Titel: | Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch befindlichen militärischen Entfernungsmessern. |
Autor: | Chr. von Hofe |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 660 |
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Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch
befindlichen militärischen Entfernungsmessern.
Von Chr. von Hofe,
Dr. phil., Wissenschaftl. Mitarbeiter der Optischen Anstalt C. P. Goerz.
(Fortsetzung und Schluß von S. 599 d.
Bd.)
v. HOFE: Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch befindlichen
militär. Entfernungsmessern.
Die Art der Einstellung ist so, daß sie zu den denkbar kleinsten Meßfehlern
Veranlassung gibt. Das eine Bild dient als Meßmarke für das andere, so daß keine
Bewegungen des Zieles, die nicht direkt einen Entfernungsunterschied hervorrufen, zu
Meßfehlern Veranlassung geben können, da bei Bewegungen des Entfernungsmessers oder
des Zieles, welche die Entfernung nicht beeinflussen, immer beide Teilbilder sich
gleichzeitig im Gesichtsfeld hin- und herbewegen, während ihr gegenseitiger Abstand,
der allein maßgebend für die zu messende Entfernung ist, unverändert bleibt (vergl.
Nr. 2).
Textabbildung Bd. 328, S. 659
Zu Seite 599.
Bei Objekten mit scharf ausgeprägten senkrechten Linien entspricht die hier erwähnte
Art der Einstellung ungefähr der bei Maßstäben mit Nonius üblichen; sie wird so
ausgeführt, daß die in beiden Teilbildern sich entsprechenden senkrechten Linien wie
eine gerade Linie erscheinen. Bekanntlich ist diese Art der Einstellung eine der
genauesten, die überhaupt möglich ist. Hat das Objekt keine senkrechten Linien, aber
immer noch solche unter einer anderen Neigung, so sind die kleineren
Koinzidenz-Telemeter so eingerichtet, daß ihre Basis um die Visierlinie gedreht
werden kann, so daß es also jederzeit möglich ist, diese scharf ausgeprägten Linien
senkrecht zur Trennungslinie einzustellen und die Messung dadurch zu einer möglichst
genauen zu gestalten.
Bei weniger gut definierten Objekten läßt es sich nicht vermeiden, daß der Meßfehler
ein etwas größerer wird, häufig haben derartige Objekte wenigstens an ihrem oberen
Rand eine mehr oder weniger scharf ausgeprägte Spitze. In diesem Fall läßt sich die
Meßgenauigkeit dadurch vergrößern, daß man das obere Bild auf den Kopf stellt und
die beiden an der Trennungslinie sich gegenüberliegenden Spitzen aufeinander
einstellt (vergl. Abb.
11). Zum Unterschied von dem Koinzidenz-Telemeter im engeren Sinn
nennt man diese Instrumente Invert-Telemeter.
Neuerdings haben die Luftschiffe und Flugzeuge eine erhöhte Bedeutung erhalten. Diese
haben gerade an ihrem oberen Rand keine scharf ausgeprägten Punkte, die sich zum
Messen eignen, dagegen aber fast immer an ihrer unteren Seite (Gondel Räder,
Gleitkuven), so daß es in diesem Fall mehr erwünscht ist, auf die unteren Teile des
Zieles einzustellen. Diese Absicht läßt sich auf sehr einfache Weise dadurch
erreichen, daß man das obere Bild aufrecht stehen läßt, aber das untere auf den Kopf
stellt (vergl. Abb.
12 und D. p. J. S. 140 und 141 d. Bd.).
Die vollkommene innere Einrichtung eines solchen Koinzidenz-Telemeters im weiteren
Sinne ist in der Abb. 14 dargestellt und wird ohne
weiteres durch Vergleichen mit der schematischen Abb.
9 (S. 598) verständlich sein. Mit M ist die
Vorrichtung zum Verschieben des einen Teilbildes bezeichnet, J stellt eine Einrichtung dar, mit der es möglich ist, kleinere Fehler des
Instrumentes, ohne dieses auseinanderzunehmen, zu beseitigen.
Da die Meßgenauigkeit proportional der Basislänge des Koinzidenz-Telemeters ist, so
richtet sich diese nach der gewünschten Meßgenauigkeit. Die kleinste Basislänge, die
von der Infanterie gebraucht wird, beträgt 0,65 m. Ein derartiges Instrument ist in
Abb. 15 gezeigt. Zum Vergleich ist in Abb. 16 ein Entfernungsmesser mit 5 m Basis
dargestellt. Neuerdings werden sogar schon Instrumente mit einer Basis von 10 m
gebaut.
