Titel: | Das Deutsche Museum zu München. |
Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 199 |
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Das Deutsche Museum zu München.
(Zum 25jährigen Bestehen.)
Das Deutsche Museum zu München.
Deutschland als Industriestaat gründet sich hinsichtlich seines wirtschaftlichen
Aufbaues im starken Maße auf der Technik, die unserem Zeitalter unzweifelhaft die
geistige und praktische Prägung gab. Der Anteil deutschen Erfindergeistes an den
Großtaten der Technik ist bedeutend und sichert uns für immer innerhalb der
Weltkultur einen ersten Platz. Aus diesem Gedankenkreis heraus war es begreiflich,
daß der nationale Wunsch und Ruf nach einem Museum entstand, das gleichsam im Sinne
eines hehren Tempels der Technik und den Naturwissenschaften geweiht war, in dessen
Mittelpunkt die geschichtliche Entwicklung beider gewissermaßen gestellt wurde. Der
erste Gedanke zur Gründung des Deutschen Museums ging von dem Baurat Oskar von
Miller aus, der seinen dahin gerichteten Plan am 5. Mai 1903 einem kleinen Kreis von
Gelehrten und Technikern unterbreitete, die begeistert zustimmten. Als bald darauf
Georg Krauß, der Altmeister des bayerischen Lokomotivbaues, für diesen Zweck eine
Stiftung von 100000 Mark machte, hatte damit das geplante Museum von Meisterwerken
der Naturwissenschaft und Technik eine erste wirtschaftliche Grundlage erhalten. Im
selben Jahr stellte die Stadt München ein erhebliches, auf der sogenannten
Museumsinsel inmitten des Isarstromes gelegenes Gelände für den Bau des Deutschen
Museums zur Verfügung, das heute eine der größten Museumsanlagen der Welt
darstellt. Am 13. November 1906 fand die feierliche Grundsteinlegung in Gegenwart
des Prinzregenten Luitpold und des deutschen Kaisers statt, nachdem aus einem
Preisausschreiben für die Architektur des Museums Gabriel von Seidl als erster
Preisträger hervorgegangen war. Seine Hauptaufgabe erblickt das Deutsche Museum in
einer möglichst erschöpfenden Darstellung der historischen Entwicklung von Technik
und Naturwissenschaft. Soweit sich die Möglichkeit bot, wurden die Originale
bedeutsamer Erfindungen erworben; überwiegend aber finden wir meisterhaft gebaute
Modelle epochemachender Maschinen und Apparate, Gewerbe, Industrie und
Landwirtschaft umfassend. Vielfach gestatten die Modelle eine Inbetriebsetzung,
wodurch die Anschaulichkeit für den Museumsbesucher erheblich gewinnt. Der Hauptbau
des Museums hat eine Länge von je 100 m und gleicher Breite mit 5 Stockwerken, wobei
sich eine Gesamtbodenfläche von 45000 qm ergibt. Ein 64 m hoher, viereckiger Turm,
neben der Frauenkirche zu einem weiteren Wahrzeichen Münchens geworden, dient
hauptsächlich physikalischen und meteorologischen Zwecken, charakteristisch durch
drei große Zifferblätter für Barometer, Windmesser und Hygrometer. Vom Turm selbst,
dessen Plattform durch Fahrstuhl leicht erreichbar ist, genießt man einen herrlichen
Fernblick über München und das
hübsche Isargebiet. Zwei kleinere, die Nordfront zum Abschluß bringende
Flankentürme tragen Sternwartskuppeln von einer großen drehbaren Mittelkuppel
überragt. Ein im ersten Stockwerk liegender, 15 m hoher Ehrensaal beherbergt
Denkmäler und Bildnisse berühmter deutscher Forscher und Techniker, wie Leibnitz,
Helmholtz, Siemens und Krupp.
