Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Autor: | Simon |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 235 |
Download: | XML |
Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau
Kugelteilscheiben. Für die Herstellung geräuschlos
laufender Präzisionszahnräder wird in erster Linie das Teilverfahren benutzt, da ein
Wurmfräser eine theoretisch richtige Zahnflanke nur dann liefert, wenn er mit einer
ununterbrochenen Schraubenlinie, die keine Nuten aufweist, arbeitet, d.h. nicht
schneidend, sondern schleifend wirkt. Andrerseits ist aber leicht einzusehen, daß
bei Anwendung des Teilverfahrens zu dem genannten Zweck weder die Profilfräser des
normalen 9 oder 15 teiligen Satzes genügen, noch die gewöhnlichen unter Verwendung
von Schnecke und Schneckenrad hergestellten Teilscheiben in Betracht kommen. Für die
gekennzeichnete Arbeit sowie bei der Herstellung kleiner Sperr- und Schalträder,
beim Anfertigen von Typen- und Matrizenrädern u.a.m. dürfte vielmehr die durch
größte Genauigkeit ausgezeichnete Kugelteilscheibe in Frage kommen. Sie ist in Abb. 1 und 2 dargestellt.
Textabbildung Bd. 329, S. 235
In der Nut a der glasharten
Scheibe b, welche auf der Teilachse befestigt ist,
werden Präzisionsstahlkugeln durch die am Rande gleichfalls glasharte Scheibe c festgehalten. Die Teilung geschieht mit Hilfe des
oben sichtbaren Index, der in die Zwischenräume der dicht nebeneinander liegenden
Kugeln eindringt. Durch Verwendung verschieden großer Spannscheiben und
Unterlegscheiben in demselben Spannkörper und durch Aenderung des Kugeldurchmessers
ist es möglich, ohne Schwierigkeit die verschiedenartigsten Teilungen auszuführen.
Auch für Segmentscheiben ist das Verfahren geeignet. Ferner wird es mit Vorteil zur
Herstellung von Zahnstangen benutzt. Hierbei muß allerdings die Nut geradlinig
verlaufen. Auch verwendet man für Zahnstangen mit π-Teilung Kugeln, deren Durchmesser ein Vielfaches von π ist. Bisweilen bereitet das Einspannen kleiner Kugeln bei großer
Teilzahl Schwierigkeiten. Man bedient sich dann eines magnetischen Hilfsapparates.
Die Prüfung der Genauigkeit der Teilung geschieht in erster Linie auf optischem Wege
mit Hilfe eines Mikroskops. Die beste von drei Lochteilscheiben, welche allerdings
auf weniger vollkommene Weise untersucht wurde, wies in den Teillochentfernungen
einen Gesamtfehler von 62,5 Bogensekunden auf. Demgegenüber zeigte eine von der
Firma Brown & Sharp
gelieferte Kugelteilscheibe eine Genauigkeit von 8,5 Bogensekunden, welche
durch Nacharbeiten auf 3,5 Sekunden gebracht wurde. Dabei betrug der
Teilkreisdurchmesser nur 80 mm. Es ist dies Ergebnis erklärlich, wenn man bedenkt,
daß es möglich ist, Präzisionsstahlkugeln von 0,001 mm verbürgter Genauigkeit
herzustellen. Selbstverständlich muß der Index möglichst starr ausgebildet und jeder
Totgang in seiner Lagerung vermieden werden. Auch der Einfluß der Exzentrizität der
Scheibe ist zu berücksichtigen.
Neben der unerreichten Genauigkeit besitzt die Kugelteilscheibe noch den Vorzug
geringer Abnutzung, weil glasharte Schneiden zwischen glasharten Teilstellen
arbeiten. Auch ist es von Vorteil, daß man meist von Kugel zu Kugel schalten kann,
und die Indexschneiden durch Gewicht oder Feder jeden gewünschten Druck erhalten.
Die Scheiben können selbsttätig oder von der Hand geschaltet werden. Auf ihre
Ausführung besitzen die Deutsche Waffen- und
Munitionsfabriken Lizenzrechte.
