Titel: | Alfred Krupp. |
Autor: | Landoraeber |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 238 |
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Alfred Krupp.
(Zum 100. Gedenktage der Entwicklung Kruppscher
Werke.)
Alfred Krupp.
Nunmehr sind 100 Jahre verflossen, seit Alfred Krupp die Leitung eines kleinen
Hammerwerkes übernahm, aus dem er die jetzige Weltfirma Krupp hervorzauberte. Alfred
Krupp ist der eigentliche Gründer dieser Firma und, was noch bedeutsamer ist, der
Begründer der deutschen Eisentechnik, von der wiederum fast alle Industrien abhängig
sind. Eisen bildet das Rückgrat aller technischen Kultur. Wohl kannte und benutzte
das Altertum dieses wertvolle Metall. Die eigentliche Eisenkultur begann aber erst
im Mittelalter und entwickelte sich vornehmlich auf deutschem Boden. Fast alle
Länder Europas wurden einst von Deutschland mit Eisen versorgt. Leider ging diese
Vormachtstellung durch den 30jährigen Krieg verloren und auf England über.
Deutschland trat erst nach dem Napoleonischen Kriege wieder auf dem Eisenmarkt als
Produzent auf, um sich seinen früheren Platz zurückzuerobern.
Mit diesem Aufschwung ist der Name Alfred Krupp unauslöschlich verbunden. Er übernahm
nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1826 außer einem Geheimverfahren der
Gußstahlherstellung eine kleine, im Jahre 1811 erstellte Hütte, in der sein Vater
„dereinst den englischen Gußstahl vom deutschen Markte verdrängen zu können
glaubte“. Während der neue Stahl als gut anerkannt wurde, fehlte das für die
Einrichtung geeigneter Werkstätten erforderliche Kapital. Er hinterließ seinem 14 ½
Jahre alten Sohne Alfred ein der Kundschaft, der Betriebsmittel und des Kredites
völlig entblößtes Geschäft. Alfred Krupp fiel die Aufgabe zu, an der Seite seiner
Mutter mit sechs Arbeitern das Werk seines Vaters aufzurichten und fortzuführen. Er
war nicht nur Besitzer sondern zugleich Schmied, Schmelzer, Korrespondent und
Reisender. In den ersten Jahren ging es ihm recht schlecht. Mit ungewöhnlichem Eifer
verstand er es sich durchzusetzen. Ausgehend von der Herstellung von Gußstahlwalzen,
deren Abnehmerzahl ständig wuchs, dehnte er seinen Kundenkreis als sein eigener
Geschäftsreisender – damals gab es noch keine Eisenbahn – bis in die bayerische und
schwäbische Gold- und Silberindustrie aus. Bald darauf nahm er die Herstellung von
Walzmaschinen für Münzen, Edelmetall und Messingbearbeitung auf. Ferner fertigte er
Münzstempel an. Einige Jahre nach der Uebernahme des Unternehmens gingen seine
Erzeugnisse nach Holland, Frankreich, Italien und sogar bis nach Indien. Im Jahre
1835 mußte er seine Anlagen vergrößern. Er baute eine mechanische Werkstätte
mit Dampfbetrieb und ein größeres Hammerwerk bei Essen. Die alte bis dahin
betriebene Walkmühle bei Altenessen gab er auf. Die Arbeiterzahl konnte er auf das
zehnfache erhöhen und seine ersten Beamten anstellen. An Wertigkeit und Präzision
der von ihm hergestellten Gußstahlwalzen, Rietenmaschinen, Stahlkämme für Webstühle
und Lahnwalzen kam ihm keiner nach. Bei Absatzstockungen des einen oder anderen
Fabrikates verstand es Alfred Krupp, sich schnell auf andere Erzeugnisse
umzustellen. Eine ganze Anzahl Neuerungen zur Verwendung des Gußstahles ist hieraus
entsprungen. So übernahm er bald darauf die Herstellung von Werkeugen für den
Bergbau, ferner Kutsch- und Eisenbahnwagenfedern, Maschinenteile für Dampfmaschinen,
Dampfhämmer, Gewehrläufe u.a.m. Seine Erfindung der Löffelwalzwerke und der
Besteckwalzwerke hat in kritischen Zeiten seinem Unternehmen des öfteren gute
Dienste geleistet.
