Titel: | Das Leistungsfaktor (cos φ)-Problem vom Standpunkte des Stromkonsumenten. |
Autor: | F. A. Foerster |
Fundstelle: | Band 344, Jahrgang 1929, S. 1 |
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Das Leistungsfaktor (cos φ)-Problem vom
Standpunkte des Stromkonsumenten.
Von Oberingenieur F. A. Foerster,
Berlin.
FOERSTER, Das Leitungsfaktor-Problem vom Stadtpunkte des
Stromkonsumenten.
In den Elektromotorbetrieben unserer Wechselstrom- und Drehstromanlagen ist der
Leistungsfaktor (cos φ) hinlänglich als ein sowohl
die Gesamtanlage in ihrer Leistungsfähigkeit, wie den Wirkungsgrad der
Betriebsmotoren und des Leitungsnetzes nachteilig beeinflussender Schädling bekannt,
der unter ungünstigen Betriebsverhältnissen in dieser Hinsicht sich geradezu
katastrophal auswirken kann. Die Besitzer elektrischer Motorenbetriebe, die aus
einem Elektrizitätswerk oder einer Ueberlandzentrale den Betriebsstrom für ihre
Anlagen beziehen, haben die üblen Eigenschaften dieses Schädlings in ihren
peinlichen Auswirkungen oft genug in recht empfindlicher Weise kennen gelernt. Es
erscheint deshalb angezeigt, ihn einmal vom Standpunkte des Stromkonsumenten
kritisch etwas genauer zu betrachten.
Um ihn in weitesten Interessentenkreisen nach Gebühr würdigen zu können, sei
einleitend auf seine Entstehung und auf die Art, wie er seinen schädlichen Einfluß
geltend macht, näher eingegangen.
Solange man in elektrotechnischen Fachkreisen in der theoretischen und praktischen
Elektrotechnik, etwa bis ums Jahr 1890 herum, nur mit dem Gleichstrom befaßt war,
kannte man die durch die Phasenverschiebung hervorgerufenen wattlosen Ströme, die
sogenannten Blindströme der Wechselstromtechnik nicht. In
den Gleichstrom-Anlagen war die elektrische Leistung (in Watt) N immer gleich dem
Produkte aus der Spannung E und der Stromstärke J. Es war also immer: N = E × J und
demgemäß die elektrische Arbeit A = E × J × T, wobei T die Zeit, während welcher
eine bestimmte Leistung ausgeübt wird, bedeutet. Ganz analog der mechanischen
Arbeit, die das Produkt aus Kraft mal Weg, ausgedrückt in kgm (Kilogrammetern) und
der mechanischen Leistung, die den Wert Kraft mal Weg in der Zeiteinheit, der
Sekunde, ausgedrückt in kgm/sec. darstellt, wobei das in der Praxis übliche
technische Maß, die Pferdestärke, 1 PS = 75 kgm/sec. = 736 Watt ist wenigstens
theoretisch. In praxi wird dieser Wert durch Umwandlungsverluste in der Maschine
etwas verändert. Diese Beziehungen waren aber so klar und einfach und standen wie
ein unverrückbares Dogma fest. Auch das durch eine so einfache mathematische
Beziehung ausgedrückte Ohms ehe Gesetz, das Fundamentalgesetz der Elektrotechnik E =
J × W, in welchem E die Spannung, J die Stromstärke und W den Widerstand bedeutet,
genau so wie die Erweiterungen desselben, das Joulesche
Gesetz und die Kirchhoffschen Regeln, sie alle bauten
sich hierauf in gleicher Weise und überwältigender Einfachheit und Folgerichtigkeit
mit absoluter, unfehlbarer Sicherheit und Zuverlässigkeit auf.
Textabbildung Bd. 344, S. 1
Abb. 1.
