Titel: | Ueber die Messung höher Temperaturen auf optischem Wege. |
Autor: | Alfred R. Meyer |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 516 |
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Ueber die Messung höher Temperaturen auf
optischem Wege.
Von Dr. Alfred R. Meyer in
Berlin.
(Fortsetzung von S. 482 d. Bd.)
MEYER: Ueber die Messung höher Temperaturen auf optischem
Wege.
Nachdem wir uns so für die optische Pyrometrie eine genaue Definition geschaffen
haben, wird es unsere weitere Aufgabe sein, unser neues Meßmittel an die bestehenden
anzuschließen, insbesondere also den Gradbegriff und die Skala festzulegen. Als
Gradeinheit dient die durch die Celsius-Skala
festgelegte; den Anschluß an die anderen Meßmittel vermittelt das Gasthermometer,
bei dem ein Grad dadurch definiert ist, daß er bei einem idealen Gase unter der
Voraussetzung konstanten Druckes einer Volumenänderung von
\frac{1}{273} des Volumens am Eispunkt bzw. bei konstantem
Volumen einer Druckänderung von \frac{1}{273} des Druckes am
gleichen Fixpunkte entspricht. Diese Eigenschaft der idealen Gase führt bekanntlich
zu der Konsequenz, daß ein solches Gas, falls es sich nicht verflüssigen könnte, bei
273° C das Volumen 0 einnehmen müßte. Dies war der Grund, daß man diese Temperatur,
weil sie die tiefste Temperatur darstellt, die wir uns nach unseren heutigen
physikalischen Vorstellungen denken können, den „absoluten“ Nullpunkt genannt
hat, und daß man die auf diesen Nullpunkt bezogenen Temperaturangaben als
„absolute“ Temperatur schlechthin bezeichnet. Diese Tatsache ist deswegen
an dieser Stelle zu erwähnen, weil die im folgenden zu behandelnden theoretischen
Gesetze bei Benutzung dieser absoluten Zählung besonders einfache Formen annehmen
und man daher bei hohen Temperaturen besonders häufig dem Begriff der absoluten
Temperatur begegnet.
Führen wir diese im vorigen angedeutete Vergleichung durch, so haben wir damit eine
Eichung für unser optisches Pyrometer, die an der durch die jeweiligen
experimentellen Hilfsmittel gegebenen Grenze des Gasthermometers, z. Zt. etwa 1600 °
C, ebenfalls ihren Endpunkt findet. Eine Erweiterung des uns bei Messungen
zugänglichen Temperaturbereiches ist also erst durch Auffindung neuer, sich auf
unsere optische Meßmethode beziehender Gesetzmäßigkeiten zu erreichen. Solche
Gesetze wurden nun ermittelt und sind bekannt unter den Namen Stefan-Boltzmannsches Gesetz, Wien-Plancksche
Strahlungsformel und Wiensches Verschiebungsgesetz. Das
erstgenannte mißt die Gesamtstrahlung eines Körpers, während die beiden anderen die
von ihm bei einer bestimmten Wellenlänge ausgesandte Energie in Abhängigkeit von der
Temperatur quantitativ festlegen.
Wir wenden uns der näheren Erläuterung des Stefan-Boltzmannschen Gesetzes zu. Nehmen wir an, wir hätten einen
glühenden Metalldraht, dem wir auf irgend einem Wege, zum Beispiel elektrisch, eine
gewisse Energiemenge in der Zeiteinheit zuführen, und den wir dadurch im Glühen
erhalten, so verliert dieser Körper bekanntlich die ihm zugeführte Energie zum Teil
durch Wärmeleitung, an allen Stellen nämlich, an denen er mit einem ruhenden
anderen Körper in Berührung ist, zürn Teil durch Konvektion, insoweit nämlich ein
mit ihm in Berührung kommendes Gas sich an ihm erwärmt und die dadurch entstehende
Gaszirkulation stets neue kalte Teilchen an den Körper heranführt und so Verluste
veranlaßt, und zum dritten Teil durch Strahlung, indem der Körper für die
Oberflächeneinheit einen seiner Temperatur und seiner Oberflächenbeschaffenheit
entsprechenden Energiebetrag ausstrahlt. Nehmen wir dann weiter an, daß es uns
möglich wäre, die zur Deckung der Strählungsverluste aufgewandte Energie allein zu
messen, oder daß es uns gelänge, die Verluste der ersten und zweiten Art ganz oder
so zu beseitigen, daß sie im Verhältnis zu der für die Strahlung aufgewandten
Energie nicht. mehr in Betracht kämen (es gelingt dies unter gewissen Bedingungen im
Vakuum), so besagt das Stefan-Boltzmannsche Gesetz, daß
bei allen Temperaturen die gesamte von dem Körper ausgestrahlte Energie proportional
der nten Potenz der absoluten Temperatur ist, in Formel
also E = c Tn.Die genaue Form des Gesetzes ist E = c (Tn
– T0n), wo T die
absolute Temperatur des Körpers, T0 die seiner Umgebung ist. Wegen der
Kleinheit des zweiten Summanden kann dieser meist fortgelassen werden, so
daß das Gesetz die oben angeführte Form erhält. Darin sind c und n Konstanten, die
für den schwarzen Körper die Werte n = 4 und c = 1,28 ∙ 10–12
besitzen.Kurlbaum, Valentiner, Bauer und Moulin. Auch für nicht schwarze Körper
behält das Gesetz bei Aenderung des Exponenten seine Gültigkeit.