Textabbildung Bd. 329, S. 235
Erwähnt sei schließlich noch, daß die Prüfung der Teilscheiben oft dadurch gestört
wird, daß infolge des Festklemmens von Teil- und Reitstockspindel Störungen
auftreten. Diesem Uebelstand versuchte die Firma Reinecker-Chemnitz dadurch zu begegnen, daß sie der Pinolenführung eine
mehrfach geschlitzte, rohrartige Fortsetzung gab, die zentrisch zusammengepreßt
wurde. Hierbei wird aber infolge der Schlitze die Starrheit der Konstruktion
vermindert. Besser dürfte sich daher die in Abb. 3 und 4 dargestellte
zentrische Festklemmvorrichtung bewähren, bei welcher eine einseitige Wirkung, wie
ohne weiteres verständlich ist, nicht eintritt, [v. Marchthal in Werkstattstechnik; Heft 3, 1914.]
Schmolke.
–––––
Ueber die geschichtliche Entwicklung der grundlegenden
Anschauungen im Lokomotivbau hielt Prof. Jahn,
Danzig. im Verein Deutscher Maschinen-Ingenieure am 20. Januar einen Vortrag.
Der Lokomotivbau ist in der harten Schule des Erfolges und Mißerfolges groß geworden.
Das lehrt z.B. der Entwicklungsgang der ungekuppelten, d.h. derjenigen Lokomotiven,
bei denen nur eine Achse von den Zylindern angetrieben wird. Stephensons berühmte Rocket vom Jahre 1829 war eine solche ungekuppelte
Lokomotive, die aber noch mit manchen Mängeln behaftet war. Erst 1830 gelang Stephenson die Schaffung einer brauchbaren
zweiachsigen Lokomotive mit Innenzylindern. Die Ruhe ihres Ganges befriedigte aber
nicht mehr, als die Geschwindigkeit der Züge zunahm. Stephenson baute daher seit 1834 dreiachsige Lokomotiven. Diese fanden
allgemeine Anerkennung, besonders seitdem das furchtbare Unglück auf der Strecke
Paris – Versailles vom Jahre 1842 die Mängel der zweiachsigen Lokomotiven blutig
erwiesen hatte. Die dreiachsige ungekuppelte Lokomotive verbreitet sich nun als
Personen- und Schnellzuglokomotive über alle Länder und ist in Deutschland bis zum
Jahre 1875 gebaut worden. Das hohe zwischen zwei niedrigen Laufrädern liegende
Triebrad gab ihr ein eigenes Gepräge. „Spinnräder“ hießen diese Lokomotiven
in der Führersprache. Ihrer Entwicklung wäre das Jahr 1841 fast durch Stephenson selbst verhängnisvoll geworden. Die Entwürfe
dieses Jahres zeigen stark verlängerte Kessel, jedoch die kleinen bisher benutzten
Entfernungen der Achsen voneinander. Der Achsstand war daher im Verhältnis zur
Maschinenlänge zu kurz; die Lokomotiven liefen unruhig. Man sah sich zu Umbauten
gezwungen. Dieser Mißerfolg aber hatte dem Lokomotivbauer eine erhöhte Sicherheit in
der Wahl der Gesamtanordnung für unsere ungekuppelte Lokomotive gegeben. Stephenson schuf im Jahre 1845 seiner Lokomotive eine
Wettbewerberin, bei der die hohe Triebachse hinter den Laufachsen, und alle drei
Achsen eng zusammengedrängt unter dem Kessel lagen. Die Bauart konnte sich aber
nicht behaupten, weil sie, ebenso wie die oben erwähnte Anordnung vom Jahre 1841 den
Mangel zu kurzen Radstandes hatte. Haswell in Wien
versuchte im Jahre 1862 letzgenannte Bauart zu neuem Leben zu erwecken. Er ordnete
an jeder Seite zwei Dampfzylinder an, deren Kolben sich in jedem Augenblick im
entgegengesetzten Sinne bewegten. Auf diese Weise sollte der ungünstige Einfluß
behoben werden, den die Bewegung des Gestänges auf die Gangart der Lokomotive
ausübt. Der Erfolg blieb aus, und man wußte nun, daß ein verbesserter
Massenausgleich nicht genügt, um die Mängel eines zu kurzen Radstandes zu beheben.