Kein anderes Metall konnte den Kruppschen Gußstahl übertreffen. Ein wichtiger
Fortschritt war das im Jahre 1847 aus Gußstahl hergestellte
Drei-Pfünder-Geschützrohr. Zwei Jahre später begann er die Fabrikation gußstählerner
Wagenachsen und Lokomotivkurbelwellen, die ihm eine riesige Kundschaft im In- und
Auslande zuführte. Hinzu kam bald darauf der Bau von Schiffswellen aus Gußstahl für
die Fluß- und Seeschiffahrt. Im Jahre 1851 erregte Krupp auf der Weltausstellung in
London durch einen ausgeschmiedeten Gußstahlblock von 2000 kg – eine bis dahin
unbekannte Leistung – die staunende Bewunderung der gesamten Fachwelt. „Hiermit
rückte die Essener Fabrik mit einem Schlage auf den ersten Platz unter allen
Gußstahlwerken der Welt“, so berichtet Prof. Müller. Seit 1853 begannen die
Kruppschen nahtlosen Eisenbahnreifen aus Gußstahl ihren Siegeslauf durch die ganze
Welt.
Dreißig Jahre nach dem Tode seines Vaters war die Zahl der Arbeiter auf 1000
gestiegen. Seine Mutter hatte ihm auf Grund seiner Verdienste um die Entwicklung des
Unternehmens im Jahre 1848 den Besitz der Fabrik als Alleininhaber durch Verkauf
übertragen. Ende der 50er Jahre wurde nach langwierigen Versuchen das
Gußstahlgeschütz und mit ihm die Geschoßfabrikation aufgenommen. Die Aufträge und
das Arbeitsfeld hatten inzwischen einen derartigen Umfang angenommen, daß die Betriebe
gewaltig vergrößert werden mußten. Alfred Krupp löste die sich hieraus ergebenden
Aufgaben mit gewohnter Energie und geschäftlicher Klugheit. 1860/61 wurde der
berühmte Hammer „Fritz“ aufgestellt. Im Jahre 1861 führte Krupp als erster
auf dem Kontinent das auf dem Gebiete der Stahlerzeugung revolutionierend wirkende
Bessemer-Verfahren ein. Im Jahre darauf nahm er das erste Bessemer-Werk in
Deutschland in Betrieb. Um die gleiche Zeit kam die erste Zwillingsdampfmaschine zur
Aufstellung. Im Jahre 1866 betrug die Zahl der Betriebsdampfmaschinen auf den
Kruppschen Werken bereits 110 und die der Dampfkessel 140.