Aus der angegebenen Formel ersehen wir, daß die Kenntnis zweier Wertepaare von E und T zur Bestimmung
aller anderen Temperaturen aus den zugehörigen Energien ausreicht. Wir sehen ferner,
daß das Gesetz durch Logarithmieren die Form
log E = log c
+ n log T
erhält, daß wir also, wenn wir bei graphischer Darstellung
dieses Zusammenhanges für E und T logarithmische Maßstäbe benutzen, gerade Linien zu erwarten haben. Es
ist dies deswegen besonders wichtig, weil wir bei dieser Art der Darstellung ohne
besondere Rechnung durch Auftragen zweier Wertepaare und Verbindung derselben durch
eine gerade Linie sofort eine vollkommene Eichung für alle anderen Wertepaare
erhalten.
Wir wenden uns der Erläuterung des Wien-Planckschen
Energie-Verteilungsgesetzes zu, das, zuerst von Wien für
das Gebiet der sichtbaren Strahlung 1896 ausgesprochen, von Planck allgemein formuliert und weiter eingehend theoretisch begründet
wurde. Dieses Gesetz betrachtet nicht die im Stefanschen
Gesetz verwertete Gesamtstrahlung, sondern bezieht sich auf den Energiebetrag, der
bei einer einzelnen Wellenlänge und gegebener Temperatur von dem Körper ausgestrahlt wird. Messen
wir nämlich nicht den Gesamtbetrag der bei bestimmter Temperatur von einem schwarzen
Körper ausgesandten Energie, sondern nehmen diese Messung mit einem geeigneten
Meßmittel, Thermoelement, Bolometer usw., erst nach der Zerlegung in die Energie der
einzelnen Wellenlängen vor, so erhalten wir, wenn wir die Energie in Abhängigkeit
von den Wellenlängen für verschiedene Temperaturen auftragen, das in der Abb. 1 wiedergegebene Bild. Wir ersehen aus ihm, daß
die Kurven bei niedriger Temperatur flach verlaufen, während sie bei höheren
Temperaturen ausgeprägte Maxima aufweisen. Wir sehen ferner, daß dieses Maximum mit
steigender Temperatur nach dem Gebiet der kurzen Wellen hin wandert, und daß der
Gesamtbetrag der Energie, der auf das sichtbare Gebiet, etwa 0,4 bis 0,8 μ,1 μ = 1000 μμ =
0,001 mm. entfällt, nur einen geringen Bruchteil der gesamten
ausgestrahlten Energie darstellt. Die mathematische Formulierung, die Planck diesem
Gesetz gegeben hat, lautet
E_\lambda=c_1\,\lambda^{-5}\,\left\{e^{\frac{c_2}{\lambda\,T}}-1\right\}^{-1}
und kann bei allen Temperaturen bis etwa 4000 ° auf das
sichtbare Gebiet in der von Wien zuerst angegebenen einfacheren Form
E_\lambda=C_1\,\lambda^{-5}\,.\,e^{-\frac{c_2}{\lambda\,T}}
angewandt werden. Darin bedeuten c1 und c2 Konstanten, e die Basis des Systems der natürlichen Logarithmen und λ die Wellenlänge, bei der die Energie Eλ gemessen wird. Für
nicht schwarze Körper nimmt in dieser Formel der Potenzexponent von λ Werte an, die zwischen – 5 und 6 liegen.
Textabbildung Bd. 328, S. 517
Abb. 1.
Auch dieses Gesetz zeigt nach der Logarithmierung eine einfache
Darstellungsmöglichkeit:
\mbox{ln}\,E_\lambda=\mbox{ln}\,c_1-5\,\mbox{ln}\,\lambda-\frac{c_2}{\lambda\,T}=b-\frac{c_2}{\lambda\,T}.