Versuchen wir nunmehr auf einer Wanderung durch die herrlichen Museumsräume einen
Ueberblick über die wichtigsten Museumsschätze zu gewinnen, die uns den mühevollen
und ereignisreichen Werdegang aller menschlichen Kultur verkörpern. Von der Fülle
des Gebotenen erhält man einen Begriff, wenn man berücksichtigt, daß die historische
Entwicklung der Naturwissenschaft und Technik in etwa 100 verschiedenen Gruppen zur
Anschauung gebracht wird und daß ein Weg durch 340 Säle des Museums zurückzulegen
ist. Die Sammlungen beginnen mit der im Erdgeschoß zur Darstellung gebrachten
Geologie, wobei nur die allgemeine dynamische und historische Geologie
Berücksichtigung fand, vornehmlich die Beschaffenheit des Erdinnern, den
Vulkanismus, die Erdbebenforschung und das Leben auf der Erde im prähistorischen
Sinne zeigend. Zahlreiche Bilder, Zeichnungen und Modelle erklären die
Beschaffenheit der Erdrinde, machen die Wirkungen von Wasser, Eis und Wind
verständlich und zeigen so die Entstehung der wichtigsten Rohstoffe, wie Steinkohle,
Erdöle, Torf usw. Im Mittelpunkt der geologischen Sammlung stehen zwei große
Modelle, einmal ein idealer Erddurchschnitt mit allen geologischen Formationen,
ferner eine große Modelldarstellung über die Tätigkeit der Flüsse, Meere und des
Gletschereises. Das Deutsche Museum verfügt ferner über eine vorbildlich
ausgerüstete eigene Erdbebenstation.
Die umfangreichste Sehenswürdigkeit bietet das Deutsche Museum auf dem Gebiete des
Bergbaues, denn man hat in zwei Stockwerkstiefen einen regelrechten Grubenbetrieb im
Original geschaffen. Wer also noch nie eine Grube befahren hat, findet hier
Gelegenheit, zu diesem unvergeßlichen Erlebnis. Man kann hier an Maschinen und
Geräten die ganze Entwicklung der Tiefbohrtechnik verfolgen, lernt an verschiedenen
Schächten den Schachtbau und Schachtbetrieb kennen und wird im übrigen mit dem
besonderen technischen Charakter des Erzbergbaues, Kalibergbaues und Kohlenbergbaues
in allen Einzelheiten vertraut gemacht. Einen breiten Raum nehmen auch die
Bergwerksmaschinen und das Grubensicherheitswesen ein. Eine nicht minder fesselnde
Darstellung hat das Metallhüttenwesen erfahren. Hier steht naturgemäß die
Eisengewinnung und Stahlerzeugung weitaus im Vordergrund. An hervorragend
bearbeiteten Modellen können wir die einzelnen Entwicklungsstufen des
Eisenhüttenwesens, wie Rennfeuerbetrieb und Hochofenbetrieb, in der Stahlerzeugung
die Schweißeisenerzeugung im Frischfeuer und durch Puddelöfen, die
Flußeisengewinnung, das Bessemerverfahren, Thomasverfahren, Siemens-Martinverfahren
und die Edelstahlerzeugung verfolgen. Auch die Metallbearbeitung, umfassend
Gießerei, Formerei, Schmelzerei, Walzen,Schmieden, Pressen, sowie
Metallprüfung, findet hier eine eingehende Würdigung.
Auf eine großartige Schausammlung stoßen wir in der Abteilung für Kraftmaschinen. Im
Anfang aller maschinellen Entwicklung stehen hier die Muskelkraftmaschinen,
vertreten durch die Treträder, veranschaulicht durch die Treträder des Danziger
Krantores aus dem 15. Jahrhundert und alten Göpeln, deren sich in verbesserter Form
noch heute die Landwirtschaft bedient.
Auf dem Gebiete der Windkraftmaschinen fesseln vor allem Modelle der verschiedensten
Windmühlen, darunter auch die historische Windmühle von Sanssouci vom Jahre 1737. Im
Garten des Museums wurde eine holländische Mühle im Original errichtet.
