Titel: | Entwicklung und Konstruktion der Unterseeboots-Sehrohre. |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 417 |
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Entwicklung und Konstruktion der
Unterseeboots-Sehrohre.
Von Dr. F. Weidert, Direktor der
optischen Anstalt C. P. Goerz A.-G.,
Berlin-Friedenau.
(Auszug aus einem auf der 15. Hauptversammlung der
Schiffbautechnischen Gesellschaft zu
Berlin gehaltenen Vortrag.)Jahrbuch der Schiffbautechn. Gesellschaft 15, S.
174 bis 227, 1914.
WEIDERT: Entwicklung und Konstruktion der
Unterseeboots-Sehrohre.
Obwohl die ersten Anfänge des Unterseebootswesens bis in das Jahr 1620
zurückreichen, wo ein Deutscher, namens C. van Drebel zum
ersten Male während mehrerer Stunden ein Boot durch Rudermannschaften unter Wasser
fortbewegt haben soll, ging die Weiterentwicklung doch außerordentlich langsam vor
sich, offenbar zum großen Teil eine Folge der mangelhaften Ausbildung der
Sehinstrumente der früheren Boote. Noch 1902 wurde die Ansicht ausgesprochen,
„daß das mit Blindheit geschlagene Unterseeboot ewig blind bleiben und
deshalb auch die große Aufgabe niemals zur vollen Zufriedenheit lösen
wird“.
Die ersten Sehinstrumente, die nach einer Erfindung von Marié
Davy (1854) nur aus einer kurzen Röhre von 1 m Länge und 30 cm ⌀ mit unter
45° geneigten Planspiegeln an beiden Enden bestanden, waren im Hinblick auf die
Aufgaben des Unterseebootes vollkommen unzureichend. Wollte man mit solch einfachen
Instrumenten eine einigermaßen genügende Länge erreichen, so würde das Gesichtsfeld
unbrauchbar klein werden.
Vom modernen Sehrohr, oder, wie es fälschlich auch heißt,
dem Periskop muß man verlangen, daß es vom
untergetauchten Boot aus dem Kommandanten oder Steuermann eine Beobachtung des
ganzen Horizontes ermöglicht, im Idealfalle genau so, als ob er selbst über Wasser
stände und frei um sich blickte. Das Boot ist dabei um so sicherer, und wird um
so weniger leicht gesehen, je tiefer es während der Beobachtung unter der Oberfläche
fahren kann, und je dünner der über dem Wasser sichtbare Teil des Sehrohrs ist.
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Abb. 1.
Für den Optiker ergibt sich also hieraus die Aufgabe, ein Fernrohr zu konstruieren,
das eine sehr große Länge, und möglichst geringen Durchmesser hat (Abb. 1). Dabei soll es das gesehene Bild ungefähr in
natürlicher Größe zeigen und den Ueberblick über einen möglichst großen Teil des
Horizontes auf einmal gestatten.
Durch diese Bedingungen sind aber auch bereits die großen optischen Schwierigkeiten
charakterisiert. Denn lange Fernrohre zu bauen, ist an sich nicht schwer und war
bereits lange bekannt. Ich brauche bloß an die astronomischen Riesenfernrohre zu
erinnern, mit Längen bis zu 20 m und mehr. Aber bei diesen bekommt man gerade eine
sehr starke Vergrößerung (etwa 150 bis 1000 mal), das Gesichtsfeld ist sehr klein,
und der Durchmesser sehr groß. Ebenso ist es leicht, Fernrohre geringerer
Vergrößerung zu bauen, wenn sie nur klein sein dürfen.
A. Gewöhnliche Sehrohre.
Das einfache Sehrohr besteht mit Rücksicht auf den großen
Fahrtwiderstand und die magnetischen Einflüsse auf den Kompaß aus einem äußeren 5
bis 7 m langen starken Nickelstahlrohr und einem inneren dünnwandigen Messingrohr,
in das die optischen Elemente eingebaut sind (vergl. Abb. 2 und
3). Die beiden Linsen O1 und C1 entwerfen in der ersten Bildebene B1 ein Bild des
Geländes; dieses wird durch die sogenannten Umkehrlinsen U1 und U2 nach dem untern Ende des Rohres in die Bildebene
B2 projiziert und
hier durch das Winkelokular O2
C2 betrachtet.
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Abb. 2. Schema und Strahlengang des gewöhnlichen einfachen Sehrohres.
Die Vergrößerung ist im allgemeinen außerordentlich gering; sie muß, um den Eindruck
natürlichen Sehens zu haben, etwa 1½-fach sein. Bei Vergrößerung 1 hätte man nämlich
den Eindruck einer Verkleinerung des Bildes.
