Titel: | Industrielles Neuland am Niederrhein und seine geologischen Grundlagen. |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 273 |
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Industrielles Neuland am Niederrhein und seine
geologischen Grundlagen.
Von Bergwerksdirektor W. Landgraeber.
LANDGRAEBER, Industrielles Neuland am Niederrhein.
Auf der ganzen Welt dürfte es wohl kaum ein Gebiet geben, das einen so reichen
Bergsegen in seinem tiefern Untergrunde birgt, wie die Gegend von Wesel am
Niederrhein. Nach jahrelangen unsagbaren Schwierigkeiten ist es nunmehr gelungen,
die ersten Schächte bis in diese wertvollen Lagerstätten niederzubringen, so daß mit
der Ausbeutung begonnen werden kann. Ein industrielles Neuland ist somit im Stadium
des Entstehens.
Am geologischen Aufbau des in Rede stehenden zukünftigen Bergbaubezirks, in dem
gleichzeitig ein Abbau auf Kali- und Steinsalze sowie auf Steinkohlen betrieben
wird, beteiligen sich Karbon, Zechstein, Abschnitte der Trias, der Kreide und des
Tertiärs.
Ueberall verdeckt eine mächtige Lage von Schottern aus „Südlichem Diluvium“
und „Nördlichem Diluvium“ sowie von Alluvium die vordiluvialen Schichten.
Mit wenigen Abweichungen ähnelt das Steinkohlengebirge des Bezirks dem im
eigentlichen Ruhrkohlenrevier in Ausbeutung stehenden „Produktiven“.
Unproduktives Karbon, das sogen. Flözleere, ist bisher noch an keiner Stelle erbohrt
worden. Hier finden sich ebenfalls Kohlenflöze mit Sandstein- und Schieferschichten
sowie mit Konglomeraten in Wechsellagerung. Den charakteristischen Merkmalen sowie
das vorwiegende Auftreten von Sandsteinpartien in der Magerkohlengruppe, den
Konglomeraten, typischen marinen Sedimenten, flözleeren Gebirgsmitteln oberhalb wie
unterhalb der Fettkohlenpartie, sowie den eigentümlichen Gruppierungen von Flözen an
gewissen Stellen begegnet man auch hier. Sie alle sind gern gesehene Hilfsmittel bei
der Flözidentifizierung.
Schätzungsweise steht die Magerkohlenpartie in einer Mächtigkeit von 1100 bis 1200 m
an und die Fettkohlenpartie in etwa 520 m. Das Auftreten der jüngsten Gruppe des
Produktiven, der Gas- und Gasflammkohle ist an Grabenversenkungen tektonischer Natur
mit größerem Ausmaß gebunden, auf die im tektonischen Teil dieser Abhandlung noch
besonders eingegangen werden soll. Die Mächtigkeit der anstehenden Gaskohle
schwankt. Im Süden des Gebietes steht sie in bis zu 300 m mächtigen Schichten an. In
den nördlichen bzw. nordwestlichen Gebieten des Kalireviers nimmt sie ab, dagegen
nach Nordosten hin zu.
Die Anzahl der Flöze in der oberen Magerkohle und der unteren Fettkohle ist auffällig
geringer, als in den gleichaltrigen Schichten des Ruhrreviers und demnach auch
die Gesamtmächtigkeit des anstehenden Kohlenreichtums. Die höher gelegenen Zonen
haben dagegen wieder einen größeren Gehalt an Kohlen, der stellenweise sogar das
normale Verhalten übertrifft. Im allgemeinen kann von dem Kohlenreichtum gesagt
werden, daß auf 1 qm dieses Gebietes etwa 100 t Kohlen zu gewinnen sind.
