Titel: | Einwirkung des Krieges auf Flugzeugkonstruktionen. |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 401 |
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Einwirkung des Krieges auf
Flugzeugkonstruktionen.
Von Dipl.-Ing. Paul Béjeuhr in
Charlottenburg.
BÉJEUHR: Einwirkung des Krieges auf
Flugzeugkonstruktionen.
Vom Standpunkt des Flugzeugingenieurs darf neben all dem Schrecklichen, das
dieser Weltkrieg mit sich gebracht hat, der außerordentlich fördernde Einfluß nicht
verkannt werden, den er auf die Technik im allgemeinen, auf die moderne
Verkehrstechnik aber im besonderen ausgeübt hat. Wenn gesagt wird, daß die letztere
in zehn Friedensjahren nicht so weit gekommen wäre, wie in diesen zwölf
Kriegsmonaten, so ist das nur ein ganz schiefer Vergleich; man kann ruhig sagen, daß
jetzt im Felde Erfahrungen gesammelt, Neuerungen erprobt wurden, die in noch so
langen Friedensjahren überhaupt nicht möglich waren, weil eben der Krieg eine
derartige Probe aufs Exempel ist, die sich auch nicht angenähert nachahmen läßt und
weil nur der Krieg Verhältnisse schaffen kann, die so unvergleichlich schnelle und
ganz bestimmten Bahnen folgende Entwicklungen ermöglichen. So wird also dem Krieg
zum Ausgleich für die vielen schweren und, fast möchte es scheinen, unheilbaren
Wunden, die er schlägt, die Fähigkeit erwachsen, produktiv zu wirken.
Man kann die in der letzten Zeit erfolgte Entwicklung der Flugtechnik am besten auf
zwei getrennten Bahnen betrachten; die erste zeigt uns all jene Fortschritte, die
dadurch erreicht wurden, daß durch den großen Bedarf an Apparaten schon rein
zahlenmäßig außerordentlich viele Erfahrungen gesammelt wurden, die natürlich ein
schrittweises Weiterentwickeln mit sich brachten. Die zweite Bahn ist im Gegensatz
hierzu überhaupt erst durch den Krieg möglich geworden, sie führt uns nicht nur alle
Angriffs- und Verteidigungsmittel vor, sondern gleichzeitig jene fast sprunghaft vom
Entwurf zur Ausführung entwickelten Fortschritte, die nur unter der machtvollen
Zwangslage eines Weltkrieges lebensfähig werden.
Beim ersten Abschnitt muß zunächst festgestellt werden, daß sich die in
Friedenszeiten weit entwickelte Art des Rumpfflugzeuges auch bei den großen
Fluganforderungen des Krieges gut bewährt hat, so daß diese Bauartauch jetzt
weitaus vorherrschend ist. Die sich immer vergrößernde Nutzlast führte dagegen bald
dazu, den Eindecker durch den Doppeldecker zu ersetzen, was weiter den Vorteil mit
sich brachte, die Spannweite zu verringern. Die wachsende Flugtüchtigkeit unseres
Fliegerersatzes veranlaßte Heer und Industrie sehr bald, auf die natürliche
Stabilität der sogenannten „Tauben“ zu verzichten, welcher Vorteil mit einer
Reihe von Nachteilen erkauft wird. Erstens verloren die Maschinen durch das
Hochziehen der Tragflügelenden ganz erheblich an Geschwindigkeit und Steigvermögen,
dann aber waren sie bei der notwendigen Dienstlast mit den verfügbaren Motoren
einfach über eine bestimmte Höhe nicht hinweg zu bringen, so daß sie bei der immer
vollkommener werdenden Abwehrbereitschaft für Flüge über dem Feind nicht mehr
verwendbar waren. Die Notwendigkeit schneller und zuverlässiger Erreichung größerer
Höhen hat überhaupt von Beginn des Feldzuges an zu immer sorgfältiger
durchkonstruierten Apparaten geführt. Während zunächst noch Höhen von 1700 m als
sicher galten, wurde diese Zone dank der stärkeren Ausrüstung der Heere mit
