Titel: | Ueber Lebensdauer von Kugellagern. |
Autor: | Henry Gärtner |
Fundstelle: | Band 333, Jahrgang 1918, S. 35 |
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Ueber Lebensdauer von Kugellagern.
Von Henry Gärtner,
Siemensstadt.
GAERTNER: Ueber Lebensdauer von Kugellagern
Die Zerstörung eines Motors, der bei ununterbrochenem Betrieb mit 3000
minutlichen Umdrehungen zu arbeiten hatte, als unmittelbare Folge des Bruches der
Kugellager, gab Veranlassung zur Untersuchung der Frage, ob die Kugellager für die
in Frage kommende Belastung auch richtig gewählt seien.
Textabbildung Bd. 333, S. 35
Abb. 1.
Eine Anfrage bei der Fabrikantin der Lager wurde dahin beantwortet, daß die Lager (es
handelt sich um normale Laufringsysteme für Radialbelastung) bei den obenerwähnten
Betriebsbedingungen nur mit etwa ⅙ der in der Preisliste angegebenen Werte belastet
werden dürfen, wenn mit Sicherheit eine Betriebsdauer von einem Jahr = 8760
Betriebstunden erreicht werden soll.
Zwei der größten deutschen Kugellagerfabriken, nachfolgend A und B genannt, stellten
mir dankenswerterweise eine größere Anzahl Versuchsergebnisse zur Verfügung, die in
Abbildung 1 zusammengetragen sind. Es sind
dies Versuche mit radial belasteten Kugellagern. Die mit bezeichneten, von der Firma
A, sind bis zur Beschädigung irgendeines. Lagerteiles durchgeführt, während die mit
? bezeichneten der Firma B nach dem Abbruch der Versuche unbeschädigt blieben und
nur die mit bezeichneten Lager derselben Firma nach Beendigung der Versuche
eine Beschädigung aufwiesen. Zu der Abbildung 1 ist
erläuternd zu bemerken, daß eine logarithmische Einteilung gewählt wurde, um bei
größtmöglicher Reichweite der Kurven für die kleineren Werte eine größere
Genauigkeit zu erzielen als bei linearer Einteilung möglich sein würde, und daß als
Abszisse die Laufdauer der Lager, als Ordinate das Verhältnis der wirklichen
Belastung zu der in der Liste der Firma A als zulässig angegebenen Werte aufgetragen
sind. Es werden somit die schwachbelasteten Lager mit kurzer Lebensdauer, also die
schlechten, unten links zu suchen sein, während die hochbelasteten, die trotzdem eine längere
Lebensdauer haben, also die guten Lager, oben rechts zu linden sind.
Auffallend ist, daß die Lager der Firma A drei deutlich erkennbare Gruppen bilden,
schlechte, mittlere und gute Lager, während die Lager der Firma B nur den beiden
letzteren Gruppen angehören. Da kaum anzunehmen ist, daß das Material, das von
beiden Firmen verarbeitet wird, von wesentlich verschiedener Güte ist, so kann die
Erscheinung wohl nur ihren Grund haben in einer besseren Kontrolle der Teile auf
ihre Genauigkeit bezw. Verwendbarkeit bei den B-Lagern.
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Abb. 2.
Verbindet man die Grenzwerte durch Linien, so findet man in dem von den ausgezogenen
Linien eingeschlossenen Felde die Lebensdauer sämtlicher Kugellager der Firma A, in
dem von den gestrichelten Linien umgrenzten Felde die Lebensdauer sämtlicher
Kugellager der Firma B von den schlechtesten bis zu den besten, bei einer
angenommenen Sicherheit. Nimmt man zum Beispiel das Verhältnis \frac{P}{Q}=1, so erhält
man bei schlechtesten A-Lagern eine Lebensdauer von nur acht Stunden, bei den besten
von 4500 Stunden, ferner bei schlechtesten Lagern von B etwa 200 Stunden und bei den
besten etwa 8700 Stunden im Dauerbetrieb.
Wählt man unter den schlechtesten Lagern von A eines für eine Dauerbelastung von
einem Jahre = etwa 8700 Stunden, so findet man P =
0,13, d.h. man darf das Lager nur mit dem 0,13-fachen der in den Listen von A
angegebenen Werte belasten, um die Gewähr übernehmen zu können, daß der Betrieb
ununterbrochen ein Jahr ohne Störung durchgeführt werden kann. Die schlechtesten
Lager von B würden in diesem Falle gleich hoch belastet werden können, um denselben
Bedingungen zu genügen.