In diesem neuen Kalibergbaubezirk sind die salzführenden Schichten ganz überraschend
beim Aufsuchen neuer Kohlenfelder in den unverritzten nordwestlichen Randgebieten
des eigentlichen Ruhrkohlenreviers entdeckt. Der Wert der Grubenfelder hat dadurch
naturgemäß eine ganz bedeutende Steigerung erfahren zumal sowohl Steinsalz wie
Kalisalz in vorzüglicher Beschaffenheit und reichen Mengen erbohrt worden sind.
Die Ausbildung des Zechsteins in seiner Gesamtheit entspricht am meisten demjenigen
deutschen Vorkommen, welches schon länger im Werratal bekannt und reichlich gut
aufgeschlossen ist und mit dem Namen „Werravorkommen“ bezeichnet worden ist.
Der Zechstein überlagert diskordant den alten zerstückelten und teilweise
abgetragenen Rumpf des Steinkohlengebirges. Zwischen den Ablagerungen beider
Formationen fehlen die Rotliegendschichten, wenigstens konnten sie bisher noch nicht
sicher nachgewiesen werden. Die älteste Zechsteinschicht ist das
Zechsteinkonglomerat, das nicht zum Rotliegenden gerechnet werden kann. Stellenweise
sind unter demselben allerdings auffallend rotgefärbte, örtlich auftretende Ton- und
Sandsteinschichten bemerkt worden, die infolge dieser merkwürdigen Beschaffenheit
Veranlassung zu der Annahme geben konnten, man habe hier Rotliegendes anstehen. Es
hat sich jedoch bald herausgestellt, daß diese Rotfärbung die gleiche Erscheinung
ist, wie sie in mehreren anderen Kohlengebieten, wie z.B. bei Gladbeck, wahrgenommen
worden ist. Diese geröteten Schichten gehören den Produktiven an. Ihre sekundäre
Verfärbung kann von eingedrungenen Eisenoxydlösungen aus den hangenden,
eisenhaltigen Schichten des Zechsteinkonglomerats herrühren. Sie kann aber auch
ebenso gut von der Einwirkung der Salzlösungen stammen, die auf Spalten und
Schnittflächen aus dem Salzlager in die Tiefe geführt wurden. Es ist auch nicht
ausgeschlossen, daß neben der sekundären Rotfärbung nachträglich nochmals eine
Umfärbung stattgefunden hat. Bei derartigen Vorgängen spielen besonders organische Substanzen durch
ihre reduzierende Wirkung eine Rolle. Eisenoxyd kann auf diese Weise in Eisenoxydul
umgewandelt werden, was mit einer nochmaligen Verfärbung verbunden ist.
Ueber dem Zechsteinkonglomerat lagern kupferschieferähnliche Gebilde. Man bezeichnet
sie tunlichst mit sandigem Mergelschiefer, da in ihnen im Gegensatz zu dem
vorwiegend tonigen mitteldeutschen Kupferschiefer sandige Beimengungen vorherrschen.
Ein gewisser Kalkgehalt ist meist gut merkbar. Ueber diesem Mergelschiefer folgen
die bekannten marinen Kalke, die sich durch einen erheblichen Fossilreichtum
auszeichnen und darüber die salzführenden Schichten. Im engeren niederrheinischen
Kalisalzprofil lassen sich drei Zonen unterscheiden, die allem Anschein nach der
älteren Salzfolge angehören. Ueber einer unteren Steinsalzzone folgt eine mächtige
Kalisalzzone, die hundert und mehr Meter mächtig ist und darüber wiederum eine
Steinsalzzone. Bezüglich der Genesis kann auch jetzt ein abschließendes Urteil noch
nicht abgegeben werden. Jedoch dürfte es sich kaum um deszendenten Zusammenfluß
konzentrierter Laugen eines anderen abgetragenen Salzlagers handeln, wie von
verschiedener Seite angenommen wird.
