Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | Werneburg |
Fundstelle: | Band 333, Jahrgang 1918, S. 177 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Der patentrechtliche Schutz der inländischen Industrie
gegen die Auslandskonkurrenz. Nach dem Patentgesetz (§ 5) tritt bekanntlich
die Wirkung des Patentes gegen denjenigen nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung
bereits im Inlande die Erfindung in Benutzung genommen oder die zur Benutzung
erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Wie ersichtlich, macht das Gesetz
hinsichtlich der Person des Vorbenutzers keinen Unterschied, ob diese ein Inländer
oder Ausländer ist, es verlangt lediglich, daß die Erfindung zur Zeit der
Anmeldung bereits im Inlande in Benutzung genommen worden war.
Aus dem Wortlaut dieses § 5 Pat.-G., daß die Erfindung in Benutzung genommen sein
muß, wird gefolgert, es müsse nicht nur objektiv der Gegenstand des Patentes in
Vorbenutzung genommen worden sein, vielmehr müsse auch ein subjektives Moment in dem
Sinne vorliegen, daß der Vorbenutzer auch den der Erfindung zu Grunde liegenden
Erfindungsgedanken als solchen erfaßt haben müsse. Meines Erachtens erscheint es
aber als sehr zweifelhaft, ob ein derartiges subjektives Moment Voraussetzung der
Anwendbarkeit des § 5 des Gesetzes überhaupt ist. Einmal ist nämlich dieses
subjektive Moment des geistigen Erfassens durch den Vorbenutzer doch offenbar ganz
willkürlich in den Wortlaut dieser Bestimmung hineininterpretiert, da diese doch nur
von einer Benutzung der Erfindung durch den Vorbenutzer spricht, und kein Wort von
einem gleichzeitigen geistigen Erfassen der Erfindung seitens dieses enthält. So
heißt es denn auch in dem Bericht der Reichstagskommission zum Entwurf des
Patentgesetzes vom 25. Mai 1877 lediglich, daß es unbillig wäre, das Recht der
Benutzung dem zu entziehen, der Kraft, Zeit und Kapital für die Erfindung aufwandte
oder die zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Auch das
Reichsgericht teilt offenbar diesen letzteren Standpunkt, denn es führt in seinem
Urteil vom 11. Februar 1899 in dieser Hinsicht folgendes aus: „Unrichtige
Voraussetzungen über die Wirkungsart der angewendeten Mittel nehmen dem
Benutzenden nicht die Qualifikation des Vorbenutzers“. Demnach kann von dem
Erfinder nicht verlangt werden, daß er sich auch über die rein wissenschaftliche
Seite seiner Erfindung im klaren ist, zumal ja vielfach die Tatsache gegeben sein
wird, daß auch wissenschaftlich die einzelnen Elemente der Erfindung in ihrer
Einzel- oder Gesamtwirkung noch unaufgeklärt sind, oder doch hierüber keine
Einigkeit in den Anschauungen herrscht.
Außer diesem subjektiven Moment wird noch ein objektives Erfordernis der Vorbenutzung
in der Literatur aufgestellt, das aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 S. 1 Pat.-Ges.,
wonach die Erfindung in Benutzung genommen oder die zur Benutzung erforderlichen
Veranstaltungen getroffen sein müssen, entnommen wird. Streitig ist hier jedoch, was
unter Benutzung der Erfindung im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist. Die
Meinungsverschiedenheit besteht mit anderen Worten darüber, ob unter Benutzung im
Sinne dieser Bestimmung nur das „Herstellen“ und „Gebrauchen“ der
Erfindung, oder auch noch das „Inverkehrbringen“ und „Feilhalten“ im
Sinne des § 4 Pat.-Ges. zu verstehen ist. Uebereinstimmung herrscht darüber, daß das
Herstellen und Gebrauchen eine Benutzung im Sinne des § 5 Pat.-Ges. enthält;
streitig ist lediglich, ob auch das Inverkehrbringen und das Feilhalten eine
derartige Vorbenutzung im Sinne dieses § 5 Pat.-Ges. darstellt. Letzteres wird
verneint von Köhler, Schanze, Kaiser und Allfeld. Allfeld führt aus: „Wer, ohne den Gegenstand
der Erfindung hergestellt zu haben, zur Zeit der Anmeldung ein oder das andere
Exemplar desselben als Händler feil gehalten oder sonst in den Verkehr gebracht
hat, nachdem er es von dem – vielleicht im Auslande befindlichen – Fabrikanten
bezogen hatte, kann unmöglich von dem Gesetz mit der Befugnis ausgestattet sein,
nicht nur in aller Zukunft den Gegenstand zu beziehen und zu verkaufen, sondern
ihn auch herzustellen und zu gebrauchen, soweit sich in seinem Betrieb ein
Bedürfnis hierfür ergibt“. Die entgegengesetzte Ansicht, daß also das
Benutzen im Sinne des § 5 Pat.-Ges. auch das Feilhalten und Inverkehrbringen des § 4
Pat-Ges. umfasse, wird von Isay und Seligsohn vertreten, eine Ansicht, der sich nunmehr auch das Reichsgericht
in seiner neuesten Entscheidung vom 24. Juni 1912 (RGI. Bd. 80 S. 15 ff.)
