Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | Werneburg |
Fundstelle: | Band 333, Jahrgang 1918, S. 79 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Maschinenindustrie und Patentrecht I. Nach der
grundlegenden Bestimmung des § 1 des Patentgesetzes werden Patente nicht für alle
neuen Erfindungen erteilt, sondern nur für solche, die eine gewerbliche Verwertung
gestatten.
Es muß also zunächst eine Erfindung vorliegen, die neu ist. Nach dem Standpunkt des
Reichsgerichtes liegt nun eine solche Neuschöpfung nicht vor, wenn die Veränderung
gegenüber dem Vorhandenen nur in konstruktiven, d.h. dem Sachverständigen durch die
technische Erfahrung ohne weiteres an die Hand gegebenen, Maßnahmen besteht, so zum
Beispiel in Mengen–, Größen–, Gewichts- und Formveränderungen, sowie in dem Ersatz
eines bisher angewendeten Mittels durch ein gleichwirkendes anderes usw. Wenn durch
derartige Maßnahmen nichts weiter erzielt wird, als was nach dem Stande der Technik
ohne weiteres auf der Hand liegt, so ist eine Erfindung nicht im Sinne des
Patentgesetzes gegeben. Erreicht zum Beispiel jemand durch die Vergrößerung eines
bekannten Maschinenteiles um das doppelte lediglich die doppelte Wirkung, so
ist dieser Erfolg selbstverständlich nicht erfinderisch. Bei dem der Entscheidung
des Reichsgerichts vom 15. November 1913 zugrunde liegenden Sachverhalt handelte es
sich bei dem Patentstreit darum, ob sich das in dem einen Patent erwähnte
„Schleifen von Holz und Steinen“ mit dem Schärfen der Schärfflächen von
Holzfasern des anderen Patentes deckte oder nicht. „Es ist richtig“, so führt
das Reichsgericht in dieser Entscheidung aus, „daß die Auswechselbarkeit
arbeitender Teile an Hand- und Maschinenwerkzeugen seit langer Zeit bekannt
gewesen ist. Was aber das hier in Betracht kommende besondere technische Gebiet
anlangt, so hat das Oberlandesgericht festgestellt, daß bei Schärfrollen, die
eine zylindrisch gestaltete Schleiffläche haben, die Loslösung der Schärffläche
von dem Tragkörper noch nicht bekannt gewesen ist. Ob die durch das Patent
eingeführte Neuerung als patentwürdig angesehen werden dürfte, ist im
Verletzungsprozesse nicht nachzuprüfen. Wenn sich die Klägerin darauf beruft,
daß für den Stand der Technik zur Zeit der Anmeldung des bezeichneten Patentes
auch das andere Patent in Betracht komme, so kann das nicht durchgreifen. Daß
das Oberlandesgericht dieses Patent, das in dem von ihm angeführten Gutachten
erörtert wird, übersehen haben sollte, erscheint als ausgeschlossen. Es kommt
hierauf indessen nicht an, weil durch das Patent tatsächlich der Stand der
Technik nicht zuungunsten der Klägerin verschoben wird. Denn das in der
Beschreibung erwähnte Schleifen von Holz und Steinen deckt sich nicht mit dem
Schärfen der Schärfflächen von Holzfasern, worauf es bei dem Patent der Klägerin
allein ankommt.“
Wenn eine Erfindung die Verbesserung oder sonstige weitere Ausbildung einer anderen,
zugunsten des Patentsuchers durch ein Patent geschützten Erfindung bezweckt, so kann
der Patentinhaber die Erteilung eines Zusatzpatentes nachsuchen. Die Prüfung einer
solchen Zusatzpatentanmeldung unterliegt den gleichen Grundsätzen wie die einer
selbständigen Anmeldung einer sonstigen Erfindung, insbesondere ist der Begriff der
Erfindung nicht anders zu bestimmen, als im Falle einer Hauptanmeldung. Ist die
Zusatzerfindung bereits in der Patentschrift des Hauptpatentes beschrieben, so
schließt diese, wenn sie vor der Zusatzanmeldung im Druck erschienen ist, die
Neuheit der Zusatzerfindung aus. „Mit Unrecht meint die Klägerin“, so führt
das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 15. November 1913 bezüglich eines
solchen Zusatzpatentes aus, „daß sich aus dem Eingang der Patentschrift des
Zusatzpatentes eine Beschränkung des Schutzumfanges auf eine Maschine nach dem
Hauptpatent ergebe. Aus diesem Eingang geht nichts weiter hervor, als daß die
Erfindung an der Maschine des Hauptpatentes gemacht ist und daß sie zunächst zur
Verbesserung dieser Maschine dienen sollte. Nach dem in den Vorinstanzen
erörterten Stand der Technik war diese Vorrichtung neu. Eine Beschränkung des
behaupteten Inhalts ergibt sich aus ihr nicht. Die Beklagte benutzt aber den
Erfindungsgedanken des Zusatzpatentes bei ihren Vorrichtungen, und die
vorhandenen Unterschiede ergeben sich nur daraus, daß die Beklagte diese
Vorrichtung bei einer anderen Maschine anwendet als der des
Hauptpatentes.“
Uebrigens genügt es, daß nur ein Teil der Haupterfindung durch die Zusatzerfindung
verbessert oder anderweitig ausgebildet werden soll. Auch wird das Zusatzverhältnis
nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Zusatzerfindung noch anderen Zwecken, als dem
der weiteren Ausbildung der Haupterfindung dienen soll. Dient eine Erfindung der
weiteren Ausbildung eines Zusatzpatentes, so kann auf sie ein Zusatzpatent zu
letzterem erteilt werden. Letzteres ist dann ihm gegenüber das Hauptpatent.
