Titel: | Porzellan, Speckstein, Steinzeug und ihre Bedeutung. |
Autor: | W. Landgräber |
Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 153 |
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Porzellan, Speckstein, Steinzeug und ihre
Bedeutung.
Von W. Landgräber,
München.
LANDGRÄBER, Porzellan, Speckstein, Steinzeug und ihre
Bedeutung.
Jüngst haben sich die Porzellanfabrik Kahla und Steatit-Magnesia A.-G. in Pankow
geeinigt, sich an der früheren englischen Fabrik der Steatit-Magnesia A.-G., der
jetzigen Clay Ring Co. Ltd., London, zu beteiligen. Diese Fabrik, die während des
Krieges an eine Gruppe englischer Firmen unter maßgebender Beteiligung der Imperial
Chemical Industries Ltd. (Chemietrust) übergegangen ist, soll zusammen mit dieser
Gruppe in großem Maße ausgebaut werden, um die Porzellan- und Steatitfabrikate der
beiden deutschen Firmen für Hoch- und Niederspannungs-Isolatoren herzustellen.
Im Fichtelgebirge liegt – inmitten bewaldeter Höhen – nahe der Schnellzugstrecke
Hof-München der Wunsiedler Kalkzug. Er hat von jeher das besondere Interesse der
Wissenschaft auf sich gezogen. Dieser Kalkzug dehnt sich vom Fuße der Kösseine über
das Städtchen Wunsiedel bis zum Bahnhof Holenbrunn und findet seine Fortsetzung in
einem Dolomitrücken über Sinatengrün nach Göpfersgrün. Hinter Göpfersgrün tritt an
Stelle des Dolomit, der aus kohlensaurem Kalk und kohlensaurer Magnesia besteht, der
Speckstein, auch Steatit genannt (ein wasserhaltiges Magnesia-Silikat). Die
handelsübliche Bezeichnung Speckstein wird auf andere Mineralien, die in- und
außerhalb Bayerns zu finden sind, ausgedehnt, doch weichen sie von dem Göpfersgrüner
Vorkommen ab, so daß letzeres als einzigartig in der Welt zu bezeichnen ist. Auf
Grund von Forschungsergebnissen der jüngsten Zeit, welche von den besten Kennern
dieser Lagerstätten – wie Dr. Laupmann, München – gewonnen wurden, ist man zu der
Ansicht gekommen, daß die Bildung dieses Specksteines nur aus der Einwirkung heißer,
magnesiahaltiger Thermen hervorgerufen sein kann.
Ueberlieferungen in Wunsiedel und Weißenstadt aus dem Jahre 1251 deuten darauf hin,
daß der dort liegende Speckstein schon damals Verwendung gefunden hat; man weiß
bestimmt, daß im Mittelalter Flintenkugeln daraus hergestellt wurden. Etwa im Jahre
1810 wurde seine Gewinnung vom bayrischen Staat aufgenommen, ohne daß man einen
besonderen Verwendungszweck dafür hatte. Es sind Schmuckschnitzereien, Pfeifenköpfe,
Schalen und Dosen aus jener Zeit in wenigen Exemplaren vorhanden; doch scheint aus
dieser Art von Verwertung eine Rentabilität nicht vorhanden gewesen zu sein.
Schließlich veräußerte der bayrische Staat die Gruben, die Förderanlagen und die
Mutungsrechte an das Handelshaus J. v. Schwarz. Nürnberg, etwa um das Jahr 1850.
Dieses Haus unternahm unter befreundetem Beistand des großen Chemikers Justus v.
Liebig die Herstellung von Gasbrennern und erzielte damit bis in die Jetztzeit
bedeutende Erfolge. Neben dem Staatsbetrieb beuteten ansässige Bauern südlich der
Staatsstraße nach Thiersheim 2 Gruben aus, die im Jahre 1871 von der Firma Lauboek
& Hilpert als erstes Konkurrenzunternehmen ausgewertet wurden. An dritter Stelle
trat dann die Firma Jean Stadelmann & Co., Nürnberg, mit der von ihr erworbenen
Emilienzeche. Um die Jahrhundertwende etwa ging das gesamte Vorkommen einschl. einer
Mutungsfläche von etwa 800 ha in den gemeinsamen Besitz der Firmen J. v. Schwarz und
Jean Stadelmann & Co., Nürnberg, über. Diese Zusammenfassung ermöglichte die
Anlage neuzeitlicher Förder-, Pump- und Mahl-Einrichtungen und damit einen
rationellen Tage- und Tiefbau.