Die Fernrohrvergrößerung, die der Entfernungsmesser erhält, ist ebenfalls von der
gewünschten Genauigkeit abhängig. Diese letztere ist proportional der Vergrößerung,
so daß also im ganzen die Meßgenauigkeit des Entfernungsmessers proportional dem Produkt aus
Basis und Vergrößerung ist. Im allgemeinen schwankt zurzeit die Vergrößerung der
Entfernungsmesser zwischen einer zehnfachen und dreißigfachen; eine gar zu starke
Vergrößerung ist für manche Gegenden nicht geeignet, da nicht nur das Zielbild durch
sie vergrößert wird, sondern gleichzeitig auch alle Ungleichmäßigkeiten in der
Atmosphäre, vor allen Dingen das Flimmern der Luft bei ungleichmäßiger Erwärmung.
Dadurch kann die gewünschte Steigerung der Meßgenauigkeit direkt in das Gegenteil
verkehrt werden, so daß die zulässige stärkste Vergrößerung für die verschiedenen
Gegenden besonders ausprobiert werden muß.
Textabbildung Bd. 328, S. 660
Abb. 14.
Die Helligkeit des Instruments, die bekanntlich proportional der Fläche der
Austrittspupille ist, richtet sich einerseits nach der Größe der Entfernung, die
gemessen werden soll, und andererseits nach den Beleuchtungsverhältnissen, bei denen
das Instrument gebraucht werden soll. Der Durchmesser der Austrittspupille schwankt
im allgemeinen ungefähr zwischen 2 und 3 mm. Bei großen Instrumenten mit
wechselbarer Vergrößerung steigt für die kleinere Vergrößerung unter Umständen
dieser Wert auch auf 5 mm. Eine gar zu große Steigerung der Helligkeit ist nicht zu
empfehlen, da die Meßgenauigkeit dadurch beeinträchtigt werden kann. Die Sehschärfe
des Auges wird etwas geringer bei stärkerer Erweiterung der Augenpupille, weil in
diesem Fall die Fehler der Augenlinse mehr zur Geltung kommen. Da im allgemeinen der
Entfernungsmesser nicht als Beobachtungsfernrohr, sondern in erster Linie als
Meßinstrument dienen soll, so hat es keinen Zweck, auf Kosten der größeren
Lichtstärke die Meßgenauigkeit zu beeinträchtigen.
Diese Erwägung muß auch maßgebend sein für die Größe des Gesichtsfeldes. Für schnell
auftauchende Ziele ist es wertvoll, diese an jeder Stelle des Gesichtsfeldes, wo man
sie eben sieht, auch messen zu können. Daher darf das Gesichtsfeld nicht zu klein
sein, und die Trennungslinie muß scharf durch das ganze
Gesichtsfeld hindurchgehen.Vergl. D. p. J. S.
27 d. Bd. Würde man die Größe des Gesichtsfeldes gar zu sehr
steigern, so kann die Bildverschlechterung am Rande des Gesichtsfeldes schon dahin
wirken, daß die Meßfehler unangenehm groß werden, ohne daß lediglich für die
Beobachtung des Zieles die mangelnde Bildqualität besonders störend auffällt.
In diesem Fall würde also wiederum die Größe des Gesichtsfeldes für den Zweck des
Entfernungsmessers wertlos sein. Im allgemeinen geht man mit der Größe des
scheinbaren Gesichtsfeldes bei Entfernungsmessern nicht merklich über 40° hinaus,
woraus sich die Größe des wahren Gesichtsfeldes, die bekanntlich ungefähr gleich der
Größe des scheinbaren Gesichtsfeldes dividiert durch die Vergrößerung ist, für jedes
Instrument von selbst ergibt. Bei einer stärkeren Vergrößerung wird also das wahre
Gesichtsfeld kleiner.
Diese Art von Entfernungsmessern ist zuerst im Jahre 1790 von Ramsden erfunden worden. Ungefähr um das Jahr 1885 ist diese Konstruktion
von der Firma Barr & Stround wieder aufgenommen und erheblich verbessert, so daß diese Firma
das Verdienst für sich in Anspruch nehmen kann, die ersten für militärische Zwecke
praktisch brauchbaren Entfernungsmesser hergestellt zu haben. Außerdem werden
derartige Instrumente von den Firmen Goerz,
Berlin-Friedenau, Hahn, Cassel und Zeiß, Jena, gebaut.
Textabbildung Bd. 328, S. 660
Abb. 15.
Textabbildung Bd. 328, S. 660
Abb. 16.
Bei diesen Instrumenten ist wie gesagt die Einstellgenauigkeit, bzw. die Bestimmung
des Winkels ζ eine sehr genaue, daher kann d ζ' zu 10'' angenommen werden. Durch sehr zahlreiche
Versuche ist festgestellt, daß dieser Wert von leidlich guten Beobachtern unter
einigermaßen günstigen Verhältnissen leicht erreicht wird. Unter besonders günstigen
Umständen geht der Wert von d ζ' auch auf 6'' herab.