Selbstverständlich fehlen nicht die neuzeitlichen Windmotoren. Eine vorzügliche
technische Belehrung gewährt auch das Gebiet der Wasserkraftmaschinen mit seinen
verschiedenen Modellen. Wir sehen hier die verschiedenen Formen der Wasserräder,
lernen den Entwicklungsgang der Wasserturbinen kennen und finden auch die
Wassersäulenmaschinen und verschiedene Wassermotoren vor. Dann betreten wir das
schier unübersehbare Gebiet der Dampfkraftmaschinen, die mit als die bedeutendsten
Kulturträger der letzten zwei Jahrhunderte anzusprechen sind. Die ganze
geschichtliche Entwicklung der Dampfkolbenmaschine wird zum Teil in
Originalmaschinen, zum Teil in Modellen und zahlreichen Zeichnungen vor unseren
Augen entrollt. Neben der Wattschen Dampfmaschine sehen wir die älteste, 1813 auf
den Eislebener Kupferwerken in Betrieb gekommene deutsche Dampfmaschine; wir finden
ferner die Freundsche Balancier-Maschine von 1816, die erste Kruppsche
Betriebs-Dampfmaschine von 1835, die Hochdruckdampfmaschine von Reichenbach aus dem
Jahre 1813, eine Halb-Balancier-Maschine von 1847, die Albansche Dampfmaschine von
1840, die erste Ventil-Dampfmaschine von Sulzer, aus dem Jahre 1865, verschiedene
Mehrfach-Expansionsmaschinen, Schiffsmaschinen und die erste
Heißdampf-Tandemmaschine von Schmidt vom Jahre 1894. Eine besondere Darstellung
haben die Dampfkessel, Lokomobilen, Dampfturbinen und Heißluftmaschinen gefunden.
Eine erschöpfende historische Darstellung haben auch die Verbrennungskraftmaschinen
gefunden. Neben den verschiedenen Gasmaschinen, sind es vornehmlich die
Oelmaschinen, die interessieren, darunter der erste Benzinmotor von Daimler aus dem
Jahre 1883, der zum Vorbild für die Automobilmotoren wurde. Auch der Dieselmotoren
ist hier zu gedenken.
Eine großartige und umfassende Würdigung hat im Deutschen Museum das Verkehrswesen
gefunden. In einem besonderen Ehrensaal werden wir mit historisch wertvollen
Originalen von Transportmitteln bekannt, unterstützt durch zahlreiche Bilder und
Modelle. So rollt sich vor uns die vielgestaltige Entwicklungsgeschichte des Wagens
ab; wir lernen den Werdegang des Fahrrades kennen, wie auch, die Dampf wagen und
Automobile in ihrer geschichtlichen Entwicklung freigelegt werden. Der größte Teil
hiervon in Originalen. Nicht minder vollendet werden die Lokomotiven, eines der
ruhmvollsten Kapitel in der Geschichte der Technik, in großartigen historisch
naturgetreuen Nachbildungen gezeigt. Technisch besonders fesselnd sind hier die
großen Lokomotiv-Modelle der „Puffing Billy“, Stephensons erste Lokomotive,
der Lokomotive „Rocket“ und die Borsigsche Lokomotive „Beuth“ vom
Jahre 1841. Natürlich fehlen auch nicht die letzten Errungenschaften der
Lokomotivtechnik, die elektrischen Lokomotiven. Auch das gewaltige Gebiet der
Elektrizität gelangt in zahlreichen meisterhaft gearbeiteten Modellen und Apparaten
vollendet zur Darstellung. Wir sehen die alten Reibungselektrisiermaschinen, auch
die von Ohm benutzte Maschine im Original, finden den Galvanismus durch die gezeigte
Entwicklung der Galvanometer vorzüglich vertreten, wie auch der Magnetismus und die
Elektrodynamik in ihrer Entstehung und Entwicklung an Hand zahlreicher Modelle
geschildert werden. Reichen geschichtlichen Aufschluß gewähren uns die Gebiete
