Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 242 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
mf. Wie wird sich die Lokomotive weiter entwickeln?
(Nachdruck verboten!) Das erste Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts hat bekanntlich
eine beispiellose technische Entwicklung gebracht. Man braucht nur an Kraftwagen,
Flugzeug, Luftschiff und Rundfunk zu erinnern, um die großen Fortschritte vor Augen
zu führen. Auf dem Gebiete der Kraftmaschinen ist die Kolbendampfmaschine, die seit
Watts Erfindung, also seit über 100 Jahren, unumschränkt geherrscht hat, bei
mittleren Leistungen mehr und mehr durch den Dieselmotor und bei großen Leistungen
durch die Dampfturbine verdrängt worden. Das Wesentliche bei diesen Beispielen ist,
daß an die Stelle des Alten grundsätzlich Neues gesetzt wurde. Um so erstaunlicher
erscheint es, daß auf einem der wichtigsten technischen Gebiete, nämlich auf
dem des Eisenbahnwesens, nicht nur in den letzten Jahrzehnten, sondern von Anfang an
keine grundsätzliche Aenderung mehr eingetreten ist. Welche Fortschritte hat
beispielsweise die Dampflokomotive, die jetzt auf das ehrwürdige Alter von fast 100
Jahren zurückblicken kann, in diesem Zeitraum gemacht? Die Zugleistung ist ganz
erheblich vergrößert und damit die Achszahl und die Achsbelastung erhöht, die
Wirtschaftlichkeit ist wesentlich verbessert, die Betriebssicherheit in hohem Maße
gesteigert worden. Eine grundsätzliche Aenderung ist aber in diesen hundert Jahren
nicht eingetreten; sogar die von Stephenson entwickelte Grundform ist beibehalten
worden. Ferner ist man mit Rücksicht auf die Einfachheit der Bedienung schon seit etwa
zwei Jahrzehnten nicht wesentlich von den bewährten Bauarten abgewichen: Alte
Lokomotiven werden also durch neue leistungsfähigere, im übrigen aber durch solche
gleicher Bauart ersetzt.
Wird sich nun die Lokomotive im Laufe der nächsten Jahrzehnte wesentlich ändern?
Zur Beantwortung dieser Frage ist einerseits zu beachten, daß durch Spurweite,
Gleiskrümmungen sowie durch den freien Raum über den Gleisen die äußere Begrenzung
der Lokomotiven festliegt; Abweichungen wären nur durch Umbau der Strecke möglich.
Andererseits besteht ein stetig wachsendes Bedürfnis nach größerer Zugleistung, und
gerade darin ist die Dampflokomotive mit etwa 2000 Pferdestärken so ziemlich an der
Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Eine weitere Steigerung der Leistung ist
bei einer Auspuffkolbenmaschine nicht mehr möglich, da ein einzelner Heizer die
erforderliche Kohlenmenge nicht mehr auf den Rost befördern kann. Eine mechanische
Rostbeschickung hat sich bisher nicht bewährt. Auch der Versuch, durch Einführung
von Kohlenstaub- oder Oelfeuerung die Schwierigkeiten der Rostbeschickung zu
beseitigen, werden wohl keinen wirtschaftlichen Erfolg bringen, denn die Oelfeuerung
scheidet wegen des hohen Brennstoffpreises für Deutschland aus; sie eignet sich nur
für Länder, in denen Reichtum an Oel vorhanden ist. aber Mangel an Kohle besteht.
