Titel: | Neuerungen der Hochspannungs-Prüftechnik. |
Autor: | Cr. |
Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 256 |
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Neuerungen der
Hochspannungs-Prüftechnik.
Neuerungen der Hochspannungsprüftechnik.
Hochspannungsleitungen durchziehen heute weit und breit das Land; so ist es
bereits möglich, mit der Kraft süddeutscher Wasserfälle, z.B. vom Walchensee aus, in
Norddeutschland Maschinen zu treiben. Um elektrische Kraft auf Hunderte von
Kilometern ohne erhebliche Verluste, also wirtschaftlich, zu übertragen, mußte man
zu immer höheren Spannungen greifen. 220000 Volt sind heute für diesen Zweck bereits
zur Anwendung gekommen. Diese ungeheuren Spannungen stellen an das
Isolationsmaterial und ebenso an die Maschinen und Apparate beträchtliche
Anforderungen. Da alles verwendete Material unter Spannungen geprüft werden muß, die
ein Mehrfaches der Betriebsspannung ausmachen, so kommt man bei den Prüfgeräten auf
Spannungen, die vor wenigen Jahren noch ins Reich der Fantasie gehörten.
Textabbildung Bd. 342, S. 256
Abb. 1.Prüftransformator für 1 Million V.
In der Transformatorenfabrik der A.E.G. in Berlin-Oberschöneweide wurden kürzlich
einem kleinen Kreise von Vertretern der Fachpresse einige bemerkenswerte Neuerungen
auf diesem Gebiete gezeigt. Es wurde u.a. ein im Hochspannungs-Laboratorium dieses
Werkes in Betrieb genommener Prüftransformator für 1 Million
Volt gegen Erde vorgeführt (Abb. 1). Man hat
so hohe Spannungen gegen Erde bis jetzt nur durch Hintereinanderschaltung mehrerer,
zum Teil isoliert aufgestellter Transformatoren bekommen, während hier zum ersten
Male in einem einzelnen Transformator 1 Million Volt gegen Erde erzeugt wird. Die
Niedervoltwicklung dieses Transformators besteht aus wenig Windungen, während die
Hochvoltwicklung viele Tausend Windungen enthält, deren eines Ende mit dem Eisenkern
verbunden und damit geerdet ist. Das andere Ende führt die hohe Spannung und wird
mittels einer sog. Durchführung (Abb. 2) – hier ein
großes, mit Isolierstoff gefülltes Rohr – nach außen geführt. Am Ende der
Durchführung ist eine Kugel von über 1 m Durchmesser angebracht, die den Zweck hat,
geräuschvolle Strahlungen zu verhüten. Der Transformator hat eine Leistung von
1000 kVA und ist infolge günstiger Spulenanordnung trotzdem verhältnismäßig klein.
Der 1 Million-Volt-Transformator ist für die übliche Drehstrom-Periodenzahl von 50
Per./S. gebaut; er dient vor allem zur Prüfung von Isolatoren,
Transformatoren-Wicklungen usw.
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Abb. 2.Durchführung des 1 Million V-Transformators.
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Abb. 3.Tesla-Transformator für 1 Million V.
Zur Nachahmung von Spannungen, wie sie in Fernleitungsnetzen beim Schalten oder bei
Störungen vorkommen, verwendet man Hochfrequenzströme, das sind Ströme, die eine
wesentlich höhere Periodenzahl haben, als der gewöhnliche Drehstrom. Die Frequenz
dieser Hochfrequenzströme – auch Tesla-Ströme genannt – liegt bei einer
Größenordnung von etwa 50000 Per./S. Ein Tesla-Transformator (Abb. 3) wurde vorgeführt, der ebenfalls 1 Million Volt
– allerdings nicht ununterbrochen – liefert. Um diese überaus hohe
Wechselzahl zu erreichen, wird eine Hochspannungs-Kondensatorbatterie
aufgeladen, bis an einer vorgeschalteten Funkenstrecke ein Ueberschlag eintritt. Der
elektrische Entladungsfunke ist bekanntlich kein einmaliger Ueberschlag, sondern er
besteht aus einer ganzen Reihe von aufeinanderfolgenden Entladungen (Oszillationen),
die eine Frequenz von 50000 Per./S. haben. Da die Kondensatorbatterie ständig
aufgeladen wird, finden die Ueberschläge in rascher Folge statt. Die Schlagweite des
vorgeführten Transformators beträgt etwa 4 m. Die Hochfrequenzströme verhalten sich
ganz anders, als die üblichen Wechselströme; während diese stets auf der kürzesten
Entfernung zwischen Hochvoltpol und Erde überschlagen, werden von den Tesla-Strömen
z.B. im vorliegenden Falle willkürlich Strecken bis 4 m überschlagen, obgleich die
Entfernung gegen Erde nur 1,5 m beträgt. Ein wahres Trommelfeuer von elektrischen
Funken erfüllt den Raum, wenn der Transformator eingeschaltet wird und das
künstliche Gewitter zur Entladung kommt.