Die Salzgrenze unseres Zechsteinlagers läßt sich im Süden, Westen und Osten ziemlich
genau angeben. Im Norden ist ihr Verlauf jedoch noch unsicher. Vermutlich geht die
Salzverbreitung nicht über Linie Emmerich- Winterwysk hinaus. Ausgenommen an solchen
Stellen, wo das gesamte Zechsteinvorkommen an Verwerfungen mit erheblicher
Verwurfshöhe einen starken und plötzlichen Abbruch erlitten hat. Auch deckt sich die
Grenze der Kalisalzverbreitung niemals mit der Steinsalzgrenze. Außerhalb der
Grenzlinie finden sich infolge sehr erheblicher Zerstückelung des Salzlagers durch
tektonische Einwirkung (Schollenbewegungen) noch einige kleine Salzpartien von dem
Hauptlager abgetrennt. Ob bisher alle derartig gebildeten Salzinseln bekannt
geworden sind, mag dahingestellt bleiben. Ausgeschlossen ist es nicht infolge der
bisher planlos angesetzten Bohrungen.
Aus der Steilstellung der in manchen Bohrungen angetroffenen Salzschichten ist zu
schließen, daß es am Niederrhein ebenfalls zu salzhorstartigen Aufpressungen
gekommen sein muß. Infolgedessen wird man auch hier mit dynamometamorphen
Umbildungen im Salzlager und regellosen Ablagerungen in den Salzstöcken zu rechnen
haben. Ob und inwieweit dabei ausgesprochene Salzhutbildungen mit ihren gebrächigen
und laugehaltigen Gebilden oberhalb und unterhalb des Salzspiegels am Salzkopf
vorkommen, läßt sich heute noch nicht erkennen. Es wäre allerdings dem
niederrheinischen Bergbau, der an und für sich schon genug mit unsäglichen
Schwierigkeiten beim Schachtabteufen im Tertiär und Buntsandstein zu kämpfen hat, zu
gönnen, daß ihm die Erschwernisse des Abteufens im Salzhut erspart blieben.
Im Profil des niederrheinischen Vorkommens folgen von oben nach unten:
Obere Zechsteinletten
35– 45 m
Plattendolomit
5– 7 m
Untere Zechsteinletten
25– 33 m
Steinsalz mit Kalisalz
300–600 m
Anhydrit mit Dolomit
8– 10 m
Das Werraprofil setzt sich von oben nach unten folgendermaßen:
Plattendolomit
14– 22 m
Untere Zechsteinletten
40– 60 m
Steinsalz mit Kalisalz
200–300 m
Anhydrit mit Dolomit
2– 5 m
Obere Zechsteinletten
15– 20 m
Das Salz des niederrheinischen Vorkommens ist durchweg sehr rein; das
Hartsalzlager befindet sich an der Basis der Kalizone. Anhydritische Einlagerungen
sind bisher weniger beobachtet worden.
Im niederrheinischen Salzprofil lassen sich wie gesagt drei Zonen unterscheiden: eine
untere und eine obere Steinsalzzone, dazwischen eine mittlere Kalizone, die etwa ein
Drittel des gesamten Salzgebirges einnimmt.
Das untere Steinsalz zeigt kleinspätige Textur, es ist zuckerkörnig bis
kleinkristallinisch. Die Farbe ist grauweiß, stellenweise sogar fast reinweiß. In
den unteren Partien ist dieses Salz ganz rein, nach oben hin treten indessen mehr
oder weniger mächtige Kisseritschnüre auf. Die Färbung wird hier eine rötliche.
In der Kalizone nehmen diese Kieseritschnüre bedeutend zu. Sie machen hier bis zu ein
Sechstel des Salzprofils aus.
In der Hauptsache besteht diese Zone aus Carnallit und Hartsalz. Das Hartsalzlager,
das sich an der Basis befindet, wird aus zwei bisweilen auch drei Flözen von
durchschnittlich einem Meter Mächtigkeit gebildet. Sie sind durch verschieden
mächtige Steinsalzmittel voneinander getrennt. Das Hartsalz ist frei von Anhydrit.