Da wir unsere Messungen bei der gleichen Wellenlänge ausführen werden, Eλ und T also die einzigen Variablen sind, so ersehen wir, daß
wir durch Darstellung von Eλ in logarithmischem Maßstabe – Eλ ist, da wir uns im sichtbaren Gebiet
befinden, proportional der Zahl der gemessenen K bzw.
K/qmm – über der reziproken absoluten Temperatur
eine gerade Linie erhalten.
Wie wir bereits an Hand unserer Abb. 1 feststellten,
verschiebt sich das Energiemaximum mit wachsender Temperatur nach dem kurzwelligen
Gebiet. Eine einfache mathematische Ueberlegung, auf die oben angegebene Wiensche Formel angewandt, führt zu der dieser
Verschiebung zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeit, dem sogen. Wienschen Verschiebungsgesetz.
λm T =
konst.
Darin ist λm die zum Maximalwert der Energie gehörige Wellenlänge. Der Wert
der Konstanten, etwa 0,294, lehrt, daß das Energiemaximum erst bei etwa 3700 ° abs.
in das sichtbare Gebiet eintritt.
Aus der letztgenannten Zahl wie aus der Tatsache, daß sich das Stephansche Gesetz auf die Gesamtstrahlung bezieht, ersehen wir, daß für
die optische Temperaturmessung, wie sie im allgemeinen durch die heutigen
Bedürfnisse gegeben ist, das Wien-Plancksche Gesetz die
Hauptrolle spielt. In der Tat werden die beiden anderen angeführten Gesetze nur zur
Bestätigung der dadurch erhaltenen Angaben benutzt, und die Wien-Plancksche Strahlungsformel bleibt die für die optische
Temperaturmessung maßgebende Grundlage.
Die Bedeutung dieser Formel drückt sich auch darin aus, daß sie zur Bestimmung
anderer wichtiger Größen dienen muß, wie wir sogleich sehen werden. Nehmen wir zum
Beispiel den häufig eintretenden Fall an, daß die Strahlung eines Körpers, dessen
Temperatur wir bestimmen wollen, durch eine Glasschutzhülle hindurch muß, so erfährt
die Strahlung des Körpers dadurch eine Schwächung. Die absolute schwarze Temperatur,
die wir dann auf Grund der Flächenhelligkeit nach dem Durchgange durch die Glashülle
messen, sei T2, so
ist
\mbox{ln}\,E_2=b-\frac{c_2}{\lambda\,T_2}.
Ist dann T1 die schwarze Temperatur, die wir ohne Schutzhülle messen
würden, so wäre
\mbox{ln}\,E_1=b-\frac{c_2}{\lambda\,T_1}.
Nennen wir also \frac{E_2}{E_1}=\varphi das
Schwächungsverhältnis, so ist dieses gegeben durch die Gleichung
\mbox{ln}\,\frac{E_2}{E_1}=\mbox{ln}\,\varphi=\frac{c_2}{\lambda}\,\left(\frac{1}{T_1}-\frac{1}{T_2}\right).
Es ist also, da auf der rechten Seite nur bekannte Größen stehen, eine Messung der
Abschwächung möglich. Auf diese Weise können die Korrektionen gemessen werden, die
dadurch entstehen, daß man vor einen zu messenden Körper Glasplatten, Linsen oder
Absorptionsgläser schaltet.
Eine ähnliche Ueberlegung gilt für die Bestimmung der „wahren“ absoluten
Temperatur aus der gemessenen „schwarzen“ Temperatur. Diese gibt uns nach
unserer Definition
die Temperatur an, bei der ein schwarzer Körper, bei der gleichen Wellenlänge
gemessen, dieselbe Kerzenzahl f. d. qmm besitzen würde. Die schwarze Temperatur
entspricht also der Gleichung
\mbox{ln}\,E_s=b-\frac{c_2}{\lambda\,T_3}
und die wahre Temperatur der Gleichung
\mbox{ln}\,E_w=b-\frac{c_2}{\lambda\,T_w},
woraus
\mbox{ln}\,\frac{E_s}{E_w}=\frac{c_2}{\lambda}\,\left(\frac{1}{T_w}-\frac{1}{T_s}\right).
Der Quotient \frac{E_s}{E_w} gibt aber nichts anderes an, als das
Verhältnis der Emission des fraglichen Körpers zu der eines schwarzen Körpers
gleicher Temperatur; er ist also das Emissionsvermögen dieses Körpers. Nun besagt
das Kirchhoffsche Gesetz (1860), daß das
Emissionsvermögen eines Körpers, gemessen bei einer bestimmten Wellenlänge, seinem
Absorptionsvermögen für dieselbe Wellenlänge proportional ist, oder, wenn wir mit
eλ das
Emissionsvermögen bezeichnen,
eλ =
e0 ∙ Aλ.