In der Wechselstromtechnik, die nach der Einführung des Drehstromes (dreiphasigen
Wechselstrom) durch Haselwander in Offenburg im Jahre
1891 den stärksten Anstoß zu ihrer Entwicklung erhielt, war das mit einem Schlage
anders. In der Wechselstromtechnik ist nicht immer, oder sagen wir richtiger: nur
selten die elektrische Leistung gleich dem Produkt aus Spannung und Stromstärke, wie
wir diese Größen bisher so sicher und einwandfrei mit dem Wattmeter, dem Voltmeter und dem
Amperemeter zu messen gewöhnt waren. Wir lernten hier unterscheiden zwischen
wirklichen und scheinbaren Wattleistungen (Wirk- und Scheinleistungen). Wir lernten
die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom, hervorgerufen durch induktive
oder kapazitive Belastung des Netzes, den Phasenverschiebungswinkel (∡ φ) und den
durch diesen bestimmten „cos φ“ als Leistungsfaktor kennen. In dem
umstehenden Schema (Abb. 1) bedeuten:
G = Generator für Gleichstrom oder Wechselstrom,
W = Wattmeter (Leistungsmesser),
V = Voltmeter (Spannungsmesser),
A = Amperemeter (Strommesser),
L = Glühlampen (oder Heiz- bzw. Kochapparate),
B = Bogenlampen,
M = Elektromotor,
VD = Vorschalt-Widerstand od. Vorschalt-Drossel
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Abb. 2.
In den Gleichstrom-Anlagen deckte sich N, die Angabe des Wattmeters „W“ (Abb. 1) bei beliebiger Belastung des Leitungsnetzes
durch Motoren, Bogenlampen, Glühlampen, Heiz- und Kochapparaten usw. mit dem
Produkte aus der Spannung E, der Angabe des Voltmeters „V“ und der
Stromstärke J, der Angabe des Amperemeters „A“. Es war immer:
N = E ∙ J, d. i. Leistung = Spannung × Stromstärke.
In den Wechselstrom-Anlagen decken sich diese von den Instrumenten abgelesenen Werte
nach vorstehender Formel nur bei reiner Glühlampen-Belastung des Leitungsnetzes und
bei Belastung mit induktionsfreien Heiz- und Kochapparaten u. dergl. Sobald
Stromverbrauchsapparate mit gewickelten Spulen über Eisenkernen, die eine
Magnetisierungsarbeit erfordern, an das Leitungsnetz angeschlossen werden, wie
Elektromotoren, Bogenlampen, Drosselspulen, Transformatoren u. dergl., dann deckt
sich die Angabe des Wattmeters „W“ (Abb. 1)
nicht mehr mit dem Produkte aus den Volt- und Amperemeter-Ablesungen. Dasselbe zeigt
sich bei der Belastung des Leitungsnetzes mit Kapazitäten, wie Kondensatoren etc.
Das Produkt aus den Volt- und Amperemeter-Ablesungen ist jetzt größer als der vom
Wattmeter abgelesene Wert. Das Wattmeter zeigt hier jetzt die Wirkleistung an,
während das Produkt aus den Volt- und Amperemeter-Ablesungen die Scheinleistung
darstellt. Der Quotient aus beiden, d.h. das Verhaltnis der Wirkleistung zur
Scheinleistung ergibt den Leistungsfaktor „cos φ“. Es ist also
\frac{N}{E\ J}=cos\,,\varphi
und N = E ∙ J ∙ cos φ.
Diese gegen den Gleichstrom abweichende Erscheinung hat beim Wechselstrom und
Drehstrom seine Ursache in der Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom um
einen bestimmten Umlaufs winke! (∡ φ).
In den Abbildungen 2–4
sind diese Beziehungen graphisch dargestellt. In den Vektordiagrammen, rechts von
den Kurven, bedeutet:
E = Spannung,
Jw = Wirkstrom,
Jb = Blindstrom,
js = Scheinstrom,
∡ φ = Phasenverschiebungswinkel.