Die fabrikatorische Verarbeitung des Specksteines zu Gasbrennern, die allmählich
ihren Weg über die ganze Welt nahmen, zeigte bald, daß dieser Rohstoff auch anderen
Zwecken dienstbar gemacht werden konnte. Man erkannte neben der Zähigkeit und
Festigkeit einen hohen Isolationswert und ermöglichte die Herstellung der sehr
bekannt gewordenen Zündkerzen-Isolationen für Verbrennungsmotoren. In den
„Bosch“- und in vielen anderen hervorragenden Zündkerzen gelangt der
Rohstoff heute noch in vielen Millionen Stücken im In- und Auslande zur
Anwendung. Mittlerweile brachte die Einführung der Azetylenbeleuchtung bei
Automobilen, Fahrrädern, Grubenlampen usw. ein weiteres Absatzgebiet. Gas- und
Azetylenbrenner konnten nur aus stückigem Rohspeckstein hergestellt werden, der sich
in dem nestartigen Vorkommen des Rohstoffes zwischen mulmartigen Ablagerungen
vorfand. Es fielen bei der Förderung große Mengen kleinstückigen und bröckligen
Specksteins an, die – nur zu feinem Mehl gemahlen – weiterer Verarbeitung zugeführt
werden konnten. Hierzu bot die Entwicklung der Elektrotechnik ein weites
Betätigungsfeld. Hinzu kam, daß die Beleuchtung der Automobile, der Fahrräder und
Grubenlampen mehr und mehr durch die Elektrizität in den Hintergrund gedrängt wurde.
Unter wissenschaftlicher Mithilfe forschte man nach neuen Absatzgebieten und stellte
bald fest, daß die dem ausgezeichneten Rohstoff eigentümliche Beschaffenheit – wie
Zähigkeit, Zug- und Schlagbiegefestigkeit sowie Temperaturbeständigkeit, vornehmlich
aber der sehr geringe Schwindungskoeffizient – sich in hervorragendem Maße zur
Herstellung aller Arten von Isolationen der Hoch- und Niederspannung eigneten. Wegen
seiner geringen Schwindung bei hohen Temperaturen genießt Steatit im Gegensatz zu
den meisten anderen keramischen Rohstoffen einen besonderen Vorzug, weil es möglich
ist, die feinsten Preßstücke mit hoher Präzision herzustellen. Versuche im
Schlagapparat ergaben, daß Steatit infolge der ihm innewohnenden Elastizität ein
Mehrfaches des hochwertigsten Porzellanes aushält, so daß Steatiträdchen in fast
allen Schaltvorrichtungen in Millionen von Stücken dauernd benutzt werden.
Um die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts brachte die Erfindung des
Glühlichtstrumpfes durch Dr. Auer v. Welsbach eine Umwälzung in der Gasbeleuchtung
hervor. Die Befestigung dieses Lichtträgers in dem Metallbrenner, der eine
außerordentlich hohe Temperatur entwickelte, geschah zunächst durch Metallstifte.
Diese mußten wegen der lichtabsorbierenden Eigenschaft durch solche aus
gewissermaßen mitleuchtenden Stoffen hergestellte ersetzt werden. Ursprünglich
versuchte man, den Träger, handelsüblich „Magnesiastift“ genannt, aus reiner
Magnesia herzustellen. Die unplastische Eigenschaft dieses Stoffes gestattete keine
zuverlässige Innehaltung der Abmessungen, und so trat zum ersten Mal an die Keramik
die Frage heran, Millionen von Gabelstäbchen in gleichmäßiger Länge und von genauem
Durchmesser zu mäßigem Preise auf den Markt zu bringen. Dieser Fabrikation widmete
sich zunächst die Firma Ernst Hildebrandt in Berlin-Pankow. Sie erwarb sich in
kurzer Zeit durch ihr vorzügliches Fabrikat einen Weltruf. Nach wenigen Jahren wurde
der aufrechtstehende Auer-Glühstrumpf durch den nach unten gerichteten (sogenannten
hängenden) Brenner verdrängt, da die Gasbeleuchtung im Konkurrenzkampf mit der
Elektrizität die elektrische Beleuchtungsart nachzuahmen gezwungen war. Diese
Lampenkonstruktion bedingte eine gänzlich neue Art der Glühkörperbefestigung. Die
Metallteile mußten gegen die abströmenden heißen Verbrennungsgase geschützt
werden. So entstand das Brenner-Mundstück, an dem der Glühkörper, wie allgemein
bekannt, durch einen Ring aufgehängt wurde. Diese beiden wichtigen Brennerteile
mußten aus einem außerordentlich temperaturwechselbeständigen keramichen Stoff der
Auswechselbarkeit wegen in höchster Präzision hergestellt werden. In kurzer Zeit
vermochte die Firma Ernst Hildebrandt im Verein mit der Firma Magnesia Co. die
Führung auch auf diesem Gebiet zu übernehmen. Die Fabrikation bezifferte sich nach
Ablauf eines Jahrzehntes auf eine Jahresleistung von etwa 120 Millionen Stück.
