Titel: | Die Messung hoher Temperaturen und das verbesserte elektrische Glühfaden-Pyrometer. |
Autor: | Foerster |
Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 121 |
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Die Messung hoher Temperaturen und das
verbesserte elektrische Glühfaden-Pyrometer.
Von Oberingenieur Foerster,
Berlin.
FOERSTER, Die Messung hoher Temperaturen und das verbesserte
elektrische Glühfaden-Pyrometer.
Den Temperaturbestimmungen auf wissenschaftlichem Gebiete wird heute in allen
Kulturstaaten die 100teilige Thermometerskala nach Celsius (1742) zu Grunde gelegt.
Zur- Messung von Temperaturen niederen Wärmegrades von etwa – 100 bis + 78° C benutzt
man im allgemeinen Alkohol-Thermometer, zur Messung
höherer Temperaturen von etwa – 40° bis zu + 350° C das Quecksilber-Thermometer. Der Gefrier- oder Schmelzpunkt des Alkohols liegt
bei – 100° C, sein Siedepunkt bei + 78,4° C. Der Gefrier- oder Schmelzpunkt des
Quecksilbers liegt bei – 39,5° C, sein Siedepunkt bei + 357° C, bei einem äußeren
Atmosphärendruck von 760 mm Quecksilbersäule (Hg.) = 10,33 m Wassersäule = 1,033 kg
pro 1 cm2 (At.). Das Meßbereich der
Quecksilber-Thermometer kann man bis zu 550° C ausdehnen, wenn man Kohlensäure oder
Stickstoff über der Quecksilbersäule des Thermometers anwendet. Am genauesten sind
Gas- oder Luftthermometer. Man mißt hier bei konstantem Volumen den Druck. Nach dem
Gesetz vom 1. April 1898 gilt als Normal-Thermometer ein
Gas-Thermometer (Wasserstoffgas!).
Zur Messung höherer Temperaturen bis zu 1600° C hat man auch elektrische Meßmethoden
eingeführt, so unter Benutzung des Eisen-Konstantan-Thermoelements bis 800° C, das zur Messung der Temperatur
des überhitzten Wasserdampfes im Gebrauch ist, und des Platin-Platinrhodium-Thermoelements von Chatelier. Auch sind hier die „Widerstands-Thermometer“ bis 500° C
zu nennen. In der keramischen Industrie, speziell in der Ziegel- und Kalkbrennerei,
sowie in der Porzellanfabrikation ist auch der Seegersche
Brennkegel gebräuchlich, der für Temperaturen von + 600° bis zu 2000° C
verwendbar ist.
In Metallgießereien, Metallschmelzen etc., bei denen es oft erwünscht ist, das
Meßbereich der Temperaturmessung nach oben zu erweitern, ist man seit Jahren in
steigendem Maße zu den sogenannten optischen Pyrometern übergegangen, weil die
Temperaturmessung unter Verwendung von Thermoelementen nach oben durch das Maximum
bei 1900° C beschränkt ist. Mit den optischen Pyrometern kann man Temperaturen bis
zu 3000° C, falls erforderlich bis zu 4000° C und mehr messen, obschon Temperaturen
über 3000° C nur verhältnismäßig selten vorkommen und Meßgeräte hierfür deshalb
praktisch auch von geringerer Bedeutung sind. Mit den optischen Pyrometern bestimmt
man die Temperaturen aus der Strahlungsintensität des glühenden Körpers.
Fast alle Körper beginnen mit fortschreitender Wärmezufuhr bei einer Temperatur um
525° C herum sichtbar zu glühen (tiefe Rotglut!), wenn man von dem praktisch
bedeutungslosen, theoretisch aber immerhin interessanten Phänomen der GrauglutO. Lummer, „Grundlagen, Ziele und Grenzen der Leuchttechnik.“ Aufl.
1918. Verlag R. Oldenbourg, München und Berlin. vor Beginn der Rotglut absieht.
Hier beginnt der uns sichtbare Teil des Emissions-Spektrums der Lichtstrahlung aus
dem Wellenbereich von etwa 700 μμ bis zu 400 μμ. Da man in der Lichttechnik bei
„Temperaturstrahlern“ die Lichtemission im allgemeinen nach Wellenlängen
λ bezeichnet und von Strahlen aus bestimmten Wellenbereichen spricht, diese
Wellenlängen aber nur viele Tausendstel oder Millionstel Millimeter bei mehreren
hundert Billionen Schwingungen pro Sekunde betragen, so hat man für Wellenlängen von
Tausendstel Millimetern die Bezeichnung „μ“, für die von Millionstel
Millimetern die Bezeichnung „μμ“ eingeführt.