Haben wir es also mit einem schwarzen Körper zu tun – für ihn ist Aλ = 1 – so wird eλ gleich e0. e0 stellt also das
Emissionsvermögen eines schwarzen Körpers dieser Temperatur dar. Setzen wir die neu
eingeführten Größen in die obige Gleichung ein, so erhalten wir
\mbox{ln}\,\frac{e_0\,A_\lambda}{e_0}=\mbox{ln}\,A_\lambda=\frac{c_2}{\lambda}\,\left(\frac{1}{T_s}-\frac{1}{T_w}\right).
Das Wiensche Gesetz bietet uns also auch ein Mittel, das
Absorptionsvermögen eines Körpers durch gleichzeitige Messung seiner
„schwarzen“ und „wahren“ Temperatur zu bestimmen bzw., wenn das
Absorptionsvermögen bekannt ist, die eine Größe aus der gemessenen anderen
festzustellen. Die letzgenannte Formel wird nach den Forschern, die sie zu dem
genannten Zweck zum ersten Male benutzten, vielfach die Holborn-Henningsche FormelHolborn und Henning,
Berl. Akad. Ber. 1905, 311. genannt.
Wir könnten damit zu den in der Praxis angewandten Meß- und Eichmethoden übergehen,
wenn nicht noch über die Konstante c2 einige Bemerkungen zu machen wären. Wie
aus der angegebenen Gleichung
E_\lambda=c_1\,.\,\lambda^{-5}\,.\,e^{-\frac{c_2}{\lambda\,T}}
hervorgeht, ist sie, wenn c1 und λ
bekannt sind und Eλ
gemessen wird, bestimmend für die sich durch Ausrechnung dieser Gleichung ergebende
Temperaturskala. Die Temperaturskala ist eigentlich völlig definiert durch den
Anschluß an das Gasthermometer. Dieser bis zum Schmelzpunkt des Palladiums
durchgeführte Anschluß hat nun bei verschiedenen Beobachtern verschiedene
Temperaturwerte ergeben, so daß dementsprechend zurzeit drei verschiedene
Temperaturskalen mit drei verschiedenen c2 in Benutzung sind. Die verschiedenen
Werte sind in Tab. 1 zusammengestellt.
Tabelle 1.
Schmelzpunkte des
c2
Goldes
Palladiums
Platins
14200
1065
1575
1782
14500
1063
1549
1752
14600
1064
1541
1745
In letzter Zeit ausgeführte Beobachtungen, inbesondere in der Reichsanstalt
durchgeführte MessungenWarburg, Leithäuser, Hupka, Müller, Annalen der
Physik 40 (1913) 609. deuten darauf hin, daß 14400 der der
Wirklichkeit am nächsten kommende Wert sein dürfte; die in dieser Zusammenstellung
gemachten Temperaturangaben beziehen sich auf den zurzeit meistbenutzten Zahlenwert
c2 = 14500.
Die Literatur des letzten Jahrfünfts weist aus dem genannten Grunde verschiedene
Temperaturangaben auf, die bald in dieser, bald in jener Skala gemacht sind. Das von
den Autoren angegebene c2 ist dann entscheidend für die Umrechnung der verschiedenen Angaben
auf dieselbe Basis. Tabellarisch zusammengestellt sind diese Umrechnungszahlen in
Tab. 2v. Pirani und Meyer,
Verh. d. D. Phys. Ges. 14 (1912; 429..
Tabelle 2.
c2 =
14200°C
c2 =
14500°C
c2 =
14600°C
c2 =
14200°C
c2 =
14500°C
c2 =
14600°C
1100
1099
1099
2600
2534
2513
1200
1196
1196
2700
2627
2604
1300
1294
1293
2800
2720
2695
1400
1391
1390
2900
2813
2785
1500
1489
1486
3000
2905
2875
1600
1586
1581
3100
2997
2965
1700
1681
1675
3200
3089
3055
1800
1777
1769
3300
3181
3144
1900
1873
1863
3400
3272
3233
2000
1968
1957
3500
3363
3321
2100
2063
2051
3600
3454
3409
2200
2158
2144
3700
3545
3497
2300
2252
2237
3800
3635
3584
2400
2346
2329
3900
3725
3671
2500
2440
2421
4000
3815
3758
(Schluß folgt.)