Für verschiedene Typen dieses Entfernungsmessers sind im folgenden die
Fehlerberechnungen zusammengestellt (vergl. D. p. J. S. 46 dieses Bandes).
d ζ'
= 10'' = 0,000048,
b
= 0,700 m,
d b
= 0,0007 m,
γ
= 11.
e
d e
1
d e
2
d e
500
1,6
0,5
1,7
1000
6,3
1,0
6,4
1500
14,2
1,5
14,2
2000
25,2
2,0
25,3
5000
157,4
5,0
157,5
d ζ' = 10'' = 0,000048,
b = 1,250 m,
d b = 0,00125 m,
γ = 18.
e
d e
1
d e
2
d e
1000
2,2
1,0
2,4
1500
5,1
1,5
5,4
2000
8,6
2,0
8,8
5000
53,9
5,0
54,1
10000
215.,5
10,0
215,7
d ζ' = 10'' = 0,000048,
b = 5,0 m,
d b = 0,005 m,
γ = 25.
e
d e
1
d e
2
d e
1000
0,39
1,00
1,07
1500
0,87
1,50
1,74
2000
1,55
2,00
2,53
5000
9,70
5,00
10,91
10000
38,79
10,00
40,05
d ζ' = 10'' = 0,000048,
b = 10,000 m,
d b = 0,010 m,
γ = 25.
e
d e
1
d e
2
d e
2000
0,78
2,00
2,15
5000
4,84
5,00
6,97
10000
19,39
10,00
21,82
15000
43,63
15,00
46,14
In dieser Zusammenstellung der rechnerisch ermittelten Meßfehler sind die für die
verschiedenen Truppengattungen verwendbaren Entfernungsmesser angeführt. Das
Instrument mit 0,700 m Basis ist für die Zwecke der Infanterie geeignet, das mit
1,25 m Basis für diejenigen der Feldartillerie, während die Koinzidenztelemeter mit
5 und 10 m Basis für Fuß-, Küsten- und Schiffsartillerie in Betracht kommen.
Die für d e2 angegebenen
Werte sind besonders für die größeren Entfernungen von wesentlich geringerem Einfluß
auf den Gesamtfehler d e als die von d e1. Da nun natürlich
für die Beurteilung eines Entfernungsmessers die größeren Entfernungen von
ausschlaggebender Bedeutung sind, so wird mit Recht von den Firmen, die
Entfernungsmesser konstruieren, bei den Angaben über Meßfehler die Größe d e2 überhaupt
vernachlässigt, zumal da die in den vorstehenden Tabellen angegebenen Werte von d b in der Regel beim praktischen Messen
höchstwahrscheinlich noch nicht erreicht werden. Der angegebene Wert von d b kann bei der Herstellung des Instrumentes mit
Leichtigkeit eingehalten werden.
Die Vorrichtung, die zur Verschiebung des einen Teilbildes dient, mit der also
bei der Messung die beiden Teilbilder zur Koinzidenz gebracht werden, kann natürlich
auch zu Meßfehlern Veranlassung geben, jedoch läßt sich dieser Mechanismus sehr wohl
so ausführen, daß die durch ihn hervorgerufenen Fehler verschwindend klein gegenüber
den Werten von d e1
sind. Diese sind daher bei den Koinzidenztelemetern sowie bei den andern angeführten
Entfernungsmesserkonstruktionen, die mit einer Vorrichtung zur Bildverschiebung
versehen sind, vernachlässigt. Dies konnte um so mehr geschehen, als es der Zweck
der vorstehenden Ausführungen war, die prinzipiellen Meßfehler der verschiedenen
Instrumente miteinander zu vergleichen und die charakteristischen Unterschiede
hervorzuheben. Dasselbe gilt von einer eventuellen Ungenauigkeit in der für das
Instrument festgesetzten Vergrößerungszahl γ.
Bei einem Vergleich der in den Tabellen angegebenen Meßfehler der verschiedenen
Instrumente fallen zunächst die verhältnismäßig großen Fehler der unter 1, 7 und 8
angeführten Instrumente besonders ins Auge. Das Reiterfernrohr von Hoffmann, der Entfernungsmesser 03 der Pioniere sowie der
kleine Entfernungsmesser 06 sind daher nicht für den militärischen Gebrauch, nicht
einmal für die Zwecke der Infanterie ausreichend. Die beiden zuletzt genannten
Instrumente sind außerdem noch sehr umständlich in der Handhabung. Bei dem
Reiterfernrohr von Hoffmann können, wie bereits
angeführt, die Fehler in der Praxis noch erheblich größere Werte annehmen.