Um jene Zeit, im Jahre 1864, pachtete Krupp das Steinkohlenbergwerk „Graf
Beust“ für 20 Jahre, um die Kohlenversorgung seines Werkes für die Zukunft
zu sichern. Gleichzeitig erwarb er 50 Eisenerzgruben an der Lahn zwecks
Sicherstellung seiner Erzbasis sowie mit Rücksicht auf die Güte und Gleichmäßigkeit
seines Stahles. Ferner verwirklichte er die langgehegte Absicht, sich in der
Roheisenerzeugung von fremden Hütten möglichst unabhängig zu machen. Er kaufte die
Sayner und Mülhofener Hütte an. Der Leuchtgasbedarf seiner Fabrik überstieg um jene
Zeit bereits eine Million cbm. Kurz darauf wurde eine Gasanstalt gebaut, deren
Leistung nach weiteren 2 ½ Jahren auf 2,5 Millionen cbm stieg und im Jahre 1874
sogar 7 Millionen cbm erzeugte. Im gleichen Jahre wurde an den Retortenöfen die
Generatorfeuerung an Stelle der Rostfeuerung eingeführt. Die dadurch erhaltene
Brennstoffersparnis betrug mehr als 50%. Die Entwicklung der Fabrikanlagen war in
der Nachfolgezeit derartig, daß die Gesamtzahl der Generatoren im Jahre 1913 bereits
112 erreichte. Ihre Leistung belief sich um jene Zeit auf etwa 4,5 Millionen cbm
täglich bei einem Kohlenverbrauch von jährlich 380000 t. Damals waren bereits 318
Kessel mit 34232 qm Heizfläche vorhanden. Auch die Anwendung des elektrischen
Stromes, der im Jahre 1876 zu Beleuchtungszwecken eingeführt wurde, hat sich in
ähnlicher Weise ausgebreitet. Im Jahre 1911, d.h. 100 Jahre nach der Gründung der
Kruppschen Fabrik durch Alfreds Vater, betrug die Anzahl der Glühlampen 41324 und
die der Bogenlampen 3213. In den Elektrizitätsanlagen wurden für die
Stromversorgung der Fabrik um jene Zeit in 41 Dynamo-Maschinen rd. 55 Millionen
Kilowattstunden erzeugt.
Aus dem im Jahre 1869 aufgestellten ersten Siemens-Martinofen sind bis 1911 42
Siemens-Martinöfen mit 1085 t Fassungsvermögen und einer täglichen Leistung von mehr
als 2000 t Stahl geworden. Krupp verfügte im Jahre 1853 über ein einziges Walzwerk
mit einer Dampfmaschine von 100 PS. Im Jahre 1911 bestanden deren 1916 mit 15
Walzenzugmaschinen von 22345 PS. Aehnlich liegen die Verhältnisse bei den
Hammerwerken, Herdschmieden, Steinfabriken, mechanischen Werkstätten und sonstigen
Betrieben. Bezüglich der Erz- und Roheisengewinnung sei noch erwähnt, daß die Firma
Krupp im Jahre 1887, dem Todesjahr von Alfred Krupp, aus eigenen deutschen Gruben
fast 500000 t und aus eigenen spanischen Gruben mit eigenen Seedampfern 1200000 t
Eisenerze bezog. Im Jahre 1911 war der Erzverbrauch auf 2405000 t, der
Gesamtkohlenverbrauch auf 3050000 t und der Koksverbrauch auf 1495 000 t gestiegen.
Der Kruppsche Hüttenbetrieb erweiterte seine Roheisenerzeugung, von 10000 t im Jahre
1865 auf 200000 t im Jahre 1880. Im Todesjahr Alfred Krupps wuchs die Produktion
derartig, daß bereits größere Mengen verkauft werden konnten. 1911 erzeugten die
Hochofenanlagen nicht weniger als 1047000 t Roheisen.
Als Alfred Krupp starb, hatte er aus dem kleinen im Jahre 1811 gegründeten
Stahlschmelz- und Hammerwerk auf der Walkmühle an der Berne in Altenessen ein
Unternehmen geschaffen, das zu den größten, organisatorisch festgefügten, einzig
dastehenden in Europa gehörte. Die Zahl der Werkangehörigen, die bei seiner
Uebernahme 6 Mann betrug, war auf der Gußstahlfabrik in Essen auf rd. 12000 und auf
den Außenwerken auf rd. 5000 mit weit über 3500 eigenen Werkwohnungen gestiegen.
Während Alfred Krupp bei Uebernahme des Werkes kaum die Löhne für seine sechs
Arbeiter aufbringen konnte, betrug das Aktienkapital bei der Umwandlung des
Unternehmens in eine Aktiengesellschaft im Jahre 1903 160 Millionen Mark.
Landoraeber.