einige neuere Anmeldungen der I.
G. Farbenindustrie, A.-G., Beachtung verdienen.
Die eigenen Untersuchungen der Verfasser erstreckten sich auf die Prüfung der Eignung
einer großen Zahl von Katalysatoren für die Umsetzung von
Methan-Kohlensäuregemischen, Kokereigas-Kohlensäuregemischen sowie von Kokereigas
mit Wasserdampf. Zu der ersten Versuchsreihe wurde Erdgas von Neuengamme mit
Kohlensäure im gleichen Verhältnis gemischt und dieses Gemisch (48 % CO2, 48 % CH4, 4% N2) wurde aus einer Stahlflasche über einen
Druckregler und einen Strömungsmesser durch eine Quarzkapillare in ein
Porzellanrohr eingeführt, das den Katalysator enthielt und in einem
elektrischen Ofen auf die gewünschte Temperatur erhitzt wurde. Die austretenden Gase
wurden gemessen und analysiert. Durch eine Umgehungsleitung konnte das Gasgemisch um
den Ofen herumgeleitet und ebenfalls im Gasbehälter aufgefangen und gemessen werden;
auf diese Weise konnte bei gleichem Stand des Strömungsmessers leicht die bei der
Zersetzung im Ofen eingetretene Volumänderung des Gasgemisches ermittelt werden.
In dieser Weise wurden 20 verschiedene Katalysatoren geprüft, und zwar neben Kupfer,
Nickel, Kobalt, Eisen, Molybdän, Wolfram und Kupfer-Nickel auch Gemische dieser
Metalle mit Aluminiumoxyd, Magnesit, Graphittiegelmasse, Tonscherben u.a. Die fein
verteilten Metalle wurden auf einer aus Quarzsand und Natriumsilikat als Bindemittel
bestehenden Masse niedergeschlagen, deren Korngröße etwa 4 mm betrug.
Wenn die Reaktion CH4 + CO2 = 2 CO + 2 H2 vollständig verläuft, muß
sich das Gasvolumen verdoppeln. Tatsächlich wurden Volumvermehrungen bis zu 95 %
beobachtet, wie an Hand mehrerer Zahlentafeln nachgewiesen wird. Die besten
Ergebnisse lieferten Nickel und Kobalt, deren Wirksamkeit durch Zusatz von
Aluminiumoxyd noch erheblich gesteigert werden konnte. Von den benutzten Trägern
bewährten sich am besten Tonscherben, da sie nicht nur ihre Aktivität, sondern auch
ihre Form bewahrten, während einige der anderen Massen bei der Umsetzung zerfielen,
und zwar namentlich bei der höheren Temperatur, die bei den Versuchen mit
Koksofengas angewandt wurde. Hierbei diente als Ausgangsgas ein Gemisch von 4 Teilen
gereinigtem Kokereigas, das 24 % Methan enthielt, mit 1 Teil Kohlensäure, die
wiederum einer Stahlflasche entnommen wurde. Die hier beobachteten Volumvermehrungen
sind größer, als die aus dem Methangehalt berechneten, da auch die schweren
Kohlenwasserstoffe vollständig zersetzt wurden. Diese lieferten bei Temperaturen
unterhalb 850° Kohlenstoff, der aber bei höherer Temperatur mit der Kohlensäure
sekundär in Reaktion trat. Es zeigte sich ferner, daß der organische Schwefel des
Kokereigases bei der Umsetzung in Schwefelwasserstoff verwandelt wurde, Bei
Verwendung von Nickel, das auf Quarzsandmasse niedergeschlagen war, wurde bei
860–870°, bei etwa 20 cm3 Kontaktvolumen und einer
Gasgeschwindigkeit bis 13,2 l/st ein nahezu vollständiger Umsatz erzielt und ein
Gasgemisch erhalten, das Kohlenoxyd und Wasserstoff im Verhältnis von etwa 3 : 5
enthielt. Ausgehend von einem Gemisch von Kokereigas und Wasserdampf wurde mit
Nickel-Aluminiumoxyd und Kobalt-Aluminiumoxyd bei 860° und einer Gasgeschwindigkeit
von 4 l/st oder bei 930° und 15 l/st ein vollständiger Umsatz erzielt und ein
Gasgemisch erhalten, das Kohlenoxyd und Wasserstoff im Verhältnis 1 : 3,5 bis 4
enthielt. Durch bloßes Ueberleiten über Koks bei 1000° wurde dagegen nur eine
teilweise Zersetzung des Methans erreicht. (Brennstoffchemie 1928, S. 39–46.)