Die erfolgreichste Wettbewerberin ist die Lokomotive Cramptons vom Jahre 1846. Die hohe Triebachse liegt hinten, die Zylinder
außen. Der Crampton-Lokomotive war der Erfolg durch das
entschlossene Zurückgreifen auf den großen Radstand, die günstige Massenverteilung
und die sorgfältige Ausbildung der Einzelteile verbürgt. Im Jahre 1851 verbessert
Crampton seine Lokomotive durch Anordnung einer
Blindwelle, die von Innenzylindern angetrieben wurde, während die Außenkurbeln
dieser Blindwelle mit der Triebachse gekuppelt waren. Er schafft so eines der
interessantesten Bilder der Lokomotivgeschichte. Cramptons Lokomotiven sind bis 1864 gebaut worden. Das „Spinnrad“
hat also auch diese ihre erfolgreichsten Wettbewerberinnen überlebt.
–––––
Die Bedeutung der Elektrizität für die Energieversorgung
Deutschlands. In der Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin
hielt am 26. Januar d. J. bei der Feier des Geburtstages des Kaisers der Rektor
Prof. Dr. Fischer einen Vortrag über „die Bedeutung
der Elektrizität für die Energieversorgung Deutschlands.“
Der Vortragende gab zunächst ein Bild über die durch die Maschinen erzeugten
Leistungen; während die durch die TätigkeitTätipkeit der Menschen gewonnene Leistung pro Kopf der Bevölkerung nur 1/15 PS ausmacht,
entfällt heute in Deutschland pro Kopf der Bevölkerung ⅙ PS, die aus Dampfmaschinen
und festen Motoren zur Verfügung stehen. Die Ausnutzung motorischer Kräfte wurde in
größtem Maßstabe erst möglich, als das Problem der Weiterleitung der Elektrizität
gelöst war. Nachdem es in Versuchsanlagen gelungen war, zunächst die Elektrizität
unter mäßigen Spannungen 45 km weit zu leiten, wurden 1891 bei der allgemeinen
elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt a. M. von Laufen bis Frankfurt, einer
Strecke von 125 km, 100 PS bei einer Spannung von 21600 Volt geleitet, und diesem
glänzenden Beispiel folgten dann bald alle Kulturländer durch Einführung der
Elektrizitätsleitung. Anfangs entstanden die Elektrizitätswerke in den größeren
Städten, erst im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts begann man einzusehen,
daß auch in kleinen Städten der Bedarf an elektrischem Strom groß genug ist, um die
Errichtung von Zentralen wirtschaftlich möglich zu machen. Die Zahl der
Elektrizitätswerke ist von 1175 im Jahre 1905 auf 4001 im Jahre 1913 gestiegen, und
diese Werke liefern jährlich 17 Mill. Kilowatt, und der größte Teil der elektrischen
Energie dient heute zur Leistung produktiver Arbeit und nicht etwa, wie manchmal
gedacht wird, zur Befriedigung höherer Kultur- und Luxusbedürfnisse. Der Vortragende
schilderte dann die Vorteile, die Kleingewerbe und Kleinlandwirtschaft durch die
Ueberlandzentralen genießen, und erörterte hierbei die Gründe der höheren
Strompreise, welche die Landwirtschaft entrichten muß. Industrielle Betriebe, deren
Strombedarf sich gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt, sind hinsichtlich der
Strompreise selbstverständlich günstiger gestellt als die landwirtschaftlichen
Abnehmer, welche nur zu bestimmten Zeiten elektrische Energie benötigen. Der
Vortragende streifte dann die Frage eines Elektrizitätsmonopols, welches er für
zweckmäßig halten würde, das aber jetzt wohl nicht mehr einzuführen möglich ist, da
die meisten elektrischen Zentralen Privatunternehmen sind. Privatunternehmer müssen
sich bei der Errichtung von Zentralen von kaufmännischen Prinzipien leiten lassen,
wenn aber eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder der Staat Unternehmer der
Elektrizitätswerke wären, dann brauchten nicht Rentabilitätsgründe maßgebend sein
für die Errichtung einzelner Zentralen. Es könnte ja der Ueberschuß der in
industriereichen Gegenden und solchen mit großen landwirtschaftlichen Betrieben
bestehenden Zentralen die Mindereinnahmen decken, welche diejenigen Zentralen
aufzuweisen hätten, die in ärmeren Gegenden errichtet wurden, zum Wohle der
Bevölkerung. Die schwierige Frage der Preisstaffelung und Tarifaufstellung könnte
der Staat als Unternehmer der Elektrizitätswerke auch in einfacher Weise lösen, indem er den Strom
an Leitungsgenossenschaften abgibt, für welche nicht viele Tarifstufen nötig wären.