Die Kohlenstaubfeuerung kommt, selbst wenn die feuerungstechnische Frage als gelöst
angesehen werden soll, wegen des großen Raumbedarfs nicht in Frage; denn einmal
braucht man zur rauchfreien Verbrennung von Kohlenstaub sehr große Brennkammern,
deren Inhalt etwa 3- bis 4mal so groß sein muß wie bei Oelfeuerung; sodann macht die
Unterbringung der erforderlichen Kohlenstaubmengen Schwierigkeiten. Abgesehen von
der Zerknallgefahr hat Kohlenstaub nämlich den Nachteil, daß sein Schüttgewicht
wesentlich geringer ist als das der unzermahlenen Kohle, d.h. es kann im gleichen
Raum auf den Heizwert bezogen eine etwa um 10 vom Hundert größere Menge Steinkohle
gelagert werden. Es kommt hinzu, daß Kohlenstaub mit Rücksicht auf die völlige
Entleerung nur in trichterförmigen Bunkern untergebracht werden kann, die sehr viel
Raum einnehmen.
Soll die Dampflokomotive somit künftigen Ansprüchen genügen, so bleibt die einzige
Möglichkeit, bei gleichem Brennstoffverbrauch wie bisher die Leistung der Maschinen
zu erhöhen. Auf diesem Gebiete sind bisher durch Einführung von Heißdampf,
Speisewasser-vorwärmung und Verbundwirkung bereits wesentliche Verbesserungen
erzielt worden. Weiterhin besteht heute die Möglichkeit, Dampfdruck und Temperatur
zu erhöhen, ferner den Dampf niederzuschlagen oder ihn zum Vorwärmen des
Kesselspeisewassers zu benutzen. Hierdurch können noch beträchtliche Erfolge erzielt
werden; allerdings wird dadurch die Lokomotive teurer und schwierig in der
Unterhaltung; sie büßt ihre bisherige Einfachheit im Aufbau und in der Bedienung
ein.
Die Beschränkung hinsichtlich der Leistung fällt bei der elektrischen Lokomotive, die
den Strom durch einen Fahrdraht erhält, fort. Elektrische Lokomotiven sind daher
schon für Leistungen von 3000 bis 3500 Pferdestärken gebaut worden. Ihre Zugkraft
kann durch Kupplung mehrerer Maschinen, die gemeinsam von einem Führer bedient
werden, noch erheblich gesteigert werden. Die Grenze liegt dabei nur in der
Möglichkeit, den erforderlichen Strom durch den Fahrdraht heranzuführen. Elektrische
Lokomotiven haben ferner den Vorteil, daß die Anfahrzeiten verkürzt, und daß auch
bei starken Steigungen hohe Geschwindigkeiten erzielt werden können; sie eignen
sich daher besonders für Vorort- und Gebirgsbahnen. Im Fernverkehr des Flachlandes
dagegen kann die elektrische Lokomotive ihre Vorteile nicht zur Geltung bringen;
dort ist die Fahrgeschwindigkeit bereits so groß, wie es die Streckenverhältnisse
gestatten; eine wesentliche Verkürzung der Fahrzeit ist also nicht mehr möglich. Da
ferner mit Rücksicht auf die Fahrdrahtleitung die Anlagekosten und damit auch die
Zinslasten elektrischer Bahnen sehr hoch sind, werden elektrische Lokomotiven im
Fernverkehr wohl nur dort wirtschaftliche Vorteile bringen, wo – wie etwa in
Oberitalien – billiger, durch Wasserkraft erzeugter Strom zur Verfügung steht und
keine Kohle im Lande vorhanden ist.