Zu den Versuchen mit B-Lagern sei noch bemerkt, daß die mit innerem Punkt
gekennzeichneten Ergebnisse an Lagern mit allmählich ansteigender Belastung
darstellen. Wenngleich der Mittelwert der Belastungen in die Rechnung eingesetzt
wurde, so muß aus den Ergebnissen doch angenommen werden, daß die Lager, wenn sie
von vornherein mit dem mittleren Druck belastet worden wären, geringere Lebensdauer
gehabt haben würden, denn tatsächlich sind die besten Versuchswerte bei Lagern mit
allmählich ansteigender Belastung erzielt worden. Es wurde deshalb die gestrichelte
Linie, die das Feld der B-Lager nach rechts oben abschließt, um ein geringes nach
links verschoben, wodurch gleichzeitig etwa nicht bekannt gegebenen weniger gut
ausgefallenen Versuchen Rechnung getragen wird.
Wie verschieden die Angaben über die zulässige Belastung in den Listen der
bekanntesten Kugellagerfabriken sind, zeigt die Zusammenstellung (Abb. 2). Es würde nach dem Vorstehenden dauernd
belastet werden können: ein Lager von A im Mittel mit etwa ¼ bis ⅙ der
A-Listenwerte, ein solches von B mit ½ bis ⅖ der B-Listenwerte, die von C und E mit
⅓ bis ⅕ und so fort. Meines Erachtens sollte der höchste auftretende Arbeitsdruck
das Doppelte dieser Werte nicht überschreiten. Den in vielen Betrieben vorkommenden
Belastungstößen ist jedenfalls in den seltensten Fällen Rechnung getragen, worauf
manche Mißerfolge mit Kugellagern zurückzuführen sein mögen. Nicht immer haben die
Firmen darauf hingewiesen, daß die von ihnen angegebenen Belastungszahlen nur unter
gewissen Voraussetzungen benutzt werden dürfen.
Ein Beispiel: Es sei ein Kugellager der Firma B zu bestimmen für eine Belastung von
250 kg während ½ Stunde, 170 kg während 2½ Stunden und 100 kg während 7 Stunden am
Tage bei einer Drehzahl von 3000 in der Minute, also für eine mittlere Belastung
von
P_{\mbox{m}}=\frac{250\,.\,0,5+170\,.\,2,5+100\,.\,7}{10}=125\mbox{ kg}.
Bei doppelter Sicherheit gegenüber den
B-Belastungsangaben kommt nach Abb. 2 Lager Nr. B 40
in Frage. Der Wert \frac{P}{Q} bezogen auf A-Angaben würde sein \frac{125}{430}=0,29. Das Lager
würde nach Abb. 1 bei jährlich 3000 Arbeitstunden
eine Lebensdauer haben von
\frac{1600}{3000}=1/2\mbox{ bis }\frac{47000}{3000}=15\,1/2\mbox{ Jahren},
im Mittel also wahrscheinlich von über 7 Jahren.
Für Maschinen mit Riemenantrieb rechnen fast sämtliche Firmen die fünffache nutzbare
Riemenspannung, bei Zahnradantrieb den dreifachen Zahndruck als Lagerbelastung.
Man wird nun unter Beachtung dieser Darlegungen bei Durchsicht vorhandener Maschinen
gewiß auf zu hoch beanspruchte Lager stoßen, da man wohl häufig durch die
Belastungangaben in den Listen der Kugellagerfabriken veranlaßt wurde,
Laufringsysteme der leichten oder mittleren Typenreihe zu verwenden, wo schwere oder
gar doppelreihige Laufringsysteme unbedingt am Platze gewesen wären. Da die
doppelreihigen Laufringsysteme nahezu die doppelte Belastung der normalen,
einreihigen gleichen Durchmessers vertragen, so ist eine Richtigstellung der Bauform
in vielen Fällen möglich, vorausgesetzt, daß die Welle nicht zu schwach gewählt
wurde. Von einigen Fabriken werden für starke Beanspruchungen Rollenlager empfohlen,
für welche etwa die doppelte Belastung der normalen Kugellager als zulässig erachtet
wird. Sie sollen gleichzeitig eine Achsialverschiebung im Lager gestatten.
Der Preisvergleich zwischen einer Maschine mit Kugellagern und einer solchen mit
Gleitlagern wird infolge der geringeren Beanspruchung der Kugellager für die erstere
ungünstig ausfallen, doch sind dafür auch Reparaturen, die auf Lagerschäden
zurückzuführen sind, äußerst selten, und die Ersparnis von Schmiermaterial ist recht
erheblich, so daß man trotz des etwas höheren Preises in den meisten Fällen, auch wo
man nicht gezwungen ist, Kugellager zu verwenden, wie bei Vertikalmotoren oder
solchen Maschinen, die starken Schwankungen unterworfen sind, wie zum Beispiel an
Bord der Schiffe, den Maschinen mit Kugellagern den Vorzug geben wird. Besonders in
Betrieben, in denen das durch die Kugellager verursachte geringe Geräusch nicht
stört.
Belastung in der
Achsrichtung.
