Titel: | Rückblick auf den Prinz-Heinrich- und den Dreieck-Flug 1914. |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 471 |
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Rückblick auf den Prinz-Heinrich- und den
Dreieck-Flug 1914.
Von Paul
Béjeuhr-Berlin.
BÉJEUHR: Rückblick auf den Prinz-Heinrich- und den Dreieck-Flug
1914
Beide Flugveranstaltungen, die soeben erfolgreich zu Ende geführt sind,
verdienen aus zwei Gründen erhebliches Interesse; einmal haben sie der
Militärverwaltung dank der sich in zweckmäßiger Weise ergänzenden Durchführung ein
klares Bild über die Verwendungsmöglichkeiten des Flugmaterials (Flieger und
Flugzeuge) gegeben, dann aber haben sie dem In- und Auslande die hohe
Entwicklungsstufe deutschen Flugzeugbaues gezeigt.
Wenn eine große Flugveranstaltung wie der Prinz-Heinrich-Flug unter ständiger Erweiterung ihrer
Ausschreibungsbedingungen, unter steter Anpassung an den jeweiligen Stand der
Technik bereits im vierten Jahre unternommen wird, so spricht dies allein schon für
die Bedeutung, die man ihr allgemein beimißt. Zum gleichen Ergebnis kommt man aber
auch, wenn man die systematische Steigerung der Ansprüche in Betracht zieht, die
nach sorgfältigen Erwägungen von der Leitung gestellt, im allgemeinen stets von
Industrie und Fliegern befriedigt wurden. Waren 1911 kaum 600 km in sieben
Tagesetappen zurückzulegen, so werden heute 2600 km in fünf Etappen verlangt; wurde
1911 lediglich im Tale des Oberrheins geflogen, wo eine Orientierung verhältnismäßig
einfach war, so erstreckt sich jetzt der Flug über einen beträchtlichen Teil von
Süd- und Westdeutschland, während besondere Aufklärungsaufgaben die Flieger auch auf
diesem Gebiet einer eingehenden Prüfung unterziehen.
Bei derartigen Veranstaltungen soll gezeigt werden, was unter gegebenen Wind- und
Wetterverhältnissen und im Fluge nicht über freigewählte, sondern über
vorgeschriebene Strecken von Fliegern geleistet werden kann, die mehrere Tage
hintereinander starken Anstrengungen unterworfen werden, und schließlich soll
bei diesen Fliegern erwiesen werden, was die Heeresfliegerei in kriegsmäßiger
Aufklärung gegen kriegsmäßige Aufklärungsziele leistet.
Ganz ähnliche Ziele verfolgte die andere ganz neuartige Veranstaltung, der Dreieckflug. Er wurde aus der Zwangslage der
Flugplatzdirektionen heraus geboren, ihren Unternehmungen das nötige schaulustige
Publikum zuzuführen. Schauflüge allein haben sich überlebt, die Zuschauer wollen
selbst in der Lage sein, über Wert und Unwert eines Apparates Schätzungen
vorzunehmen, d.h. sie wollen vergleichende Rennen sehen. Nun ist ein Flugplatz für
ein Flugiennen viel zu klein, überhaupt, wenn auch die Zuverlässigkeit der
Flugapparate etwas mit abgewogen werden soll. Also müssen Ueberlandflüge gewählt
werden, die namentlich in der Frühsommerzeit mit ihrem zu Gewitter und Böen
neigenden Wetter und dem wegen der hohen Halme zu Landungen ungeeigneten Gelände
erhebliche Anforderungen an das Flugmaterial stellen. Behält man endlich den
Hauptzweck aller Veranstaltungen im Auge, das Flugwesen zu
fördern, d.h. alle verfügbaren Gelder der Industrie zuzuführen und ihr
selbst keine großen Kosten aufzuerlegen, so kommt man von selbst zu einem Rundfluge
von Flugplatz zu Flugplatz, auf denen die Organisationskosten ja sehr gering sind.
So konnten mit wenigen Mitteln beim Dreieckflug etwa 1200 km überland an vier
Flugtagen zurückgelegt werden.
Da an beiden Flügen lediglich bekannte Serienflugzeuge teilnahmen, möge folgende
Tabelle mit Maß- und Gewichtsangaben über die Prinz-Heinrich-Flieger und Flugzeuge
genügen.
