Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 229 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Justus von Liebig und sein Lebenswerk. Unser
Altmeister der Chemie, Justus von Liebig, hat nunmehr ebenfalls, wenn auch spät,
seinen Einzug auf den wohlverdienten Platz in dem Ehrentempel der großen Männer
„nur teutscher Zunge“ halten dürfen. Die Marmorbüste des genialen
Forschers, der sich für Wissenschaft, Industrie und Landwirtschaft in gleicher Weise
verdient gemacht und Deutschlands Weltruf auf dem Gebiet der Chemie mitbegründet
hat, wurde kürzlich in der Walhalla aufgestellt.
Anfänglich zum Apothekerberuf bestimmt, wandte sich der am 12. Mai 1803 geborene
Liebig bald der Chemie zu. An der Universität Bonn begann er sein Studium, ging
alsdann nach Erlangen und von dort zu dem damals Weltruf genießenden Gay-Lussac nach
Paris. Gay-Lussac erkannte bald den Feuereifer und das Talent des jungen 20jährigen
Liebig und erzog ihn zum Mitarbeiter und Forscher. In der Akademie der
Wissenschaften veröffentlichte er eine Arbeit über die Entdeckung der Knallsäure und
ihre chemischen Verbindungen. Durch diese Arbeit wurde Alexander von Humboldt
auf den jungen Liebig aufmerksam und protegierte für ihn den akademischen Lehrberuf.
Ein Jahr später im Mai 1824 erhält Liebig einen Ruf als außerordentlicher Professor
der Philosophie an die Universität Gießen, an der er anderthalb Jahre später zum
ordentlichen Professor der Chemie ernannt wurde. Zu jener Zeit lag der Unterricht
und die Forschung auf chemischen Gebiete nicht nur in Gießen sondern auch an anderen
deutschen Hochschulen im argen. Liebig hatte sich die Hebung dieser Wissenschaft als
Ziel gesteckt. Die Schwierigkeiten, die er hierbei zu überwinden hatte, waren nicht
gering. Mußte er sich doch, von dem kleinen Jahresgehalt in Höhe von 800 Gulden mit
eigenen Mitteln ein dürftig eingerichtetes Laboratorium ausstatten und obendrein
noch die dazu notwendigen Diener und Assistenten bezahlen. Seine Regsamkeit und sein
unermüdlicher Forschergeist, insonderheit seine grundlegenden Arbeiten über Benzoe–,
China-, Hippur-, Pikrinsäure, Zyansäure und Indigo wurden bald weit und breit
bekannt und verhalfen der Universität Gießen zu bedeutsamem Ruf. Studenten aus aller Herren Länder
kamen zu seinen Vorlesungen und zu seinem Laboratoriumsunterricht. Selbst Gay-Lussac
schickte seinen Sohn zu ihm. Liebig erhielt Berufungen nach Heidelberg, Wien und
Petersburg, die er jedoch im Interesse seines allmählich immer umfangreicher
ausgebauten Instituts ablehnte. Von seinen größeren Werken sind zu erwähnen das
Handwörterbuch der Chemie, das Handbuch der Chemie sowie seine chemischen Briefe und
die Chemie in Anwendung auf Agrikultur und Physiologie. Von Gießen aus machte er des
öfteren Studienreisen nach Frankreich und England. In Frankreich weilt er, um die
Zuckerherstellung, und in England, um die bedeutendsten industriellen Betriebe zu
studieren. Ueberall wurde er mit offenen Armen empfangen. Seine Schüler erzog er zu
gewissenhafter und uneigennütziger Arbeit. Liebig selbst war ein furchtloser und
rücksichtsloser Verfechter der Wahrheit und seiner Ideen. Er stieß mit seinen
Forschungen auf dem Gebiete der Bodenkultur in landwirtschaftlichen Kreisen des
öfteren auf heftigen Widerstand. Ein Wiener Professor der Landwirtschaft schrieb
über die „organische Chemie des Herrn Liebig“ folgendes: „Wollten wir
dieses die Unwissenheit in der Landwirtschaft in allen seinen Teilen bekundende
und Hypothesen schmiedende Werk weiter verfolgen, so müßten wir die Grenzen der
gegenwärtigen Abhandlung zu weit überschreiten. Wir erlauben uns nur unsere
Amts- und Erwerbsgenossen vor dem falschen Prophezeien zu warnen.“ Bei
dieser Kritik handelte es sich um das berühmte, 1840 erschienene Werk „Die
organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie“, durch
das Liebig unsterblichen Ruhm und Weltruf erlangte. Liebig stützte darin die Lehre
von der Humusernährung der Pflanzen. Er erkannte, daß die Kohlensäure der Luft die
