Titel: | Unterrichtsmodelle. |
Autor: | R. Vater |
Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 462 |
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Unterrichtsmodelle.
Von R. Vater, Geheimer Bergrat,
Berlin.
VATER: Unterrichtsmodelle.
Wohl nichts dürfte einen Unterricht anregender gestalten als die Vorführung
geeigneter Modelle, an denen sich eben besprochene Gesetze auch für das Auge
sichtbar nachweisen lassen. Der Wert solcher Modelle ist um so höher einzuschätzen,
wenn es sich um besonders wichtige Gesetze oder um Vorgänge handelt, die sich im
Bilde höchstens kinematographisch vorführen ließen. Von diesen Erwägungen ausgehend
habe ich für meine Vorlesungen über Maschinenlehre an der Königl. Bergakademie
Berlin eine Reihe von Modellen ausführen lassen, von denen ich im Folgenden einige
beschreiben möchte, da mir von dem Vorhandensein ähnlicher Modelle bisher nichts
bekannt geworden ist. Sie eignen sich übrigens nicht nur zur Vorführung in den
Vorlesungen, sondern auch zu lehrreichen einfachen Versuchen, welche die
Studierenden in den Uebungsstunden daran anstellen können.
Textabbildung Bd. 330, S. 462
Abb. 1.
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Abb. 1a.
I. Bremsbandmodell.
Wenn ein Band um einen feststehenden Zylinder geschlungen wird und das eine
herunterhängende Endemit t, das andere mit T belastet wird, so besteht bekanntlich Gleichgewicht
unter der Voraussetzung T = t . eμa. Die Anwendung dieses Satzes in
verschiedenen Zweigen des Maschinenbaues soll das im Folgenden näher beschriebene
Modell veranschaulichen. Sein grundlegender Aufbau ist folgender:
Auf einer in zwei Kugellagern sich leicht drehenden Welle sind zwei Scheiben a und b (Abb. 1 und 1a) fest
angebracht. Die Welle läßt sich in einfacher Weise bei Bedarf festhalten, so daß
damit auch die Scheiben a und b unbeweglich werden. An dem der größeren Scheibe a zunächstbefindlichen Lager ist ein Blechring c befestigt, welcher an seinem Umfange gleichmäßig verteilte Löcher
besitzt. Die Lager befinden sich im oberen Teile von A-Ständern, die ihrerseits auf einem umlaufenden gußeisernen Rahmen stehen.
Das Ganze ruht auf einem hölzernen Gestell, dessen Füße zur Platzersparnis bei der
Aufbewahrung umgeklappt werden können. Zur Vorführung in den Vorlesungen hat es sich
als praktisch erwiesen das ganze Modell höher zu stellen, daher die in Abb. 7a sichtbaren Unterlagsklötze.
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Abb. 2.
Die Scheibe a ist in Wirklichkeit, wie Abb. 1a zeigt, eine Doppelscheibe, bestehend aus einer
Eisenscheibe mit flacher Eindrehung am Umfange und einer darangeschraubten
Holzscheibe mit halbkreisförmiger Eindrehung. Auf die Eisenscheibe kann ein dünnes
Stahlband aufgelegt und damit das Verhalten einer Bandbremse für Hebezeuge
veranschaulicht werden, während in die Rille des Holzrades ein Drahtseil eingelegt
werden kann, um Verhältnisse nachzuahmen, wie sie bei Fördermaschinen mit
Treibscheibe vorkommen. Die Scheibe b dient als
Antriebscheibe. Für gewisse Versuche wird eine Schnur darum geschlungen, welche
vermittels eines daran gehängten Gewichts die Welle und damit auch die Scheibe a in Umdrehung versetzt.
Erste Verwendungsart: Nachweis des Satzes, daß T = t . eμa
(Abb. 2). Die Welle wird dadurch festgestellt,
daß ein kleines U-förmiges Eisen (m,
Abb. 8) mit seinen beiden freien Enden einen Arm der
Scheibe a umfaßt, während es mit dem geschlossenen Ende
an dem Ringe c festgeschraubt wird. Das Stahlband oder
Drahtseil wird auf die Scheibe a gelegt und an beiden
Enden entsprechend belastet. Die Gewichte der aufgelegten Scheiben oder der in eine
Schale geschütteten Schrotkörner werden später durch Abwiegen festgestellt.
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Abb. 3.
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Abb. 4.
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Abb. 5.
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Abb. 6.
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Abb. 7.
Zweite Verwendungsart: Nachweis des Einflusses von a in der Formel T = t .
eμa (Abb. 3 u. 3a).
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Abb. 3a.
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Abb. 5a.
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Abb. 6a.