Es zeigt undeutliche Streifung und ist von kleinkristallinischer Textur. Der
Chlorkaliumgehalt schwankt zwischen 10–30%.
Nach dem Hangenden zu schließt die Carnallitzone an, die das eigentliche Hauptsalz
bildet, und an seiner intensiv roten Farbe leicht erkennbar ist. Es ist
außerordentlich reiner Carnallit, der einen Chorkaliumgehalt von 24–27% besitzt.
In der über der Kalizone lagernden Steinsalzzone treten zuweilen noch Einlagerungen
von Kalisalzen auf, die jedoch von untergeordneter Bedeutung sind. Die
Kieseritschnüre sind hier vollständig verschwunden. Das Steinsalz hat im allgemeinen
ein grobspätiges Gefüge. Nur an den Stellen der erwähnten Kalisalzstreifen weist es
ein zuckerkörniges bis feinkörniges Aussehen auf. Die Farbe ist schwach rötlich.
Ueber dem Steinsalz lagern roter Salzton und darüber Anhydrit.
Es darf wohl gesagt werden, daß hier ganz enorme Vorräte hochprozentiger Kalisalze
anstehen, die den reichsten Vorkommen unseres Vaterlandes zuzurechnen sind. Auf der
linken Rheinseite dürften in diesem Gebiete mit 13 Normalfeldern allein etwa 56
Millionen Tonnen Kalisalz als anstehend anzunehmen sein, die selbst bei einem
Abbauverlust von 50% noch 28 Millionen Tonnen Reinkali ergeben. Auf der rechten
Rheinseite liegen die Verhältnisse ebenso günstig.
Es kommt ferner noch die Ablagerung von Steinsalz in Betracht, welches sowohl zu
Sodaherstellung (Solvay-Werke, die mehr als 90% des Sodabedarfs der Welt herstellen)
wie zu Siedesalz ausgezeichnet verwendbar ist.
Von den triassischen Bildungen nimmt der Buntsandstein den größten Teil ein, insofern
als Muschelkalk und Keuper bisher nur in ganz geringer Verbreitung angetroffen
worden sind. In dem überall auf dem Zechstein konkordant auflagernden Buntsandstein
läßt sich eine Dreiteilung in unteren, mittleren und oberen Buntsandstein mit
einiger Sicherheit vornehmen. Scharf ausgeprägte Begrenzungslinien sind allerdings
kaum zu finden. Vom unteren Buntsandstein sind nur recht wenig Reste vorhanden. Er
nimmt weiter östlich des in Rede stehenden Gebietes größere Mächtigkeiten an. Die
Ursache dieser Erscheinung ist auf tektonische Einwirkung zurückzuführen.
Größere Verbreitung kommt dem mittleren Buntsandstein zu, der in Mächtigkeiten bis
500 m und mehr auftritt. Leider hat sich im Laufe der letzten Jahre herausgestellt, daß
seine petrographische Ausbildung so schlecht und für das Schachtabteufen so
ungeeignet ist, daß nur mit Aufbietung aller technischen Hilfsmittel diesen
Schwierigkeiten beizukommen ist. Die Sandsteine dieser Gebirgszone bestehen aus
vorwiegend blaßroten, vereinzelt auch grünlichen, gelben bis weißen Bänken und
Letteneinlagerungen. Das Bindemittel ist durchweg tonig-kalkig, jedoch stellenweise
so gering, daß den einzelnen Schichten schwimmsandartiger Charakter zuzusprechen
ist. Kieselige Bindemittel sind weniger wahrzunehmen. Von Bedeutung sind die
Letteneinlagerungen in diesen Partien, da sie häufig wasserabschließend sind. Viele
von ihnen sind allerdings nicht auf weiter Erstreckung durchgehend, wohl infolge
ihrer fluviatilen Entstehung. Auf eine derartige Entstehung deuten wenigstens die
konglomeratartigen Geröllelagen, sowie die vereinzelt auftretenden Gerölle hin.
