Titel: | Neuere wirtschaftliche Erfahrungen mit Entstaubungsanlagen. |
Autor: | Gerold |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 580 |
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Neuere wirtschaftliche Erfahrungen mit
Entstaubungsanlagen.
Von Consult.-Ingenieur Gerold.
(Schluß von S. 565 d. Bd.)
GEROLD: Neuere wirtschaftliche Erfahrungen mit
Entstaubungsanlagen.
Die Karderie nimmt einen Raum ein von annähernd 1000 cbm Inhalt, und es werden
deshalb etwa 3000 cbm Frischluft i. d. Std. eingeführt, es besteht also ein etwa
dreimaliger Frischluftwechsel i. d. Std. und auf den Kopf der Arbeiterschaft kommen
etwa 300 cbm Frischluft stündlich. Die übrigen 18000 cbm Luft i. d. Std., welche zum
Tragen des Staubes gefördert werden, sind Zirkulationsluft. Zu befeuchten sind also
nur diese 3000 cbm Frischluft i. d. Std. Die Heizung dieser geringen Luftmenge wird
im Winter durch das Dampfrohr bewirkt, welches den Befeuchtungsdampf einführt, zu
dessen Erzeugung für einen Feuchtigkeitsgehalt der Luft von 70 bis 80 v. H. eine
Kohlenmenge von durchschnittlich etwa 31 kg Kohle gehört. Diese tägliche Kohlenmenge
brauchen wir an etwa 200 Tagen im Jahre, da für den Hochsommer eine andere Art der
Befeuchtung vorgesehen ist, so daß sich der Kohlenverbrauch für die Befeuchtung
stellt auf 200 × 31 = 6200 kg Kohle im Werte von M 112 f. d. Jahr. Da wir in dem
Vergleichswinter 39 Tage unter – 5° hatten, so war an diesen Tagen je zwei bis vier
Stunden zu heizen. Wir hatten also im ganzen an etwa 120 Stunden 3000 kg Frischluft
von – 10° auf + 15°, also um 25° zu erwärmen und brauchten dazu 3000 × 25 × 0,81 =
23250 WE, zu deren Erzeugung etwa 6 kg Kohle i. d. Std. nötig waren. Für den
ganzen Winter brauchten wir also 120 × 6 = 720 kg Kohle im Werte von M 13. Für
Heizung und Befeuchtung während des ganzen Winters brauchten wir also an Kohle M 112
+ 13 = M 125 für acht Karden. Und dies ergibt für die Karde einen Kohlenverbrauch in
Geld von M 16 f. d. Jahr. Nun aber der Kraftverbrauch!
Der Exhaustor für Zirkulationsluft für die Absaugung von acht Karden wird durch
Elektromotor getrieben, man kann den Kraftverbrauch einfach ablesen. Er beträgt 14
PS. Der Nutzeffekt ist 48 bis 49 v. H. Die Exhaustoren der zuerst erwähnten
Spinnerei für ebenfalls acht Karden werden durch Transmission betrieben, und ihr
Kraftverbrauch kann deshalb nur aus dem bekannten Druckgefälle und geförderten
Luftmengen ausgerechnet werden. Es wurde angegeben, daß von den acht Karden in der
Stunde 21600 cbm abgesaugt wurden, und daß der Frischluftexhaustor 25920 cbm Luft in
der Stunde in den Raum hineindrücke. Bei dem Staubluftexhaustor wurde vor den
Flügeln eine Depression von – 43 mm Wassersäule und hinter den Flügeln einen
Ueberdruck von + 5 bis + 10 mm Wassersäule gefunden. In Summa also ein Druckgefälle von etwa 50 mm
Wassersäule. Mit diesem Druckgefälle saugt er in der Stunde 21 600 oder in der
Sekunde 6 cbm Luft, und sein absoluter Kraftverbrauch berechnet sich daraus zu
\frac{6\,\times\,50}{75}=4 PS.
Der Frischluftexhaustor hat hinter den Flügeln einen Ueberdruck von + 20 mm
Wassersäule. Vor den Flügeln saugt er die Luft über die Heizkörper, wozu er doch
wohl auch einen Unterdruck von – 10 mm Wassersäule braucht, so daß er mit einem
gesamten Druckgefälle von etwa 30 min Wassersäule arbeiten wird. Mit diesem saugt er
in der Stunde 35920 oder in der Sekunde 7,2 cbm Luft, und sein absoluter
Kraftverbrauch berechnet sich zu \frac{7,2\,\times\,30}{75}=2,9
PS.