angeschlossen hat. Das Reichsgericht stellt in diesem seinem Urteile ausdrücklich
fest, daß nicht nur das gewerbsmäßige Inverkehrbringen und Feilhalten eine
Vorbenutzung im Sinne des § 5 Pat.-Ges. darstellen könne, und führt dann zum Schluß
aus: „Hiernach ist davon auszugehen, daß auch der Ausländer, der bisher im
Auslande produziert und seine Produkte in Deutschland in den Verkehr gebracht
hatte, in der Ausübung dieses Gewerbebetriebes durch ein späteres deutsches
Patent, das die gleiche Produktion zum Gegenstande hat, nicht beeinträchtigt
werden darf, sondern sich unter den übrigen gesetzlichen Voraussetzungen mit
Erfolg auf den Schutz des § 5 Abs. 1 Pat.-Ges. berufen darf.“
Die Streitfrage ist selbstverständlich – wie ohne weiteres ersichtlich ist – für die
rein nationale deutsche Produktion von größter Bedeutung. Dies schon durch den
Hinweis auf die Begründung, die Köhler für seine Ansicht
gibt, daß es nämlich nicht zweckmäßig sei, einen neuen Produktionszweig, der auf
Grund einer Patentanmeldung im Inlande aufblühe, dem bisher betriebenen
Auslandshandel aufzuopfern. Diese rein wirtschaftspolitischen Erwägungen Köhlers sind meines Erachtens für die von ihm vertretene
Auffassung überzeugend. Einmal schon aus dem Grunde, weil das Patentgesetz dieser
Auffassung nicht entgegensteht, da es ja in § 5 keine Begriffsbestimmung der
Vorbenutzung gegeben hat. Ist dies aber der Fall, so können meines Erachtens für die
ganze Frage in der jetzigen Zeit, wo sämtliche Wirtschaftsfragen und ganz besonders
die des ausländischen Imports sich aufs schärfste zugespitzt haben, nur rein
nationale und wirtschaftspolitische Erwägungen zu Gunsten der inländischen
Produktion maßgebend sein. Der Schutz, den das Reichsgericht dem ausländischen
Importeur gemäß § 5 Pat.-Ges. dem inländischen Produzenten und Patentanmelder
gegenüber angedeihen läßt, hat sich in den Ereignissen der Kriegsjahre als durchaus
unangebracht und unhaltbar erwiesen. Die ganze Wirtschaftspolitik der Staaten ist
nunmehr zur Nationalpolitik geworden, mit der scharfen Trennung und Abgrenzung des
nationalen Momentes ist eine gleiche Abgrenzung und Trennung der gesamten
Wirtschaftsfragen innerhalb der einzelnen Staaten eingetreten. So führt denn auch
das erstinstanzliche Landgerichtsurteil in seinen Gründen durchaus zutreffend aus,
daß eine Erweiterung der Rechte des Vorbenutzers gemäß § 5 Abs. 1 dabei nicht
beabsichtigt gewesen sei, und man keinesfalls durch die im Interesse der
inländischen Produzenten getroffene Vorschrift des § 4 Satz 2 ein weitergehendes
Vorbenutzungsrecht des Ausländers habe anerkennen wollen. Demgemäß muß auch die
Ansicht des Reichsgerichtes, die nunmehr überholt und wiederlegt worden ist, durch
die Kriegsereignisse, in erster Linie aus rein nationalen Gesichtspunkten der
Wirtschaftspolitik Deutschlands und zu Gunsten der inländischen Produktion abgelehnt
werden, so daß also dem ausländischen Importeur, der den Gegenstand der Erfindung im
Inlande bisher feilgehalten und in den Verkehr gebracht hat, ein fortdauerndes
Vorbenutzungsrecht gegenüber dem inländischen Produzenten und Patentanmelder nicht
eingeräumt werden kann, da die Voraussetzungen des § 5 Pat.-Ges. nicht erfüllt sind.
Im übrigen ist aber auch, abgesehen von diesem schon allein ausschlaggebendem
Grunde, Köhler darin beizustimmen, daß die Vorbenutzung
im Sinne des § 5 Pat.-Ges. eine technische gewesen sein muß, worunter nur das
Herstellen und Gebrauchen, nicht auch das rein handelsmäßige, mechanische Verbreiten
und Feilhalten zu verstehen ist. Von einer Erfassung des Erfindungsgedankens kann
hier auch in dem weitesten Sinne dieses Begriffs überhaupt nicht gesprochen werden,
so daß also auch dieser Gesichtspunkt zwingend für die hier vertretene Auffassung
spricht.
Weder Sinn noch Wortlaut des § 5 Pat.-Ges. geben zu einer derartigen extensiven
Auslegung dieser Bestimmung wie das Reichsgericht sie vornimmt, den geringsten
Anlaß, vielmehr stehen die wirtschaftlichen Interessen der inländischen Industrie
zu ihr angesichts der drohenden Konkurrenz der ausländischen Industrie und des von
dem feindlichen Auslande für die Friedenszeit angedrohten Wirtschaftsboykottes im
schroffsten Widerspruch. Nur die hier vertretene Auffassung kann als eine den
Interessen der inländischen Industrie bezüglich ihrer patentrechtlich geschützten
Erzeugnisse allein entsprechende und gerecht werdende bezeichnet werden.
Dr. jur. Werneburg, Rechtsanwalt.