Spezialabwehrgeschützen und besonders wegen der größeren Treffsicherheit der
Bedienungsmannschaften, die ja noch nie eine gleich gute Uebungsgelegenheit hatten,
allmählich in 3000 bis 4000 m Höhe verlegt. Wie schnell sind die Ansichten über die
Wertlosigkeit der Höhenrekorde doch überholt worden! Noch vor wenigen Monaten waren
zum Erfliegen von 2000 m 30 und mehr Minuten nötig; jetzt kommt man mit der halben
Zeit aus. Damals gelangen derartige Höhenflüge nur mit Spezialmaschinen, die
besonders erleichtert wurden und die zur Ausrüstung nichts mitnahmen, was nicht
unbedingt notwendig war; heute muß jede Serienmaschine mit voller Belastung diese
Bedingung erfüllen. Höhen über 2000 m galten als außerhalb des praktischen
Interesses liegend, sie wurden nur gelegentlich bei günstigen Witterungsbedingungen
geschafft, und
zwar 3000 m in etwa 45 Minuten, 4000 m in 90 bis 100 Minuten. Auch diese Zahlen
werden jetzt nicht nur ganz beträchtlich unterboten, sondern – was das Wichtigere
ist – es ist auch mit dem größten Teil der Heeresmaschinen möglich, diese Höhen zu
erreichen. Natürlich bringt das Fliegen in derartiger Höhenlage nicht nur die
Sicherheit mit sich, auch dem feindlichen Geschützfeuer entzogen zu sein, sondern
weiter den außerordentlichen Vorteil, im Falle eines Motordefekts bei flachem
Gleitflug noch hinter die eigene Linie zu kommen. Die Franzosen, die sehr bald die
Ueberlegenheit der deutschen Flugzeuge in bezug auf Steigfähigkeit und
Geschwindigkeit spürten, versuchten zunächst durch Heruntersetzen der
Sicherheitsgrenze bei der Beanspruchung der Flugzeugteile so viel an Gewicht zu
sparen, daß mit derselben Motorenleistung größere Eigengeschwindigkeit und höheres
Steigvermögen erzielt wurde. Infolgedessen machten die französischen Flugzeuge,
verglichen mit unseren soliden Konstruktionen einen beängstigend leichten,
spinnwebenhaften Eindruck. Wenn auch bei dieser Herabsetzung des Gewichts die Masse
des Flugzeuges geringer wird und dadurch die Gefahr des Brechens bei harter Landung
schwindet, so ist doch immer zu bedenken, daß diese Maschinen auch in der Luft die
sorgsamste Aufmerksamkeit verlangen, damit den Böen rechtzeitig ausgewichen wird und
damit niemals steile Sturzflüge ein zu plötzliches Abfangen nötig machen. Sehr bald
schlug man denn auch in Frankreich – ohne jedoch diese eben bezeichnete Richtung zu
verlassen – noch einen anderen Entwicklungsweg ein, indem man von den Flugzeugen
nicht mehr jeden Luftdienst verlangte, sondern ihnen
stets nur ein und dieselbe Aufgabe zuwies, für die man sie dann besonders
ausrüstete. Man änderte also die Organisation, die bisher die Esquadrillen mit
Flugzeugen gleichen Systems und gleicher Stärke versah, dahin, daß jetzt Flugzeuge
nach demselben Verwendungszweck in Geschwadern vereinigt wurden, die nun ihrerseits
die Aufgabe hatten, entweder für Feuerbeobachtung der Artillerie zu dienen oder
Aufklärung zu machen oder als Bombenwerfer zu arbeiten oder als Kampfflugzeuge den
Grenzschutz zu übernehmen bzw. irgend eins der anderen Geschwader zu schützen. Das
war eine sehr glückliche Einteilung, denn durch diese Beschränkung auf stets
dieselbe Tätigkeit konnte nicht nur das Flugzeug wesentlich zweckentsprechender
ausgerüstet werden, sondern auch die Flieger erhielten schnell Spezialerfahrungen,
die sie in ihren Leistungen erheblich förderten.