Kohlenstoff liefernde Nahrung für die Pflanzen war. Ferner ist Liebig der Entdecker
der Bedeutung der künstlichen Düngung mit Mineralsalzen insonderheit der
Kalirohsalze und des Superphosphats. Seine einst heftig verfochtene Ansicht, daß der
Stickstoff für den Aufbau der Eiweißkörper einzig und allein aus der atmosphärischen
Luft stamme, hat er später wieder aufgegeben. Auch das von ihm aufgestellte Gesetz
vom Minimum, das sich später in der von ihm angegebenen Form als unhaltbar
herausstellte, mußte er ändern. Liebig verwarf außerdem die Wirkung der organischen
Bestandteile des Stalldüngers, den er als ausschließliche Verwendung als
unzureichend betrachtete. Mit aller Leidenschaft bekämpfte er die Anhänger der
Kanalisation, die aus hygienischen Gründen die mineralischen Pflanzennährstoffe in
die Abwässer ableiten ließen, anstatt sie der Landwirtschaft zurückzuführen. Die
Ursache zu seiner Lehre entstand dadurch, daß er alles durch chemisch-mechanische
Vorgänge zu erklären versuchte. Wenn auch heute andere Ansichten über die Bedeutung
der Stickstoffaufnahme der Pflanzen aus dem Boden sowie über die Bedeutung des
Stalldüngers zur Erzielung von Höchsterträgnissen in der Landwirtschaft herrschen,
so darf nicht vergessen werden, daß diese erst durch die fruchtbringenden Arbeiten
Liebigs entwickelt wurden. Dieses Verdienst Liebigs ist unbestreitbar. Liebig ist
als Chemiker und Schöpfer der bodenkundlichen Chemie einer der größten Geisteshelden
aller Zeiten. Von Gießen aus kam der große Gelehrte im Jahre 1852 als
Universitätsprofessor nach München, wo er bis zu seinem Tode im Jahre 1873
segensreich wirkte. In Würdigung seiner Verdienste wurde ihm von Bayerns Hauptstadt
das Ehrenbürgerrecht verliehen.
Landgräber.
Wiederaufbau und Ausbau der Elektrizitätswirtschaft in
Rußland. Ueber die Elektrizitätswirtschaft in Rußland berichtet A. Brauner
in den Nr. 10 und 11 der VDI-Nachrichten, Jahrg. 5, und nennt darin W. J. Lenin
den, größten Förderer des Ausbaues der russischen Elektrizitätsversorgung, gab er
doch die Veranlassung zur Bildung der „Staatskommission für die Elektrifikation
Rußlands“ unter dem Vorsitz des Ingenieurs G. Krishanowsky. Diese Kommission
gab dann eine Denkschrift über die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten
der Elektrizitätswirtschaft heraus, zu ihrem Ausschuß zählten ca. 200 der besten
russischen wissenschaftlichen und praktischen Kräfte, Ingenieure, Landwirte und
Volkswirtschaftler. Auf dem 3. Rätekongreß (Ende 1920) wurde diese Denkschrift als
Bericht bekanntgegeben und die Ergebnisse der Arbeiten und Forschungen umfassen 650
Seiten und hatte die Überschrift „Der Elektrifikationsplan der R. S. F. S.
R.“
Der Rätekongreß genehmigte den Plan, forderte den „Allrussischen Kongreß der
professionalen Verbände“ auf, den Plan durch Werbung und Verbreitung in
Stadt wie Land zu unterstützen und das Studium desselben in allen Schulen der
Republik als Pflichtfach einzuführen. Im Oktober 1921 legten die Mitglieder der
Staatskommission verschiedene Entwürfe dem Allrussischen Elektrotechnikertag vor,
darunter auch die Ausarbeitung einer Verbindung der Dampf- mit der
Elektrizitätswirtschaft und stellte für die Ausführung ihrer Pläne 10–15 Jahre in
Aussicht, je nach der inner- wie außenpolitischen Lage des Landes. In Aussicht
gekommen ist der Bau von etwa 30 Überlandwerken (darunter 20 Dampf- und 10
Wasserkraftwerke), außerdem die Verbindung der vorhandenen örtlichen
Elektrizitätswerke untereinander (die mit wirtschaftlichem Betrieb sollen voll
belastet, die übrigen ausgeschaltet oder für Aushilfszwecke benutzt werden). Groß
ist der Energievorrat für die Mechanisierung und Elektrifizierung der Industrie,
umfangreich die Vorräte an Rohstoffen, und die nutzbaren Mineralien und Erdprodukte
des Urals, Kaukasiens. Westsibiriens und Nordens vermögen fast allen gesamten Bedarf
der Industrie zu decken, sagt die Denkschrift, nur es fehlt an den Mitteln, alle
diese Reichtümer zu erschließen, sodaß die Sowjetrepublik große Gerechtsame wird
vergeben bzw. die äußersten Maßregeln ergreifen müssen.
