Zur Theorie der Riementriebe.Von Oberingenieur G. Duffing, Berlin.(Schluß von S. 236 d. Bd.)DUFFING: Zur Theorie der Riementriebe.Es bleibt noch nachzutragen, wie sich die Verhältnisse bei der treibenden Scheibe gestalten, wo an allen Punkten der
Berührungsfläche u – a1
≦ 0 ist, wenn die Scheibengeschwindigkeit mit a1 bezeichnet wird.Rechnet man den Winkel φ positiv im Sinne der Scheibengeschwindigkeit a1, so ergibt sich, daß
die Formeln (17) bis (20) gültig bleiben, wenn man nur die Vorzeichen von μ und ν0 ändert. Demgemäß hat man hierfürwo . . . . . (17a)und bei Vernachlässigung der Massen Wirkung mit m = 0 . . . . . (18a) . . . . . (19a)Der Schlupf, welcher dem Ablaufpunkt, entsprechend der
Materialanstrengung k2
(schlaffes Trum), zugehört, istW2' = a1 – u2 = a1– c – cf (k2),alsoDamit wird . . . . . (20a)Die Formeln (17) bis (20) ergeben, wie schon erwähnt, mit
ν0 = 0, ß = 0, εÖ = 0 die Formeln der älteren Reibungstheorie zum
Beispiel1)Vgl. Vorspannung und
Achsdruck bei Riemen und Seiltrieben, Z. d. V. d. I. 1913 S.967 bis
975. . . . . . (24)Sie enthalten auch den Fall der reinen Flüssigkeitsreibung mit
μ = 0, ν0 = 0, ß = 0.
In diesem Falle folgt aus (18) durch Multiplikation mit μ. und den Uebergang zu μ =
0 das Spannungsgesetz . . . . . (25)Aus (25) erhält man zunächstund weiter mit S1– S2 = SnNun ist aberalsoBei großem E, also kleinem μ1 folgt daraus . . . . . (26)Die aufgestellten Formeln sollen nun keineswegs die Diagramme, wie sie in der Stielschen Arbeit in so ungemein anschaulicher
Weise zusammengestellt sind, entbehrlich machen, im Gegenteil, sie sollen helfen,
daß der Weg zu ihnen weniger beschwerlich wird. Sie sollen einen einfachen Rahmen
abgeben, in den das ungefähre Bild der Vorgänge hineinpaßt. Bei der Formel (24) war
dies nicht der Fall, wie schon die wechselnde Größe des Koeffizienten μ bei einem und demselben Riementrieb und einem und
demselben Experimentator beweist.Sollten diese Erwartungen nicht erfüllt werden, so verdienen diese Formeln kein
besseres Schicksal wie die anderen, sie müssen der Vergessenheit anheim fallen. Die
Entscheidung hierüber muß jedoch gründlichen
einwandfreien Versuchen vorbehalten bleiben.Zu der Abb. 54 (Stiel S. 88) (vgl. Abb. 4) ist noch zu
bemerken, daß die kn-Kurve für wg =
0 falsch ist, sie fällt nicht mit der Abszissenachse
zusammen, im Widerspruch mit der Bemerkung S. 85. Die Gl. (10) gibt auch über diesen
Punkt leicht Aufklärung. Der Integrand wird daselbst für w = 0 unendlich groß, das bestimmte Integral behält aber trotzdem einen
endlichen Wert. Wäre letzteres nicht der Fall, so hätte Herr Stiel recht.
[Textabbildung Bd. 333, S. 243]
Abb. 4.Die Tangenten an die μ- und ν-Kurve im Anfangspunkt
fallen mit der Ordinatenachse zusammen, daher können diese Kurven in der
Nachbarschaft des Koordinatenanfangs durch Funktionen wn(A + Bw +
...) angenähert werden, wo jedenfalls 0 < n < 1 (n = 1
ausdrücklich ausgeschlossen). Das Integral konvergiert daher gegen einen endlichen
Grenzwert (vgl. Serret-Scheffers III. Aufl. Bd. II Nr. 471).Wir wollen, um die Zahlenrechnung durchzuführen, die Annäherungsfunktionen für die
Kurven λ, μ, ν in der Nachbarschaft des Anfangspunktes bestimmen, so gut es sich auf
Grund der Abb. 53 (Stiel) machen läßt.Bei Ersatz der λ-Kurve nehmen wir nicht λ als Funktion von k an, sondern setzenk = 1360 λ + 70000 λ2 . . . . . (27)ferner . . . . . (28)Auf Grund genauerer Daten, als sie Abb. 53 bietet, können
diese Ersatzfunktionen w noch verbessert werden, ohne
daß das Endergebnis dadurch wesentlich beeinflußt würde.Wir haben dann, nach früheren Ausführungen weiterw = n –
a = c – a + cλ . . . . . (29)wo λ = f (k) durch Umkehrung von (27) erhalten wird und w in Abhängigkeit von k darzustellen
gestattet. Zur Ausrechnung von (10) brauchen wir ferner . . . . . (30) . . . . . (31)Durch Differentiation nach k
folgt aus (27)l = [1360 + 140000 λ] ∙ f'oder . . . . . (32)Weiter folgt mit aus (27) und (30) . . . . . (33)Wenn wir diese Resultate in (10) einführen und w als
Integrationsvariable wählen, so erscheint das dortige Differential, wenn wir noch
substituieren, in der Formwo . . . . . (34In unserem Falle, wo m
vernachlässigt wird, folgt dann aus (10) . . . . . (35Der Integrand ist eine rationale Funktion von x, das
unbestimmte Integral setzt sich daher aus elementaren Funktionen zusammen, die
Ausführung der Rechnung erfordert jedoch die Kenntnis der Nullstellen des Nenners.