Hieraus ergibt sich beim Einphasen-Wechselstrom:
Die Wirkleistung: Nw = E ∙ J ∙ cos φ
Die Blindleistung: Nb = E ∙ J ∙ sin φ
Die Scheinleistung: Ns = E ∙ J.φ
Bei reiner Glühlicht-Belastung ist aber auch in Wechselstromnetzen N = E ∙ J, genau
wie beim Gleichstrom, oder mit anderen Worten: In solchem Falle ist dann der
Leistungsfaktor cos φ =1, was sich auch aus der Instrumenten-Ablesung ergibt. Wie
durch Induktion, bei Belastung des Wechselstromnetzes durch Motoren,
Transformatoren, Bogenlampen etc., eine induktive oder verzögerte Verschiebung der
Stromphase gegen die Spannungsphase erzeugt wird (Abb.
3), so wird durch Kapazität, d. i. bei Belastung des Netzes mit
Kondensatoren, langen Kabeln und sehr langen Hochspannungs-Freileitungen u. dergl.
eine kapazitive oder voreilende Verschiebung der Stromphase gegen die Spannungsphase
erzeugt (Abb. 4). Beim Drehstrom (dreiphasigen
Wechselstrom) verhält es sich mit dem Leistungsfaktor genau so, wie beim
Emphasen-Wechselstrom, nur daß hier durch die Verkettung der drei um 120°
gegeneinander versetzten Spannungs- oder Stromphasen (Abb.
5) noch der Faktor √3 in die Formel eintritt. Beim Drehstrom ist
somit:
Die Wirkleistung: Nw = √3 ∙ E ∙ J ∙ cos φ
Die Blindleistung: Nb = √3 ∙ E ∙ J ∙ sin φ
Die Scheinleistung Ns = √3 ∙ E ∙ J.
Die Abbildung 5 veranschaulicht den Verlauf der drei
Spannungs- oder Stromphasen des Drehstromes. Aus dem rechts daneben gezeichneten
Vektordiagramm ist der Faktor √3 ohne weiteres nach der Dreieckslehre mathematisch
abzuleiten.
Da nun aber in allen elektrischen Anlagen, so auch in den Wechsel- und
Drehstrom-Anlagen nach der scheinbaren Leistung, insbesondere nach der mittels des
Amperemeters de facto gemessenen Stromstärke, infolge der von dieser verursachten
Wärmeentwicklung (Joulesche Wärme!) Maschinen und Leitungsnetz, ebenso wie die
Schalt- und Regulierapparate, kurzum die ganze Stromerzeugungs- und
Fortleitungsanlage dimensioniert werden muß, so ist leicht einzusehen, daß der cos φ
unter ungünstigen Belastungs- und Betriebsverhältnissen sich zu einem
katastrophalen Schädling auswirken kann. Bei einem normalen Drehstrommotor mittlerer
Größe, von beispielsweise 50 PS effektiver Leistung, ist der cos φ bei voller
Nennlast etwa 0,88, er sinkt mit der Entlastung auf ½ und ¼ der Nennlast auf 0,7 und
0,5 und darunter. Bei langsam laufenden Motoren und bei den vielen in einem großen
Leitungsnetz verstreut laufenden kleinen Motoren sind diese Verhältnisse noch
wesentlich ungünstiger. Bei ungenügend belasteten Motoren – und wie viele hunderte,
vielleicht tausende gibt es nicht in den Anschlußanlagen einer Ueberlandzentrale –
und bei unzureichend belasteten Transformatoren tritt der cos φ besonders
schwerwiegend in die Erscheinung. Es kann der Fall eintreten, daß die sehr teuere
Stromerzeugungs-Anlage wegen der hohen Stromstärke, die sich aus Wirkstrom und
Blindstrom nach der Formel:
J=\sqrt{J\,w^2+{J_b}^2}
zusammensetzt, nur zur Hälfte und weniger ausgenutzt werden
kann. Ja, es kann unter Umständen sowohl der Betrieb des Kraftwerkes, wie auch die
Uebertragungsfähigkeit des Leitungsnetzes mit allem Zubehör durch plötzliches
rapides Ansteigen der Blindleistung in Frage gestellt wevden.