Zwecks Herstellung einer guten Verbindung aller Industriemittelpunkte soll der Ausbau
der elektrischen Eisenbahnen erfolgen und es soll Moskau mit dem Dongebiet
(Anthrazit, Kohle, Eisen- und Manganerze), mit Petersburg (als einzigen russischen
Hafen am Baltischen Meer), mit Nishni-Nowgorod, dem Wolgagebiet und von da mit dem
Ural und Sibirien durch elektrische Bahnen verbunden werden; Petersburg soll durch
das Marienkanalnetz mit der Wolga bis Astrachan und dem Kaspischen Meer verbunden
werden; es soll der Dnjepr von Kijew bis Cherson am Schwarzen Meer geregelt und alle
Hafenanlagen elektrisch ausgebaut werden.
Da in Rußland der Ackerbau die Hauptbeschäftigung der Bevölkerung bildet (rd. 80 v.
H. der Gesamtbevölkerung), soll dieser gehoben werden (durch Intensivierung des
Anbaues von Weizen, ausreichende und zweckmäßige Düngung, Gewinnung des Stickstoffes
aus der Luft, Erzeugung von Kalziumkarbid und Zyanamid usw.), und dazu ist sehr viel
elektrische Kraft erforderlich (so sind zur Erzeugung der nötigen 5,9 Mill. t
schwefelsauren Ammoniums oder Zyanamids oder der 1,17 Mill. t gebundenen
Stickstoffes rd. 3000000 PS erforderlich; für die Gewinnung des Zyanamid können im
Dongebiet als Heizmittel und Kohlenstoff der Anthrazitstaub dienen, ferner die
Hochofen- und Kokereigase und zur Gewinnung der Düngemittel kleinere
Elektrizitätswerke).
Elektrische Kraft hat ferner nötig die Landwirtschaft für den Antrieb der
verschiedensten landwirtschaftlichen Maschinen, für die Bewässerung wasserarmer
Felder und die Baumwollkultur in Mittelasien usw.
Bei Elektrizitätsversorgung des Naphthagebietes in, Kaukasien verspricht richtiger
Betrieb große Ausbeute; wohl ist das Bakugebiet seit langer Zeit mit
Elektrizitätswirtschaft versorgt, und es sind dort die größten russischen Kraftwerke
zur Versorgung der Naphthaquellen mit elektrischem Strom versehen, aber die dortigen
Einrichtungen befriedigen nicht und harren des Ausbaues.
Der Vorschlag der Staatskommission fand denn auch Zustimmung auf dem 8. Allrussischen
Elektrotechnikertag, durch den Rat der Volkskommissare und den 9. Rätekongreß und
wurde Ende 1921 zum Gesetz erhoben, sodaß die Elektrifikation Rußlands einen Teil
des Staatsaufbaues und eine Grundlage zur Wiederherstellung der zerstörten
Volkswirtschaft darstellt. An Kosten dürften für den Bau der 30 Ueberlandwerke mit
einer Gesamtleistung von rd. 1 ½ Millionen kW einschließlich der
Stromverteilungsleitungen etwa 1 ½ Milliarden Goldrubel anzusetzen sein, die sich
auf etwa 15 Jahre verteilen.
Wirtschaftliche Reformen lassen sich aber nicht allein durch Errichtung von
Kraftwerken, Ausbau von elektrischen Eisenbahnen, Einrichtung von Metallhüttenwerken
und Maschinenfabriken für elektrischen Betrieb usw. erzielen, es müssen auch die
Bergwerke die nötigen Kohlen und Erze liefern können und dazu vor allem die
erforderlichen Arbeiter da sein, d.h. eine mächtige Entwicklung der Landwirtschaft,
Industrie und des Verkehrs muß mit dem elektrischen Ausbau Hand in Hand gehen.
Dementsprechend stellte denn auch die Staatskommission den Antrag, für diese
wirtschaftliche Wiederherstellung des Landes 15–20 Milliarden Goldrubel bewilligen
zu wollen und dazu Anleihen bei der westeuropäischen Industrie aufzunehmen,
Gründungen von gemischten Aktiengesellschaften, die Ausfuhr von Naphtha, Anthrazit,
Manganerzen, Holz, Getreide, Felle usw. zulassen zu wollen. Durch Belebung der
russischen Volkswirtschaft wird sowieso eine wesentlich größere Lieferung solcher
Valutawaren einsetzen.