Für den Fernverkehr verspricht die Dieselmotorlokomotive besondere Vorteile. Sie ist
nicht teurer als eine elektrische Lokomotive und braucht weder ein Kraftwerk noch
Fahrleitungen; sie ist jederzeit fahrbereit und muß nicht wie die Dampflokomotive
dauernd unter Feuer gehalten werden, wenn sie nur stundenweise verwendet werden
soll. Ein weiterer Vorteil besteht in der Möglichkeit, längere Strecken zu
durchfahren, ohne daß die Lokomotive wegen Wasser- und Brennstoffmangels gewechselt
werden muß. Die Diesellokomotive hoher Leistung ist jedoch bisher noch nicht in
größerem Umfange erprobt, und ihrer weiteren Entwicklung stehen technische
Hindernisse im Wege. Zunächst macht der Bau eines Dieselmotors großer Leistung und
kleinen Gewichts Schwierigkeiten; es ist jedoch zu erwarten, daß auf Grund der
Erfahrungen des Flugzeugmotorenbaues und neuerer Versuche der Bau eines
schnellaufenden Dieselmotors mit etwa 800 bis 1000 Umdrehungen in der Minute und
einem Gewicht von 10 Kilogramm für die Pferdestärke möglich sein wird. Die
Hauptschwierigkeit besteht jedoch in der Uebertragung der Antriebsleistung auf die
Achsen. Nach dem heutigen Stande der Technik kommen für große Leistungen nur die
dieselelektrische Lokomotive, d.h. die Lokomotive, bei der der Dieselmotor
Elektrizität erzeugt, die dann die Räder antreibt, und die Diesellokomotive mit
Zahnradgetriebe in Frage. Die dieselelektrische Lokomotive hat alle Vorteile der
elektrischen Lokomotive ohne den Nachteil der kostspieligen Fahrleitung; die
Diesellokomotive mit Zahnradgetriebe kann wie ein Kraftwagen nur stufenweise auf die
gewünschte Fahrgeschwindigkeit geschaltet werden, sie ist jedoch der
dieselelektrischen Lokomotive im Wirkungsgrad überlegen und scheint bei Verwendung
von hochwertigen Getrieben und Elektromagnetkupplungen ebenso betriebssicher zu
sein.
Ueber die energiewirtschaftlichen Vorzüge der Diesellokomotive ist noch zu sagen, daß
eine neuzeitliche Heißdampflokomotive den Brennstoff bis zu 10 vom Hundert, die
dieselelektrische Lokomotive dagegen bis zu 25 vom Hundert, die
Getriebediesellokomotive sogar bis zu 30 vom Hundert ausnutzt. Diesen Vorsprung
einzuholen wird der Dampflokomotive unmöglich sein. Da wir jedoch in Deutschland
Reichtum an Kohle haben, dagegen Treiböle aus dem Ausland einführen müssen, wird die
Dampflokomotive wohl schon aus diesem Grunde auch in den nächsten Jahrzehnten ihre
beherrschende Stellung behalten. Erst wenn es gelingt, unmittelbar aus Kohle billige
Treiböle herzustellen, wird sich die Diesellokomotive in größerem Maße einführen
können. In den Gebieten aber, wo die Möglichkeit einer billigen Stromgewinnung
gegeben ist, wie im rheinischen und im mitteldeutschen Industriegebiet und in
Oberbayern, wird die elektrische Lokomotive mit der Zeit vorherrschend werden.
Dr.-Ing. Fr. Soltau.
Ein neuer Kontrollapparat für Feuerungen. Im
Gegensatz zu den in Deutschland üblichen Messungen des Kohlensäuregehaltes von
Abgasen wird in Amerika meist der Luftüberschuß bestimmt, von der richtigen
Erkenntnis ausgehend, daß die Höhe des Luftüberschusses bei allen Feuerungen
unmittelbar auf die Verluste an fühlbarer Wärme schließen läßt, während der
theoretische und praktische Höchstgehalt an Kohlensäure bei jedem Brennstoff
verschieden ist und sogar bei Kohlen gleicher Herkunft oft um mehr als 1%
schwankt.
Die Bailey Meter Company in Cleveland, Ohio, hat nun, wie E. G. Bailey berichtet, auf
Grund langjähriger Erfahrungen und zahlreicher Versuche an Feuerungen aller Art
einen neuen Gasmesser auf den Markt gebracht, der den Druckunterschied an zwei
hintereinanderliegenden Stellen im Kessel, deren Querschnitt bekannt ist, mißt und
die gesamte Feuergasmenge unmittelbar abzulesen gestattet. Der Gasmesser kann in
bekannter Weise mit einem Dampfmesser gekuppelt und mit einem Registrierapparat
versehen werden, so daß sich aus dem Verlauf der Gas- und Dampfkurve ohne weiteres
ein Bild über die Verbrennung ergibt. Eine Spezialkonstruktion dieses Instrumentes
ist auch für Feuerungen mit zwei verschiedenen Arten von Brennstoffen, z.B.