Bei den größeren Flugleistungen und den erheblich gesteigerten Flugkilometern pro
Tag, die sich infolge des Krieges ergaben, hat sich weiter herausgestellt, die
Betätigungsorgane so zu verstärken und so abzustützen, daß sie einfach nicht entzwei
gehen. Vornehmlich gilt dies für den Seitensteuerfußhebel, der einmal so stark sein
muß, daß man unbedenklich auf ihn hinauftreten kann, ohne daß der Drehzapfen bricht,
während weiter ein Abrutschen der Füße durch Fußrasten verhindert werden muß, weil
sonst die Füße bald ermüden. Endlich ist es wünschenswert, den Seilabgang zum Steuer
überein Kreissegment zu leiten, damit bei den starken, schnellen Maschinen
nicht infolge Verkürzung des Hebelarmes zu große Steuerkräfte auftreten.
Zu den wichtigsten Konstruktionsteilen der Flugmaschine gehören die Tragflächenholme,
auf deren Ausbildung der Krieg in zweierlei Hinsicht eingewirkt hat. Einmal ist die
Belastung für das laufende Meter sehr gestiegen, weiter ist aber das bisher
verwendete amerikanische Spruceholz infolge des gesteigerten Bedarfs und wegen der
erhöhten Transportschwierigkeiten garnicht mehr zu haben, so daß entweder mit
einheimischen Hölzern gerechnet werden muß oder aber zur Stahlkonstruktion
übergegangen wird. Wird zunächst von letzterer abgesehen, die sich jetzt erst
langsam durchzusetzen beginnt, der aber sicher die Zukunft gehört, so ist für die
hohe Festigkeit der Holme ausschlaggebend die Wahl des Querschnitts und die Art und
Weise der Strebenverbindung, die tunlichst ohne Schwächung des Holms durchgeführt
werden muß.
Die einfachste Verstärkung des vollen Holzholmes mit Rechteckquerschnitt ist die
seitliche Absperrung mit Furnieren, die außerdem den Vorteil des Schutzes gegen
Wettereinflüsse mit sich bringt. Ist die Beanspruchung des Holms in senkrechter und
wagerechter Achse annähernd gleich, so empfiehlt sich die Wahl kreisrunden
Querschnitts, wofür vielleicht Holzbandfurnierrohre verwendet werden können, was
insofern vorteilhaft ist, als das Rohr dann vom Rumpf zur Flügelspitze als Träger
gleicher Festigkeit mit sich verjüngendem Querschnitt gewickelt werden kann. Die
Herstellung geschieht durch das Aufwickeln dünner Holzbänder nach gegenläufig
verlaufenden Spiralen unter gleichzeitiger Verbindung mittels Kaltleim.
Bei stärkeren Belastungen erhalten die Holme einen Kastenquerschnitt, den man aus dem
Vollen herausarbeitet, damit man bei den Verbindungsstellen mit den Streben den
vollen Querschnitt belassen kann. Wird der Kastenholm aus einzelnen Seitenstücken,
Kopf- und Fußplatte zusammengeleimt, so wird an den Verbindungsstellen der volle
Querschnitt mit entsprechenden Paßstücken hergestellt. Wird der Holm aus dem Vollen
ausgearbeitet, so empfiehlt sich das Absperren der Seiten mit Furnieren aus oben
angeführten Gründen. Die Formen sind: Kasten mit scharfen oder abgerundeten Ecken,
Doppel-T-Form mit Leimung in der Mittelachse oder aus drei Platten und dergleichen
mehr. Während bei französischen Apparaten der Holm größtenteils die Stirnkante des
Tragflügels bildet, legt man bei den deutschen Konstruktionen den Holm näher dem
ersten Drittel der Tragfläche, die hier ihre größte Dicke hat, so daß hier auch die
größte Höhe für den Holmquerschnitt zur Verfügung steht. Es ist daher notwendig, an
der Vorderkante des Tragflügels eine besondere Stoßleiste, den Stirnholm,
vorzusehen, der aber keinerlei Belastungen aufzunehmen hat und infolgedessen so
leicht wie möglich ausgebildet wird.