Der Krieg und seine Nachwirkungen brachten aber auch auf diesem Gebiet große
Umwälzungen mit sich. Der Ausbau der Elektrizitätswerke, gefördert durch die
Errichtung großer Wasserkraftstationen, drängte im In- und Ausland die
Gasbeleuchtung in den Hintergrund, und so beschäftigten sich die inzwischen zur
Vereinigten Magnesia Co. und Ernst Hildebrandt A.-G. zusammengeschlossenen Werke in
Berlin unter Ausnützung ihrer reichen Erfahrungen im Präzisionsmatrizenbau mit der
Herstellung hochwertiger Isolationen, insbesondere für die Elektro-Wärmetechnik, für
die chemische und metallurgische Industrie.
In diesem Streben traf sie zusammen mit den süddeutschen Unternehmen J. v. Schwarz,
Nürnberg, und Jean Stadelmann & Co., Nürnberg, da sie in den abgelaufenen
Jahrzehnten im Gasglühlichtgeschäft gemeinsame Abnehmer und in der
Rohstoffverarbeitung eine gemeinsame Basis hatten. Der Zusammenschluß der genannten
Firmen ermöglichte in jüngster Zeit die Errichtung eines wissenschaftlichen
Laboratoriums, den Ausbau elektrischer Prüffelder und die Uebertragung bisher
unausgewerteter Erfahrungen und Erfindungen im Automatenbau auf alle Werke. Das
Unternehmen ist dadurch in den Stand gesetzt, erhöhten Anforderungen auf dem Gebiet
der Hochspannungs-Isolatoren gerecht zu werden, und vermag in steigendem Maße seine
Produkte in andere Industrien einzuführen und so dem bisher zu wenig beachteten
Specksteinrohstoff zum Vorteil unzähliger Verbraucher Geltung zu verschaffen.
Amerika hat nach Dr. Singer bereits im Jahre 1900 die erste 80000 V-Ueberlandleitung
gebaut. Diese Spannung genügte bald nicht mehr. Man kam 1907 auf 110000 V und in
rascher Entwicklung wurden im Jahre 1920 220000 V erreicht. Deutschland nahm 110000
V-Leitungen im Jahre 1912 im Betrieb und 1928 die 220000 V-Leitung. In beiden
Ländern plant man bereits jetzt eine Erhöhung der Uebertragungsspannung auf 380000
V, um mit dieser steigenden Stromspannung die Elektroverluste bei der Uebertragung
auf große Entfernungen zu vermindern und die Konkurrenzfähigkeit der
Krafterzeugungszentralen zu erhöhen. Dieser wirtschaftliche Wettbewerb erzeugte die
interessantesten technischen Probleme. In Amerika, wo es sich um außerordentlich
viel größere Uebertragungsstrecken bzw. Kohlentransporte handelt, erfolgte dadurch
zwangsweise eine viel raschere Steigerung der verwendeten Spannung als in
Deutschland.