Kohlenstaub- und Gasfeuerung, geeignet.
Die zahlreichen Messungen, die von Bailey mit diesem Apparat durchgeführt wurden,
lassen erkennen, daß die Verluste an fühlbarer Wärme zwar um so geringer sind, je
geringer der Luftüberschuß über den theoretischen Luftbedarf ist, daß aber unterhalb
einer gewissen Ueberschußzahl andere Verluste oder Schäden in erheblichem Maße
auftreten und den Gewinn an fühlbarer Wärme aufheben. Außer dem bekannten Verlust
durch unvollkommene Verbrennung ist noch der Verlust durch unverbrannten Kohlenstoff
(Ruß), Verbrennliches in den Rückständen und endlich die Beschädigung des
Mauerwerkes infolge der hohen Temperaturen zu erwähnen. Je feiner verteilt der
Brennstoff mit der Verbrennungsluft in Berührung kommt, um so geringer ist der
wirtschaftlichste Luftüberschuß. Daher ist bei Gasfeuerungen diese Ueberschußzahl am
geringsten, bei Oel- und Kohlenstaubfeuerungen etwas höher, bei Kohlenfeuerungen am
höchsten. Die Mauerwerksbeschädigungen können durch Wasserkühlung vermieden oder
wenigstens verringert werden. (Mechanical Engineering, Heft 7, Juli 1926.)
Pr.
Einfluß der Gießtemperatur auf ein Lagermetall mit
Bleibasis. Bei den von Prof. Ellis an der Universität zu Toronto
untersuchten Legierungen (80–85% Blei, 10 bis 15% Antimon, 3,5–5% Zinn) zeigte sich,
daß das Ersetzen von Bleianteilen durch Antimon die Druckfestigkeit und die
Brinellhärte erhöht. Beim Ersetzen des Zinn durch Kupfer wird wohl eine Zunahme der
Druckfestigkeit beobachtet, dagegen bleibt die Härte gleich. Auf der anderen Seite
übt die Temperatur der Formen eine stärkere Wirkung auf die mechanischen
Eigenschaften der Legierung aus als die Gießtemperatur. Untersucht man eine
Legierung aus 83,1% Blei, 12,1% Antimon und 4,8% Zinn, so stellt man fest, daß bei
einer gegebenen Formtemperatur die Erhöhung der Gießtemperatur die Abmessungen der
Gamma-Würfel und gleichzeitig das Korn der Legierung vergrößert; dabei erfolgt die
Seigerung in geringerem Maße als bei einer Temperaturerhöhung der Form. Diese letzte
wirkt mehr auf die Härte und Druckfestigkeit. Durch Erhöhung der Formtemperatur
vermindert man die Widerstandsfähigkeit des Metalles gegen langsam wirkenden Druck.
Durch Zusatz von Kupfer (z.B. in einer Legierung mit 1% Kupfer, 11% Antimon,
5,5% Zinn, Rest Blei) wird das Legierungsgefüge verändert, die Seigerung ist fast
vollständig verschwunden, außerdem findet bei 334° im Metall eine noch nicht ganz
geklärte Reaktion statt. (La technique moderne, 1. 1. 26, S. 30.)
Ka.