Der absolute Kraftverbrauch von Staubluft- und Frischluftexhaustor beträgt also 4 +
2,9 = 6,9 PS. Da nun der Nutzeffekt des Exhaustors für die Zirkulationsluft zu 49 v.
H. festgestellt ist, so würde bei dem gleichen Nutzeffekt der effektive
Kraftverbrauch betragen \frac{6,9}{0,49}=14 PS.
Es würde sich also bei gleichem Nutzeffekt der Exhaustoren für beide Anlagen der
genau gleiche Kraftbedarf ergeben, und das hat auch eigentlich nichts
überraschendes; denn wenn Stoffilter dem Exhaustor einen größeren Widerstand
entgegensetzen als Cyklone, was nicht bestritten werden sollte, so kommt dafür bei
Frischluftanlagen noch der Frischluftexhaustor dazu, welcher den geringeren
Kraftbedarf des Staubluftexhaustors wieder ausgleicht. Der so wesentlich geringere
Kraftverbrauch bei Frischluftanlagen beruht also mehr oder weniger auf einem
Vorurteil, und er wird auch tatsächlich nur da garantiert, wo der Antrieb der
Exhaustoren durch die Transmission erfolgt, während er bei Exhaustorbetrieb durch
Elektromotoren, in annähernd gleicher Höhe angegeben wird.
Es erfordert also eine Karde etwa 1,75 PS an der Entnahmestelle der Kraft, und wenn
wir von der Dampfmaschine bis zu dieser Stelle einen Verlust von 30 v. H. annehmen,
so erfordert eine Karde für ihre Entstaubung \frac{1,75}{0,7}=2,5
PS der Dampfmaschine. Zur Erzeugung von 1 PS werden von einer modernen Dampfanlage
verbraucht 0,4 bis 0,9 kg im rohen Durchschnitt 0,7 kg Kohle in der Stunde, also in
einem Arbeitsjahr von 3000 Stunden 2100 kg Kohle, und wenn eine Karde 2,5 PS
erfordert, so betragen die Kohlenkosten dafür 2100 × 2,5 = 5250 kg im Werte von M
94,50.
Der Preis von 1 PS einschließlich aller Nebenkosten schwankt zwischen 80 und 120 M in
einem Jahr und erreicht bei elektrischem Antrieb und wenn der Strom von einer
öffentlichen Zentrale entnommen wird, mitunter sogar 200 M in einem Jahr. Der Wert
von einem PS im Jahre ist in diesen Ausführungen nach Röder mit 100 M angenommen. Das ist nicht richtig, denn in diesem Preise
liegt schon die Verzinsung und Amortisation der Dampfmaschine und ein Teil des
Lohnes für den Maschinenwärter. Nachdem wir jedoch bei der Berechnung der
Heizung und Befeuchtung nur den Wert der verbrauchten Kohle in unsere Rechnung
eingestellt haben, ohne Rücksicht auf Verzinsung und Amortisation der Kessel- und
Heizanlagen, sowie ohne einen entsprechenden Anteil der Heizerlöhne, ist es nur
folgerichtig, wenn wir bei Vergleich der Kraftkosten ebenfalls nur den Wert der für
die Krafterzeugung verbrauchten Kohle einsetzen. Die Verzinsung und Amortisation der
Anlagen für die Erzeugung von Wärme, Feuchtigkeit und Kraft kann dann
gemeinschaftlich mit der Verzinsung und Amortisation der Anlage für die Entstaubung
einen Posten für sich bilden. Es ist nicht ohne Interesse, den Kohlenbedarf für
Heizung und Befeuchtung mit dem Kohlenbedarf für Kraft zu vergleichen. Bei
Frischluftanlagen beträgt der erstere in strengem Klima fast genau das doppelte des
letzteren, während im milden Klima für beide Zwecke je ungefähr die gleiche
Kohlenmenge wird aufgewendet werden müssen. Bei Bethschen
Zirkulationsanlagen jedoch beträgt der Kohlenbedarf für Heizung und Befeuchtung nur
ungefähr den sechsten Teil des Bedarfes für Kraft. Der Kraftbedarf für beide Systeme
ist, wie wir gesehen haben, ungefähr der gleiche. Die gesamten Auslagen für Kohle,
das sind die gesamten Betriebskosten mit Ausschluß der Verzinsung, Amortisation und
Reparaturen betragen also:
I. Bei Frischluftanlagen.
In mildem Klima
In strengem Klima
Heizung und Befeuchtung
M 106, –
M 190, –
Kraft 1,75 PS
M 94, –
M 94,–
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summa
M 200, –
M 284, –
II. Bei Zirkulationsluftanlagen.
In jedem Klima
Heizung und Befeuchtung
M 16, –
Kraft 1,75 PS
M 94, –
–––––––––––––––––
Summa
M 110, –
Die Betriebskosten verhalten sich demnach wie:
284: 200: 110 oder annähernd wie 2,6: 1,8: 1.