Wir ermitteln daher hier den Wert der rechten Seite von (36) durch näherungsweise
Quadratur:Vierteilung des Intervalls x2 < x < x1 und Anwendung der Simpsonschen Regel.Zuvor müssen wir noch die Werte der auftretenden Konstanten feststellen. Wir setzen
voraus k2 = 4 kg/cm2, w2 = 0 (wg = 0 bei Stiel) und wollen den Wert von φ = φ1 – φ2
ermitteln für kn – 30 also k1 = 34 kg/cm2. Durch Auflösung von (27) erhält man die
zugehörigen Werteλ2 = 0,0026, λ1 = 0,0144.Wir nehmen wie früher an c = 977 cm/sec. und finden
demgemäßα = c (1 + λ2) – w2 = c ∙
1,0026 = 979,54 cm/sec,alsdann wirdw1 =
c (1 + λ1) – α = 11,53 cm/sec.Die Integrationsgrenzen ergeben sich hieraus zux1 =
√1153 = 1,503, x2 = √0
= 0.Zur Ausführung der Zahlenrechnung stellen wir die folgende Tabelle auf:
Tragen wir die zusammengehörigen Werte kn = 30, φ = 2,4376 in das Diagramm (Abb. 54) ein, so
finden wir, daß die Kurve für wg = 0 dicht neben der Kurve wg = 0,1 verläuft und nicht auf die
Abszissenachse herabfällt. Nach diesem Ergebnis kann ein Riementrieb wohl mit dem
Wert wg = 0 arbeiten,
und Herr Stiel wird den Satz S. 76 Zeile 13 von oben
einer Berichtigung unterziehen müssen.Ein zweiter Punkt der Kurve wg = 0 ergibt sich aus den zusammengehörigen Wertenλ = 0,00278, φ = 0,1366, kn = 4,31 – 4 =
0,31.Hätten wir, naiver Weise, unsere Formel (20) verwendet, um die
vorgeschilderten Verhältnisse zu studieren, d.h. hätten wir die Gültigkeit dieser
Formel auf Wertgebiete ausgedehnt, die schon bei der Herleitung ausgeschlossen
wurden, so hätte sich ergeben mit k2 = 4, w2 = 0:0,6386 φ = log [1,0733 k + 6,430] –
2,1659
und mitk = 34 wäreφ = 2,495 gegen 2,4376 vorherk = 4,31 „φ = 0,371
Daß der letzte Wert von φ fehlerhaft ausfallen mußte, war zu erwarten, tut aber der
praktischen Verwendung von Formel (20) keinen
Abtrag.Im Anschluß an die vorangegangene Untersuchung drängt sich noch die Frage auf, ob man
nicht eine bessere Formel als (17) gewinnen könnte, wenn man die Gesetze (12) und
(13) unverändert beibehält, dagegen (11) durch die engere Annäherungsfunktionk = E λ + F λ2 . . . . . (36)ersetzt.Die Ergebnisse der leichten Rechnung, kurz zusammengefaßt, sind:Wir nehmen in (10) λ als
Integrationsvariable und finden φ = φ1 – φ2 = . . . . . (37)Sind λ = h1 und λ =
h2 die Nullstellen
des Nenners, so läßt sich der Integrand ersetzen durchEs ist fernerwo . . . . . (39)Man hat weiter h1– h2 = 2 Δ. Setzt man . . . . . (40)so ergibt sich leicht das Schlußresultat . . . . . (41)Es sei zum BeispielE = 1360, F = 70000, μ = 0,595, ν = 0,08,ß = 0,005, b = 10, δ = 0,5, q = 5, c = 2000,r = 100, w2 = 6.Gewicht für 1 m Länge 0,45 kg, m c2 = 18,3 (3,66 kg/cm2)λ2 = 0,004, k2 = 6,56, c –
a = w2– c λ2 = – 2
cm/sec.Δ = 0,02916, h1 = 0,0045, h2= – 0,0629, e = 0,823.Es sei dann ferner angenommen λ1 = 0,02, k1
= 55,2. Dann wird μ φ = 0,5782, .Wir wollen noch zusehen, was diesem Resultat gegenüber unsere Formel (17) leistet,
wenn wir das Gesetz (36) durch ein lineares Gesetz, das sich innerhalb der Grenzen
k2 = 6,56, k1 = 55,2 möglichst eng
anpaßt, ersetzen.Es findet sich als gute Annäherung:MitundS1 = 5
∙ 55,2 = 276,0, S2 = 5
∙ 6,56 = 32,8wird (gegen 0,9720 vorher).Auch dieser Vergleich gibt keine Veranlassung, die Formel (17) durch das genauere
Resultat (41) zu verdrängen. Diese kleine Rechnung auf „Vorrat“ war insofern
von Nutzen, als man nur dann den bequemsten Weg zur Erreichung des vorgesteckten
Zieles auszusuchen imstande ist, wenn man die verschiedenen Wege, ihre Vorzüge und
Nachteile kennt. Wir können damit die Untersuchung vorläufig abschließen und dem
wissenschaftlichen Versuch das Weitere überlassen.