Diese ununterbrochene Entwicklung der Elektrotechnik zu immer höheren Stromstärken
stellte
dauernd wachsende Ansprüche an die verwendeten Isolierstoffe und führte dadurch
dem seit Jahrzehnten benutzten und altbekannten Porzellan die neuen Isolierstoffe
Steinzeug und Steatit an die Seite, welche die Ansprüche befriedigen müssen, für die
Porzellan nicht mehr genügt. Eine Gegenüberstellung der physikalischen Ziffern von
Porzellan, Steinzeug und Steatit (siehe nachstehende Zahlentafel) veranschaulicht
bereits die Ueberlegenheit der mechanischen Festigkeiten von Steatit gegenüber den
anderen dichten keramischen Materialien auf der ganzen Linie. Die Vorzüge des
Steinzeugs gehen aus dieser Zahlentafel nicht klar hervor. Was zifferngemäß jedoch
nicht erweisbar ist, wird ohne weiteres ersichtlich, wenn man die Größen der
herzustellenden Stücke aus den drei Isolierstoffen berücksichtigt. Die dauernd
steigende Spannung für die Elektrizitätsübertragung bedingt zwangsweise in sehr
vielen Fällen das Größerwerden der verwendeten Isolatoren. Die Größe der einteilig
aus Porzellan hergestellten Stücke ist jedoch wesentlich beschränkter als die
Grenzen der Steinzeugindustrie. Nur Steinzeugisolatoren kann man bis zu einer Länge
von 8 m aus einem Stück, frei von jeder Kittstelle und sonstiger Verbindung
anfertigen. Der große Vorteil dieses Verfahrens und der danach hergestellten Stücke
ist elektrotechnisch die Schaffung eines vollkommen homogenen, absolut dichten
Materials, während andere Werkstoffe für diesen Zweck vielfach durch Zusammenkitten,
Zusammenflanschen, und durch Zusammenglasieren verbunden werden.
Steinzeug
Porzellan
Steatit
Druckfestigkeit kg/cm
5800–7900
4500–5500
8000–9200
Zugfestigkeit kg/cm
160–250
240–520
550–750
Biegefestigkeit kg/cm
600–950
400–900
950–1200
Elastizitätsmodul kg/mm
4200–5600
etwa 8000
etwa 10000
Torsionsfestig- keit kg/mm
210–230
250–500
500
Kugeldruckprobe
800–1000
650–1400
1300–1800
Schlagbiege- festigkeit cmkg/cm
1,8–2,5
1,9–2,1
2,3–2,8
Trommelprobe Gewichtsvrl. v.
H.
2,6–6,5
–
etwa 4
Sandstrahl- abnutzbarkeit Verlust cm
2,0–5,0
etwa 3
unter 2,0
Lineare Aus- dehnungszahl
3,5–4,9 10–
3,0–4,5 10–
4,1–8,3 10–
Wärmekapazität, spezifische Wärme zw.
17 ∙ 100 C°
0,186–0,190
0,20–0,25
0,19–0,20
Wärmeleitfähig- keit
kcal/m/h C°
1,0–1,25
0,9
2,3–2,4
Aus diesem Grunde wurden – zum erstenmal im Jahre 1921 – einteilige
Steinzeugisolatorer von 2050 mm Länge verwendet. Seit jener Zeit ist der Umfang der
benutzten Steinzeugisolatoren außerordentlich gewachsen und die größten bisher
überhaupt hergestellten Stücke haben 2500 mm Länge. Größere Stücke wurden bisher von
der Elektrotechnik nicht verlangt. Für andere Zwecke der chemischen Industrie
stellt, die Steinzeugindustrie bereits Rohre aus einem Stück, frei von jeder Kitt-
und Garnierstelle, von 8 m Länge her. Diese ungefähre Grenze der herstellbaren
Isolatorenlänge genügt zweifellos für eine Reihe von Jahren für alle eventuellen
Bedürfnisse der Elektrotechnik.
Die Steinzeugindustrie war zu dieser Fabrikation großer Stücke durch ihre Tradition
und ihre bisherige Betätigung seit Jahrhunderten prädestiniert. Seit Jahrzehnten
werden aus Steinzeug Rohre für Kanalisationszwecke in allen benötigten Abmessungen
in erstklassiger Qualität hergestellt; die glänzende Entwicklung der chemischen
Industrie im vergangenen Jahrhundert ist undenkbar ohne den Werkstoff
„Steinzeug“ für Gefäße, Maschinen, Zentrifugalpumpen, Exhaustoren usw.
Die größten Gefäße aus Steinzeug, die regulär hergestellt werden, haben einen Inhalt
von 4000 bis 6000 l.