Sander.
Ueber den Betrieb des Siemens-Martin-Ofens mit Koksofengas
berichtet G. Bulle. Seit etwa zwei Jahrzehnten bemüht man
sich in Europa sowie in Amerika, das immer reichlicher zur Verfügung stehende Koksofengas zur
Beheizung von Siemens-Martin-Oefen zu benutzen. Der erste Versuch in dieser Richtung
wurde in Deutschland bereits im Jahre 1909 auf der Hubertushütte gemacht, wo durch
Zumischen von Koksofengas zum Generatorgas allmählich steigend bis zu 50 %,
ausnahmsweise bis zu 70 % des Wärmebedarfs durch Koksofengas gedeckt wurden. In
Amerika trat das Koksofengas in den Hüttenwerken häufig an die Stelle von Naturgas,
wobei sich jedoch die Notwendigkeit ergab, mit dem Gase zusammen auch noch Teer zu
verfeuern. Durch bessere Wartung der Kokereien hat sich in den letzten Jahren die
Güte des Koksofengases wesentlich gesteigert; der Kohlensäure- und Stickstoffgehalt
des Gases ist zurückgegangen und auf der anderen Seite ist der Wasserstoff- und
Methangehalt entsprechend gestiegen, so daß der untere Heizwert des Koksofengases
heute 4000 bis 4300 WE/m3 beträgt, während vor dem
Kriege ein unterer Heizwert von 3500 WE/m3 die
Regel war.
Heute arbeiten in Deutschland mehr als fünf Werke mit einem Mischgas aus Hochofengas
und Koksofengas (Zweigas), fünf Werke betreiben ihre Oefen mit kaltem Koksofengas
(Kaltgas) und mehrere Werke arbeiten mit einem Gemisch von Generatorgas, Hochofengas
und Koksofengas (Dreigas); in vielen Werken wird schließlich noch Koksofengas als
Zusatz zu dem vorwiegend verwendeten Generatorgas verfeuert. In Amerika werden etwa
12 % der gesamten Stahlerzeugung mit Koksofengas allein und weitere 26 % mit
Gemischen von Koksofengas mit Teer, Oel oder anderen Gasen erzeugt.
Verf. macht weiter ausführliche Mitteilungen über die Eigenart des Koksofengases
gegenüber anderen Brennstoffen, die für Siemens-Martin-Oefen Verwendung finden,
wobei er die Gaszusammensetzung und die Abgasmenge, den Heizwert, die
Verbrennungstemperaturen, die Wärmeausnutzung, den Wärmeübergang, ferner die-
Vorwärmung und die hierbei zu beachtende Zersetzung der schweren sowie der
Methankohlenwasserstoffe, das spezifische Gewicht und seine Bedeutung für die
Flammenführung und schließlich den Schwefelgehalt des Koksofengases und seine
mögliche Einwirkung auf das Bad einer näheren Betrachtung unterzieht. Im Anschluß
hieran werden die verschiedenen Arten des Mischgas- und Kaltgasbetriebes besprochen,
wobei auch die Konstruktion und die Anordnung der Gasbrenner sowie die in Europa und
in Amerika gemachten Betriebserfahrungen ausführlich erörtert werden. Namentlich
über die mit Kaltgas betriebenen amerikanischen Siemens-Martin-Oefen werden
interessante Betriebszahlen mitgeteilt. Auch das neuerdings bei der Zerlegung des
Koksofengases durch Tiefkühlung gewonnene ziemlich reine Methan wird zum schärferen
Treiben von Kaltgasöfen gut geeignet sein und deshalb als Zusatzgas für die Zeiten
hohen Wärmebedarfs mit Vorteil Verwendung finden.