Zur Verbindung der Tragflügelholme der oberen und unteren Tragflügel oder aber zur
Absteifung der Holme der Eindecker dienen Vertikalstreben und Schrägdiagonalen, welch letztere fast
ausschließlich aus Kabeln gebildet werden. Die Verbindungsstelle dieser beiden mit
dem Holm muß tunlichst so ausgeführt werden, daß eine Schwächung des Holms vermieden
wird, ohne jedoch durch komplizierte Gebilde unnötige Gewichte in die Konstruktion
zu bringen. Dasselbe gilt für die Versteifung der Längsholme des Rumpfes. Stets
werden namhafte Gewichte durch die Strebenverbindungen verschlungen. Während man bei
den Längsholmen in der Regel mit gepreßten Blechpaßstücken auskommt, in deren
Flanschen die Kabelösen eingreifen, verwendet man für die Tragflächenholme möglichst
Paßstücke mit zentrisch angeordneten Vertikalbolzen, an welchen je nach Bedarf ein
bis drei Kabel je nach den notwendigen Richtungen angelenkt werden können. Die
Befestigung der Vertikalstreben geschieht in der Regel mittels Kugelgelenk, was
besonders der schnellen Zerlegbarkeit zugute kommt. Die Kabel werden derart
befestigt, daß Spannschloß und Spannhaken zu einem
Konstruktionsteil vereinigt sind, wodurch Montage und Zerlegen sehr beschleunigt
wird.
Haben wir so einige Entwicklungen kennen gelernt, die mehr oder weniger auch wohl in
Friedenszeiten sich herausgebildet hätten, so wenden wir uns jetzt den lediglich
durch den Krieg herbeigeführten Fortschritten zu. Diese liegen einerseits in der
Vervollkommnung der Angriffswaffen des Flugzeugs, andererseits in der Verbesserung
seiner Verteidigungsmittel. Legen wir die vorhin erwähnte, sehr zweckmäßige
Einteilung nach Artillerieflugzeugen, Erkundungsapparaten, Bombenwurf- und
Kampfflugzeugen zugrunde, so sind ihre Verteidigungsmittel je nach ihrem
Verwendungszweck ganz verschieden. Die notwendige Höhenhaltung von mehr als 2000 m
über dem Feind ist schon bei Gewehrfeuer selbstverständlich, ihr wird durch gutes
Steigvermögen und durch Kraftüberschuß in der Maschinenanlage Rechnung getragen. Die
Spezialgeschütze, so weit sie standfest aufgebaut sind, müssen nach Möglichkeit
vermieden werden; aber auch gewöhnliche Feldgeschütze können bei Verwendung zweier
(in Geschützrichtung und seitlich hiervon aufgestellter) Beobachter, zumal wenn
mehrere Geschütze zur Verfügung stehen, ganz gefährliche Gegner werden. Es hat sich
als zweckmäßig herausgestellt, nicht auf das Flugzeug zu
feuern, sondern unmittelbar vor dasselbe mehrere Schüsse
gleichzeitig zu legen, denen es auch durch die geschicktesten Steuermanöver schlecht
entgehen kann, weil es doch eine gewisse Trägheit besitzt und aus der Flugbahn nicht
so schnell herauskommt. Flugzeuge zur Feuerbeobachtung der Artillerie, die meist
innerhalb der eigenen Linie bleiben, brauchen als Verteidigungsmitte vor allen
Dingen nur die Möglichkeit, die 2000 m Höhengrenze schnell genug zu erreichen, so
daß sie vor Maschinengewehrfeuer sicher sind, Geschützfeuer haben sie in der Regel
nicht zu erwarten, Luftangriffen müssen sie sich rechtzeitig entziehen, ihr
Aktionsradius und daher ihr Betriebsstoffvorrat braucht nur klein zu sein, folglich
kommen die kleinen leichtgebauten Maschinen mit verhältnismäßig schwachen und
leichten Motoren aus. Direkte Angriffsmittel werden diesen Flugzeugen(mit
Ausnahme der Selbstladewaffen der Führer) nicht gegeben.