Typische Konglomeratschichten, wie sie in den weiter südlich gelegenen
Buntsandsteingebieten anstehen, sind hier nicht vorhanden. Je weiter man nach Norden
kommt, desto feiner wird die Körnigkeit und desto mehr findet eine Abnahme der
gröberen Gerölle statt. Im Süden finden sich vorwiegend scharf ausgeprägte
Konglomerate und grobkörnige Sandsteine. Im Norden befindet sich ein Buntsandstein,
der fast geröllefrei und mittel- bis feinkörnig ausgebildet ist. Die bekannte
Chirotherienzone ist am Niederrhein bisher noch nicht beobachtet worden. Als
besonders fossilreiche hat sich der mittlere Buntsandstein nicht erwiesen. Um so
reicher ist allerdings das Auftreten von Spalten und Haarrissen, die das Gestein
geradezu durchschwärmen und mit schwachsalzigem Wasser sozusagen schwammartig
vollgesogen sind. In dem Schacht II der Schachtanlage Wallach betrugen bei einem
Wasserdurchbruch in 463 m die Wasserzuflüsse etwa 60 cbm in der Minute. Es werden
dabei mehr als 700 cbm eingeschlemmt. Katastrophenartig brachen die in Spannung
stehenden Wasser ein und füllten den Schacht in einer Stunde bis auf 80 m unter der
Hängebank an.
Die Grenze zwischen mittlerem und oberem Buntsandstein ist wenig scharf ausgeprägt,
da das charakteristische Hauptkonglomerat nicht zur Ausbildung gelangt ist. Die
Letteneinlagerungen treten in dieser Zone, je weiter man nach oben kommt, allmählich
immer mehr zurück. Dafür stellen sich salinische Bestandteile ein. Vor allen Dingen
ist hier viel Gips als Bindemittel wie als Spaltenausfüllung vorhanden. Derartige
gipsreiche Zonen sind sehr fest und wassertragend und daher für das Schachtabteufen
von größter Bedeutung. Die in diesen Abschnitten auftretenden Spalten sind fast
immer durch Gipsausscheidung zugeheilt. Beim Schachtabteufen benutzt man diese
festen Schichten gern, um bei absatzweisem Gefrierverfahren die notwendigen
Erweiterungen des Schachtes darin vorzunehmen. Wo die gipshaltigen Bindemittel
fehlen, ist der obere Buntsandstein ebenso mürbe, gebrächig und wasserführend wie
der mittlere Buntsandstein. Man weiß daher auch nie recht, ob man sich im mittleren
oder oberen Buntsandstein befindet. Stellenweise bietet die auffallend rote Farbe
der Rotschichten einen Anhaltspunkt.
Ueber die Verbreitung der Kreide im niederrheinischen Kalirevier herrschte noch bis
vor kurzem Unklarheit. Allgemein wurde angenommen, daß die im Nünsterschen Becken zu
großer Mächtigkeit gelangte Kreideformation ihre Begrenzung an einer Linie fände,
die man sich etwa von Duisburg über Bucholt, Welmen bis Oeding gezogen dachte, so
daß linksrheinisch Schichten dieser Formation nicht mehr vorhanden seien. Es ist
jedoch gelungen, aus den Aufschlüssen der Schächte den Nachweis der
Kreideverbreitung auf der linken Rheinseite zu erbringen. Zum Glück sind die
Kreideschichten, von denen gewisse Zonen, wie Turon und Emscher ebenfalls wegen
ihrer Wasserführung als Gefahrenzone beim Schachtabteufen zu betrachten sind, im
Deckgebirge des niederrheinischen Kalireviers nur schwach mächtig vertreten. Von
Osten nach Westen, also zum Rhein hin, nimmt die Mächtigkeit der einzelnen
Kreideabschnitte verhältnismäßig schnell ab, unter Hervortreten eines mehr oder
weniger deutlich merkbaren Wechsels in der faciellen Ausbildung. Von den
spaltenreichen Turon-Kalkmergeln ist in unserem Kalirevier nicht viel vorhanden. Es
lassen sich jedoch in der Gegend von Bucholt-Welmen noch die bekannten Kreidestufen
Emscher, Turon und Cenoman feststellen. Diese Schichten sollten nach früheren
Ansichten an einer sog. Kontinentalgrenze des Kreidemeeres, die man sich als eine
bogenförmige Linie von Oeding, Südlohn, Stadtlohn dachte, ihre Begrenzung finden.