Während die Bundesstaaten bis jetzt nur selten als Unternehmer von
Elektrizitätswerken aufgetreten sind, bestehen eine Reihe kommunaler
Elektrizitätswerke, von denen der Vortragende besonders die in Pommern sowie in der
Provinz Brandenburg hervorhob. Er streifte dann die Verwendung der Elektrizität zum
Betrieb von Eisenbahnen, um dann auf die Ausnutzung der Wasserkräfte des näheren
einzugehen. Im allgemeinen muß man sagen, daß in Deutschland die Aussichten für die
Elektrizitätserzeugung aus den Wasserkräften nicht sehr günstig sind, da sich in der
Regel die Anlagen teurer stellen, als die gleich großen Dampfanlagen. Erst nachdem
die erheblichen Unkosten, die durch die Stauung des Wassers und dergleichen bei
derartigen Anlagen auftreten, abgeschrieben sind, arbeiten diese durch Wasserkraft
betriebenen Anlagen billig. Deutschland verbraucht heute schon vier- bis fünfmal so
viel Energie als seine Wasserkräfte liefern können, aber wir besitzen dafür weite
Moorflächen, die in Ergänzung der Wasserkräfte nutzbar gemacht werden können. Von
den nach den Berechnungen Fischers in Deutschland zur
Verfügung stehenden 2,3 Millionen Hektar Trockenmoor ist ein Teil schon der
Elektrizitätsgewinnung nutzbar gemacht (Auracher Moor, Schweger Moor). Auch die
Hochofengase versucht man jetzt zur Elektrizitätserzeugung dienstbar zu machen. Der
Vortragende erwähnte dann die zunehmende Verwendung von Teeröl zum Antrieb von
Dieselmotoren und gab einen Ausblick über die Zukunft Deutschlands bezüglich der
Kohlenversorgung. Er hält die so oft geäußerten Befürchtungen eines bald
eintretenden Kohlenmangels für übertrieben, da unsere Kohlenvorräte wohl noch für
1000 Jahre ausreichen, wobei allerdings nicht verhehlt werden soll, daß derartige
Schätzungen über die Lebensdauer unserer Brennstofflager sehr schwierig sind. Wenn
einerseits der Energiebedarf zwar eine steigende Tendenz zeigt, so ist anderseits
die Ausnutzung unserer Brennstoffe eine immer bessere. Bei den großen Dampfmaschinen
ist zwar die höchste Ausnutzung erreicht, und keine Besserung mehr zu erwarten, wohl
aber kann durch Ersatz der kleineren unwirtschaftlicher arbeitenden Maschinen eine
erhöhte Ausnutzung erhofft werden. Es sei dann noch verwiesen auf die in den letzten
Jahren erzielten Erfolge der Heiztechnik und die Oberflächenverbrennung von Schnabel und Bone, deren
Hauptvorteil darin besteht, daß bei einem erzielten hohen Wirkungsgrad (93 bis 95 v.
H.) es auch möglich ist, geringwertige Brennstoffe zu verwerten. Zum Schluß verweist
der Vortragende noch auf den Vortrag, den Prof. Dr. Emil
Fischer bei der Gründung des Kaiser-Wilhelm-Instituts in Mühlheim gehalten
hat, und worin er dem Wunsche Ausdruck gegeben hat, daß es gelingen möge, ohne den
Umweg über Dampfmaschinen und Gasmotoren die Energie unserer Brennstoffe in
Elektrizität umzuwandeln.