Die Betriebskosten bei Frischluftanlagen in mildem Klima liegen also fast genau in
der Mitte zwischen den Betriebskosten bei Frischluftanlagen in strengem Klima und
den Betriebskosten für Zirkulationsanlagen.
Wir kommen nun zu den Anlagekosten: Diese hängen bei Frischluftanlagen davon ab, ob
ein eigener Heizkessel mitangelegt wurde oder ob der Heißdampf der vorhandenen
Kraftkesselanlage entnommen wird. Bei Zirkulationsluftanlagen hängen die
Anlagekosten davon ab, ob die Filterapparate in dem Spinnereigebäude mit
untergebracht werden konnten. In beiden Fällen ist dann noch auf die Anlagekosten
der Umstand von Einfluß, ob die Exbaustoren von der Transmission mit angetrieben
werden oder ob für deren Antrieb Elektromotoren beschafft werden mußten. Die
folgenden Anlagekosten sind nach kompletter Fertigstellung der Anlagen
zusammengestellt worden und sind direkt den Inventierbüchern entnommen. Es ist in
ihnen alles inbegriffen, Entstaubungsanlage, Heizungs- und Befeuchtungsanlage nach
den Fakturen, Montage einschließlich der von der Spinnerei gestellten Hilfsarbeiten,
Nacharbeiten, Frachten usw. (Für das Ausland würden allerdings noch Zölle dazukommen.) Die
Anlagekosten für die Entstaubungs-, Heizungs- und Befeuchtungsanlage für die acht
Karden der Flachsspinnerei in den schlesischen Bergen betrugen 16000 M, oder für die
Karde 2000 M.
In diesen Kosten liegen auch die Kosten für das eigens errichtete Filtergebäude zum
Schütze der Zirkulationsluft gegen Kälte, sowie die elektromotorische Anlage zum
Antrieb des Exhaustors, während ein Heizkessel für Zirkulationsluftanlagen nicht
nötig ist. Der Kostenanteil der Karderie für das Gebäude beträgt etwa 3000 M und
eben so viel kostet die elektromotorische Kraftanlage, so daß also der Preis für die
Karde sich um je 385 M ermäßigen würde, wenn die Filter hätten im Spinnereigebäude
mit untergebracht werden können, und wenn der Exhaustor von der Transmission mit
angetrieben wäre. Danach hätten die Anlagekosten für die Karde betragen 1625 M,
resp. 1250 M.
Die Anlagekosten für die Entstaubungsanlage mit Heizung und Befeuchtung der
erstgenannten Flachsspinnerei beliefen sich auf 13000 M, oder für die Karde auf 1625
M. Hier werden die Exhaustoren durch die Transmissionen mit angetrieben. Wären
hierzu Elektromotoren nötig gewesen, so würden sich die Kosten für die Karde um 375
M erhöht haben, also auf 2000 M angestiegen sein. In diesen Kosten liegen auch die
Kosten für den eigenen Heizkessel im Preise von 2400 M und die Kosten würden sich um
300 M für die Karde ermäßigt haben, wenn der Heizdampf von den Kraftkesseln hätte
genommen werden können, also auf 1325 M. Da bei der ersten Anlage nur mit einer
Temperaturdifferenz von 20° (von – 5° auf + 15°) gerechnet zu werden brauchte, so
werden in strengem Klima, wo mit einer Temperaturdifferenz von 30° (von – 15° auf +
15°) zu rechnen ist, auch die Kosten für die Heizanlage um annähernd 50 v. H.
steigen, die Heizkörper von 2400 M auf 3600 M und der Kessel von ebenfalls 2400 M
auf mindestens 3000 M. Diese Steigerung um 1800 M bedeutet eine Verteuerung der
Anlagekosten für die Karde um 225 M, so daß sich in strengem Klima, wie z.B. in
Zillertal, diese Anlagekosten für die Karde stellen würden auf 2350M, notabene, wenn
die Exhaustoren elektrisch angetrieben werden und ein eigener Heizkessel beschafft
werden müßte. Wir können also sagen, daß die Anlagekosten für die Karde betragen (s.