Das unter Nr. 2 angeführte Doppelbildmikrometer liefert im allgemeinen recht gute
Werte, jedoch ist es vollkommen abhängig von der möglichst genauen Kenntnis der
Basis des feindlichen Zieles. Es ist deshalb als Annäherungsmesser für die
Einstellung auf Schiffe sehr geeignet, kann aber keine verläßlichen Angaben über die
absolute Entfernung liefern.
Der Entfernungsmesser Bickel (Nr. 6) liefert für die
Zwecke der Infanterie hinreichend genaue Resultate, jedoch ist seine Handhabung sehr
umständlich. Alle Entfernungsmesser, die für die Messungen zwei Einstellungen
beanspruchen, sind für militärische Zwecke vollkommen ungeeignet, wenn die beiden
Meßinstrumente nicht elektrisch gekuppelt sind, da sie im günstigsten Falle nur für
feststehende Objekte gebraucht werden können. Daher würden die unter 7 und 8
angeführten Instrumente, wenn sie etwa durch Hinzufügen eines Fernrohres verbessert
würden, immer noch unbrauchbar bleiben.
Der Entfernungsmesser mit senkrechter Basis (Nr. 3) liefert bei einer genügenden
Standhöhe sehr gute Werte und hat außerdem den Vorteil, daß er in der Handhabung
sehr einfach und in der Beschaffung verhältnismäßig billig ist. Für geringere
Standhöhe werden dagegen die Resultate durch die schwankenden Werte der Refraktion
der Luft und die durch das fahrende Schiff hervorgerufenen Bewegungen des
Wasserspiegels beeinträchtigt.
Der Küsten-Entfernungsmesser (Nr. 4) liefert wegen der großen zur Verfügung
stehenden Basis selbst bei den größten Entfernungen noch außerordentlich genaue
Resultate, jedoch leidet auch er an dem bereits für Nr. 7 und 8 angegebenen
Uebelstand der zwei Einstellungen und ist außerdem ein außerordentlich teures
Instrument.
Der Hahnsche Küsten-Entfernungsmesser (Nr. 5) verbindet
mit dem Nachteil des unter Nr. 4 genannten Instrumentes (zwei Einstellungen) noch
den einer nicht ganz ausreichenden Meßgenauigkeit, die durch die geringere
Basislänge bedingt ist.
Der stereoskopische Entfernungsmesser (Nr. 9) ist in bezug auf Handhabung dem unter
Nr. 10 angeführten Koinzidenztelemeter ebenbürtig. Die gleiche Meßgenauigkeit wie
bei diesem kann jedoch nur von Leuten erreicht werden, die über ein entsprechend
gutes stereoskopisches Sehvermögen verfügen und außerdem dauernd in Uebung bleiben.
Da bei fast allen Truppengattungen die Beschaffung hinreichend guter Meßleute auf
große Schwierigkeiten stößt, hat dieses Instrument bisher nicht die seinen sonstigen
Vorteilen entsprechende Verbreitung gefunden.
Somit bleibt als bestes Instrument das Koinzidenztelemeter mit seinen Abarten übrig.
Seine Vorteile sind schon indirekt durch die aufgeführten Nachteile der andern
Instrumente angegeben, jedoch mögen sie hier nochmals kurz zusammengestellt
werden:
1. Die Bedienung und Handhabung ist außerordentlich leicht und einfach, da das
Instrument nur eines Mannes mit einem guten Auge bedarf und keine besonderen Vorkenntnisse oder sonstige
Veranlagungen nötig sind.
2. Das Ziel ist leicht und schnell aufzufinden, auch die beiden zusammengehörigen
Teilbilder des Zieles sind leicht zu erkennen, da sie in demselben Gesichtsfeld nahe
beisammenliegen und vor allen Dingen die bei den Entfernungsmessern mit großer Basis
am Standort nötige Verständigung zwischen den beiden Meßleuten fortfällt.
3. Die Zeit, die eine Messung erfordert, beträgt nur einige Sekunden, da die
gemessene Entfernung ohne weiteres abgelesen werden kann, nachdem die beiden
Teilbilder zur Koinzidenz gebracht sind.
4. Auch bewegliche Objekte können bei einiger Uebung fast ebenso gut gemessen werden
wie feststehende, da nur in dem Fall eine Entfernungsänderung des Zieles vom
Instrument angegeben wird, wenn diese wirklich durch die Bewegung des Objektes
erfolgt.
5. In neuerer Zeit ist die Herstellung dieser Entfernungsmesser so weit
fortgeschritten, daß sie einen sehr hohen Grad von Unempfindlichkeit gegen
mechanische und thermische Einflüsse besitzen.
6. Die Meßgenauigkeit ist eine verhältnismäßig hohe und für die gewünschten Zwecke
vollkommen ausreichende.