Plohm.
–––––
Die bei den Bahnen der Vereinigten Staaten von Nordamerika in
Gebrauch befindlichen Druckluftbremsen.(W. Hildebrand, Direktor der Knorr-Bremse A.-G.) Unter den bei der Pennsylvania-Eisenbahn im Betriebe
befindlichen Bremsen ist eine neue Lokomotivbremse zu nennen, die die gleiche
Einrichtung für Personen- und für Güterzüge besitzt und aus der Vereinigung einer
selbsttätigen Bremse mit einer direkten Bremse besteht. Diese entspricht der bei uns
teilweise eingeführten Zusatzbremse. Bei den Güterzügen sind in den Vereinigten
Staaten schon seit mehreren Jahren Druckluftbremsen in Anwendung. Für deren
Einführung liegen dort die politischen und technischen Verhältnisse sehr günstig.
Hier ist besonders die selbsttätige Mittelkupplung als ein die Einführung der
Druckluftbremsen begünstigendes Moment hervorzuheben. Diese Kupplung kann besonders
kräftig ausgeführt und gut abgefedert werden; auch ermöglicht sie die Bildung von
Zügen großer Länge. Jetzt laufen bereits Züge von 300 Achsen; letztere Zahl soll in
Zukunft auf 400 erhöht werden. Die auftretenden Schwierigkeiten hat man durch
Aenderung des Funktionsventils beseitigt, so daß das Lösen der Bremsen durch den
ganzen Zug möglichst gleichmäßig vor sich geht, eine Einrichtung, die schon Knorr vor Jahren in Vorschlag gebracht hat. Für das
Befahren von Gefällen benutzt man Drucklufthaltventile, die am Anfang und Ende des
Gefälles ein- bzw. ausgeschaltet werden und beim Abwärtsfahren einen
Minimalbremsdruck festhalten, auch wenn der Führer die Bremse löst. Auch für die
Personenzüge kam man mit der einfachen selbständigen Schnellbremse nach Vergrößerung
der Geschwindigkeit und Zuglängen nicht mehr aus. Für die vergrößerten
Geschwindigkeiten erhöhte man den Leitungsdruck und ließ den erhöhten Bremsdruck aus
dem Bremszylinder durch Zeitauslaßventile entweichen, ein Hilfsmittel, welches den
Erfordernissen nicht richtig nachkommt. Für die Verlängerung der Züge mußten andere
Mittel geschaffen werden, die für unsere Begriffe allzu kompliziert sind.
Was die Signaleinrichtung der amerikanischen Bahnen angeht, so gibt es eine
Notbremse, die dem Publikum zugänglich ist, nicht, da sie Eisenbahnüberfälle auf den
langen Strecken begünstigen würde.
Man fragt sich bei diesen, zum Teil sehr komplizierten Einrichtungen, wie deren
Unterhaltung möglich ist. Nachdem aber die Amerikaner die Schwierigkeiten bei der
Güterzugbremse durch gute Instandhaltung und Ueberwachung überwunden haben, scheuen
sie vor keiner Komplikation mehr zurück, wenn sie nur die Sicherheit des Betriebes
erhöht. Auch wir werden zu komplizierteren Einrichtungen kommen, wenn auch nicht zu
den amerikanischen, da die Betriebsverhältnisse verschieden sind. Jedenfalls aber
kann den amerikanischen Erfahrungen entnommen werden, daß man sich nicht zu sehr
davor scheuen soll, die Bremsen zur Erzielung größerer Sicherheit etwas
komplizierter zu machen. Man muß dabei bedenken, daß auch die Leute, die die
Instandhaltung zu besorgen haben, mit der Uebung verständiger und geschickter
werden.