Noch sind diese Absichten nicht verwirklicht worden und dennoch hat der elektrische
Ausbau Rußlands begonnen, mehrere Ueberlandwerke sind im Bau, einige schon im
Betrieb; im Bau begriffen ist die große Wasserkraftanlage unweit von Groß-Nowgorod,
das Wolcho-Werk, mit Wasserturbinen von insgesamt 80 000 PS und damit verbundene
Wasserbauten. Fertig werden sollte das Werk in 1925 und Petersburg mit sehr billigem
Strom versorgen (für Licht 12, für technische Zwecke 3,5, für die elektrische
Straßenbahn 3 Kopeken kWh).
Für das Werk Schatura, ca. 100 km von Moskau entfernt, das dieser Stadt Energie
liefern soll, ist eine Dampfkraftanlage mit Torf als Brennstoff geplant; zwei
Turbogeneratoren u.a. liefern die Skodawerke in Pilsen (dieselben liefern auch nach
Krasnojarsk in Sibirien zwei Turbogeneratoren zu je 1500 kW auf mehrjährige
Abzahlung).
Ungefähr 110 km von Moskau entfernt ist im Betrieb das Elektrizitätswerk Kaschira,
seine ganze Einrichtung ist Fabriken aus der Vorkriegszeit entnommen worden, nur
einige Hilfsmaschinen, Transformatoren, Hochspannungsisolatoren und Apparate wurden
aus dem Ausland bezogen. Das Werk hat vorläufig eine Leistung von 12000 kW, eine
Stromspannung von 115000 V, die in einem Transformatorenunterwerk in Moskau auf 6600
bzw. 3000 V herabgesetzt wird. Die Kesselheizung erfolgt mit minderwertiger Kohle
aus dem Moskauer Kohlengebiet, sie hat einen Heizwert von 3500 kcal und wird
auf einer besonderen Anschlußbahn herangeschafft, denn die Kohlenbergwerke sind etwa
100 km vom Werke entfernt. Die Kohlenwagen werden unmittelbar auf einer Hochbahn an
das Werk herangeschafft und die Kohlen in Kohlenbunker entleert, die Kesselroste
damit mechanisch beschickt. Das Kaschirawerk liefert die gesamte erzeugte
elektrische Energie nach Moskau, die Kohlenwerke besitzen zur Kraft- wie
Lichterzeugung eine besondere Anlage, das Pobedenskaja-Werk. Dessen Einrichtung
entstammt ehemaligen Textilfabriken und besteht aus einem Turbogenerator der Bauart
Parsons-Brown-Boveri von 1500 kW und einem von 750 kW in der Bauart Westinghouse;
beide liefern Strom mit 550 V Spannung, die auf 660 V erhöht wird. Vorhanden sind
drei gebrauchte Sterling-Kessel mit je 342 qm Heizfläche. Die Kohle des Moskauer
Gebietes enthält rd. 50 v. H. Asche und 7 v. H. Schwefel, ist sehr feucht und
verträgt weder Beförderung noch wegen der Gefahr von Selbstentzündung eine größere
Aufstapelung, muß vielmehr an Ort und Stelle verbrannt werden; der Bezirk liefert
aber jährlich an 655000 t Kohle.
Das Werk Utkina-Sawodj („Roter Oktober“) soll Petersburg mit Elektrizität
versorgen und entnimmt seinen Brennstoff den nahe gelegenen Torfmooren; seine zwei
Turbogeneratoren zu je 10000 kW sind schon vorhanden; die vorhandenen Schiffskessel
und Rohrleitungen sollen durch neue Wasserrohrkessel ersetzt werden, da die viele
Flugasche der Torfheizung die Schiffskesselrohre bald verstopfen würde; das Werk
soll dem Betrieb übergeben werden.
Die Kiselows-Anlage am Ural soll die näher liegenden Kohlenbergwerke mit Strom von
6600 V versorgen, die weiter entfernten mit Strom von 35000 V. Die Einrichtung
entstammt dem Kraftwerk in Oranienbaum und besteht aus zwei Turbogeneratoren von je
3000-kW-Leistung und vier Halbschiffskesseln mit Vorwärmern, Rohrleitungen,
Hilfsmaschinen, Schalttafel usw. Als Brennstoff dient dortige Kohle mit 18–20 v. H.
Asche und 3–4 v. H. Schwefel.
Der größte Teil der Ueberlandwerke ist noch nicht im Bau und die erbauten wohl bald
erneuerungsbedürftig, daher sind die Elektrizitätswirtschaftspläne der
Sowjetrepublik auch für die deutsche Industrie von gewissem Interesse und des
Studiums wert.