Die zweite Gattung: die Aufklärungsflugzeuge, ist bestimmt als „Auge des
Heeres“ ständig Nachricht zu geben über den jeweiligen Stand der Front und
des feindlichen Hinterlandes. Hier müssen also größere Flugleistungen über dem
Feinde vollbracht werden. Der Motor muß daher so bemessen werden, daß er den
Betriebsstoffvorrat für lange Flüge schleppen kann und außerdem die Kraft besitzt,
um den Apparat schnell in die schützende Höhe von 3000 m zu bringen, während
andererseits seine Eigengeschwindigkeit so groß sein muß, daß er sich auch den
Angriffen feindlicher Flieger schnell entziehen kann. Wir sehen also, das
Hauptschutz- und Verteidigungsmittel dieser Flugzeuge besteht in ihrer großen
Geschwindigkeit, die bis zum gewissen Grade von der Motorenstärke abhängt. Jeder
andere Schutz, Panzerung und dergleichen tritt gegen die große Geschwindigkeit an
Wert weit zurück, so daß es jetzt das Bestreben der Technik ist, vornehmlich dieser Forderung der Praxis Rechnung zu tragen. Da die
Ausrüstung der Flugzeuge für zwei Insassen mit sämtlichen Instrumenten,
photographischen Apparaten usw. im Verein mit dem großen Betriebsmittelvorrat schon
recht schwer wird, ist es nicht einfach, Geschwindigkeiten von mehr als 125 km/Std.
und Steigfähigkeit von 2000 m in 15 bis 18 Minuten herauszuholen. Angriffswaffen
erhalten auch diese Maschinen nicht.
Die Bombenwurf-Flugzeuge müssen ähnlichen Anforderungen genügen wie die
letztbesprochenen Flugmaschinen. Da sie für Angriffe weit hinter der Front bestimmt
sind, muß ihr Aktionsradius recht groß bemessen sein; um nun gleichzeitig genügend
Bomben mitführen zu können, muß wohl oder übel mit einer Einbuße an Geschwindigkeit
und Steigvermögen gerechnet werden. Die beladenen Flugzeuge müssen daher hinter der
eigenen Front bereits die schußsichere Höhe erreicht haben, fliegen in dieser Höhe
zum Ziel, erledigen dort ihre Aufgabe und kehren nun, erleichtert und mit einer
gewissen Kraftreserve, auf dem schnellsten Wege zum Ausgangsort zurück. Als Ersatz
für den entzogenen Hauptschutz – die große Geschwindigkeit – gibt man den Apparaten
ein Maschinengewehr mit und panzert die wichtigsten Teile gegen Gewehrgeschosse.