Die Messung der mechanischen Leistung durch elektrische
Pendelmaschinen. Auch der von altersher für die Messung der mechanischen
Leistung umlaufender Krafterzeuger verwendete Pronysche
Zaum muß sich gefallen lassen, durch die Mitwirkung elektrischer Vorgänge zu höheren
Formen entwickelt zu werden. Er konnte nur Leistung verzehren und brauchte zur
Abführung der Reibungswärme noch dauernd Kühlwasser. Es ist jedoch nicht minder
wichtig, auch die von einem beliebigen Kraftverbraucher aufgenommene Leistung zu
messen und man verwendete daher für viele Zwecke ausschließlich sorgfältig geeichte
elektrische Maschinen, sei es als Motoren für letzgenannten Fall oder als Dynamos
für reine Bremszwecke. Hier besteht dann auch die Möglichkeit der
Energie-Rückgewinnung in Form elektrischen Stromes. Natürlich lohnt sich dies nur
bei großen Bremseinheiten.
Textabbildung Bd. 329, S. 238
Abb. 1.
Textabbildung Bd. 329, S. 238
Abb. 2.
Bei derartigen Maschinen kann wohl die aufgenommene bzw. abgegebene elektrische
Energie genauest gemessen werden, doch deckt sich diese nicht mit der Bremsleistung,
da der Motor Eigenverluste hat. Die Notwendigkeit, beträchtliche Umrechnungen
vornehmen zu müssen, ist ein Nachteil, der bei einer besonderen Ausführung der
Bremsdynamo bzw. des gleichartigen geeichten Antriebsmotors, nämlich der sogen.
Pendelmaschine, umgangen ist.
Aeußerlich kennzeichnet sich letztere dadurch, daß das gesamte Polgehäuse nicht fest
mit dem Fundamentrahmen verschraubt ist, sondern zusammen mit den Lagerschilden von
zwei Kugellagern getragen wird, die, wie Abb. 1 und
2 zeigen, auf den verlängerten Naben der
Lagerschilde angeordnet sind. Das gesamte Polgehäuse kann sich somit sehr leicht
konzentrisch zu der von ihm umfaßten Armatur drehen. Je nachdem nun an der
Armaturwelle ein positives oder negatives Drehmoment auftritt, wird infolge der
Verkettung von Kraftfluß und stromdurchflossenen Armaturleitern eine Rückwirkung auf
das Polgehäuse ausgeübt, die dieses im entgegengesetzten oder im gleichen Sinne mit
der Armaturdrehung zu bewegen sucht. Es ist dabei natürlich gleichgültig, ob es
sich um eine als Gleichstrom- oder als Wechselstrommaschine ausgebildete Maschine
handelt.
Nach dem Gesetz von der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung muß das auf das
Polgehäuse ausgeübte Moment gleich dem an der Armaturwelle wirkenden sein. Dabei ist
aber Voraussetzung, daß die beiden, Wirkung und Gegenwirkung verkörpernden Teile für
sämtliche Einzelmomente kraftschlüssig mechanisch miteinander verbunden sind. Das
Moment der Bürsten- und das der Lagerreibung wird also nur dann auf das Gehäuse
übertragen, wenn, wie aus den Abbildungen ersichtlich, sowohl die Kommutatorbürsten,
als auch die Armaturlager starr mit ihm verbunden sind. Hinsichtlich der Luftreibung
sind jedoch die Verhältnisse nicht so leicht zu überschauen. Nur ein Teil der
erzeugten Luftströmung, nämlich nur soweit sie das Gehäuse trifft und auch davon nur
die zum Armaturumfang tangentiale Komponente stehen im Kraftschluß. Die Luftreibung
ist jedoch im allgemeinen nicht sehr groß, so daß nur bei besonders genauen
Messungen eine Korrektur des Ergebnisses nötig ist. Die Korrektionszahlen ergeben
sich empirisch, wenn die Pendelmaschine leerlaufend als Motor betrieben wird; es ist
dann das treibende elektrische Moment entgegengesetzt gerichtet den
kraftschlüssigen, kraftverzehrenden Momenten der Lager- und Bürstenreibung Mr und dem wirksamen
Teil der Luftreibung Mv, und um so viel größer, wie dem nicht rückwirkenden Teil Mx der Luftströmung
entspricht. Mithin kommt letzterer allein am Gewichtshebel der Pendelmaschine zum
Ausdruck.