Berechtigt zu der Anmeldung des (späteren) Zusatzpatentes ist nur der Inhaber des
Hauptpatentes oder, wenn die Hauptanmeldung noch schwebt, deren Anmelder. Eine
andere Berechtigung an dem Hauptpatent genügt nicht; für die Inhaberschaft des
Hauptpatentes ist der Inhalt der Patentrolle maßgebend.
Der Begriff der Neuheit einer Erfindung schließt nach dem Gesagten eine Vergleichung
in sich; der Maßstab hierfür ist verschieden, je nach dem Gegenstande, um dessen
Neuheit es sich handelt. Daher ist der Maßstab für die Neuheit einer Erfindung aus
dem Begriff der Erfindung zu entnehmen. Nicht diejenige Erfindung ist also neu, die
irgendwie von dem bisherigen abweicht, sondern die, deren Abweichung von dem bisher
Vorhandenen etwas Erfinderisches enthält. Ferner muß aber auch die Erfindung als
solche selbst technisch ausführbar sein, wofür namentlich der Inhalt der
Patentschrift ausschlaggebend ist. „Die Patentschrift“, so führt das
Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 1913 aus, „darf und muß als
einheitliches Ganzes gelesen werden. Es fehlt der Erfindung als Ganzes
betrachtet durchaus nicht an der Ausführbarkeit, und die Patentschrift läßt es
auch nicht an der Angabe der Mittel zur Ausführung fehlen. Der Sachverständige,
der nach ihr arbeiten will, muß nur bis zu Ende lesen. Der Verfasser der
Patentschrift ist bemüht gewesen, durch die Formulierung der Ansprüche zugleich
den Umfang des Schutzes zum Ausdruck zu bringen, in dem diese über den Rahmen
des Ausführungsfalles hinaus dem allgemeinen Erfindungsgedanken zukommen. Ob das
empfehlenswert oder zweckmäßig ist, steht hier nicht zur Entscheidung“.
Nach der oben erwähnten Bestimmung des § 1 des Patentgesetzes muß die neue Erfindung,
wenn sie Anspruch auf Erteilung eines Patentes gewähren soll, eine gewerbliche
Verwertung gestatten. Mit diesem Erfordernis der gewerblichen Verwertbarkeit ist
aber nicht auch das einer gewinnbringenden Verwertung aufgestellt, vielmehr ist die
Frage nach der Patentfähigkeit von derjenigen nach der Rentabilität unabhängig.
„Gewerblich“ bedeutet aber nur so viel wie „in einem Gewerbe“, so
zum Beispiel also in einem Fabrik- oder sonstigem industriellen Betrieb. Unter
Gewerbe ist im übrigen diejenige menschliche Tätigkeit zu verstehen, die sich mit
der Gewinnung, Bearbeitung oder Verarbeitung von Rohstoffen der Natur befaßt
(Entscheidung des Patentamtes vom 30. Dezember 1904 und 16. Juni 1905). Die
Erfindung gestattet eine Verwertung, wenn schon die Möglichkeit ihrer Anwendung
besteht. Ob die tatsächliche Anwendung in einem Gewerbe zu erwarten ist, ist
unerheblich; es ist also unerheblich, ob der maschinellen Konstruktion
Unvollkommenheiten anhaften, die eine gewerbliche Aufnahme der Erfindung in
unveränderter Form unwahrscheinlich machen.
Rechtsanwalt Dr. Werneburg.