Nach Lang1ey ist bei 0° C die Wellenlänge λ = 28000
μμ. Bei – 273° C, dem absoluten Nullpunkt, herrscht absolute Ruhe, denn die absolute
Temperatur eines Körpers ist proportional der lebendigen Kraft seiner
Molekularbewegung. (Schwingungsenergien.)
Die Strahlen von größerer Wellenlänge als 700 μμ mit etwa 400 Billionen Schwingungen
pro Sekunde sind als ultrarote Wärmestrahlen unserem Auge
nicht wahrnehmbar, ebenso wie die jenseits des Emissionsspektrums unterhalb des
Wellenbereichs von 400 μμ liegenden ultravioletten,
chemisch aktininischen Strahlen. Wir sprechen deshalb beim Emissionsspektrum von
„Wärmestrahlen,“ von „Lichtstrahlen“ und von „chemisch
wirksamen Strahlen.“ Die nicht sichtbaren ultraroten Strahlen sind durch
Thermometer, die nicht sichtbaren ultravioletten Strahlen durch die photographische
Platte nachweisbar.
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Abb. 1.Schalttafel-Instrument für Ardometer.
Nach einem von „Draper“ in den sechziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts aufgestellten Gesetz sollten alle durch Wärme zur leuchtenden
Glut gebrachten Körper ohne Unterschied bei der gleichen
Temperatur von 525° C zu glühen beginnen. H. F. Weber und
E. Emden haben aber später festgestellt, daß das
sichtbare Glühen bei Gold bereits bei 423° C und bei Neusilber sogar schon bei 403°
C beginnt. Damit hat das Drapersche Gesetz eine erhebliche Einschränkung erfahren.
Einer von der Phys. Techn. Reichsanstalt aufgestellten Tabelle sind für die
verschiedenen Stadien des Glühens folgende Temperaturangaben entnommen:
Im Dunkeln rotglühend:
525° C
Gelbglut
1100° C
Dunkelrotglut
700° C
Weißglut
1300° C
Kirschrotglut
850° C
Blendendweiße
Hellrotglut
950°C
Glut:
1500°
Nun ist aber bekannt, daß Metalle mit hohem Schmelzpunkt wie u.a. der
Wolframdrahtfaden der gebräuchlichen elektrischen Glühlampen eine Brenntemperatur
von etwa 2000° C, der der modernen gasgefüllten Osram-Nitralampe mit ihrem rein
weißen Licht sogar eine Brenntemperatur von 2500° C besitzt. Der Schmelpunkt des
Wolframs liegt bei etwa 3000° C. Der elektrische Lichtbogen im elektrischen
Schmelzofen und in der Flammenbogenlampe besitzt sogar eine Temperatur von 4000° C
und mehr. Auch diese Temperaturen muß man einwandfrei für wissenschaftliche
Untersuchungs- und Arbeitsmethoden messen können. Hierfür sind die optischen
Pyrometer vorzugsweise geeignet.
Diese optischen Pyrometer zur Messung hoher TemperaturenVgl. Keinath, „Elektrische Temperatur-Meßgeräte.“ Verlag R.
Oldenbourg, Berlin und München.Vgl. Miething, „Siemens-Zeitschrift“ Heft 5 6, 1925 kann man in zwei Gruppen einteilen. Bei der einen wird die Helligkeit des zu
prüfenden glühenden Körpers mit der eines geeichten Glühkörpers, einer Glühlampe,
deren Temperatur und Lichtausstrahlung bekannt ist, verglichen. Die richtige Messung
ist rein subjektiv und besteht darin, daß entweder die Intensität des
„Normalstrahlers“ so lange geändert wird, bis er die gleiche Helligkeit
wie der zu prüfende Körper hat, oder daß Normalstrahler und Meßkörper durch eine
Polarisationseinrichtung auf gleiche Helligkeit gebracht werden. Die beiden
bekanntesten Ausführungen dieser Gruppe sind das Wanner-Pyrometer und das Glühfaden-Pyrometer
nach Holborn-Kurlbaum.