Streng genommen müßte auch das Reibungsmoment für die Pendelung in den Kugellagern
berücksichtigt werden. Tatsächlich ist es aber bei gut gehaltenen Kugellagern so
gering, daß es vernachlässigt werden kann.
Das auf das Polgehäuse wirkende Moment M entspricht also
bis auf das Korrektionsglied Mx dem gesuchten effektiven Moment Meff und wird
beispielsweise durch Gewichts- oder Federbelastung am strichpunktiert angedeuteten
Hebel, analog dem Pronyschen Zaum, oder, wie bildlich
dargestellt, durch eine Einrichtung mit geeichter Meßdose zahlenmäßig gewertet. Für
die Maschine selbst gelten die Momentengleichungen M ∞ Meff =
Mel
– (Mr + Mv) für den Betrieb als Motor,
M ∞ Meff = Mel + (Mr + Mv) für den Betrieb als Dynamo.
Unabhängig vom Betriebszustande ist stets das Moment am Belastungshebel gleich dem an
der Armaturachse wirkenden.
Im Interesse einer dauernd zuverlässigen Wirkung ist erforderlich, daß die Maschine
in allen Teilen sicher zusammengesetzt ist, so daß auch bei Erwärmung keine
Schwerpunktsverschiebungen auftreten können. Dagegen dürften einseitige magnetische
Züge, wie sie infolge nicht ganz genauer Montage usw. in geringem Maße leicht
auftreten, wenig von Einfluß sein, da ja doch der Apparat durch Ausgleichgewichte
ausbalanciert werden muß.
An sich ist diese Art der Verwendung einer elektrischen Maschine nicht neu. Schon
1881 hatte Deprez ein ähnliches Modell gebaut. Praktische
Bedeutung erlangte dieses Meßverfahren erst in neuester Zeit. Das Kraftwerk der
technischen Hochschule Aachen ließ sich 1908 eine Turbodynamo von 100 KW und n = 3000 aufstellen, wobei die Dynamo als
Pendelmaschine ausgebildet war (Abb. 1 und 2). Da sich diese Anordnung vorzüglich bewährte,
folgte bald darauf eine zweite, mit einer Dieselmaschine gekuppelte Pendeldynamo für
100 KW n = 176. Diese Maschinen dienen zugleich als
normale Stromerzeuger. Eine größere Anzahl Maschinen aller Abstufungen finden noch
Verwendung als Brems- oder Transmissionsdynamometer. [Prof. Langer und Prof. Dr. Finzi in V. d. I., 10.
Januar 1914.]
Rich. Müller.
–––––
Ueber einen eigenartigen Unfall bei einem Aufzuge wird in
Nr. 1 Jahrgang 1914 der Zeitschrift für Dampfkessel und Maschinenbetrieb berichtet.
Es handelte sich um einen elektrisch angetriebenen Aufzug zur Beförderung von
Gepäckkarren und Handwagen. Zur Bewegung des Förderkorbes diente eine Spindel, die
am Boden des Korbes in der Mitte mit ihrem oberen Ende angebracht war und senkrecht
nach unten zu verlief. Das Gewinde hatte rechteckigen Querschnitt, es wurde
umschlossen durch eine Mutter, die außerhalb des Förderkorbes so gelagert war, daß
sie sich zwar drehen konnte, aber an einer senkrechten Bewegung sowohl nach oben wie
nach unten gehindert war. Sobald die Mutter gedreht wurde, bewegte sich daher die
Spindel und damit der gesamte Aufzug nach oben beziehungsweise nach unten, je nach
der Drehrichtung der Mutter. Um die Drehung der Mutter zu erreichen, war sie am
äußeren Umfang als Schneckenrad ausgebildet. Dieses stand im Eingriff mit einer
Schneckenspindel, deren Achse wagerecht gelagert und direkt gekuppelt war mit einem
Elektromotor. Bei der Drehung der Antriebswelle wurde daher das Schneckenrad
ebenfalls gedreht und ließ die senkrechte Spindel entweder emporsteigen oder sich
senken. Zur Verminderung der Reibung zwischen Schneckenrad und Auflager wurde der
Druck, der auf das Schneckenrad ausgeübt wurde, durch ein Kugellager aufgenommen.