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Abb. 3.
Selbstverständlich hat man in den Elektrizitätswerken mit der fortschreitenden
Entwicklung der Ueberlandzentralen und der Großkraftwerke die verhängnisvollen
Wirkungen eines schlechten Leitungsfaktors sehr schnell und klar erkannt. Auch war
man in den maßgebenden und von der Benachteiligung in erster Linie betroffenen
Verwaltungsinstanzen der Kraftwerke unablässig auf Abhilfe bedacht. Solange der
Blindstrom sich in Elektrizitätswerken und Ueberlandzentralen mäßigen Umfanges in
bescheidenen Grenzen bewegte, konnten sich die Krafterzeugungswerke damit abfinden.
Bei dem ungeahnten, gewaltigen Aufschwung aber, den die Entwicklung der
Ueberlandzentralen im Laufe der letzten 20 Jahre erfahren hat, an welche sich die
großen Güter und Landgemeinden mit ihren meist ungenügend belasteten Motoren, ebenso
wie die Städte und die großen industriellen Werke anschlössen, waren die durch den
Blindstrom verursachten Unzuträglichkeiten für die Elektrizitätswerke
schlechterdings nicht mehr tragbar. Man rückte jetzt zunächst dem Konsumenten auf
den Leib, um dort, an der Wurzel des Uebels, Abhilfe zu schaffen. Man hat in den
Anschlußanlagen erstlich mal nach ungenügend belasteten, bzw. für ihre
durchschnittliche Tagesbelastung viel zu groß gewählten Motoren Umschau gehalten, um
dieselben gegen kleinere Einheiten auszutauschen. Ein weiteres Augenmerk hat
man dann auf die Verwendung zuverlässiger, einwandfreier Motorenfabrikate gerichtet.
Minderwertige Fabrikate unsolider oder unbekannter Fabrikationsfirmen wurden
beanstandet und zurückgewiesen. Als dies alles nicht zum Ziele führte, verlangte man
vom stromverbrauchenden Besitzer von Elektromotorbetrieben die Anschaffung von
komplizierten und teueren Spezialmotoren, wie kompensierte Drehstrommotoren,
Synchronmotoren mit Gleichstromerregung oder synchronisierte Drehstrommotoren u.
dergl. m., die bald nachdem die Missetaten des cos φ ruchbar wurden, auf dem Markte
erschienen. Oder man verlangte den Umtausch vorhandener normaler Drehstrommotoren
gegen solche Spezialmotoren, die zwar ihrem Konstrukteur alle Ehre machten und teuer
waren, aber dafür leider nicht mehr die Vorzüge des bis dahin als so überaus einfach
und betriebssicher hochgepriesenen normalen Drehstrommotors gegenüber dem
Gleichstrommotor hatten. In größeren industriellen Anschlußanlagen forderte man die
Aufstellung von Blindstrommaschinen, die nur dem Zwecke dienen sollten, den
Leistungsfaktor zu verbessern, indem sie den in der Anschlußanlage für alle
Stromverbrauchsapparate (besondere Motoren) erforderlichen Magnetisierungsstrom
alias Blindstrom lieferten. Ja, man machte die Genehmigung zur Aufstellung und zum
Anschluß eines weiteren größeren Motors z.B. bei notwendigen Betriebserweiterungen
eines industriellen Werkes davon abhängig, daß dieser neue größere Motor als
Synchronmotor aufgestellt werde, der natürlich auch wesentlich teuerer und in seiner
Konstruktion sowohl wie im Betriebe auch viel komplizierter als ein normaler
Drehstrommotor ist. Man hat schließlich auch Blindstromzähler (Kilosinzähler) bei
dem Konsumenten eingebaut, um diesem den in seiner Anschlußanlage verbrauchten
Blindstrom besonders zu berechnen.