Gasfernleitung. Diese wichtige Frage behandelt R. F. Starke an Hand eines umfangreichen Zahlenmaterials in
einer ausführlichen Abhandlung, der wir folgende Angaben entnehmen. Verfasser legt
seinen Berechnungen zwei Fälle zugrunde, einmal die Lieferung eines Gases von 4200
WE/cbm oberen Heizwert bei 0° und 760 mm, wie es den heutigen Normen entspricht, und
das andere Mal als Ziel zukünftiger Gasverteilung ein eines Gases von 4200 WE/cbm
oberem Heizwert bei 0° und 760 mm. Es werden vier verschiedene Mischgase, die diesen
Heizwerten entsprechen, in ihrer Zusammensetzung und ihrem spezifischen Gewicht
angeführt sowie die Kosten ihrer Herstellung nachgewiesen. Die Selbstkosten für 1
cbm. betragen:
Typengase
Mischgase
Koksofen-gas
Wasser-gas
Genera-torgas
4200 WE(ob., 0/760)
3200 WE(ob., 0/760)
Mischgas ausKoksofengas %
–
–
–
76,14
87,25
23,86
59,31
Wassergas % –
–
–
–
23,86
–
76,14
–
Generator-gas %
–
–
–
–
12,75
–
40,69
Selbstkostenfür 1 cbm
3,474
2,584
1,124
3,262
3,175
2,796
2,518
f. 1000 WE(unt., 0/760)
0,840
1,002
0,973
0,866
0,845
0,948
0,861
Die Fernleitung derartiger Gemische wird eingehend besprochen unter Berücksichtigung
des Kraftbedarfs, der Gasverluste, der zweckmäßigsten Kompressordrucke bei einer
Ausdehnung der Leitungen über 300 bis 500 km und bei einem Rohrdurchmesser von 500
mm. Hierbei belaufen sich die Förderkosten, auf 1000 WE unterer Heizwert bezogen,
bei 300 km Länge der Leitung auf 0,40 bis 0,51 Pfg., bei 400 km auf 0,49 bis 0,62
Pfg. und bei 500 km auf 0,58 bis 0,71 Pfg. Die geringsten Kosten fordert jeweils das
reine Koksofengas, während die Kosten für die beiden Mischgase von 4200 WE
gegeneinander nicht sehr verschieden sind, was in gleicher Weise für die beiden
Mischgase von 3200 WE gilt. Die Wirtschaftlichkeit der Gasfernleitung wird durch
eine anschauliche Gegenüberstellung der Selbstkosten ab Kokerei und frei Verbraucher
nachgewiesen, wobei auch die sonstigen Vorteile der Fernversorgung kurz gestreift
werden. Zusammenfassend betont Verfasser, daß eine Gasfernleitung aus den
Kohlenbezirken bis zum Halbmesser von 500 km wirtschaftlich möglich ist. Die
Fernleitung von reinem Koksofengas (4640 WE oberer Heizwert) ist am
vorteilhaftesten, doch sind auch Mischgase von 4200 und 3200 WE hierfür geeignet.
Ein durch restlose Vergasung gewonnenes Mischgas (Steinkohlengas + Wassergas) von
3200 WE ergibt die höchsten Selbstkosten, doch ist gerade ein solches Mischgas wegen
der Kohlenersparnis vom volkswirtschaftlichen Standpunkt am wünschenswertesten.
Hinsichtlich der Verwendung sind Koksofengas und Mischgase von 4200 WE nur nach ihrem
Heizwert zu beurteilen, da die theoretischen Flammentemperaturen in allen drei
Fällen nahezu gleich sind. Ein mit Wassergaszusatz hergestelltes Mischgas von 3200
WE hat eine höhere theoretische Flammentemperatur, das mit Generatorgaszusatz
hergestellte Mischgas aber eine niedrigere Flammentemperatur, weshalb jenes das
wertvollere ist. Die Fernleitung von Mischgasen erfordert eine Druckerhöhung, die
für Gase von 3200 WE sogar ziemlich erheblich ist, ferner eine Aenderung der
Gasverbrauchapparate. Obschon die Mischgaserzeugung den Koksmarkt entlastet, hält
Verfasser doch die Rückkehr zum reinen Steinkohlengas, das sowohl für die Erzeuger
wie für die Verbraucher am vorteilhaftesten ist, für wünschenswert, denn es
erfordert die niedrigsten Kosten für die Fernleitung und ist gegenüber der eigenen
Erzeugung wettbewerbsfähig bis zu einer Entfernung von 500 km. Somit könnte auch
Berlin von den Kohlenbezirken aus mit Gas versorgt werden, wie überhaupt alle
deutschen Städte von Zentralkokereien im Ruhrgebiet bzw. in Oberschlesien aus
wirtschaftlich mit Gas versorgt werden könnten. (Ztschr. V. Dt. Ing., Bd. 69, S. 538
bis 546.)