Durch den Kreidefund bei Borth dürfte sich diese Annahme als irrig ergeben haben.
Das dort gefundene Gesteinsmaterial lagert mit gewaltiger Schichtenlücke direkt auf
oberen Buntsandstein. Es ist wegen der reichen Glaukonitführung und seiner
grünlichen Farbe als Grünsand zu bezeichnen und scheint dem Cenoman anzugehören. An
der Grenze zum Buntsandstein findet sich ein fest verkittetes Konglomerat aus
Grünsand und anderen schwärzlichen kalkigen Gesteinen, die aus älteren Schichten
stammen. In dieser auffälligen Erscheinung ist zweifellos eine Unregelmäßigkeit in
der Ausbildung zu erblicken. Diese Tatsache ist insofern sehr wichtig, als ähnliche
Schichten, in denen bisher keine Fossilien gefunden wurden, und die man deshalb
einfach zum Tertiär stellte, jetzt stratigraphisch richtig eingereiht werden können
und als zur Kreide gehörig anzusehen sind. Man muß sich jedoch davor hüten, um jede
in den Bohrregistern als „festes toniges Gestein“ oder „Mergelgestein“
bezeichnete Schichten als zur Kreide gehörig anzusehen. Derartig bezeichnete
Schichten haben bei oberflächlicher Betrachtung außerordentlich große Aehnlichkeit
mit den Kreide-Grünsanden. Die Bezeichnung „Grünsand“ ist darum wenig
zutreffend und führt leicht zu Irrtümern. Die meisten unter den obengenannten Namen
angetroffenen Gesteine gehören dem Unteroligozän an.
Die Verbreitung der Kreide ist ebenso wie die des Muschelkalks, des Keupers und der
jurassischen Gebilde eine sehr beschränkte. Meist liegt das Tertiär direkt auf dem
Buntsandstein.
In allen Gebirgsschichten, die bislang mit Schächten durchteuft worden sind, haben
die losen wasserreichen Bildungen des niederrheinischen Tertiärs dem
Schachtbautechniker die größten Sorgen bereitet. Sie reichen bis in Teufen von 300
Meter und mehr hinab. Die ältesten bisher bekannt gewordenen Glieder dieser
Formation gehören dem Unteroligozän an. Es sind helltonige Schwimmsande, die mit
einer vorzüglich erkennbaren Geröllschicht meist direkt auf dem Buntsandstein
lagern. In den höheren Schwimmsanden finden sich neben Tier- und Pflanzenresten noch
Brennkohleneinlagerungen in Linsen und Lagern vor. Die Braunkohle ist erdig
beschaffen und von schwarzer Farbe. Ihrem Alter nach wird es sich um gelagerte Reste
der subhercynischen Braunkohlenformation handeln. Dem Unteroligozän fiel die Aufgabe
zu, die durch die tektonischen Einwirkungen entstandenen Unebenheiten des älteren
Untergrundes wieder auszufüllen. Daher sind diese Schichten in den verschiedenen
Gräben- und Horstgebieten in ihrer Mächtigkeit vielfach schwankend ausgebildet.