Zwischen Ring c und Scheibe a befindet sich noch, drehbar auf der Welle, ein Hebel d (s. auch Abb. 1 und
1a), welcher mit Hilfe der oben erwähnten Löcher
im Ring c in verschiedene Lagen, z.B. d oder d' (Abb. 3) eingestellt werden kann. Am anderen Ende von
d ist eine sehr leicht bewegliche Rolle e angebracht, die als Leitrolle für das Stahlband
dient. Auf diese Weise können verschiedene Umschlingungswinkel mit Leichtigkeit
eingestellt werden.
Auch bei Treibscheiben-Fördermaschinen kommt bisweilen ein wesentlich größerer
Umschlingungswinkel als α = π vor, z.B. bei
Turm-Fördermaschinen. Um diese Verhältnisse zu veranschaulichen und zu untersuchen,
läßt sich am Grundrahmen in einfacher Weise eine Führungsscheibef anbringen (Abb. 4,
vgl. auch Abb. 8), welche mit der Scheibe a in einer Ebene liegt.
Dritte Verwendungsart: Als einfache Bandbremse (Abb. 5 und 5a). Die
Welle ist wieder frei drehbar gemacht. Scheibe b ist
durch Gewicht Q belastet und sucht die Welle linksherum
zu drehen. Dem wirkt die mit G belastete Bandbremse auf
Scheibe a entgegen. Hebel g mit Lager h (s. auch Abb. 8) läßt sich leicht am Grundrahmen anbringen. Das
Bremsband wird mit einem Ende am Hebel g befestigt, mit
dem anderen Ende am Endpunkte des Hebels d. Durch
Verstellen von d kann wieder der Umschlingungswinkel
der Bandbremse leicht verändert werden. Das Verhältnis Q :
G wird durch Abwiegen festgestellt. Selbstverständlich läßt sich Q auch so anhängen, daß es bestrebt ist, die Welle mit
den Scheiben a und b
rechtsherum zu drehen.
Vierte Verwendungsart: Als Differentialbremse (Abb. 6 und 6a). Die
allgemeinen Verhältnisse bleiben wie bei der einfachen Bandbremse, nur Hebel g wird durch Hebel i
ersetzt. Der Angriffspunkt des Bremsbandes am linken Hebelarm von i läßt sich in dreierlei Weise verändern (Abb. 6).
Fünfte Verwendungsart: Erläuterung der Verhältnisse bei
der Treibscheiben-Fördermaschine (Abb. 7 und 7a).
Scheibe b dient wieder mit Gewicht Q als Antriebsvorrichtung. Die zur Verhütung des
Gleitens auf der Scheibe a notwendigen Verhältnisse
zwischen aufgehender und niedergehender Last (Pa
: Pn) können durch Abwiegen festgestellt werden. Auch kann
wieder die bei Abb. 4 erwähnte Führungsrolle f eingeschaltet werden, um den Umschlingungswinkel zu
vergrößern.
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Abb. 7a.
Sämtliche Umänderungen in die einzelnen Verwendungsarten lassen sich bei der neuesten
Bauart des Modells mit wenigen Handgriffen ausführen. Führungsscheibe f, sowie die Hebel g (Abb. 5) und i (Abb. 6) haben zu diesem Zwecke je ein eigenes Lager,
welches mit Hilfe von Paßstiften und zwei Flügelmutterschrauben leicht und schnell
an dem Grundrahmen befestigt werden kann (s. auch Abb.
8).
Die Ausführung des Modells hat die Firma Max Kohl in
Chemnitz übernommen.
Nebenbei lehrt das Modell übrigens die Studierenden auch noch etwas anderes, nämlich
die in den Taschenbüchern, Kalendern usw. angegebenen Reibungszahlen μ mit Mißtrauen zu betrachten und nicht unbedingt auf
sie zu schwören. Auch das ist vielleicht ein für die Praxis nicht gering
anzuschlagender Erfolg solcher einfachen Versuche.
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Abb. 8.
II. Trägheitsmomenten-Modell.
Der Begriff Trägheitsmoment, namentlich von Flächen, macht häufig Schwierigkeit. Daß
das Trägheitsmoment eines T-, oder I-Trägers für einen bestimmten Belastungsfall
ganz verschiedene Werte annehmen kann je nachder Stellung, in welcher der
Träger eingespannt oder aufgelagert ist, leuchtet manchem nur schwer ein. Um das
Verständnis hierfür durch ein Modell zu erleichtern, ging ich – nebenbei bemerkt auf
Anregung von Herrn Professor Dr. E. Jahnke – von dem
Satze aus, daß die Durchbiegung eines Stabes seinem Trägheitsmomente umgekehrt
proportional ist. Beim einseitig eingespannten, am Ende mit einer Einzellast P belasteten Stabe von der Länge 1 ist bekanntlich die
größte Durchbiegung f=\frac{1}{3}\,\frac{P\,.\,l^3}{E\,J}. Bleibt
nun für verschiedene Stäbe P, l und E unverändert, so ist f=\mbox{ const.