Zur Aufnahme achsialer Drücke dienen im allgemeinen die Achsiallager, auch
Scheibenkugellager, Stützkugellager oder Drucklager genannt. Sie sind bei
senkrechter Anordnung der Welle unvermeidlich, doch sind sie für höhere Drehzahlen
bei wagerechter Welle mit Vorsicht anzuwenden, wenngleich manche Firmen Drehzahlen
von 5000 und mehr als zulässig angeben. Die Beanspruchung der Laufringe sowohl, wie
der Kräfte wird infolge der Schleuderkraft der Kugeln eine recht ungünstige, die
Zerstörung der Laufflächen und Bruch des Käfigs leicht zur Folge hat. Sofern es sich
um kleinere Belastungen handelt, verwende man die normalen Laufringsysteme oder die
von einigen Firmen in den Handel gebrachten sogenannten hochschultrigen Lager,
welche dank ihrer Laufrillenform eine höhere Belastung in achsialer Richtung
vertragen, etwa doppelt soviel als die normalen Laufringsysteme.
Die normalen Laufringsysteme können Achsialbelastungen auch nur dann aufnehmen, wenn
sie radial nicht voll belastet werden.
Man berechnet die zulässige Achsialbelastung nach der Formel:
P_{\mbox{a}}=\frac{\frac{Q}{K}-P_{\mbox{r}}}{10},
worin bedeutet:
Q = listenmäßige Belastung,
Pa =
Belastung in der Achsrichtung,
Pr =
Radialbelastung,
K = Sicherheitszahl =\frac{Q}{P}.
Von einer Kugellagerfabrik werden für reine Achsialbeanspruchungen sogenannte
Vierpunktlager in den Handel gebracht, deren Abmessungen, sowie zulässige
Belastungen in der Tab. 1 und Abb. 3 vermerkt sind.
Sie unterscheiden sich von den normalen Laufringsystemen dadurch, daß der äußere
Laufring, wie aus der Skizze (Abb. 3) zu ersehen,
senkrecht zur Achsrichtung geteilt ist. Die Kugeln tragen nicht am äußeren Umfange,
also, nicht an der Teilfuge des äußeren Laufringes, sondern näher ihrer Drehachse.
Die Lager sollen sich, soweit mir bekannt, gut bewährt haben.
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Abb. 3.
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Abb. 4.
Die sogenannten Schräglager, welche in Fahrradnaben allgemein Verwendung finden,
können für höhere Beanspruchungen und hohe Drehzahlen, wie sie zum Beispiel in
Elektromotoren gebräuchlich sind, nicht empfohlen werden, sie haben sich mehrfach
nicht bewährt, besonders, weil sie bei geringer achsialer Verschiebung der Welle
dieser keine Führung mehr geben, daher klappern und dann auch nur eine geringe
Lebensdauer haben.
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Tab. 1. Vierpunktlager für achsiale
Belastung. Tab. 2. Kugellager mit Abziehnut; Abmessungen in mm; Bohrg.; Aeuß.;
Breite
Schmierung.
Die Ansichten über den Einfluß der zu verwendenden Schmiermittel sind sehr
verschieden. Während eine Firma der Schmierung mit konsistentem Fett den Vorzug
gibt, bevorzugt die andere Oel. Meist wird für niedere Drehzahlen Fett, für höhere
Oel vorgeschrieben. Nach meinen Erfahrungen sind beide gleich gut anwendbar, nur müssen sie unbedingt
harz- und säurefrei sein und auch wirklich in das Lager gelangen. Lassen die
Schmierstoffe in dieser Hinsicht zu wünschen übrig, oder enthalten sie gar Sand oder
dergleichen, so ist die Politur der Laufsysteme alsbald zerstört, und um die
Lebensdauer ist es geschehen. In gleicher Weise schädlich wirken Filzkissen, die die
Kugeln unter Schmierung halten sollen. Bei Kugellagern dürfen für die Schmierung
keine vermittelnden Fremdkörper verwendet werden.
* * *
Für lange und schnellaufende Wellen, die einer größeren Durchbiegung ausgesetzt sind,
werden Laufringsysteme mit kugeliger Einstellung (sogenannter Ueberring oder
Kugelsitz) empfohlen. Für normale Motoren, deren Welle nur geringe Länge haben,
genügen meines Erachtens die normalen Laufringsysteme.
Auf eine Sonderform sei noch aufmerksam gemacht, die für den Einbau in
Werkzeugmaschinen gewiß häufig mit Vorteil zu verwenden ist. Es sind dies ein- und
doppelreihige Kugellager, deren innerer Laufring mit Abziehnut versehen ist. Die
Abmessungen dieser Lager sind der Tabelle 2 und Abb.
4 zu entnehmen.
Wichtig für die Lebensdauer der Kugellager ist, daß sie nach dem Einsetzen, aber vor
der ersten Schmierung sauber mit Benzin, Benzol oder Petroleum ausgewaschen werden,
und das Gehäuse so abgeschlossen ist, daß Fremdkörper keinen Zutritt haben.
Besonders Wasser fördert die Zerstörung eines Kugellagers ungemein schnell.