Ueber dem Unteroligozän verbreitet sich allem Anschein nach transgredierend das
Mitteloligozän. Es bildet gewissermaßen einen Leithorizont in dem stratigraphisch
schwer einzuordnenden Schichtenverband. In ihrer gewaltigen Mächtigkeit – im
Bereiche der Schächte der Anlage Borth und Wallach stehen sie etwa 130 m stark an –
gelten sie als wasserabschließend. Sie verhindern ein Durchsickern des Tagewassers
ins tiefere Erdreich und mithin in die Lagerstätten.
Bedeckt werden diese Tone und tonigen Sande von Oberoligozän. Waren erstere
verhältnismäßig versteinerungsarm, so finden sich hier außerordentlich große
Reichtümer an Resten ehemaliger Meeresbewohner vor. Ganze Bänke von Muschel- und
Schneckenschalen wurden in den verschiedensten Teufenabschnitten angetroffen. Der
Bergmann bezeichnet diese fossilreichen Lager schlechthin mit
„Muschelbänken“. Gestrandete Holztrümmer, die von Bohrwürmern (Teredo)
vollständig durchfressen sind, werden allenthalben darin gefunden, ebenso Reste von
Fischknochen, Zähne und Fischwirbel.
Noch reicher an Fossilien der Tertiärzeit sind die stellenweise über dem Oligozän
erhalten gebliebenen schwarzbraunen Glimmersande des Mittelmiozäns. Aus den
Schächten der Anlage Borth und Wallach sind etwa 1000 verschiedene Arten
Tertiärfossilien gesammelt. Pliozäne Gebirgsschichten sind verhältnismäßig selten
anzutreffen. Wo sie bisher gefunden wurden, standen sie ebenfalls als lockere Masse
an.
Größere Verbreitung weisen die diluvialen Absätze auf. Die diluvialen Ablagerungen
der Rheinniederung bestehen vorwiegend aus dem Material der Niederterrasse. Die
randlichen Hügel der Rheinebene bestehen aus Sanden und Kiesen von Rheinterrassen
und Glazialdiluvium. Die Hügel der linken Rheinseite werden als Sander ehemaliger
nordischer Gletscher angesehen. Bergwirtschaftlich soll das Material dieser Berge
beim späteren Abbau dieses industriellen Neulandes als Versatz, d.h. Füllmittel der
ausgebeuteten Grubenräume verwandt werden. Die meisten Werkbesitzer, die hier
Grubenfelder erworben haben, sicherten sich bereits einen erheblichen Teil dieser
Kies- und Sandhügel.
Wie im vorstehenden bereits mehrfach erwähnt wurde, ist das geologische Gerüst
unseres Kalireviers keineswegs ein einfaches Gebäude. Vielmehr ist der Boden in fast
allen erdgeschichtlichen Perioden von mehr oder weniger starken Erdbewegungen
heimgesucht worden. Wir haben es hier mit einem ausgeprägten Schollenbau zu tun,
dessen einzelne Schollen in kaum zu entwirrender Weise bewegt wurden. Soweit sich
die Lage bisher beurteilen läßt, traten sicherlich schon in der Spätkarbonzeit
Verwerfungslinien auf. Von einer Faltung der Karbonschichten, wie sie im Ruhrrevier
anzutreffen ist, und dort eine Gliederung in weitausholende Sättel und Mulden
hervorgerufen hat, ist bisher nur wenig wahrgenommen. Es ist hier höchstens zur
Bildung von sanft mulden- und sattelförmigen Senkungen und Hebungen gekommen, die
entweder im Spätkarbon oder zur Zeit des Rotliegenden entstanden sind. Um so
tiefgreifender ist das alte Grundgebirge von Verwerfungen betroffen. Sie haben den
Karbonkörper in mehrere tektonische Elemente, in Horste und Gräben, gegliedert
Selbstverständlich kann heutigentags eine Einteilung und auch eine Begrenzung nur
erst mit knappen Strichen angedeutet werden und auch nur so weit als sich die
hervorragendsten Horste und Gräben durch Oberflächenkartierung des Karbons
feststellen lassen. Meist ist jedoch das genaue Ausmaß der Verwerfungen noch nicht
festzustellen. Die Solvay-Rheinpreußen-Störung, wohl die bedeutendste in unserem
Kalirevier, hat bei den Alpen eine Verwurfshöhe von etwa 300 m.