}\frac{1}{J}.
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Abb. 9.
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Abb. 9a.
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Abb. 10.
Der grundlegende Aufbau des Modells ist folgender: Auf einem Brett befindet sich ein
Ständer a (Abb. 9 und
9a), in welchem nacheinander verschieden
gestaltete prismatische Bronzestäbe S befestigt werden
können, die sich unter dem Einflüsse eines an ihrem freien Ende angebrachten
Gewichtes P durchbiegen. Je größer die Durchbiegung bei
gleichbleibendem P, l und E, um so kleiner ist das Trägheitsmoment und umgekehrt. Es kam nun darauf
an, einerseits mit möglichst kleinen Durchbiegungen auszukommen, andererseits aber
diese Durchbiegungen auch auf weite Entfernungen hin sichtbar zu machen. Zu diesem
Zwecke wurde in der Nähe des freien Stabendes ein kleiner Ständer b angebracht, in dessen Kopf ein aus Aluminium
angefertigter Zeiger Z (Abb.
10) zwischen Spitzen sehr leicht beweglich ist. Der Zeiger ist als stark
ungleicharmiger zweiarmiger Hebel ausgebildet. Am Ende des kurzen Armes ist ein
Röllchen e (Abb. 10)
angebracht, auf welchem das freie Stab- ende aufliegt. Man sieht, wie selbst kleine
Durchbiegungen durch die sehr starke Zeigerübersetzung auf weite Entfernung hin an
einer passend angebrachten Skala sichtbar werden.
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Abb. 11.
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Abb. 12.
Um bei verschiedener Querschnittshöhe und unbelastetem Stabe den Zeiger immer erst
auf den Nullpunkt der Skala einstellen zu können, läßt sich der Kopf des kleinen
Ständers b durch eine Schraubenvorrichtung (Abb. 10) in seiner Höhe bequem verstellen.
Es kam mir nun darauf an, die Aenderung des Trägheitsmomentes zu zeigen bei Wahl
verschiedener Momentenachsen, z.B. x – x, y – y, z – z
usw. (Abb. 11). Zu diesem Zwecke besitzt jeder Stab
an der Stelle, wo er in den Ständer a eingesteckt wird,
einen zylindrischen Wulst, dessen Mittelpunkt mit dem Schwerpunkt des betreffenden
Stabquerschnittes zusammenfällt (Abb. 12). Das
Stablager im Ständer a hat natürlich eine diesem Wulst
entsprechende zylindrische Bohrung. Auf diese Weise kann jeder Stab in dem Ständer
a leicht um seine Schwerpunktsachse gedreht und die
dadurch eintretende Veränderung seines Trägheitsmomentes bequem beobachtet
werden.
Welche Querschnitte für die Stäbe gewählt wurden, zeigt Abb.
9a. Der Kopf im Ständer a ist seitlich
aufgeschlitzt (Abb. 13) und kann durch eine Schraube
zusammengeklemmt werden, um die Stäbe in der gewählten Lage festzuhalten. Um
schließlich die Trägheitsmomenteder einzelnen Stäbe auch noch untereinander vergleichen zu können, wurde der
Flächeninhalt der einzelnen Stabquerschnitte genau gleich groß gemacht. Nur bei dem
Stabe mit kreisringförmigem Querschnitt wurde der äußere Durchmesser gerade so groß
gewählt wie der des Stabes mit vollem Kreisquerschnitt, um zu zeigen, daß selbst bei
verhältnismäßig starker Ausbohrung das Trägheitsmoment sich nur wenig ändert.
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Abb. 13.
Es ist z.B. eine ganz fesselnde und lehrreiche Uebungsaufgabe, die einzelnen
Stabquerschnitte so zu ordnen, daß die Trägheitsmomente in bezug auf die
Hauptträgheitsachsen ständig zunehmen oder abnehmen. Die Bedeutung des
Trägheitsmomentes wird dadurch manchem klar werden. Da das Trägheitsmoment des
Rechtecks oder des Kreises sehr leicht berechnet werden kann, lassen sich durch
Ablesen an der Skala auch die Trägheitsmomente der übrigen Querschnitte leicht
zahlenmäßig feststellen. Bei den einfacheren Querschnitten kann dann noch eine
Prüfung des Ergebnisses durch Rechnung stattfinden. Trotz sehr sorgfältiger
Ausführung des Modells (durch die Firma Max Kohl in
Chemnitz) wird man allerdings scharfe Genauigkeitsmessungen kaum verlangen
können.
(Fortsetzung folgt.)