Dr. Bl.
Selb und seine Bedeutung für die deutsche
Porzellanindustrie. (Aus Anlaß der 500-Jahrfeier der Porzellanstadt.)
Während Porzellan eigentlich eine Erfindung der Chinesen ist, wurde das echte
Porzellan durch langwierige Versuche von Deutschen zum zweiten Male erfunden. Außer
dem Grafen von Tschirnhaus und dem aus der Schweiz gebürtigen Böttger haben sich
Carl Magnus Hutschenreuther und Philipp Rosenthal um die Entwicklung der deutschen
Porzellanindustrie große Verdienste erworben. Rosenthal wird als der Gründer und
Porzellankönig dieses Industriezweiges in Selb, dem Hauptsitz der riesenhaften
Industriebauten und Weltfirmen der Porzellanindustrie betrachtet. Auch
Hutschenreuther wohnte dort. Die Porzellanindustrie in dieser Gegend ist etwa 100
Jahre alt. Sie ist hervorgegangen aus dem in Oberfranken vor Jahrhunderten blühenden
Bergbau. Als die wertvollen Erze des Fichtelgebirges um jene Zeit zur Neige gingen,
sahen sich Berg- und Hüttenleute gezwungen andere Erwerbszweige zu ergreifen. Sie
gründeten Töpfereien, Zinngießereien und Lohgerbereien, die, obwohl sie zu hoher
Blüte gelangten, sich doch nicht bis in die Gegenwart behaupten konnten. Nur die
Porzellanindustrie war lebensfähig. Sie wurde von dem vorbenannten Hutschenreuther,
der als Thüringer Hausierer mit anderen in diese Gegend kam, begründet. Er fand in
der Gegend zwischen Hohenberg und Wunsiedel eine weiße Erde, die sich nach
genauerer Untersuchung als hochwertige Porzellanerde erwies. Hutschenreuther
erkannte den Wert und beschloß, da dort auch Holz als Brennstoff in reichlicher
Menge vorkam, Porzellan herzustellen. Im Jahre 1814 begann er seine ersten Versuche.
Anfänglich stellte er nicht Gebrauchsporzellan, sondern lediglich Pfeifenköpfe,
Puppenköpfe und dgl. her. Nach seinem Tode im Jahre 1845 bauten seine Söhne das
begonnene Werk weiter aus und gründeten 1856 eine eigene Fabrik, in der seit 1860
Gebrauchs- und Tafelgeschirr hergestellt wurde. Neben diesen Anlagen entstand später
ein von Philipp Rosenthal ins Leben gerufenes Porzellanwerk. Dieser Porzellankönig
begann, wie so manche Industriekapitäne, seinen Lebenslauf in äußerst bescheidener
Weise. Er war etwa um die Zeit, als Hutschenreuthers Unternehmen begann, zu Werl a.
d. Ruhr im Jahre 1855 geboren. Als Neunzehnjähriger ging er auf die Wanderschaft
nach Nordamerika. Nach mancherlei harten Entbehrungen bekam er bei einem großen
Porzellangeschäft eine Anstellung. Sein Vorgesetzter erkannte bald seine Fähigkeiten
und beförderte ihn zum Leiter und Mitarbeiter. Mit 25 Jahren kehrte er in sein
Vaterland zurück und pachtete ein altes Schloß, Erkersreuth bei Selb. Hier gründete
er mit einem Porzellanmaler aus Böhmen eine Porzellanmalerei. Mit eisernem Fleiße
vervollkommnete er sich zu einem Meister in dieser Technik und erzielte bald darauf
die besten Fabrikate der Welt. Das dazu benötigte Weißporzellan kaufte er von
Hutschenreuther. Später errichtete er die weltberühmte Porzellanfabrik, aus der sich
allmählich die Philipp Rosenthal & Co. A.-G. entwickelte und die heute zu den
drei größten Porzellankonzernen gehört. Sie umfaßt die Werke in Selb, Kronach und
Marktredwitz, die Steatit-Werke Weber & Co. in Nürnberg, die Krister
Porzellanfabrik in Waldenburg, die Bohemia-Werke in Karlsbad, sowie die von Jakob
Zeidler in Selb-Bahnhof gegründete Porzellanfabrik. Ferner betreibt die
Rosenthalgruppe laut Uebereinkommen mit der A. E. G. das Henningsdorfer
Porzellanwerk der A. E. G. Aus der bescheidenen Malerei in dem alten Schloßbau mit
anfänglich nur vier Malern ist heute ein Unternehmen entstanden, das mit insgesamt
etwa 7000 Arbeitern und Angestellten zu den bedeutendsten und modernsten der Welt
gehört. Ein anderes Porzellanunternehmen in Selb ist die Porzellanfabrik Heinrich
& Co. Sie wird noch heute von dem Begründer Franz Heinrich geleitet und gilt in
Amerika als führende deutsche Porzellanfabrik. Franz Heinrich erlernte, als er aus
der Volksschule entlassen worden war, die Porzellanmalerei. Auch er ging in die
Fremde, da ihn diese Arbeit anfänglich nicht befriedigte. Als Zwanzigjähriger kehrte
er in seine Heimat zurück und gründete hier eine bescheidene Porzellanmalerei. Heute
besitzt, der Fünfzigjährige eine Fabrik, die größtes Ansehen unter den
Berufsgenossen genießt. Außer den genannten bestehen in Selb, dem Mittelpunkt der
Porzellanindustrie, noch einige andere Qualitätsfabriken wie Krautheim &
Adelberg, Graf & Kreppner, J. Rieber und die Maschinenfabriken Gebr. Netzsch und
Heinrich Zeitler, die die Porzellanfabriken mit den notwendigen maschinellen
Einrichtungen versehen.