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Abb. 3. Einfaches Sehrohr.
Soll das Sehrohr eine noch größere Länge bei gleichem Durchmesser, oder bei gleicher
Länge einen noch geringeren Durchmesser bekommen, so kann man durch
Zwischenschalten weiterer Linsen das in B2 entworfene Bild noch einmal weiter unten abbilden.
Jedoch ist hierfür durch die unvermeidlichen Reflexions- und Absorptionsverluste
eine gewisse Grenze gesetzt.
Außerdem darf man ja den Durchmesser der Sehrohre mit Rücksicht auf die Festigkeit
nicht unter eine gewisse Grenze gehen lassen. Man gibt deshalb den Sehrohren
neuerdings am oberen Ende, soweit sie über das Wasser herausragen, einen geringeren
Durchmesser (sogen, „abgesetzte Sehrohre“, vgl.
Abb. 1). So einfach dies auf den ersten Blick
scheint, so muß der Optiker bei der Berechnung doch schon mit allem Raffinement den
zur Verfügung stehenden Raum ausnutzen, um die verlangten Leistungen einhalten zu
können.
Um auch den ganzen Horizont überblicken zu können, wird das Sehrohr in einer in der
Decke des Kommandoturmes sitzenden Stopfbuchse drehbar montiert. Gleichzeitig kann
diese auch dazu dienen, bei Nichtgebrauch bzw. bei Fahrt in größerer Tiefe das Rohr
in das Innere des Bootes einzuziehen. Wegen des großen Gewichtes der Sehrohre sind
natürlich für dieses Ein- und Ausfahren besondere elektrische oder hydraulische
Aufzugsvorrichtungen erforderlich. Neuerdings wurde die Drehung des Rohres dadurch
erleichtert, daß man das Außenrohr in der Stopfbuchse ohne Drehung nur auf- und
abbewegt und das die Optik tragende Innenrohr in dem feststehenden Außenrohr sich
drehen läßt. Dieses letztere wird dann, um nach allen Seiten blicken zu können, am
oberen Ende durch eine kugelförmige Glashaube abgeschlossen.
Da die Sehrohre gleichzeitig zur Messung von Horizontalwinkeln, u.a. auch als
Zielfernrohre für die auszustoßenden Torpedos benutzt werden müssen, tragen sie am
unteren Ende im Gesichtsfeld eine Winkelteilung, oder man bringt im Gesichtsfeld
eine Teilung um die Okularblende herum an, auf der ein umlaufender Zeiger die
jeweilige Blickrichtung angibt.
B. Mattscheiben-Sehrohre.
Bei dem anstrengenden Dienst im Unterseeboot muß man bestrebt sein, das Sehen so
bequem wie möglich zu gestalten. Man hat deswegen neben der Okularbeobachtung auch
die Mattscheibenbeobachtung eingeführt, d.h. das in der unteren Bildebene B2 entworfene Bild wird
ähnlich wie in einer photographischen Kamera auf einer senkrechten Mattscheibe
erzeugt, so daß der Beobachter das Bild etwa wie eine farbige Photographie mit
beiden Augen vor sich sieht. Wegen des Korns der Mattscheibe kann man naturgemäß
sehr feine Details nicht wahrnehmen, ebenso versagt die Mattscheibe bei dunklem
Wetter. Dieser Uebelstand läßt sich dadurch beseitigen, daß man am unteren Ende des
Sehrohres eine Vorrichtung anbringt, durch die Mattscheibe und Okular gegeneinander
auswechselbar sind.
C. Sehrohre mit wechselbarer
Vergrößerung.
Für besondere Fälle kann es vorteilhaft sein, über die Normalvergrößerung 1,5
hinauszugehen. Entweder setzt man dann die Okulare in einen sogen. „Okularrevolver“ oder man
wechselt vom Okularende aus mit Hilfe eines im Innern laufenden Drahtzuges oder
Gestänges das obere System O1
C1 gegen ein anderes
um, das sein Bild zwar ebenfalls in der Ebene B1 entwirft, das aber dabei eine längere Brennweite
besitzt, also auch stärkere Vergrößerungen gibt. Man geht hierbei bis zu sechsfacher
Vergrößerung; stärkere Vergrößerungen lassen sich wegen der Bootsschwankungen nicht
mehr rationell verwenden.
D. Panoramasehrohre
(Rundblicksehrohre).
Bei den beschränkten Platzverhältnissen im Kommandoturm war es wünschenswert, den
ganzen Horizont absuchen zu können, ohne seinen Platz vor dem Instrument oder seine
Stellung irgendwie verändern zu müssen.