Verf. faßt seine Ausführungen wie folgt zusammen: Infolge seines hohen Heizwertes
verspricht Koksofengas, selbst bei nicht weitgehender Vorwärmung, gute
Schmelzergebnisse; anderseits ist die bei der Verbrennung von Koksofengas
entstehende farblose Flamme für die Wärmeübertragung auf das Schmelzbad
ungünstig. Koksofengas zerfällt bei starker Erhitzung unter Kohlenstoffabscheidung
in ein Wasserstoff- und kohlenoxydreiches Gas, dabei steigt aber bei starker
Erwärmung die Gesamtverbrennungswärme der aus 1 nm3 Koksofengas gebildeten Zersetzungsstoffe, so daß eine Gasvorwärmung
nicht schädlich ist. Koksofengas wird hauptsächlich in Mischung mit Gichtgas
(Zweigas) mit Vorteil verwendet. Manche Werke benutzen auch ein dreifaches Mischgas
(Dreigas), häufig wird Koksofengas auch nur als Zusatz für Generatorgasöfen
verwendet. Alle drei Formen des Mischgasbetriebes sind dem Generatorgasbetrieb
gegenüber meist betrieblich, häufig auch wärmetechnisch überlegen. Der Betrieb mit
Kaltgas erfordert wegen der schlechten Sichtbarkeit der Flamme eine gewisse
Anlernung der Bedienungsmannschaft, er ist aber allen Anforderungen des
Stahlwerkbetriebes gewachsen. Die Gasverbrauchzahlen sind sowohl bei Misch- als auch
bei Kaltgasbetrieb im Vergleich zu Generatorgas günstig. (Stahl und Eisen 1928, S.
1353–1362.)
Sander.
Deutschlands Verbrauch an Kraftstoffen im Jahre 1928.
(VDI-Nachr. 1929, Nr. 4, S. 8.) Auf Grund der Verbrauchszahlen für die ersten drei
Vierteljahre hat der Benzol-Verband in Bochum eine Schätzung für den Gesamtverbrauch
an flüssigen Brennstoffen für den Kraftwagen- und Luftverkehr im Jahre 1928
aufgestellt. Hiernach ergeben sich folgende Verbrauchsmengen:
I.
Benzin.
t
t
Einfuhrüberschuß.
860000
einheimisches Erdöl- und Braunkohlenbenzin
10000
künstliches (I.G.) Benzin
30000
–––––––
Zusammen:
900000
davon ab für techn. Zwecke
175000
–––––––
725000
II.
Benzol.
einheimische Erzeugung
320000
Einfuhrüberschuß
175000
–––––––
Zusammen:
495000
davon ab für techn. Zwecke
50000
–––––––
445000
III.
Motorspiritus.
Absatz
15000
––––––––
1185000
Der Gesamtverbrauch an Kraftstoffen beläuft sich somit auf rund 1,2 Mill. t gegenüber
0,9 Mill. t im Jahre 1927. Dies entspricht einer Zunahme von rd. 33 vH. Da sich der
Kraftwagenbestand vom 1. Juli 1927 bis zum 1. Juli 1928 jedoch nur um rd. 29 vH
vermehrt hat, lassen die Kraftstoffverbrauchzahlen auf eine größere Intensität des
Kraftwagenverkehrs im letzten Jahre schließen.
Sander.
Ueber die Phenolextraktion aus Kokerei-Abwässern macht der
Geschäftsbericht der Emschergenossenschaft für die Zeit vom 1. April 1927 bis 31.
März 1928 folgende Mitteilungen:
Die Versuche zur Gewinnung des Phenols aus dem Ammoniakwasser der Kokereien, die die
Emschergenossenschaft auf den Kokereien Dorstfeld II/III, König Ludwig IV.,
Mathias Stinnes I/II und den Jacobischächten durchgeführt hat, haben ergeben, daß
sich das Verfahren noch wirtschaftlich durchführen läßt, wenn das im Rohwasser
enthaltene Phenol noch eine Konzentration von etwa 2 g/l hat. Die Auswaschung des
Phenols gelingt praktisch bis auf einen Restgehalt von 0,6 bis 0,8 g. Hierfür
braucht man als Waschmittel eine Umlaufmenge von 20 bis 25 % Benzol, bezogen auf die
durchgesetzte Wassermenge. Das im Ammoniakwasser gelöst bleibende Benzol kann
entweder indirekt nach Durchgang durch die Ammoniakabtreiber durch die Einrichtungen
der Benzolfabrik oder direkt durch eine besondere der Entphenolungsanlage
nachgeschaltete Apparatur wiedergewonnen werden. Bei der allgemeinen Einführung des
Verfahrens auf den Kokereien des Emschergebiets kann man damit rechnen, daß jährlich
etwa 5000 t Phenol zurückgehalten bzw. wieder gewonnen werden können. Die Preise,
die für das gewonnene Produkt erzielt werden, sind günstig, auch scheint der Markt
für dieses Rohphenolöl aufnahmefähig genug ZU Sein.