Für den Absatz der Selber Porzellane haben die betreffenden Firmen vielenorts
Verkaufsorganisationen errichtet. Rosenthal Besitzt beispielsweise solche in Prag,
Wien, Stockholm, Paris und Newyork. Durch diese Institute soll gezeigt werden, daß
die deutschen Erzeugnisse hinsichtlich der Technik und des künstlerischen Geschmacks
führend in der Welt sind und einen Höhepunkt erstrebt haben, der jeglichen
ausländischen Wettbewerb überragt. Die tonangebende Stellung Deutschlands auf
dem Weltmarkt in der Porzellanfabrikation, die durch die Handelsblockade erschüttert
war, ist dank seiner ausgezeichneten Qualität in technischer und künstlerischer
Hinsicht wieder hergestellt.
Landgraeber.
Befördern und Feuersicherheit von Kohlenstaub. Über
Betriebserfahrungen bei der Entladung, Förderung und Lagerung von Braunkohlenstaub
macht W. Schmitz interessante Mitteilungen. Zum Heizen von Walz- und Hammerwerköfen
wird seit einer Reihe von Jahren neben Brikettabrieb in zunehmendem Maße sog.
Filterstaub verwendet, der in Brikettfabriken bei der Trocknung der Rohbraunkohle
aus den entweichenden Brüden- und auch Wrasendämpfen mit Exhaustoren abgesaugt und
in Silos niedergeschlagen wird. Dieser Filterstaub enthält bei 11–14% Feuchtigkeit
etwa 34–35% flüchtige Bestandteile und ist von außerordentlicher Feinheit; auf dem
4900 Maschensieb bleiben nur 10–20% Rückstand. Da derart feiner Staub gleichwie
Wasser aus allen Fugen und Ritzen rinnt und vom Wind leicht weggeweht wird, sind zu
seiner Beförderung auf der Eisenbahn besondere Wagen notwendig. Es sind derzeit
Wagen mit einem liegenden zylindrischen Behälter und solche mit mehreren stehenden
zylindrischen Behältern, die oben und unten trichterartig geformt sind, in
Gebrauch.
Die Staubbehälter sind luftdicht verschließbar. Das Füllen der Wagen erfolgt so, daß
man sie unter ein Silo fährt und dessen Auslauf durch einen Schlauch oder ein
Teleskoprohr mit der Füllöffnung des Wagens verbindet. Die Behälter müssen möglichst
viele Füllöffnungen besitzen, damit man das Ladegewicht der Wagen gut ausnutzen
kann. Es wurde z.B. beobachtet, daß ein Kohlenstaubwagen von 32 cbm Inhalt, wenn er
nur 2 Füllöffnungen hatte, 11–12 t Staub aufnahm, nach Anbringen einer dritten
Öffnung konnte der Wagen dagegen 14,5 t Staub von 440 bis 600 kg/cbm Raumgewicht
aufnehmen. Der Rauminhalt der von den einzelnen Fabriken hergestellten
Kohlenstaubwagen ist verschieden, er beträgt bis zu 69 cbm Inhalt.