Sander.
23. Jahresversammlung des Vereins Beratender Ingenieure e. V.
(V. B. I.). Der Verein hielt vom 4.–6. September seine 23.
Jahresversammlung in Breslau ab. An der öffentlichen Versammlung im Sitzungssaal der
Handwerkskammer beteiligte sich eine große Anzahl von Vertretern der Behörden und
Verbände. Der Vorsitzende Beratender Ingenieur VBI Direktor a. D. Plümecke, Berlin-Steglitz, wies in seiner
Begrüßungsansprache auf die Umstellungskrise hin, die die deutsche Wirtschaft
zurzeit durchzumachen hat und deren Dauer nicht vorauszusehen ist, sowie auf die
schweren Verluste der Ostmark durch die widerrechtliche Abtretung eines Teiles von
Oberschlesien an Polen. Der Beratende Ingenieur sei ein Treuhänder in technisch und
technischwirtschaftlichen Belangen und infolge seiner Unabhängigkeit von
irgendwelchen Sonderinteressen in erster Linie berufen, an dem Wiederaufbau der
Wirtschaft mitzuarbeiten. Der Verein Beratender Ingenieure umfaßt die in ihrem
Berufe wirtschaftlich selbständigen Ingenieure, die weder direkt noch indirekt
Lieferungsinteressen vertreten oder als Vertreter von Fabrikations-, Handels- oder
Unternehmerfirmen irgendeiner Art tätig sind. Da sich in letzter Zeit viele ihrer
Berufsauffassung oder ihrer Fähigkeit nach ungeeignete Elemente dieser Tätigkeit
zugewendet haben, so fordert der Verein im Interesse des Gemeinwohles eine
gesetzliche Regelung und Aufsicht der Tätigkeit der Beratenden Ingenieure durch
Errichtung einer Reichskammer in ähnlicher Weise wie die bereits bestehenden Kammern
für Aerzte und Rechtsanwälte. Beratender Ingenieur Rosenquist, Breslau, hielt einen außerordentlich lehrreichen Vortrag über
„Die Wasserversorgung von Deutsch-Oberschlesien“, in welchem auch auf die
Verhältnisse hingewiesen wurde, die durch die unglückliche Grenzziehung zwischen
Deutschland und Polen entstanden sind. Staat und Industrie haben inzwischen die
„Wasserwerk Deutsch-Oberschlesien G. m. b. H.“ gegründet, welcher die
Aufgabe obliegt, eine genügende und einwandfreie Wasserversorgung von
Deutsch-Oberschlesien sicher zu stellen. In einem weiteren Vortrage sprach
Beratender Ingenieur VBI Zieger, Zittau, über das Thema
„Welchen Vorteil bietet der Beratende Ingenieur bei einem Fabrikbau?“ Der
Vortragende benannte als Haupterfordernis für den modernen Fabrikbau Licht, Luft,
Bewegungsfreiheit, Feuersicherheit und Erweiterungsmöglichkeit ohne Betriebsstörung.