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Abb. 2.Das Glühfaden-Pyrometer. Fertig zusammengesetztes Gerät.
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Abb. 3.Das Glühfaden-Pyrometer. Regelkopf m. Glühlampe abgenommen.
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Abb. 4.Einstellbilder des Pyrometers. Fadentemperatur 10° C zu tief;
Fadentemperatur richtig; Fadentemperatur 10° C zu hoch.
Bei der anderen Gruppe wird die Gesamtstrahlung des
glühenden Körpers durch eine optische Einrichtung, einen Hohlspiegel oder eine
Linse, auf einem wärmeempfindlichen Körper gesammelt und dessen Erwärmung gemessen.
In der Regel wird ein Thermoelement aus dünnen Drähten durch die gesammelten
Wärmestrahlen erhitzt und die erzeugte Thermospannung, die angenähert proportional
der Uebertemperatur ist, mit einem Drehspul-Galvanometer, welches
direkt in Celsius-Graden geeicht werden kann, gemessen.
(Abb. 1.)
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Abb. 5.Prinzipschaftbild des Glühfaden-Pyrometers.
Das älteste Gesamtstrahlungs-Pyrometer ist das Fery-Pyrometer. Es hat sich wenig in
der Praxis eingeführt, denn seine Handhabung ist etwas zu umständlich und die ganze
Meßeinrichtung für rauhe Betriebe ungeeignet: auch waren die hohen
Anschaffungskosten seiner weiteren Verwendung wenig förderlich.
Dieses Gesamtstrahlungs-Pyrometer hat in dem sogenannten Ardometer eine sehr vorteilhafte Verbesserung erfahren. Es ist
hauptsächlich für ortsfesten, also stationären Einbau geeignet. Hat man in einer
Anlage viele Meßstellen, so braucht man eben-soviele Ardometer. Indessen wird auch
das Ardometer in gewissen Anlagen bevorzugt, für die der stationäre Ein- oder Anbau
des Instrumentes erwünscht oder sonst von Vorteil ist.
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Abb. 6.Messen der Gießtemperatur bei Stahl.
Das verbesserte Siemens-Glühfaden – Pyrometer nach Holborn-Kurlbaum, das sich in seiner tragbaren Form in bequemer Weise für
ambulanten Gebrauch eignet (vgl. Abb. 2 u. 3), bestellt aus einem Fernrohr mit Okular- und
Objektivlinse. Zwischen beiden befindet sich die an einen zweizeiligen Akkumulator
angeschlossene Vergleichsglühlampe, die mit einem Drehwiderstand zusammen in
den Fernrohrkörper eingebaut ist. Die Okularlinse verschiebt der Beobachter soweit,
bis er das Bild des Leuchtfadens scharf sieht (vgl. Abb.
4). Danach stellt er die Objektivlinse auf den zu prüfenden glühenden
Körper ein, so daß beide Bilder scharf erscheinen. Nunmehr verstellt er den
Drehwiderstand so lange, bis das Bild des Glühfadenbügels auf dem hellen Untergrund
verschwindet. Dann liest er am Strommesser entweder die Temperatur unmittelbar ab
oder ermittelt sie aus der Stromstärke und einer Hilfstafel. Der
Helligkeitsvergleich zwischen Glühfaden und zu messendem Körper wird bei einer
bestimmten Wellenlänge, mit anderen Worten bei einer bestimmten Farbe, die durch
Einfügen eines Filters aus Rotglas erzeugt wird, vorgenommen.
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Abb. 7.Messen der Temperatur in der Schmelzwanne eines
Siemens-Martinofens.