Steatit zeichnet sich durch seine außerordentlich große mechanische Festigkeit aus.
Die physikalischen Ziffern der obigen Zahlentafel geben den Vergleich und begründen
sofort, daß überall da, wo die mechanische Beanspruchung eines Isolators besonders
groß ist, Steatit große Vorzüge vor Porzellan besitzt. Mit der geschilderten
Entwicklung der Hochspannungstechnik im Ueberlandleitungsbau wurde auch die
Beanspruchung der Freileitungsisolatoren dauernd gesteigert. Ein weiterer
überraschend großer Vorteil des Steatits ist der außerordentlich große Grad der
Genauigkeit, mit der dieses Material herstellbar ist. Daneben kommt Steatit für alle
diejenigen Preßartikel in Betracht, bei denen neben der Genauigkeit die mechanische
Festigkeit eine ausschlaggebende Rolle spielt. Dies sind heute eine größere Anzahl
der benutzten elektrotechnischen Isoliermaterialien.
Die Ursache der Größenunterschiede und der verschiedenen physikalischen Eigenschaften
der drei keramischen Werkstoffe: Steinzeug, Steatit und Porzellan liegt zunächst
schon in ihrer Zusammensetzung begründet. Die folgenden Formeln
Porzellan:
\left{{0,25-0,50\ \mbox{CaO}}\atop{0,75-0,50\
\mbox{K}_2\mbox{O}}}\right\}2,0-4,5\ \mbox{Al}_2\ \mbox{O}_3\,.\,10,0-20,0\
\mbox{SiO}_3
Steinzeug:
\left{{0,25-0,75\ \mbox{CaO}+\mbox{K}_2\mbox{O}}\atop{0,75-0,25\
\mbox{FeO}}\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ }\right\}2,0-5,5\ \mbox{Al}_2\
\mbox{O}_3\,.\,10,0\mbox{ bis }26,0\ \mbox{SiO}_3
Steatit:
1,0 MgO ∙ 0,06–0,28 Al2 O3 ∙ 1,5–2,2 SiO2
veranschaulichen zwar nur schematisch die prinzipiellen
Unterschiede, sie lassen aber erkennen, daß der chemischen Zusammensetzung nach
Porzellan und Steinzeug nicht sehr fern miteinander verwandt sind, daß dagegen der
Unterschied beider Werkstoffe gegen Steatit größer ist. Die plastischen Grundstoffe
sind für Porzellan: Kaolin, für Steinzeug: Ton, für Steatit: Speckstein. Kaolin und
Ton, chemisch in ihren reinsten Varietäten fast identisch, unterscheiden sich durch
zwei physikalische Eigenschaften maßgebend für die Praxis. Der weißbrennende Kaolin
besitzt eine geringere Bildsamkeit und eine kleinere Trockenfestigkeit als der
farbige Fabrikate ergebende Steinzeugton, dessen Trockenfestigkeit so groß ist, daß
aus seinen
Mischungen hergestellte Isolatoren größter Abmessungen ohne wesentliche
Schwierigkeit transportfähig sind, während bei dem Transport gleich großer, aus
Kaolin hergestellter Porzellanisolatoren eine außerordentlich große Bruchgefahr
besteht, die unter anderem die besondere Verteuerung der Porzellanisolatoren großer
Abmessungen zur Folge hat. Dieser Materialunterschied hat seit Jahrhunderten die
verschiedene Verwendung von Porzellan und Steinzeug bestimmt und den beiden
Industrien ihren Charakter und ihre Richtung gegeben. Der Preis der großen
Porzellanisolatoren hat die Elektrotechnik gezwungen, sich nach einem anderen
Werkstoff umzusehen, um im allgemeinen Konkurrenzkampf auch diese großen Stücke
billiger, rascher und zweckmäßiger zu erhalten. Hier kam nun das Steinzeug zu seinem
Recht, das der natürliche keramische Werkstoff des Ingenieurs ist, aber für alle
kleinen Gegenstände von dem mechanisch außerordentlich viel festeren Steatit
übertroffen wird.
