Titel: | Neuerungen im Bauwesen. |
Autor: | Max Samter |
Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 108 |
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Neuerungen im Bauwesen.
Von Regierungsbaumeister a. D. Max
Samter.
Neuerungen im Bauwesen.
Ueber Bauaustrocknung. Das Bestreben, neu her gestellte Bauten so
rasch als möglich ihrem Verwendungszweck übergeben zu können, hat in neuerer Zeit
mit Rücksicht auf die vorherrschende Wohnungsnot dazu geführt, die Bauaustrocknung
durch besonders wirksame Mittel auf künstlichem Wege vorzunehmen. Ein Bauwerk ist
bekanntlich erst dann für den dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet, wenn das
Mauerwerk gut ausgetrocknet ist und das Bindematerial, der Mörtel, vollständig
abgebunden hat, d.h. erhärtet ist. Dieser Erhärtungsprozeß beruht ja darauf, daß der
Kalkmörtel durch den Zutritt von Kohlensäure sich in kohlensauren Kalk verwandelt
und bei dem chemischen Prozeß Wasser frei wird.
Der bisher für die Austrocknung gebräuchliche Koksofen zeitigt manch unangenehme
Begleiterscheinung, die seine Verwendung wenig empfiehlt. Bei der Verbrennung des
Koks bilden sich zwar – ganz abgesehen von der strahlenden Wärme, die Decken und
Wände trocknet – reichliche Mengen von Kohlensäure, die für die Mörtelerhärtung
benötigt wird; jedoch muß in jedem zu trocknenden Raum ein Koksofen aufgestellt
werden; auch wird durch das Aufsteigen der strahlenden Wärme im Innern kalte
Außenluft durch das poröse Mauerwerk wieder eingesaugt, so daß mit dem genannten
Verfahren, wenn nicht ganz außerordentliche Opfer an Brennmaterial gebracht werden,
nur eine oberflächliche Erhärtung und Trocknung erzielt wird. Dadurch, daß die Wärme
nicht regelbar ist, entstehen vielfach Risse in Wänden und Decken, in bereits
eingebauten Holztüren usw.; ferner bilden sich infolge des mangelhaften
Verbrennungsprozesses die gefährlichen Kohlenoxydgase; schließlich kann infolge
des dicht abgeschlossenen Raumes die mit Feuchtigkeit gesättigte Innenluft aus dem
zu trocknenden Raum nicht entweichen.
Textabbildung Bd. 342, S. 107
Die Folge davon ist, daß nach Entfernen des Kokskorbes und
Wiederabkühlung des Raumes die Feuchtigkeit sich von neuem an Wänden und Decken
niederschlägt.
In Erkenntnis der genannten Uebelstände hat man die Trocknung durch besonders
konstruierte Oefen mit zirkulierender Heißluft vorgenommen, jedoch wurde hierbei
wieder dem Mörtel zu wenig Kohlensäure zugeführt.
In letzter Zeit ist ein Verfahren in Fachkreisen bekanntgeworden, welches die
vorerwähnten Mängel beseitigen soll, das Druckumluft-Trockenheizverfahren System
Albert Wagner, welches der Deutschen Bautentrocknungs-Ges. m. b. H., Hannover, zur
Ausführung übertragen wurde. Maßgebend für die vorgenannte Konstruktion waren
besonders folgende Gesichtspunkte:
Die Wärmequelle muß zur Vermeidung jeglicher Feuersgefahr sich außerhalb des Gebäudes
befinden. Die Heißluft muß reichliche Kohlensäuremengen aus den schon erwähnten
Gründen mit sich führen; die Bildung von Kohlenoxyd ist zu vermeiden, die Temperatur
der Heizgase muß regelbar sein, und schließlich soll die, reichliche
Kohlensäuremengen mit sich führende heiße Trockenluft durch das gesamte Mauerwerk
dringen.