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Abb. 4. Panoramasehrohr mit Glashaube.
Nun existierte bereits seit 1902 ein derartiges Instrument, nämlich das in allen
Staaten als Geschützzielfernrohr eingeführte Goerzsche
Panorama- oder Rundblickfernrohr.s. D. p. J. 1913 Seite 235. Das
Prinzip desselben läßt sich ohne weiteres auch auf die Unterseeboots-Sehrohre
übertragen. Wollte man ein Rundblickfernrohr so bauen, daß man einfach den oberen
Reflektorkopf um eine senkrechte Achse dreht, so würde man wohl bei dem Sehen nach
vorne aufrechte Bilder haben, beim Drehen würde jedoch das Bild allmählich sich
zur Seite neigen und bei der Visur nach rückwärts gerade auf dem Kopf stehen. Von
diesem Uebelstand ist die Konstruktion des Panoramafernrohrs frei. Bei ihm wird ein
besonderes Prisma D (Abb.
4), das sogen. Aufrichteprisma, gleichzeitig mit der Drehung des
Reflektorkopfes unter Vermittlung der Kegelräder K1, K2, K3 zwangläufig so bewegt, daß das „Stürzen“
des Bildes in jedem Moment wieder kompensiert wird. Dreht man also die Kurbel eines
solchen Instrumentes, so hat man, während man immer in der Fahrtrichtung in das
Okular blickt, den Eindruck, als wenn der ganze Horizont wie ein Panorama am
Beschauer vorbeiziehe. Auch in diesem Fall muß ein im Bildfeld umlaufender Zeiger
die jeweilige Blickrichtung angeben.
Als die Panoramasehrohre aufkamen, versuchte man, den Beobachter von jeder
mechanischen Tätigkeit vollkommen zu entlasten, indem man die ganze Vorrichtung
durch einen Elektromotor derart ständig antrieb, daß der Horizont innerhalb 10
Sekunden einmal durch das Gesichtsfeld zog. Heutzutage ist man jedoch wieder davon
abgekommen, einmal weil es im allgemeinen während der Fahrt nicht notwendig ist, den
ganzen Horizont ständig unter Kontrolle zu halten, außerdem, weil die Konstruktionen
immer mehr verbessert wurden, so daß das Bewegen eines Panoramasehrohres spielend
leicht vor sich geht.
E. Omniskope.
Seit Beginn der Verwendung von Sehrohren auf Unterseebooten hatte man schon das Ziel
im Auge gehabt, dem Beobachter auch ohne Drehen irgend welcher Teile das gesamte
Bild des Horizontes gleichzeitig darzubieten. Zu dem Zweck brachte man z.B. eine
größere Anzahl einzelner Sehrohre im Kommandoturm derart an, daß alle ihre Objektive
radial nach außen zeigten, während der Kopf des Beobachters mitten zwischen den auf
ihn zielenden Okularen steht. Abgesehen von den hohen Kosten ist eine solche
Konstruktion schon wegen des außerordentlichen Raumbedarfes für heutige Begriffe
vollkommen unmöglich. Auch die Vereinigung aller dieser Einzelsehrohre zu einem
einzigen Instrument, sowie das Zusammenführen ihrer Bilder in einem gemeinsamen
Okular haben diese Klasse nicht lebensfähig machen können.
F. Ringbildsehrohre.
Besser wird die Aufgabe schon durch die Ringbildsehrohre
gelöst, die am oberen Ende als erstes abbildendes System einen sogenannten
Ringspiegel oder besser eine Ringspiegellinse tragen, (älteste Konstruktion: Mangins „périscope“ 1878). Einen solchen
Ringspiegel einfachster Form könnte man sich z.B. dadurch entstanden denken, daß man
ein unter 45° geneigtes Stück Kreisbogen exzentrisch um eine senkrechte Achse
rotieren läßt. Blickt man dann von unten nach dem Ringspiegel, so sieht man darin
den ganzen Horizont auf einmal abgebildet. Um ein Verderben der Spiegelfläche zu
verhindern, benutzt man jedoch keine oberflächenreflektierenden Spiegel, sondern
ringförmige Linsen, bei denen die reflektierende Ringspiegelfläche versilbert und durch
Verkupferung und Lacküberzug geschützt wird. Man kann diese Ringspiegellinsen in der
Weise zur Konstruktion von Ringbildsehrohren verwenden, daß man das durch sie
erzeugte virtuelle Bild ähnlich wie in den bisher beschriebenen Sehrohren durch ein
zusammengesetztes Umkehrsystem in die Okularebene projiziert.