Textabbildung Bd. 329, S. 472
Start-Nr.; Flugzeugführer;
Beobachter; Flugzeugtyp; Geschwindigkeit; Höhe; Spannweite; Länge; Tragflächen;
Leergewicht; Motor; Firma; Stärke; Normalwertziffer; Normalbelastung; a)
Flugzeuge der deutschen Heeresverwaltung; b) Flugzeuge im Privatbesitz; c) Außer
Konkurrenz
Von den zum Prinz-Heinrich-Start erschienenen 29
Fliegern (18 Offizier- und 11 Zivilfliegern) konnten am Sonntag, den 17. Mai, früh,
25 auf die Reise geschickt werden, um zunächst den Zuverlässigkeitsflug zu
bestreiten. Leider brachte der Flug zwei schwere Todesopfer mit sich, über die jetzt
die Untersuchungen der Fachleute abgeschlossen sind. Hiernach scheint der Unfall des
L. V. G.-D. D. von Oberleutnant Walz, bei dem bedauerlicherweise der Beobachter
Leutnant Müller tödlich verletzt worden ist, seine
Ursache im Versagen des Gleichgewichtsgefühls gehabt zu haben. Der Führer hat den
Flug in den niedrig hängenden Wolken durchführen müssen. Wie unzweifelhaft
feststeht, verliert man beim Fluge in Wolken oder Nebel sehr leicht das
Gleichgewichtsgefühl. Als der Führer aus den Wolken herausgekommen ist, sah er
ungünstiges Landungsgelände vor sich. Diesem wollte er ausweichen; es war
wahrscheinlich ein steil ansteigender Hang. Er verstärkte dazu vielleicht die schon
bestehende Schräglage, wodurch notwendigerweise Rutschen des Flugzeuges und dann
Sturz eintrat.
Oberleutnant Kolbe, der bei Hechtsheim abgestürzt ist,
vollzog, weil der Motor in der Tourenzahl nachließ, eine Notlandung. Er brachte auch
den Apparat glücklich zur Erde; beim Rollen des Flugzeuges verwickelten sich jedoch
hohe Gasbüschel mit den Vorderrädern, und der Apparat kippte vorn über. Leutnant Rohde, der vorzeitig absprang, kam unter den Motor zu
liegen und erlitt hierbei die tödlichen Verletzungen.
Von den in Darmstadt gestarteten 25 Fliegern erreichten 14 Offizier- und 5
Zivilflieger das Ziel der ersten Etappe – Frankfurt, um zum Teil sofort die zweite
Etappe anzuschließen.
Von diesen 19 Fliegern konnten 12 die zweite Etappe direkt im Anschluß an die erste
hinter sich bringen. Leider forderte das Geschick auch auf dieser Strecke sein Opfer
– den erwähnten Leutnant Rohde. Auch sonst gab es
allerlei Unglück: Viktor Stoeffler erlitt unweit
Holzhausen über dichtem Waldgelände Bruch des Benzinzuflußrohres; der tadellos
laufende Einventilmotor Oberursel-Lizenz-Gnôme, blieb stehen, und bei der plötzlich
notwendig gewordenen Landung auf ungünstigem Terrain ging die Maschine völlig zu
Bruch.
So waren denn nur 17 Flieger in Frankfurt bereit, die dritte und vierte Etappe
anzutreten, und zwar 12 Offiziere in Konkurrenz, 1 (Leutnant Emrich) nach Absolvierung einer Etappe, 3 Zivilflieger im Wettbewerb und 1
(Paschen) außer Konkurrenz. Gleich nach vier Uhr
morgens erfolgte am Mittwoch der Start zur dritten Etappe, an der sich außer diesen
17 Fliegern noch Stiefvater mit seinem 120 PS
Sechszylinder-Argus-Prinz-Sigismund-Eindecker und Schröder mit Sommer-Gnome-Doppeldecker beteiligten.
Von den 19 Teilnehmern landeten in Kassel vier, u.a. auch Oberleutnant Kastner und Stiefvater, denen
leider diese Landung verhängnisvoll wurde. Der Prinz-Sigismund-Argus-Eindecker von
Stiefvater setzte erst hinter dem Landungskreuz auf,
konnte aber, da er über keine Bremse verfügt, nicht rechtzeitig mehr vor dem Apparat
Kastners halten, wich auch nicht nach rechts oder
links aus, und so stießen beide Maschinen mit Wucht zusammen, wobei sie schwer
beschädigt wurden. Personen wurden zum Glück nicht verletzt, obwohl Kastner gerade in seinem wieder flugbereiten Apparat
saß.
Bis 5 Uhr abends waren in Hamburg nach Erledigung der dritten Etappe 10 Flieger
gelandet, davon 8 ohne eine Zwischenlandung ausgeführt zu haben.
Der zweite Teil des Zuverlässigkeitsfluges war mehr vom Glück begünstigt, wie der
erste. Am Mittwoch gelang es vier Offizierfliegern und einem Zivilflieger, die
letzten 1000 km bei verhältnismäßig günstigem Wetter hinter sich zu bringen, so daß
der Stand am Schluß des Zuverlässigkeitsfluges folgender war: Alle vier Teilstrecken
haben vorschriftsmäßig erledigt: 9 Offiziersflieger (1 außer Wettbewerb), 3
Zivilflieger; 3 Etappen: 1 Offizier; 2 Teilstrecken: 3 Offiziersflieger, 2
Zivilflieger; 1 Etappe: 5 Zivilflieger.
(Schluß folgt.)