Durch eine außerhalb des Baus befindliche fahrbare Heizquelle (s. Abbildung) wird
mittels eines mechanisch angetriebenen Ventilators durch starke Rohre heiße,
kohlensäurereiche Luft unter erheblichem Druck in den auszutrocknenden Bau gepreßt,
dessen Fenster und Türen naturgemäß so dicht als möglich geschlossen werden müssen.
Die heiße Druckluft dringt durch das poröse Mauerwerk, gibt Kohlensäure an den
Kalkmörtel ab, während das Wasser verdampft und ins Freie tritt. Die Temperaturen,
die durch die Trockenmaschine im Bau erzielt werden, schwanken zwischen 40 und 350
Grad C.; durch Regelklappen an der Heizmaschine ist man in der Lage, jede gewünschte
Temperatur einzuhalten, so daß auch solche Neubauten ausgetrocknet werden können, in
denen bereits Holzfußböden, Fenster und Türen eingebaut wurden; in solchen Fällen
darf die Trocknungstemperatur nicht über 40 Grad gehalten werden, während sonst mit
Temperaturen von 100 bis 200 Grad gearbeitet werden kann.
Nr. 1
Nr. 2
Nr. 3
Kohlensäure (CO2)
1,00 %
0,20 %
0,10 %
Sauerstoff (O)
19,60 %
20,00 %
19,90 %
Kohlenoxyd (CO)
0,00 %
0,00 %
0,00 %
Schwefl. Säure (SO2)
0,04 %
0,08 %
0,11 %
Stickstoff (N) als Rest
79,36 %
79,72 %
79,89 %
––––––––––––––––––––––––––––
100,00 %
100,00 %
100,00 %
Nach den Angaben der Firma kann ein Bau von rd. 1000 cbm Rauminhalt in etwa 3 bis 4
Tagen vollkommen ausgetrocknet werden, wobei der stündliche Verbrauch in der
Trockenheizmaschine etwa 30 bis 50 kg Koks beträgt. Die Firma hat bei einem Neubau,
der dem beschriebenen Trockenverfahren unterworfen wurde, genaue Untersuchungen der
Heizgase durch die Staatliche Chem. Techn. Prüfungs- und Versuchsanstalt in
Karlsruhe vornehmen lassen; die Ergebnisse sind in der beigefügten Tabelle
zusammengestellt, wobei noch bemerkt sei, daß die Probe Nr. 1 aus dem
Einführungsraum der Heizgase, die Probe Nr. 2 aus einem Zwischenraum und die Probe
Nr. 3 aus dem Auspuffraum stammte. Zum Schluß mag noch ein Mittel ganz anderer Art
erwähnt werden, die Neubaufeuchtigkeit in sehr wirksamer Weise zu entfernen; auf
dasselbe macht Professor Schachner in seinem Werk „Gesundheitstechnik im
Hausbau“ aufmerksam. Benutzt wird hierbei die Eigenschaft des Chlorkalziums,
aus feuchter Luft Wasser aufzunehmen, und zwar ist es möglich, mit 1 kg Chlorkalzium
etwa 1,5 kg Wasser aus der Luft bis zum Sättigungspunkt des Chlorkalziums mit Wasser
zu beseitigen. Es ist nur nötig, in dem gut geschlossenen Raum den
Chlorkalzium-Exsiccator aufzustellen, der weiter keine Bedienung benötigt. Durch
einen Ventilator, dessen Antriebsmotor an die verlegte Lichtleitung ohne weiteres
angeschlossen werden kann, wird die feuchte Luft ständig an dem Chlorkalzium
vorbeibewegt. Der stündliche Energieverbrauch des Ventilators beträgt nur 50 Watt
oder 1/70
Kilowatt, die Stromkosten würden sich daher bei einem Einheitspreis von 40
Pfg./Kilowattst. auf 2 Pfg. belaufen. Mit einer Füllung von rund 5 kg Chlorkalzium
können nach der angeführten Quelle in 1 bis 2 Tagen je
nach der Raumfeuchtigkeit mindestens 7 kg Wasser entfernt werden, die teils der
Luft, teils Wänden und Decken entzogen werden.