Die Entladung der Wagen an der Verbrauchsstelle erfolgt mit Saug- oder Druckluft; im
ersten Falle beträgt der Unterdruck 10–15 cm QS., im zweiten Falle arbeitet man mit
2–3 at Überdruck, wobei Förderhöhen bis zu 25 m erreicht werden. Es ist hierbei
wichtig, daß der durch die Preßluftleitung in den Behälter gelangende Druck nicht
größer ist als derjenige, für den der Behälter gebaut ist. Erforderlichenfalls muß
die Druckluft vorher gedrosselt werden durch einen in die Luftleitung
eingeschalteten Windkessel mit Sicherheitsventil, das bei dem zulässigen Höchstdruck
abbläst. Ferner wird zweckmäßig zwischen Wagen und Windkessel in die Luftleitung
eine Art Rückschlagventil eingebaut, das verhindert, daß bei Überdruck im Behälter
Staub in die Luftleitung zurückgedrängt wird. Die Anbringung eines Manometers und
Sicherheitsventils am Kohlenstaubwagen ist zwar erwünscht, bietet aber keinen
sicheren Schutz.
Einfacher und sicherer ist nach Ansicht von Schmitz die Entleerung des Kesselwagens
nach dem Saugverfahren, bei dem die Überlastung der Behälterwände und die hiermit
verbundene Gefahr ausgeschlossen ist; auch spielt hierbei die Feinheit des
Kohlenstaubes keine so wichtige Rolle wie bei dem Preßluftverfahren. Neuerdings
werden Kohlenstaubwagen so hergestellt, daß sie durch die nämliche Leitung sowohl
nach dem Saug- wie nach dem Druckluftverfahren entleert werden können.
Kohlenstaub und Brikettabrieb, die nicht in hermetisch verschlossenen Bunkern
gelagert werden, müssen ständig beobachtet werden. Denn nach 14-tägiger Lagerung erhitzt sich
Brikettabrieb auf 80–90° im Innern des Bunkers; die oberen Teile, die mit der Luft
in Berührung kommen, beginnen dann zu glimmen und zu schwelen. Zum Löschen von
Bunkerbränden ist Wasser nicht geeignet, vielmehr sollen die glimmenden Stellen
vorsichtig ins Innere verrührt und so erstickt werden. Der Bunker muß alsbald
entleert werden, wobei keine Frischluft in das Innere des brennenden Bunkers
eintreten darf, weil durch Staubaufwirbelung Stichflammen entstehen können. In den
luftdicht verschlossenen Kohlenstaubwagen kann dagegen der Staub völlig gefahrlos
gelagert werden. Bei etwa 150 unter Aufsicht des Verfassers entladenen Staubwagen
konnte kein einziges Mal Selbsterhitzung des Staubes beobachtet werden, selbst dann
nicht, wenn die Wagen 3–4 Wochen in der heißen Sonne gestanden haben. Teilweise
entladene Wagen verhielten sich ebenso. Hieraus ergibt sich, daß die Beförderung von
blasfertigem Braunkohlenstaub durchaus ungefährlich ist, ebenso die sachgemäße Be-
und Entladung der Staubwagen. Bunkerbrände lassen sich in der oben geschilderten
Weise leicht löschen, eine Gefahr besteht nur, wenn explosive Staub-Luftgemische
entstehen und wenn diese mit einer Feuerstelle in Berührung kommen. (Archiv f.
Wärmewirtsch. 1926, S. 110–111.)
Sander.
Aus der Geschichte der Magnesiumerzeugung. Die
elektrolytische Herstellung von Magnesium geht auf das Jahr 1883 zurück, als
Graetzel eine Einrichtung beschrieb, die die Gewinnung dieses Metalles durch
Elektrolyse seines mit anderen Chloriden vermischten geschmolzenen Chlorides
ermöglichte. Bis zum Jahre 1914 hatte Deutschland auf diesem Gebiete ein
vollständiges Monopol inne, sodaß der Krieg die Alliierten in dieser Hinsicht ohne
Vorräte und ohne nennenswerte Erzeugungsquellen fand. In Frankreich entwickelte
namentlich Prof. Fusin eine eifrige Forschertätigkeit mit mehr oder weniger großem
Erfog. Schließlich soll er ein Verfahren erdacht haben, das betriebsmäßig auf dem
Werk Clavaux der Société de l'Electrochimie angewendet wurde. Diese Erzeugungsmittel
wurden verhältnismäßig schnell vervollkommnet, sodaß das genannte Werk schon nach
einigen Monaten 400 kg Magnesium täglich liefern konnte. Auch England und die
Vereinigten Staaten sahen sich gezwungen, Werke zur Gewinnung dieses für sie
notwendigen Metalles anzulegen. In England wird seit kurzem nach dem Verfahren von
Ashcroft gearbeitet, das in der Hauptsache darin besteht, das Karnallit
(Kalium-Magnesiumchlorid) bei einer Kathode aus geschmolzenem Blei zu
elektroloysieren. Das ausgeschiedene Magnesium ergibt mit diesem Metall eine
Legierung, die in einem zweiten Trog, in dem das reine Magnesium gewonnen wird, als
Anode dient. Die American Magnesium Corporation wendet auch ein neues Verfahren an;
in diesem wird Magnesia zersetzt, das im Ueberschuß einem aus einem Gemisch von
Magnesium-, Barium- und Natriumfluoriden bestehenden geschmolzenem Bad zugefügt
wird, die Löslichkeit der Magnesia in diesem Bad beträgt allerdings nur 0,1% bei
950°. Das so erhaltene Metall soll nach Feinerung 99,9% Mg enthalten und
verschiedenen Stoffen hinsichtlich der Korrosion gut widerstehen. Nur die Ergebnisse
dieser beiden neuen Verfahren werden es erlauben, über sie ein Urteil zu fällen.