Außerdem läßt man sie (von Frankreich aus stets) geschwaderweise fliegen und gibt
diesen Geschwadern ein Kampfflugzeug als Schutz mit. Die Ueberlegung ist folgende:
Wird an einen Luftangriff ein großes Bombenwurfgeschwader angesetzt, so wird
wenigstens ein großer Prozentsatz seine Aufgabe erfüllen können, auch wenn ein
feindlicher Gegenangriff in der Luft erfolgen sollte. Dieser Gegenangriff wird in
der Regel von ganz wenigen Flugzeugen ausgeführt werden, die entweder das
begleitende Kampfflugzeug auf sich nimmt oder denen sich ein paar Apparate stellen;
die übrigen fliegen weiter an ihren Bestimmungsort. Wird die Lage für die kämpfenden
Flugzeuge kritisch, so müssen sie sich ihrer Bombenlast entledigen, um dadurch
schneller und wendiger zu werden. Weil ihre Hauptbestimmung der Bombenwurf ist, so kann auf den
zweckmäßigen Einbau des Maschinengewehrs nicht immer die genügende Rücksicht
genommen werden. Sitzt der Motor hinten, so ist der gegebene Platz für das
Maschinengewehr vor dem Führer drehbar, so daß voraus und seitlich gefeuert werden
kann. Ist ein Beobachter vorhanden, bedient dieser das Gewehr, anderenfalls der
Führer, indem er die mit einer gewissen Selbsthemmung versehenen Steuerorgane sich
selbst überläßt. Sitzt Motor und Propeller vorn, so kann bei Mitnahme eines
Beobachters das Maschinengewehr hinten drehbar angebracht werden, so daß es seitlich
und achteraus (über die Steuer hinweg) feuern kann. Beim Angriff ist dies schwierig,
weil der Führer stets unmittelbar vor dem Angriffsobjekt schwenken muß, um freie
Schußbahn zu bekommen. Oder das Maschinengewehr wird vorn so hoch gesetzt, daß es
über Motor und Propeller hinwegfeuert, wobei es zugleich auch nach achtern schießen
kann. Diesem Vorteil steht der Nachteil gegenüber, daß der Begleiter während des
Schießens aufrecht auf einer Plattform stehen muß – im Flugzeug kein angenehmer
Platz! Am verbreitetsten ist bei vornliegendem Rotationsmotor die Anordnung des
Maschinengewehrs direkt hinter dem Motor, so daß der Führer es selbst bedient. Damit
nun der Propeller nicht vom eigenen Gewehr zerschossen wird, armiert man ihn in der
Schußebene mit Ablenkblechen für die Geschosse oder man steuert die
Schußgeschwindigkeit des Gewehrs so, daß ein Schuß nur erfolgt, wenn die
Schraubenflügel außer Gefahr. Mit diesen Flugzeugen spielt sich die Abwehr derart
ab, daß man auf den Gegner zufliegt und bei richtiger Entfernung feuert. Man
„zielt“ also nicht mit dem Gewehr (das ja festsitzt), sondern man
„zielt“ durch Ansteuern. Mit derartigen Flugzeugen sind eine große Reihe
französischer Luftangriffe erfolgt. Teilweise haben die kleinen leichten Apparate
eine bis zwei ganz schwere Bomben einfach unten im Fahrgestell geschleppt; sie
mußten sich dieser Bomben entledigen, bevor sie zur Landung schritten, da sie sonst
unfehlbar beim harten Aufsetzen die Bomben zur Explosion gebracht hätten.
Tatsächlich sind einige angeschossene Flugzeuge bei der Notlandung auf diese Weise
total zertrümmert.