Grundsätzlich muß man daher vom technischen Standpunkt aus von einem
Nebeneinanderarbeiten, von einer wertvollen Ergänzung der drei keramischen
Werkstoffe in der Elektrotechnik sprechen, obwohl ihre Anwendungsgebiete sich heute
noch vielfach überschneiden. Porzellan ist der gegebene Isolierstoff der
Elektrotechnik für die unzähligen kleinen Preßartikel des gewöhnlichen Bedarfs, für
den weder besonders hohe mechanische Ansprüche gestellt werden, noch besonders große
Präzision gefordert wird. In gleicher Weise dient Porzellan für die zahllosen
Nieder- und Hochspannungsisolatoren mittlerer Abmessungen und normaler
Beanspruchungen in ausgezeichneter Weise. Steatit ist der hochwertigste Werkstoff
für alle Preßartikel großer mechanischer Beanspruchung, bei verlangter großer
Genauigkeit. Steatit ist überall da unersetzlich, wo es auf eine große mechanische
Beanspruchung von Hochspannungsisolatoren ankommt, beispielsweise bei den auf Zug
beanspruchten Motorisolatoren. Steinzeug ist der gegebene Werkstoff für alle
mittleren und großen Isolatoren (von ½ bis 8 m Länge), die aus einem ungeteilten
Stück benötigt werden. Dieses Nebeneinander der drei Werkstoffe veranschaulicht ihre
gegenseitige Ergänzung, ihre Spezialeignung auf Sondergebieten und die natürlichen
Ziele ihrer weiteren Entwicklung. Ihre Haltbarkeit ist dauernder als die von Erz.
Wie wunderbar mutet es uns an, wenn wir aus tausendjährigem Grabe altrömische
Werkstücke zutage fördern, die dazu bestimmt waren, Wasser unter der Erde in
sich aufzunehmen. Mächtige altrömische Wasserleitungsrohre liegen vor uns, fast neu,
wie am ersten Tage. Welch herrliches Material müssen die Römer zu ihrer Herstellung
verwendet haben!
Wir brauchen kein verlorengegangenes römisches Geheimrezept dieses Materials zu
suchen. Dasselbe ehrwürdige Material ist ohne Unterbrechung seines Gebrauches durch
die Jahrhunderte bis auf uns gekommen. Das Steinzeug, dessen Tonkomponente der Ton
selbst ist, besitzt die fast unbegrenzte Plastizität dieses Materials, während das
Porzellan, in dem der Ton durch Kaolin vertreten ist, nur bis zu einer gewissen
Größe in ungebranntem Zustande die Form bewahrt. Man wird also aus Porzellan nur
verhältnismäßig kleine Gegenstände herstellen können, während das Steinzeug ohne
weiteres Werkstücke von 3 und 4 m, ja auch bis zu 8 m zu formen erlaubt. Dies ist
bei der Erzeugung von Rohren wichtig, noch wichtiger aber bei der Erzeugung von
Isolatoren für hochgespannte elektrische Ströme. Bei einer Spannung von 500000 oder
gar einer Million Volt muß der Isolator schon ganz gewaltige Abmessungen haben, um
ein Ueberspringen des Stromes zu verhüten. Für derartige meterhohe Gebilde kommt
Porzellan, wenn man es nicht aus Einzelteilen zusammenkitten will, nicht in
Betracht. Hier ist das Steinzeug das gegebene Material. Aber ebensogut ist es
möglich, ganze Maschinen aus Steinzeug herzustellen, besonders auch deshalb, weil
die Volumabnahme beim Brennen geringer ist als beim Porzellan und die nachherige
Bearbeitung Präzisionen bis auf Bruchteile von Millimetern gestattet, was beim
Porzellan kaum möglich ist.
Ein anderer Vorteil des Steinzeugs ist seine Glasur, die vielleicht die beständigste
aller keramischen Stoffe ist, frei von Rissen und äußerst einfach in der
Herstellung. In dem Brennofen wird gewöhnliches Kochsalz zum Verdampfen gebracht und
verbindet sich in einer gleichmäßigen Weise mit den obersten Schichten des
Steinzeugs zu einer zwar dünnen, aber mit allen guten Eigenschaften ausgestatteten
Glasur.
Es gibt gewisse ewige Werkstoffe der Menschheit, die alle Wandlungen und allen
Aufschwung der Menschentechnik getreulich mitmachen und sich immer wieder bewähren!
Zu diesen Werkstoffen, denen die Menschheit ununterbrochen Dank schuldet, gehört
ohne Zweifel das Steinzeug.