Textabbildung Bd. 344, S. 3
Abb. 4.
Es ist erklärlich, daß alle diese Maßnahmen der Elektrizitätswerks-Verwaltungen den
Konsumenten als Besitzer von Elektromotorbetrieben nicht gerade übermäßig erfreuten.
Proteste und unerquickliche Auseinandersetzungen waren oft die unausbleibliche
Folge.
Welche eminente Bedeutung der cos 9 sowohl für die Elektrizitätswerke, wie für die
elektrotechnischen Fabrikationsfirmen und nicht zuletzt für den Stromkonsumenten
inzwischen gewonnen hatte, geht aus der von allen Interessenten mit großer
Genugtuung begrüßten „cos φ -Tagung“ der Vereinigung der Elektrizitätswerke vom 11.. November
1921 hervor, auf welcher Prof. Zipp-Cöthen das Hauptreferat hielt und dieses Thema
mit erfreulicher Gründlichkeit und tiefer Sachkenntnis erschöpfend behandelte. Aber
auch heute, fast fünf Jahre nach dieser bedeutungsvollen Tagung, ist der cos
φ-Fragenkomplex. keineswegs restlos geklärt.
Der Stromkonsument, der auf dieser Tagung nicht zu Worte kam, wird sich
begreiflicherweise auf den Standpunkt stellen, daß ihn eigentlich der cos φ doch gar
nichts anginge, das sei doch wohl mehr eine interne Angelegenheit der
Elektrizitätswerke, die ihm, dem Konsumenten, doch den elektrischen Strom in solcher
Eigenschaft liefern müßten, daß ihm der ordnungsmäßige Betrieb seiner normalen
Drehstrommotoren mit Kurzschluß- oder Schleifringläufer gewährleistet sei. Andere
Motoren gab es doch in der elektrotechnischen Industrie bis zur cos φ -Bewegung
nicht. Die neueren, teueren und komplizierten synchronisierten und kompensierten
Drehstrommotoren sind ja erst Folge-Produkte dieser Bewegung. Wenn
Blindstrommaschinen den Leistungsfaktor verbessern oder ihn ganz beseitigen können,
so wäre es doch wohl Aufgabe der Elektrizitätswerke Blindstrommaschinen in der
Zentrale und an anderen geeigneten Stellen des Netzes einzubauen. Letzten Endes
würde ja aber doch der Konsument die Kosten in Gestalt eines höheren Stromtarifs zu
tragen haben. Aber die bisherigen Maßnahmen der Elektrizitätswerke bei den Motoren
betreibenden Konsumenten waren doch wenig geeignet, Sympathien zu erwecken.
Schließlich ist auch der Gedanke an eine Rückkehr zum Gleichstrom im
Ueberlandzentralen-Betriebe in Erwägung zu ziehen. Größere, in sich geschlossene
Konsumkomplexe, wie Städte – besonders mit Straßenbahnbetrieb – und größere
Landgemeinden, große Landgüter und industrielle Großbetriebe könnten wie früher, so
doch auch heute mit Gleichstrom versorgt werden. Der Gleichstrommotor ist in bezug
auf seine von anderen Motoren auch heute noch unerreichte exakte Regulierfähigkeit
doch immer noch der solideste und beste Motor, besonders im Verhältnis zu den neuen
komplizierten Spezialmotoren für Drehstrom, die dem Konsumenten in dieser Hinsicht
durchaus keinerlei Vorteile bieten.
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Abb. 5.