Die Kampfflugzeuge wiederum scheinen sich nach den zwei Richtungen Flugzeugjäger und Groß-Kampfflugzeuge entwickeln zu wollen, von denen letztere
über die ersten Versuche noch nicht hinausgediehen sind, so daß wir sie heute noch
nicht besprechen wollen. Erstere haben dagegen schon bestimmte. Ausführungsformen
angenommen. Für Flugzeugjäger kommen eigentlich sämtliche Einzelanforderungen, die
vorhin für Angriffszwecke gestellt wurden, gesammelt und vereinigt in Betracht. Sie
müssen schnell sein, denn sie sollen Luftgegner einholen und zum Kampf stellen; sie
müssen schnell steigen, denn sie sollen feindlichen Flugzeugen die Höhe abgewinnen
und ihnen die Art des Kampfes vorschreiben; sie müssen gut gepanzert sein, damit
ihnen feindliche Geschosse nichts anhaben können; sie müssen gut bewaffnet sein,
damit sie den Gegner schnell niederringen können. Dagegen braucht ihr
Aktionsradiusnicht so groß zu sein, da sich ihre Tätigkeit mehr auf den
Grenzschutz bezieht und infolgedessen keine allzu langen Flugleistungen verlangt
werden. Die große Geschwindigkeit und das gute Steigvermögen darf nun nicht nur mit
großer Motorenleistung erzielt werden, sondern verlangt eingehende Berücksichtigung
bei der Konstruktion der Tragflächen und bei der Anordnung der Gewichte usw., weil
dem Flugzeug unbedingt eine tunlichst große Wendigkeit verliehen werden muß. Wie
schon erwähnt, spielen sich die Luftkämpfe sehr häufig in der Nähe der Front ab, so
daß ein Flugzeug durch steiles Herabschießen leicht in den Schußbereich der
Geschütze kommen kann. Um nun den Angriffen in jeder Weise leicht zu entgehen, ist
außerordentliche Wendigkeit erste Bedingung. Die Panzerung der Flugzeuge erstreckt
sich auf einen Schutz des Motors und seiner Hilfsorgane, der Betriebsstoffbehälter
und der Leitungen sowie der Plätze der Insassen. Gemäß der Hauptwaffe des ärgsten
Feindes, nämlich des Maschinengewehrs des Luftgegners, ist die Panzerung nur
hiergegen ausreichend; schon mit Rücksicht auf die sich ergebenden Gewichte ist ja
auch an einen Panzerschutz gegen Geschütze nicht zu denken. Als Angriffswaffen
werden dem Flugzeug so viel Maschinengewehre mitgegeben, daß der Gegner in jeder
Stellung mindestens mit einem Gewehr erreichbar ist. In der Regel wird dies bei zwei
Gewehren der Fall sein; es soll jedoch schon Flugzeuge mit drei und mehr
Maschinengewehren geben, die dann allerdings ganz achtunggebietende Gegner
darstellen. Es ist auch des öfteren von leichten Maschinenkanonen berichtet worden,
die kleine Granaten verfeuern; Genaues ist darüber nicht bekannt geworden. Den Wert
kann man folgendermaßen abschätzen: eine Granate mit leichtem Aufschlagzünder, die
beim Auftreffen auf einen Tragflügel schon zur Zündung kommt, wird zweifellos das
Flugzeug zerreißen und vernichten, die Feuergeschwindigkeit derartiger Geschütze
wird aber eine so geringe sein, daß bei der Beweglichkeit und Wendigkeit der
Flugzeuge selbst aus der Luft kein Einschließen erfolgt, sondern nur mit
Zufallstreffern zu rechnen ist. Das Maschinengewehr dagegen, besonders wenn mehrere
auf ein Ziel zu richten sind, hat derart große Feuergeschwindigkeit, daß mit großer
Wahrscheinlichkeit die Insassen oder wichtige Teile der Maschinenanlage verletzt
werden, wodurch das Flugzeug außer Gefecht kommt.
Wie aus diesen Angaben ersichtlich, verlangt das Kampfflugzeug wegen seiner schweren
Ausrüstung starke Motorleistungen, die von selbst zu einer Unterteilung der
Maschinenanlage in zwei Motoren führen. Der gegebene Platz sind zwei Motoren
beiderseits in den Tragflächen, wodurch der Mittelrumpf für die Bewaffnung frei
wird. Es wiederholt sich jetzt im Flugzeugbau die vor Jahren im Schiffbau
auftretende Frage: Ausbau lediglich nach Armierung oder nach Geschwindigkeit? Aber
schon heute scheint sich zu zeigen, daß schnelle
Kampfflugzeuge mit nicht übertriebener, aber hinreichender
Bewaffnung die meisten Aussichten auf sich vereinigen.