nebenstehende Tabellen):
Wir haben vorhin gesehen, daß die Betriebskosten in strengem Klima sich für die Karde
und Jahr um M 174 teurer stellen bei Frischluft als bei Zirkulationsluft. Diese M
174 ergeben unter Zugrundelegung eines Zinsfußes von 8 v. H. kapitalisiert eine
Summe von M 2175. Das ist aber der Betrag, um den eine komplette Entstaubungs-,
Heizungs- und Befeuchtungsanlage unter den teuersten Verhältnissen zu haben ist.
Gegen das Gebäude für die Filterapparate besteht in den meisten Fällen eine heftige
Abneigung, und häufig wird lediglich deshalb eine Anlage mit vollem
Frischluftersatz, trotz der relativ so enorm hohen Betriebskosten gewählt, weil man
für den Cyklon kein Gebäude braucht. Dieser Standpunkt ist durchaus nicht
gerechtfertigt. Nicht der Filterapparat hat das Gebäude nötig, für diesen würde auch
ein Holzschuppen genügen, sondern die mit teurem Gelde geheizte und befeuchtete
Luft, deren Wärme und Feuchtigkeit erhalten werden soll, darf nicht der äußeren
Kälte ausgesetzt werden, weil sonst das Wasser aus ihr herauskondensiert und sie für
die Zirkulation unbrauchbar wird. Wäre es möglich, die Luft aus dem Cyklon so rein
wieder zu gewinnen, daß sie zur Zirkulation brauchbar wäre, so würde man für den
Cyklon ebensogut ein Gebäude brauchen wie für die Filterapparate, und dieses dürfte
auch nicht kleiner sein, es würde ebensoviel Platz einnehmen und auch ebenso teuer
werden, da man doch einen großen Luftgürtel als isolierendes Mittel um den Cyklon
herum gebrauchte.
1. Bei Frischluftanlagen:
bei mildemKlimaM
bei strengemKlimaM
Ohne eigenen Heizkessel und mit Antrieb der
Exhaustoren durch die Transmission
1325
1425
Ohne eigenen Heizkessel und mit Antrieb der
Exhaustoren durch Elektromotor
1700
1850
Mit eigenem Heizkessel und mit An- trieb der
Exhaustoren durch die Transmission
1625
1850
Mit eigenem Heizkessel und mit An- trieb der
Exhaustoren durch Elektro- motor
2000
2225
2. Bei Zirkulationsluftanlagen:
unabhängigvom KlimaM
Ohne eigenes Filtergebäude und mit Antrieb
des Exhaustors durch die Transmission
1250
Ohne eigenes Filtergebäude und mit Antrieb
des Exhaustors durch Elektromotor
1625
Mit eigenem Filtergebäude und mit Antrieb
des Exhaustors durch die Transmission
1625
Mit eigenem Filtergebäude und mit Antrieb
des Exhaustors durch Elektromotor
2000
Natürlich gelten die angegebenen Anlagekosten für die Karden nur für eine Karderie
von acht Karden, und es ist klar, daß eine Entstaubungs-, Heizungs- und
Befeuchtungsanlage für eine Karderie von vier Karden sich für die Karde höher
stellen wird, als eine solche für eine Karderie von zwanzig Karden. Die
Betriebskosten für die Karde sind jedoch unabhängig von der Größe der Karderie und
nur abhängig von dem gewählten System und von klimatischen Verhältnissen. In den
beiden Spinnereien sind denn auch noch die Vorspinnmaschinen entstaubt, und zwar in
den ersten vier Systemen mittels Frischluft und in den zweiten elf Systemen mittels
Zirkulationsluft. Die Anlagekosten für die vier Systeme mit Frischluftanlage
betragen ohne elektromotorischen Antrieb der Exhaustoren und mit eigenem Heizkessel M 1300
oder jedes System M 3250. Die Anlagekosten für die elf Systeme mit
Zirkulationsluftanlage betragen mit elektromotorischem Antrieb der Exhaustoren und
mit eigenem Filtergebäude M 30000 oder jedes System M 2727. In den
Betriebskosten machen sich hier allerdings noch wesentlich größere Unterschiede
bemerkbar, als bei der Kardenentstaubung.