So bestechend es auch zunächst scheinen mag, daß man mit einem Blick die vollen 360°
des Horizontes übersehen kann, so haben solche Ringbilder doch auch ihre bedeutenden
Nachteile; in erster Linie den, daß das Bild gegenüber dem natürlichen Sehen unter
allen Umständen verkleinert erscheinen muß, ferner, daß die verschiedenen Teile des
Bildes verschiedene Lage haben, so daß die nach rückwärts liegenden Teile des
Horizontes auf dem Kopf stehen, und schließlich, daß jedes Ringbild wegen der
Projektion des ganzen Horizontes in eine Ebene starke Verzerrungen aufweist.
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Abb. 5. Gesichtsfeld eines kombinierten Ring-Mittelbildsehrohrs.
Der mittlere freie Teil der Ringspiegellinse läßt sich noch zum Einbau einer
gewöhnlichen Sehrohroptik ausnutzen. Man bekommt dann in der Okularebene ein Bild,
wie es Abb. 5 zeigt, d.h. man sieht im Innern des
Ringbildes nochmals den in der Blickrichtung liegenden Teil des Horizontes in
größerem Maßstab.
So interessant diese Ringbildsehrohre auch an sich sind, so werden sie sich doch
wegen der genannten Nachteile nicht einbürgern können.
Auf die Einrichtungen, die man an den Sehrohren zur Messung von Entfernungen
anbringt, kann an dieser Stelle leider nicht näher eingegangen werden. Dagegen muß
noch erwähnt werden, daß jedes Sehrohr, bevor es die Werkstatt verläßt, einer
eingehenden Prüfung auf Dichtigkeit und auf die Festigkeit seiner Linsen unterzogen
werden muß. Da das Boot unter Umständen, insbesondere bei einem etwaigen Unfall, in
größere Tiefen kommen kann, könnten ja einmal die Linsen durch den hohen äußeren
Wasserdruck zersprengt werden, so daß das Wasser durch das Sehrohr in das Innere des
Unterseebootes einströmen würde. Aus diesem Grunde setzt man bei der letzten
Prüfung das Instrument einem Druck von 10 at aus und sieht außerdem bei den Okularen
vielfach noch aufschraubbare Schutzdeckel vor.
Trotz sorgfältigster Abdichtung aller Linsenfassungen ist es doch nicht zu vermeiden,
daß die in dem Sehrohr eingeschlossene Luft schließlich immer feuchter wird, und daß
infolgedessen beim Tauchen des Bootes Linsen und Prismen plötzlich beschlagen. Aus
diesem Grunde müssen die Sehrohre von Zeit zu Zeit einer gründlichen Austrocknung
unterzogen werden. Von allen Methoden, die im Laufe der Jahre vorgeschlagen wurden,
hat sich am besten die Mitnahme einer kleinen, durch Elektromotor angetriebenen
Pumpe bewährt, die die Luft von dem einen Ende des Sehrohres absaugt, durch einen
Behälter mit Chlorkalzium oder dergleichen führt und am andern Ende des Sehrohrs
wieder in das Innere hineindrückt.
In sehr kalten Gewässern kann es vorkommen, daß sich infolge des dagegen spritzenden
Wassers das obere Abschlußglas mit Eis überzieht. Um dies zu vermeiden, führt man
vielfach im Innern des Instrumentes ein dünnes Rohr bis hinauf an die genannte
Stelle und läßt durch dieses das Fenster langsam mit Alkohol berieseln, so daß etwa
gebildetes Eis wieder aufgelöst wird.
Es sind jetzt erst etwas über 10 Jahre her, daß in Deutschland die Optische Anstalt Goerz als erste ein Sehrohrmodell
anfertigte, das im Juni 1903 Seiner Majestät dem deutschen Kaiser vorgeführt wurde.
Als dann im August 1906 das erste Unterseeboot für die deutsche Marine auf der
Germaniawerft in Kiel vom Stapel lief, konnte dasselbe bereits mit ziemlich
vollkommenen Sehrohren ausgerüstet werden. Seitdem hat das Sehrohr als
integrierender Bestandteil des modernen Unterseebootes Eingang in alle Marinen
gefunden und ein neues wichtiges Arbeitsgebiet auf dem Gebiete der Optik
geschaffen.
Wenn sich auch die deutsche optische Industrie erst spät mit dem Sehrohrproblem
befaßte, so kann sie dafür jetzt mit Stolz von sich behaupten, daß sie den Vorsprung
des Auslandes weit mehr als eingeholt hat.