Die Stromerzeugung könnte ja bei der opportunistischen Rückkehr zum Gleichstrom wie
bisher in den Großkraftwerken, an den Stätten der schwarzen, braunen und weißen
Kohle, in Drehstrom vor sich gehen, wegen der vorteilhafteren
Fortleitungsmöglichkeit desselben in den Hoch- und Höchstspannungsleitungen. Auch
die Umspannwerke für die Mittelspannung müßten zweckmäßig wohl beibehalten werden.
Aber an Stelle der Transformatoren – Stationen für die Gebrauchsspannung und der
Schalthäuser für die Konsumkomplexe wäre der Gedanke gewiß nicht so absurd, ganz
allgemein und prinzipiell für in sich geschlossene Konsumkomplexe zu
Gleichstrom-Zentralen mit Akkumulatoren zurückzukehren, die im Schwerpunkte des
Konsumrayons liegend, Drehstrom aus den Großkraftwerken oder dem Ueberlandnetz als
Betriebskraft beziehen. Für die Gleichstromerzeugung kämen hier folgende
Umwandlungs-Aggregate in Betracht:
1. Großgleichrichter mit zugehörigem
Drehstrom-Transformator.
2. Einanker-Umformer mit zugehörigem
Drehstrom-Transformator.
3. Zweimaschinen – Aggregate mit normalem Gleichstrom –
Generator, entweder als Synchronmotor – Generator oder als
Asynchronmotor-Generator.
Für die Frage „Gleichstrom oder Drehstrom“ ist in erster Linie unter Abwägung
aller Vor- und Nachteile des einen oder anderen Systems wohl der Kostenpunkt von
ausschlaggebender Bedeutung, und zwar sowohl hinsichtlich der Anschaffungs- wie der
Betriebs- und Unterhaltungskosten.
Es wäre doch gewiß ein idealer Zustand, wenn wir einmal in unserer gesamten
Elektrizitäts-Wirtschaft im ganzen Deutschen Reiche in allen Stadt- und
Landgemeinden allüberall die gleiche Stromart und die gleiche
Betriebsspannung hätten. Verwaltungs-, betriebs- und fabrikationstechnisch
würde ein solcher Idealzustand große Vorteile bieten.
Hierin herrschen – was ein Blick in die Statistik der Elektrizitätswerke lehrt –
heute aber geradezu trostlose und anarchistische Zustände.
Eine größere Anzahl, zum Teil sogar sehr großer städtischer
Gleichstrom-Elektrizitätswerke, besonders solche mit Straßenbahnbetrieb, hat man ja
heute auch in dieser Weise an das Drehstrom-Ueberlandnetz angeschlossen.
Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß der Gleichstrom für den Stromkonsumenten
mancherlei Vorzüge besitzt, z.B. für den Betrieb notwendigerweise exakt regelbarer
Motoren für Papiermaschinen und andere Werkzeugmaschinen, ferner für den Betrieb von
Krananlagen (Bremsmagnete!), Bogenlampen, kleinen Bohrmaschinen und anderen
Elektromotor-Werkzeugen. Ganz zu schweigen von elektrolytischen und
galvanoplastischen Anlagen, von Werft- und Bordanlagen für die Kriegs- und
Handelsmarine, von Elektrofahrzeugen, von elektrischer Zugbeleuchtung und anderen
Anlagen, die vorteilhaft nur durch Gleichstrom betrieben werden können. Es gibt wohl
kaum einen praktischen Betrieb, der nicht mit Gleichstrom betrieben werden könnte.
Andererseits gibt es aber – wie vorstehend aufgezählt – eine ganze Reihe von Anlagen
oder Einrichtungen, die gar nicht oder nur mangelhaft mit Wechselstrom oder
Drehstrom betrieben werden können, wenn man von Umformungen in kleinerem oder größerem Maßstabe
absieht. Für den Gleichstrom sprechen außer den vorerwähnten Vorzügen noch die
Möglichkeit der Akkumulatoren-Reserve bei vorübergehenden Betriebsstörungen und der
ideale Spannungsausgleich durch die Batterie, ferner die Vermeidung jeglicher
Hochspannungsgefahr in den Anschlußanlagen, den Betrieben der Stromkonsumenten.