Es ist ganz natürlich, daß bei der späteren Aufschließung der Gebiete durch
Grubenbaue neben den Hauptverwerfungen noch eine große Anzahl ebenfalls hercynisch
gerichteter Bruchlinien im Karbon in Erscheinung treten werden. Mit ihnen sind
Zerbrechungen, Spezialhorste, Spezialgräben, Treppenbrüche und Staffelbruchzonen
verknüpft. Das Einfallen dieser Bruchlinien ist gewöhnlich recht steil. Jedoch
dürften die Fallwinkel Aenderungen unterworfen sein. Die Verwerfungen sind niemals
völlig ebene, glattwandig in die Tiefe hinabreichende Flächen, sondern wellig
gebogene Bruchflächen. Nicht allein vor Ablagerung des Zechsteins sind derartige
Bewegungen eingetreten, wir können tektonische Schollenbewegungen und Verschiebungen
an den Querbrächen in fast allen geologischen Perioden erkennen. Diese
Krustenbewegungen machen sich bis in die Diluvialzeit hinein bemerkbar. Die
tektonische Anlage der heutigen Horste und Gräben ist hauptsächlich präoligozän. In
nacholigozäner Zeit ist meist eine Abnahme in der Wirksamkeit der Bruchbildung aus
Querverwerfungen zu erkennen. Den Haupteffekt erreichen die tektonischen
Gebirgszerreißungen in der Jurazeit und zwar wahrscheinlich in deren jüngeren
Abschnitt. Als Nachklänge der als jungjurassisch bestimmbaren Bodenbewegungen
könnten vielleicht noch senome und auch lozäne Dialokationen in Erwägung zu ziehen
sein. Die Abtragung der emporgehobenen Massen und die damit jeweils verbundene
Entlastung werden auch dazu beigetragen haben, die Wirksamkeit der Verschiebungen zu
beeinflussen. In wieweit die dynamometamorphen Vorgänge in den Salzlagern bei
Aufpressung von Salzhorsten auf die tektonische Beschaffenheit unseres Kalireviers
eingewirkt haben, läßt sich heute noch nicht beurteilen.
Die Erdbewegungen in der Oligozänzeit, welche unser Gebiet zwischen den Ablagerungen
der Mittel- und Oberoligozänzeit zum Festland emporgehoben haben und in der
Oligozänzeit die mehrfachen Strandverschiebungen verursachten, scheinen
schaukelförmig gewesen zu sein. Jedoch dürften die postoligozänen Dislokationsphasen
wiederum an Bedeutung den präoligozänen nicht viel nachstehen. Sie erzeugten die
Sprünge mit ostwestlichen Streichen, die ebenso wie die hercynisch gerichteten
stellenweise ganz gewaltigen Verwurfshöhen ausweisen.
In allen genannten Bewegungsepochen fand meist ein Wiederaufreißen entlang der alten
karbonischen Verwerfungslinien statt, zu denen sich zweifellos jedesmal noch neue
hinzugesellten. Besonders die triassischen Ablagerungen, wie der Buntsandstein, der
auf den geringsten Druck hin gern zu Spaltenbildung neigt, ist dadurch arg in
Mitleidenschaft gezogen. Seine zahllosen Wasserklüfte und Haarrisse, die dem
Schachtabteufen so unendliche Schwierigkeiten bereiten, sind lediglich ein Erzeugnis
dieser Krustenbewegungen. Dadurch, daß in den ruhigeren Zwischenräumen ein großer
Teil der aufgerichteten Horste eingeebnet wurde, sind manche für die Erkennung der
tektonischen Verhältnisse wichtige Erscheinungen verwischt.