Telegraphie und Telephonie, wobei wir den langen Weg von der Kabeltelegraphie bis
zur drahtlosen Telegraphie durchschreiten. Selbstverständlich fehlt auch der
Werdegang des Rundfunks nicht. Naturgemäß fehlt kein Gebiet der Technik, das nicht
in seiner geschichtlichen Entwicklung in einem mehr oder weniger großen Umriß
gezeigt wird. Es sei nur hingewiesen auf den Straßenbau, Eisenbahnbau mit seinen
Gleisanlagen und dem Signalwesen, den Tunnelbau, Brückenbau, Wasserbau, Hafenbau,
den mit wundervollen Modellen ausgestatteten Schiffbau und Wohn- und Städtebau. In
der Abteilung Zeitmessung fesselt eine Darstellung der Entwicklung der Uhren; in der
Abteilung für Raum- und Gewichtsmessung wird die Entwicklung der Längenmaße,
Hohlmaße und der Waagen geschildert
Viel geschichtlich Fesselndes bringt auch die Optik, wie die Entwicklung der Brille,
des Fernrohrs und des Mikroskops. Reichen historischen Aufschluß gewährt auch eine
entwicklungsgeschichtliche Darstellung der Kinematographie, des Phonographen und
Grammophons. Ganz besondere Beachtung finden die der Flugtechnik gewidmeten Räume.
Von den ersten unsteuerbaren Ballons bis zu den lenkbaren Zeppelins wird der
lange Entwicklungsweg der Luftschiffahrt in prachtvollen Modellen offengelegt. Das
gleiche gilt von den Flugzeugen. Drachen und Fallschirme, Gleit- und Segelflug, dann
der epochemachende motorische Flug, eingeleitet durch Wright 1906, schließlich auch
die Kampfflugzeuge des Weltkrieges, alles wird dem Besucher in trefflichen Modellen,
zum Teil auch in Originalen vorgeführt.
Eine Sonderstellung im Deutschen Museum nimmt die Chemie ein, die hier in ihrer
geschichtlichen Entwicklung eine großartige Würdigung gefunden hat. Vor allem sind
es die historischen Nachbildungen alter chemischer Laboratorien, die äußerst
belehrend wirken. Wir finden hier ein alchemistisches Laboratorium des 16. und 17.
Jahrhunderts, ein solches des 18. Jahrhunderts und dann aus der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts das sogenannte Liebig-Laboratorium. Im übrigen wird das gewaltige
Gebiet der gesamten chemischen Industrie dem Besucher in zahllosen
Fabrikationsmodellen vorgeführt. Neben der anorganischen und organischen Chemie ist
auch die Nahrungsmittelchemie, pharmazeutische Chemie und auch die Industrie der
Riechstoffe vertreten. Von den sonstigen Industrien haben noch eine umfassende
Darstellung die Textilindustrie, Papierindustrie, Buchdruckerei, Brauerei und
Brennerei gefunden. Auch hinsichtlich der Landwirtschaft wird bezüglich der
zahlreichen Betriebszweige eine ausgezeichnete Uebersicht geboten. Das Deutsche
Museum befindet sich übrigens in ständigem Ausbau; so wurde im August 1928 der
stattliche Bibliotheksbau feierlich eingeweiht, der eine der größten technischen und
naturwissenschaftlichen Büchersammlungen aufnehmen wird. So wird für jeden ein
Rundgang durch das „Deutsche Museum“ zu einem unvergeßlichen Erlebnis, denn
hier wird jedem die Wunder weit der Technik und Naturwissenschaft zu einer
überwältigenden Offenbarung, der sich niemand zu entziehen vermag. So hat sich die
Technik mit dem Deutschen Museum eines der wuchtigsten Monumente gesetzt; ein
Ehrendenkmal menschlichen Erfindungsgeistes, einen Tempel höchster Kultur.