Sander.
Die Psychologie des Unfalls. (Vortrag von Dr. Hildebrandt,
Bochum, über „Unfallpsychologie“ am 14. 2. 29 im VDI.) Ausgehend von der
Erkenntnis, daß zahlreiche Unfälle durch persönliches Versagen der Menschen selbst
veranlaßt sind, hat man schon seit längerer Zeit in den Dienst der praktischen
Unfallbekämpfung eine sogenannte psychologische Unfallverhütungspropaganda gestellt.
Durch Bilder, Vorträge, Filmdarbietungen, Prämienausschreiben wird versucht, eine
planmäßige und umfassende Aufklärungs- und Erziehungsarbeit an der Allgemeinheit zu
leisten und durch Hinweis auf typische Gefahrenquellen die Zahl der Unfälle
herabzusetzen. So bedeutungsvoll Bestrebungen dieser Art sind, und so sehr sie
weitestgehende Förderung verdienen, so sind sie doch nicht in der Lage, die
zahlreichen Möglichkeiten solcher Unfälle auszuschalten, die – nach den Ergebnissen
der näheren psychologischen Analyse – als Folgen zentraler physiologischer und
psychologischer Vorgänge und Zustände entstehen, in ihrem Ursprung nur schwer zu
erkennen, in ihrem Einfluß auf das menschliche Handeln zeitlich nicht
vorauszuberechnen und wahrscheinlich nie zu regulieren sind. An irgendeinem Tag, zu
irgendeiner Stunde, nach bestimmten Erlebnissen und Eindrücken kann sich eine
plötzliche Unfalldisposition einstellen, die sich in einer Unsicherheit der Arbeit
des menschlichen motorischen Apparates äußern und bei gefahrbringenden Momenten in
der Umgebung des Menschen und in seinen beruflichen Aufgaben leicht einen Unfall
hervorrufen kann. Solche Zustände schwinden ebenso unvermittelt, wie sie gekommen
sind.
Das stärkere oder schwächere Vorhandensein bestimmter Eigenschaften, wie
Reaktionsschnelligkeit und Beweglichkeit, kann in bestimmten Berufen, die solche
Eigenschaften gerade verlangen, wohl im Hinblick auf Unfallmöglichkeiten eine Rolle
spielen, wird aber im allgemeinen bei den normalen Anforderungen des täglichen
Lebens bedeutungslos bleiben. Indes hat sich bei Menschen von bestimmten Anlagen
eine ausgesprochene „Unfall-Affinität“ gezeigt, und Untersuchungen führten zu
der bemerkenswerten Feststellung, daß es sich hierbei im allgemeinen um
besonders geschickte Personen von kurzen Reaktionszeiten mit der Befähigung zu hohen
Aufmerksamkeitsleistungen, aber einem Mangel an Willensenergie und Ausdauer bei
gleichförmiger und uninteressanter Beschäftigung handelt. Eine
individual-psychologische Untersuchung ergab ferner, daß das Innenleben dieser
Menschen durch schwere psychische Träume und häufige Abweichungen vom Normalen in
bezug auf Familien- und Sexualleben meist sehr stark belastet ist, sich in
Unstetigkeit äußert und kein positives Verhältnis zum Leben aufkommen läßt. Die
Unfallaffinität beruht also auf zentralen Veränderungen des gesamten Habitus.
Auch um die Erforschung der äußern, Unfälle begünstigenden Umstände ist man seit
langem bemüht und konnte feststellen, daß die Unfallzahlen bei gewissen
Temperaturen, Tages- und Jahreszeiten, sowie an einzelnen Wochentagen besonders hoch
sind. Auch bestimmte Altersklassen von Menschen zeigen eine besondere Gefährdung;
und eigentümlicherweise nicht die alten, sondern jugendliche Menschen um das 20.
Jahr herum, was mit der oben dargestellten psychologischen Erklärung dieser
Erscheinung durchaus in Einklang zu bringen ist.
Man beginnt heute bereits, die Erkenntnisse auf dem Gebiet der Unfallpsychologie der
praktischen Unfallverhütung nutzbar zu machen, und es ist nicht ausgeschlossen, daß
in wenigen Jahren diese neuen Methoden der Unfallbekämpfung zu größerer Bedeutung
gelangen.