Der physiologisch wahrnehmbare Teil der Strahlung nimmt mit der Temperatur
außerordentlich schnell zu, in den Grenzen von 600 bis 2000° C etwa in der 10. bis
30. Potenz der Temperatur. Bezeichnet man die Helligkeit mit H, die absolute
Temperatur mit T, so kann man das Verhältnis zwischen Helligkeit und Temperatur
durch die Gleichung ausdrücken: \frac{H_1}{H_2}=\left(\frac{T_1}{T_2}\right)^x, wobei x bei Temperaturen zwischen 600 bis
800° C den Wert von 10 bis 30 annimmt. Eine kleine Temperaturänderung verursacht
also eine weit größere Helligkeitsänderung. Die Einstellung ist dann sehr leicht,
weil ein Helligkeitsfehler von 10% nur einen Temperaturfehler von 1% und noch
weniger verursacht. Ein gelegentlich ausgeführter Versuch hat gezeigt, daß von 4
ungeübten Beobachtern, die zum erstenmal Messungen mit dem verbesserten
Glühfaden-Pyrometer nach Holborn-Kurlbaum machten, nur einer bei der ersten Ablesung
einen
Fehler von 10° bei 1300° beging. Seine zweite Einstellung und die der ersten
der drei anderen Beobachter waren nur um 1,5° C untereinander verschieden. Begnügt
man sich mit einer Meßgenauigkeit von 5 bis 10° C, so läßt sich die Messung in
einigen Sekunden also außerordentlich schnell ausführen.
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Abb. 8.Skala für die Höchstwerte bis 2000° C.
Die Prüflampe verbraucht etwa 2 Watt; sie wird aus dem kleinen Zweizellen-Akkumulator
gespeist, den der Beobachter zusammen mit dem Strommesser mühelos tragen kann. Die
Handhabung des Ganzen ist sehr einfach. Das Auge wird durch die Verwendung von
Linsen geschont, es braucht sich nicht auf die Vergleichslampen- und
Objektentfernung einzustellen, wie es bei einem Vorläufer des Glühfaden-Pyrometers
nach Holborn-Kurlbaum ohne Linsen der Fall war (vergl. auch Abb. 5).
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Abb. 9.Mikropyrometer.
Der Beobachter kann bei der Ausführung der Messung ziemlich weit von dem untersuchten
Objekt entfernt sein (vergl. Abb. 6 und 7). Bei Temperaturen über 800° C schaltet man eine
Rotscheibe vor das Okular, bei Temperaturen über 1200° C eine zweite. Das Meßbereich
dieser Einrichtung geht bis 1400° C. Für höhere Temperaturen werden zwischen
Objektiv und Lampe Rauchglasplatten geschaltet, wodurch das Meßbereich je nach der
Dicke der Platten beliebig erweitert werden kann (bis zu 4000° C und mehr).
Das Galvanometer wird zur direkten Ablesung der Temperatur in Celsiusgraden geeicht,
so zwar, daß die Zeigerablesung nur mit der Konstante des Instrumentes (× 100° C)
multipliziert zu werden braucht, um den Temperaturwert zu erhalten (vergl. Abb. 8).
Die Temperaturmessung mit dem Fernrohr begegnet Schwierigkeiten, wenn das Bild des zu
messenden Körpers nur klein, d.h. von ungefähr gleicher Größe wie der Faden der
Pyrometerlampe selbst erscheint.
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Abb. 10.Pyrometer mit Teleobjektiv.
Will man die Temperatur kleinerer Gegenstände, wie z.B. von leuchtenden
Glühlampenfäden, mit der gleichen Genauigkeit messen, so muß man eine stärkere
Vergrößerung anwenden. Eine zwanzigfache lineare Vergrößerung besitzt das Mikropyrometer, ein Glühfaden-Pyrometer mit Mikroskopoptik, das hierfür geeignet ist.
Will man im praktischen Betrieb an einem Ofen, z.B. durch einen schmalen Spalt im
Mauerwerk, die Temperatur messen und ist die Vergrößerung des normalen Fernrohres zu
gering, so kommt eine dritte Form des Glühfaden-Pyrometers, das Teleobjektiv, in Betracht. Dieses Teleobjektiv ist ein
Zusatzapparat, der aus einer Positiv- und einer Negativlinse in einem etwa 7 cm
langem Rohr besteht. Es wird in das normale Fernrohr mit normaler Glühlampe an der
gleichen Stelle, an der sonst das Rauchglas für ganz hohe Temperaturen (über 3000°
C) eingeschraubt wird, befestigt. Das Pyrometer mit Teleobjektiv ist aber ebenso wie
das Mikro-Pyrometer nicht mehr tragbar zu verwenden, sondern nur stationär.