Außerdem war der gesamte Aufzug mit einem Gegengewicht ausgerüstet. Der bei der
Bewegung unterhalb des Schneckenrades befindliche Teil der Spindel tauchte in
ein Rohr, welches mit Oel gefüllt war. Für ausreichende Schmierung zwischen Spindel
und Schneckenrad war dadurch gesorgt.
In besonderer Weise waren die Türverschlüsse ausgebildet. Der Verschluß wurde durch
ein senkrechtes, verschiebbares Gitter erreicht. Die Einfahrtsöffnung blieb frei,
bis sich der Fahrstuhl in Bewegung setzte. Zugleich mit dem Fahrstuhl stieg,
unmittelbar sich an den Boden des Fahrstuhles anschließend, ein Gitter hoch, welches
allmählich von unten her den Fahrschacht verschloß. Kam der Fahrstuhl von oben, so
drückte er das senkrechte Verschlußgitter nach unten und hielt die Einfahrtsöffnung
wieder bis zur Umkehr der Bewegung frei. Dadurch wurde mit Sicherheit verhütet, daß
eine Person beim Heruntergehen des Fahrstuhles zwischen Fahrstuhl und Fußboden der
Haltestelle eingeklammert werden konnte. Denn die Einfahrtsöffnung war geschlossen
und konnte nicht betreten werden, ehe die Unterkante des Wagens den Fußboden der
Haltestelle erreicht hatte. Bei der Aufwärtsbewegung dagegen war es noch möglich,
daß eine Person, auf der Plattform des Korbes stehend, mit dem Kopf gegen den oberen
Rahmen der Einfahrtsöffnung stieß und eingeklemmt wurde, sobald sie sich über den
Rand des Korbes heraus neigte. Um dies zu verhüten, war an der oberen Seite der
Türöffnung ein Gitterstreifen angebracht, der, sobald er von unten her durch
überstehende Teile des Korbes einen Druck erfuhr, sich nach oben bewegen konnte und
dadurch mit einer Vorrichtung in Verbindung gesetzt wurde, die sofort den Motor
ausschaltete. Dadurch wurde der Aufzug stillgesetzt, ehe die gefährliche Kante der
oberen Türöffnung erreicht war.
Trotz dieser Sicherheitsmaßregeln ereignete sich ein Unglücksfall. Bei der
Abwärtsbewegung fuhr der Korb zu weit, d.h. der Motor wurde nicht rechtzeitig
abgestellt. Das Schneckenrad wurde durch die Schraubenspindel noch weiter gedreht
und suchte die Spindel nach unten zu ziehen. Der Korb konnte nicht nachfolgen. Die
Spindel wurde auf Zug stark beansprucht. Sie war durch eine Traverse am Boden des
Fahrkorbgestelles geführt und durch eine Mutter festgeschraubt. Die Spindel war am
oberen Ende abgesetzt. Sobald die Mutter festgezogen wurde, wurde der Querschnitt
des oberen, abgesetzten Teiles auf Zug beansprucht. Durch die Nichtausschaltung des
Motors wurde nun die Spindel gewaltsam nach unten gezogen, sie riß im Gewinde der
oberen Befestigungsmutter ab. Dadurch wurde der Förderkorb frei und bewegte sich
unter dem Einfluß des Gegengewichtes mit großer Schnelligkeit nach oben und klemmte
den mit dem Einfahren des Aufzuges beschäftigten Wärter zwischen die Plattform des
Aufzugkorbes und das obere Sicherheitsgitter. Das Sicherheitsgitter wirkte zwar auf
den Motor ein. Da aber die Spindel gerissen war, stand der Korb nicht mehr unter dem
Einfluß des Motors. Das Sicherheitsgitter war daher in diesem Falle unwirksam.
Der Unfall lehrte, daß großer Wert auf eine sehr sorgfältige Verbindung der Spindel
mit dem Fahrkorb zu legen ist.
Simon.