Auch müßte eine Fabrik so gebaut werden, daß die gesunde Arbeitskraft der darin
beschäftigten Arbeiter erhalten bleibt, und daß neben dem oft überwältigenden
Eindruck ler inneren Gestaltung auch Rücksicht auf eine würdige äußere Gestaltung
der Fabrik genommen wird, damit das Gesamtbild der Umgebung nicht unschön
beeinflußt wird. Zum Schluß berichtete Beratender Ingenieur VBI Simon, Berlin, über
die „Lage der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft“. Der Vortragende
sieht die Ursache der jetzigen Weltwirtschaftskrise 1. in Geldmangel, verursacht
durch Goldabwanderung von Europa nach Amerika, durch Ausfall Rußlands als
Absatzgebiet, durch Europas Verschuldung, durch passive Handelsbilanz bzw. hohe
Steuerkosten und endlich durch Rüstungskosten der Siegerstaaten, 2. in fehlendem
Absatz, durch Ueberfluß von Produktionsstätten, durch Neuschaffung nationaler
Industrien, durch Ueberproduktion infolge verbesserter Arbeitsmethoden und endlich
durch verminderte Kaufkraft weiter Volksschichten. Für Deutschland findet der
Vortragende folgende Wege zur Ueberwindung der Weltwirtschaftskrise: Ausschaltung
der Nachkriegsunternehmungen und wirtschaftlich schwachen Gesellschaften,
Geldbeschaffung aus Ländern, die Goldüberfluß haben, Normalisierung und Typisierung
der Fabrikate und Verteilung der Arbeitsquoten bei gleichzeitigem Zusammenschließen
gleichartiger Betriebe, erst national, dann international, Zusammenfassung der
Verkaufsorganisationen, Verbesserung der Fabrikationsmethoden, Abbau der Steuern und
Regelung der Exportfragen.
Die mit großem Beifall aufgenommenen Vorträge bewiesen in einem kleinen Ausschnitt
die Mannigfaltigkeit der Tätigkeit der unabhängigen, auf rein beratende Tätigkeit
eingestellten Ingenieure und den Nutzen, welcher sich aus
wissenschaftlich-praktischer Durcharbeitung der ihnen gestellten Aufgabe für unser
Wirtschaftsleben ergibt.
Technisch-Wissenschaftliche Lehrmittelzentrale (TWL). Die
Technisch-Wissenschaftliche Lehrmittelzentrale (TWL), Berlin NW. 7, Dorotheenstr.
35, ist z. Zt. mit der Bearbeitung einer Diapositiv-Reihe beschäftigt, die das ganze
Gebiet der Wärmewirtschaft planmäßig behandeln soll. Von dieser Reihe sind unter
Mitarbeit von Dipl.-Ing. E. Praetorius und mit Unterstützung seitens des
„Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit“ die beiden ersten Teile
fertiggestellt. Der Abschnitt „Brennstoffe“ umfaßt 19 Diapositive, die in
Form von anschaulichen, zumeist farbigen graphischen Darstellungen über die
chemische Natur, den Heizwert und andere wissenswerte Merkmale der wichtigsten
festen, flüssigen und gasförmigen Brennstoffe unterrichten. In dem zweiten
Abschnitt, der aus 34 Diapositiven besteht, ist in schematischen Zeichnungen und
einigen Photographien das Gebiet „Entgasen, Schwelen und Vergasen“ behandelt.
Besondere Berücksichtigung fanden die Kokerei und die noch in der Entwicklung
begriffene Schwelerei; auch ist das Bergin-Verfahren der Kohleverflüssigung an
dieser Stelle aufgenommen. Gegenwärtig werden Diapositive über Vorkommen, Förderung
und Verbrauch von Brennstoffen und über Kohleaufbereitung angefertigt. Für die
Arbeiten hat u.a. die „Hauptstelle für Wärmewirtschaft“ ihr Material zur
Verfügung gestellt.
Die Darstellungen, die sehr sorgfältig unter Hervorhebung des Wesentlichen
durchgearbeitet sind, können mit Erlaubnis der TWL, die von Fall zu Fall erteilt
wird, in Lehrbücher übernommen werden. Dies gilt auch für die kürzlich
fertiggestellte, von Dipl.-Ing. Dünckel bearbeitete Diapositiv-Reihe über
Gaserzeugung.
Ausführliche Verzeichnisse der Diapositive enthält die soeben von der TWL
herausgegebene Drucksache Nr. 3: Neue Diapositiv-Reihen.