Gewiß ist der Drehstrommotor mit Kurzschlußanker wegen seiner geradezu verblüffenden,
Einfachheit und großen Betriebssicherheit – wenn man von dem unerfreulich hohen
Anlauf-Spitzenstrom absieht – ohne Frage der idealste aller Motoren. Jedoch gilt
dieses Idealbild nur mit gewissen Einschränkungen. Er ist nur da verwendbar, wo
keine Regulierung und kein Anlauf mit Vollast gefordert wird und außerdem kommen als
Kurzschlußmotoren mit den gebräuchlichen Anlaß-Einrichtungen (Statoranlasser,
Sterndreieckschalter) doch meist nur kleinere Motoreinheiten, etwa bis 5,5 kW
entsprechend 7,5 PS in Frage, die kaum den Ausschlag in den Erwägungen geben können.
Unter Verwendung von FliehkraftkupplungenEs handelt sich um die folgenden Veröffentlichungen in der Zs. „Chemische
Apparatur“:I. Zur Berechnung der Dauer von chemischen Reaktionen. Ch. App.XIV, 1927, S, 273–276.II. Zur Theorie des Lösungsvorganges. Ch. App. XV, 1928, S. 73–74,S. 99–100, S. 123–125.III. Zur numerischen Bestimmung der Kristallisationsgeschwindigkeit.Ch. App. erscheint demnächst.Die Kenntnis dieser Abhandlungen wird für das folgende nicht vorausgesetzt;
sie werden kurz durch die vorgesetzten Nummern I, II, III
zitiert. als mechanisches Anlaßgerät für Kurzschlußmotoren könnte man
schließlich diesen Motor auch mit voller Nennlast anlaufen lassen.
Bei der heutigen, gewiß noch stetig fortschreitenden Vervollkommnung der von den
Elektrizitäts-Großfirmen hergestellten Quecksilberdampf-Großgleichrichter, in bezug
auf absolute Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit, hätte gerade dieser Betrieb,
der den höchsten Wirkungsgrad von allen Umformungs-Möglichkeiten aufweist, und
nur geringer Wartung bedarf, gewiß mancherlei für sich. Um so mehr als die Umformung
von Drehstrom in Gleichstrom beim Quecksilber-Gleichrichter gegenüber anderen
Umformern auch noch den Vorzug geringsten Blindstrom-Verbrauchs hat, was man in den
Drehstrom erzeugenden Kraftwerken gewiß schätzen wird.
Es soll hier keineswegs gesagt werden, daß in den Anschlußanlagen nun vollständig mit
dem Drehstrom aufgeräumt werden könne oder müsse. Es wird immer Anschlußanlagen
geben, in denen der Drehstrom seine unzweifelhaften Vorzüge behauptet, wie z.B. in
entlegenen Landgemeinden und Gütern, Zementfabriken, Zuckerfabriken und anderen
entlegenen industriellen Betrieben, in denen man auf die Vorzüge des Drehstromes, wo
diese gegeben sind, nicht gern verzichten will oder aus technischen und
wirtschaftlichen Gründen nicht verzichten kann. Und wenn der cos φ dann in der in
vorstehenden Ausführungen dargelegten paritätischen Verwendung von Drehstrom und
Gleichstrom nicht mehr die verheerenden Wirkungen zeigt, wie heute in der gesamten
Elektrizitäts-Wirtschaft der Ueberland- und Großkraftwerke, dann wird man dem
Drehstrom-Motorbetrieb in angemessenen Grenzen hinsichtlich des
Blindstromverbrauches auch wieder Konzessionen machen können.
Der Tag ist vielleicht nicht mehr so fern, an dem der so bewährte Gleichstrom mit
oder ohne Akkumulatoren wieder zu hohen und wohlverdienten Ehren gelangt.