Deutschlands Beteiligung am Weltingenieurkongreß in Tokio
1929. Für den großen Weltingenieurkongreß und die mit ihm verbundene
Weltkraft-Teilkonferenz, die in der Zeit vom 29. Oktober bis 7. November d. J. in
Tokio stattfinden, sind von deutscher Seite bereits über 50 Beiträge angemeldet
worden.
Die Veranstaltung begegnet schon jetzt in allen Ländern, ganz besonders aber in
Amerika, einem ungewöhnlich starken Interesse. Von Seiten Japans wird alles
aufgeboten, um den Besuch für die Teilnehmer der Tagungen so ergebnisreich und
eindrucksvoll wie möglich zu gestalten. Vier Tage vor Beginn und fünfzehn Tage nach
Beendigung der offiziellen wissenschaftlichen Verhandlungen sind ausgedehnte
Besichtigungen und Rundreisen durch alle Teile des Landes vorgesehen, um die
Teilnehmer nicht nur über den Stand der heutigen Technik und Wirtschaft Japans zu
unterrichten, sondern ihnen auch die vielen kultur-historisch bedeutsamen Stätten,
die Fremden sonst nicht gezeigt werden, zugänglich zu machen. Auf diese Weise soll
den Besuchern ein wirklich abgerundetes Bild der japanischen Kultur und Zivilisation
vermittelt werden.
Für die Besichtigungen ist ein Reiseplan ausgearbeitet, der eine Strecke von nicht
weniger als 2000 km – d. i. etwa die Luftlinie Oslo-Rom – umfaßt. Die
Staatseisenbahnen geben sämtlichen Kongreßteilnehmern freie Fahrt auf japanischem
Boden, verschiedene Schiffahrtsgesellschaften gewähren eine Ermäßigung von 15 v. H.
Für die deutschen Teilnehmer kommen drei Reisewege in Betracht: die Fahrt über
Sibirien in rd. 14 Tagen, über Amerika in rd. 31 Tagen und über Indien in rd. 42 Tagen. Das
Amerikanische Nationale Komitee der Weltkraftkonferenz richtet an alle europäischen
Teilnehmer der Weltkraft – Teilkonferenz die Bitte, den Hinweg über Amerika zu
wählen und stellt für diesen Fall eine Reihe bedeutender Vergünstigungen in
Aussicht. Anmeldungen der deutschen Teilnehmer sind bis 1. März d. J. zu richten an
das Deutsche Nationale Komitee der Weltkraftkonferenz, Berlin NW 7,
Ingenieurhaus.
Aufklärungsaktion über akademische Berufe. Trotz
mancherlei Warnungen hat der Zudrang zu den Hochschulen angehalten, ja, es ist sogar
ein weiteres Ansteigen zu befürchten. Einer der wichtigsten Gründe für diese
Entwicklung ist die mangelnde Aufklärung der Schüler der höheren Lehranstalten.
Hier greift jetzt die „Deutsche Zentralstelle für
Berufsberatung der Akademiker E. V.“ (Berlin W 62, Kurfürstenstr.
103) mit einer großzügigen Aufklärungsaktion ein. Sie
versendet kostenlos ihre sämtlichen „Merkblätter für Berufsberatung“ an: a)
alle höheren Lehranstalten, b) die Kreis- und Stadtschulinspektionen, c) die
deutschen Hochschulen, d) die Schulabteilungen der Regierungen, e) die
Provinzialschulkollegien, f) die Kultusministerien. Erfaßt werden also direkt oder
indirekt alle Schulen Deutschlands. Zur Verteilung
gelangen nicht weniger als rd. 300000 Merkblätter, da 3500 Schulen und Stellen bei
dieser Aktion berücksichtigt wurden.
Diese Merkblätter zeigen zum Teil neue Wege, zum Teil berücksichtigen sie auch die
Handarbeit. Das ist deshalb besonders wichtig, damit die Vorurteile, die bei der
Berufswahl vielfach zutage treten, endlich zum Verschwinden gebracht und von den
Schülern der höheren Lehranstalten auch die heute zum Teil günstig gelagerten
handwerklichen Berufe in den Kreis der Erwägung gezogen werden.
Diese Merkblätter sind bekanntlich von ersten Fachvertretern bearbeitet und werden
herausgegeben in Zusammenarbeit mit den zuständigen Berufsorganisationen, wie den
Verbänden der Akademiker, dem Deutschen Ausschuß für technisches Schulwesen, dem
Bund der Akademikerinnen, dem Deutschen Auslands-Institut in Stuttgart und anderen
Stellen. Jedes Merkblatt ist in sich abgeschlossen und nach gleichen Gesichtspunkten
gegliedert.