Jedenfalls haben alle bisherigen Anstrengungen im Auslande es nicht fertiggebracht,
Deutschland die führende Stelle in der Magnesiumindustrie – bei uns spielen
bekanntlich die Chemischen Fabriken Griesheim und Bitterfeld und eine
Aktiengesellschaft in Bremen eine Rolle – zu nehmen. Es muß allerdings zugegeben
werden, daß die franzöfische Magnesiumindustrie sich in voller Entwicklung befindet.
Ob sie bei einer heutigen monatlichen Erzeugung von nur 3–4 t Mg die deutsche
Erzeugung von 100 t monatlich in absehbarer Zeit einholen kann, erscheint aber doch
sehr fraglich. (Revue de Metallurgie.)
Dr.-Ing. Kalpers.
Die Kohlenförderung des Saarreviers ist im Jahre 1925 um
1,04 Mill. t auf 12,99 Mill. t zurückgegangen, was in der Hauptsache auf einen
einwöchigen Streik der Bergarbeiter im vorigen Sommer zurückzuführen ist. Die
Verteilung der Förderung auf die staatlichen Zechen und die verpachtete Zeche
Frankenholz in den letzten 6 Jahren sowie im Jahre 1913 zeigt folgende
Zahlentafel:
Jahr
staatl. Zechent
Frankenholzt
Zusamment
1925
12597116
392733
12989849
1924
13648046
384072
14032118
1923
8970606
221669
9192275
1922
10943311
296692
11240003
1921
9336493
238109
9574602
1920
9198714
211719
9410433
1913
12875140
341169
13216309
Die Gesamtförderung des Jahres 1925 bleibt also um ein Geringes hinter der Förderung
des Jahres 1913 zurück, die im vorigen Jahre zum ersten Male um 0,8 Mill. t
überschritten worden ist.
Die Verteilung der geförderten Kohle im Jahre 1925 ergibt sich aus folgender
Zahlentafel:
Verkauf
11325861 t
Selbstverbrauch
957929 t
Deputatkohlen
356389 t
Kokereien
354570 t
Die Kokserzeugung im Jahre 1925 betrug 272352 t gegenüber nur 216099 t im Vorjahre
und 250000 t im Jahre 1913. Die Kokserzeugung des vergangenen Jahres ist also die
höchste, die bisher erreicht worden ist. (Stahl u. Eisen 1926, S. 310–311.)
Sander.
Die Kokserzeugung des Deutschen Reiches. Die kürzlich
erschienene amtliche Statistik über die Betriebsergebnisse der Kokereien in den
Jahren 1923 und 1924 zeigt deutlich die schwere Schädigung, die der deutsche
Kohlenbergbau durch die Ruhrbesetzung erfahren hat. Wie die nachfolgende
Zusammenstellung zeigt, betrug die Kokserzeugung des Jahres 1923 nur wenig mehr als
die Hälfte der im Jahre 1924 erreichten Leistung.
1923
1924
Kokereibetriebe
177
177
Beschäftigte Personen
36368
28814
Vorhandene Koksöfen
a) mit Gewinnung d. Nebenerzgn.
21594
21318
b) ohne Gewinnung d. Nebenerzgn.
448
541
Koksöfen in Betrieb
a) mit Gewinnung d. Nebenerzgn.
10325
15952
b) ohne Gewinnung d. Nebenerzgn.
139
355
Verarbeitete Kohlenmenge
t
17404295
31229939
Kokserzeugung
t
14070567
24884789
Teererzeugung
t
447023
815649
Benzolerzeugung
t
101046
194089
Ammonsulfaterzeugung
t
174714
327519
Leuchtgasabsatz
Mill. cbm
266,5
351,3
(Stahl und Eisen 1926, S. 792.)