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Abb. 4.Gleichspannungs-Schlagprüf-Einrichtung.
Zur Prüfung von Isolatoren und Apparaten werden die bei Blitzschlägen auftretenden
Beanspruchungen mittels einer Gleichspannungs-Schlagprüfeinrichtung (Abb. 4) künstlich erzeugt. Bei dieser Einrichtung wird
hochgespannter Wechselstrom über Ventilröhren, die wie ein Rückschlagventil wirken
und den Strom nur in einer Richtung durchlassen, in Gleichstrom umgeformt. Mit
diesem Gleichstrom werden zwei Hochspannungskabel von je 350 m Länge auf 400 kV
aufgeladen. Die Kabel dienen dabei nur als Elektrizitätsspeicher und sind daher der
Einfachheit halber auf Kabeltrommeln aufgewickelt. Ueber eine Funkenstrecke werden
die zu prüfenden Apparate an die geladenen Kabel angeschlossen; dabei steht
kurzzeitig die ungeheure Leistung von 3000000 kW zur Verfügung, eine Leistung, die
nahe an die Energiemenge herankommt, die bei Blitzschlägen auftritt.
Die bei dem Isolationsmaterial der Hochspannungstechnik auftretenden dielektrischen
Verluste werden in einer sog. Verlust-Meßeinrichtung (Abb.
5) geprüft. Aus dem zu untersuchenden Material wird durch zwei voneinander
getrennte Metallbelegungen ein Kondensator gebildet, der dann mit einem völlig
verlustfreien Luftkondensator verglichen wird.
Bei Kurzschlüssen in Hochspannungsanlagen treten Ströme von mehreren 1000 A auf, die
in den Apparaten gewaltige magnetische Kräfte hervorrufen und zum Verbiegen oder
Uebereinanderschieben von Wicklungen führen, andererseits aber auch verheerende
thermische Wirkungen ausüben. Es sind deshalb in jeder Anlage selbsttätig wirkende
Oelschalter vorhanden, die diese Ströme abschalten.
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Abb. 5.Verlust-Meßeinrichtung mit Luftkondensator.
Um Oelschalter daraufhin zu untersuchen, ob sie auch imstande sind, so starke Ströme
abzuschalten, ferner um Transformatoren Wicklungen auf ihre mechanische Festigkeit
gegen magnetische Kräfte zu prüfen, wird eine Kurzschluß-Versuchsanlage verwendet.
Da die Ströme nur kurzfristig gebraucht werden, geht man in der Weise vor, daß die
kinetische Energie einer Schwungmasse (Schwungrad) im Augenblick des Versuches
abgebremst und in elektrische Energie umgesetzt wird. Ein 1000-PS-Motor treibt ein
60 t schweres Polrad mit 500 U/m an; hat das Polrad die vorgeschriebene Umlaufszahl
erreicht, so wird der
Stromerzeuger über den zu prüfenden Apparat kurzgeschlossen und erzeugt dabei
Ströme bis zu 32000 A.
Weil solche Versuche leicht zu Schalterexplosionen und anderen Zwischenfällen führen
können, werden sie, um nicht Menschenleben zu gefährden, in einem nur teilweise
überdeckten, feuerfesten Raume vorgenommen; die Beobachtung erfolgt durch besondere
Sehschlitze in starken schmiedeeisernen Fenstern.
Cr.