In den Merkblättern werden die Berufe der folgenden Hauptgruppen behandelt: A.
Theologie, B. Unterrichtswesen (philolog. Berufe), C. Medizin. D. Rechts- und
Staatswissenschaft, E. Land- und Forstwirtschaft. F. Technik und
Naturwissenschaften, G. Frauenberufe, H. Heer, Marine, Polizei, I. Werkberufe, K.
Auswanderung.
Die Merkblätter (Einzelpreis 30 Pf.) sind vom Buchhandel oder der Fa. Trowitzsch
& Sohn, Berlin SW 48, zu beziehen. Es liegt im Interesse aller beteiligten
Kreise, bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf diese Blätter
hinzuweisen und sie selbst zu benutzen.
Weltkraft – Teilkonferenz über Wasserkraftnutzung in Barcelona
1929. Die nächste Teiltagung der Weltkraftkonferenz, deren letzte Veranstaltung die Brennstofftagung
in London (September bis Oktober 1928) war, findet in der Zeit vom 15. bis 23. Mai
d. J. in Barcelona statt. Die Konferenz ist der
Gesamtausnutzung der Wasserkräfte gewidmet und wird das umfassende Stoffgebiet in
fünf großen Themengruppen behandeln. Ihr Gegenstand sind:
1.die allgemeinen hydrologischen Aufgaben, wie die
Untersuchung der Wasserkräfte, die hydrologische Charakteristik der einzelnen
Länder, die Veränderung der Wasserstände, die Klassifizierung der Flüsse und die
Aufgaben der Kraftausnutzung;
2.die technischen Aufgaben, wie der Entwurf, Bau und
Betrieb der für die Wasserkraftnutzung bestimmten Bauten;
3.die wirtschaftlichen und finanziellen Aufgaben, wie
die Fragen der Rentabilität, der Verbrauchssteigerung, der
verwaltungstechnischen Organisation, der Kraftverwendung in Industrie und
Landwirtschaft;
4.die gesetzlichen Aufgaben, wie die Feststellung des
Unterschiedes zwischen wasserreichen und wasserarmen Ländern in seinem Einfluß
auf die Gesetzgebung, sowie der gesetzlichen Grundlagen für den
zwischenstaatlichen Energieaustausch;
5.die Maßnahmen des Wasserschutzes, wie die Sicherung
der Ufer, Bauten und Flußbecken, die Verhütung von Ueberschwemmungen und ihre
Bedeutung in technischer, wirtschaftlicher und sozialer Beziehung.
An die Tagung schließen sich in der Zeit vom 23. Mai bis 4. Juni offizielle
Besichtigungen in Spanien an. In Anbetracht dessen, daß gleichzeitig mit der
Konferenz die Weltausstellung in Barcelona und die Ibero – Amerikanische Ausstellung
in Sevilla stattfinden, wird mit einer großen Beteiligung gerechnet. Anmeldungen
deutscher Teilnehmer sind baldmöglichst zu richten an das Deutsche Nationale Komitee
der Weltkraftkonferenz, Berlin NW 7, Ingenieurhaus, Friedrich-Ebert-Str. 27.
Die nächsten Veranstaltungen der Weltkraftkonferenz sind die mit einem
Weltingenieurkongreß verbundene Teilkonferenz in Tokio (29. Oktober bis 27. November
1929), und die Zweite Vollsitzung der Weltkraftkonferenz in Berlin (16. bis 22. Juni
1930). Auch für diese beiden Tagungen, ganz besonders aber für die große
Vollkonferenz in Berlin, ist das Interesse bereits jetzt außerordentlich groß.
Die Technische Hochschule Braunschweig ernannte den
Direktor bei der Siemens & Halske A.-G. Richard
Schwenn wegen seiner Verdienste um die Meßtechnik zum Dr. – Ing. e. h. Der Leiter der Meßinstrumenten-Abteilung des
Wernerwerks ist im Jahre 1881 in Kiel geboren, wo er das Gymnasium besuchte und
absolvierte. Er studierte an der technischen Hochschule Charlottenburg, an der er
auch die Hauptprüfung ablegte. Seit 1905 steht der nunmehr Ausgezeichnete, von einer
kurzen Unterbrechung abgesehen, im Dienste der genannten Firma.