Titel: Zeichnerisches Verfahren zur Bestimmung von Spannungen in Trägern mit Anwendung auf Eisenbetonträger.
Autor: Siegmund Löschner
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 356
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Zeichnerisches Verfahren zur Bestimmung von Spannungen in Trägern mit Anwendung auf Eisenbetonträger. Von Siegmund Löschner in Saarbrücken. (Schluß von S. 342 d. Bd.) LOESCHNER: Zeichnerisches Verfahren zur Bestimmung von Spannungen in Trägern usw. Rechnungsbeispiel. (Abb. 3.) Die Endstation einer Drahtseilbahn befindet sich auf einem hohen Turme aus Eisenbeton. Der Querschnitt des Turmes ist ringförmig (schornsteinartig). Sein Außendurchmesser beträgt 300 cm, der innere Durchmesser 180 cm. Ganz am äußeren Rande des Ringes ist eine konzentrisch angeordnete Eisenbewehrung von zusammen 750 qcm vorgesehen. Der Randabstand des Betons und der Eisenbewehrung ist gleich 150 cm; a = – i = 150 cm. Der Koordinatenursprung ist im Mittelpunkt angenommen.
[Textabbildung Bd. 328, S. 356]
Abb. 3.
Die auf die Drahtseilbahnstation sowie auf den Turm von den Seilspannungen und vom Wind ausgeübten Kräfte ergeben im gefährlichen Querschnitt des Turmes eine zentrische Normalkraft von N = 150000 kg und ein Moment M = 450000 kgm. Die noch auftretende wagerechte Querkraft sei vernachlässigt. Die Exzentrizität der senkrechten Kraft N beträgt infolge der Wirkung des Momentes M e=MN=450000150000=3,0 m=300 cm. Der Querschnitt wurde in 15 gleich breite Streifen (Abb. 4.) unterteilt. Die Betonflächen dieser Streifen wurden ausgerechnet und im Kräftepolygon aufgetragen. Die Längen sind im Maßstab 1 : 30, die Flächen im Kräftepolygon im Maßstab 1 mm – 300 qcm gezeichnet. Die Betonquerschnitte betragen: ΔF1= ΔF1' = 2000 qcm; ΔF2 = ΔF2' = 3600 qcm; ΔF3 = ΔF3'= 4400 qcm; ΔF4 = ΔF4' = 3520 qcm; ΔF5 = ΔF5' = 2800 qcm; ΔF6 = ΔF6' = 2600 qcm; ΔF7 = ΔF7' = 2480 qcm; ΔF8 = 2400 qcm. Die Eisenflächen werden nicht einzeln aufgetragen, da der erwähnte Fall vorliegt, daß sowohl der Schwerpunkt, als auch das Trägheitsmoment leicht zu finden sind. Der Wert von n wird, wie üblich, gleich 15 angenommen. nFe = 15 × 750 = 11250 qcm, NJe=nFe15022=126562500 cm4. Die Polweite H1 wurde gleich 200 cm angenommen. Es wurde nun zunächst das erste Seilpolygon sb und die Endtangente ti gezeichnet. Die Seilseiten wurden bis zur Y-Achse verlängert und ergaben ein Kräftepolygon, zu welchem mit der Polweite H2 = e = 300 cm ein zweites Seilpolygon gezeichnet wird. Zuvor muß jedoch die Tangente t'a des zweiten Polygons gefunden werden. Diese Tangente verläuft parallel zur Tangente t'i = ti und hat von ihr den Abstand nJeH1H2=126562500200×300 cm4=2109 qcm, der im Flächenmaßstab gemessen 2109 qcm300 qcm/mm=7,03 mm mm ergibt. Nun wird das zweite Seilpolygon s'b gezeichnet. Der Schnittpunkt von s'b und sb ergibt die Lage der Nullachse. ξ = + 13,3 cm, \frakfamilyN=\frakfamilyZ=30 mm in der Zeichnung, somit 13,3 mm × 300 qcm/mm = 4000 qcm, \frakfamilyN=\frakfamilyNH1=4000×200=800000 cm3, σab=N\frakfamilyR(aξ)=150000800000(15030)5           =22,5 kg/qcm (Druck). Die größte Eisenspannung beträgt σie=σabn1ξaξ=22,5×15180120           =506 kg/qcm (Zug).
[Textabbildung Bd. 328, S. 357]
Abb. 4.
Dünnwandiger Röhrenträger (Ringquerschnitt). Für den dünnwandigen Ringquerschnitt seien die analytischen Formeln zur Berechnung der Lage der Nullachse und der Spannungen ausgerechnet. Diese Formeln können zur vorläufigen Querschnittsbemessung benutzt werden bei allen röhrenartigen stabförmigen Trägern aus Eisenbeton, Mauerwerk usw. für Schornsteine, die auf exzentrischen Druck beansprucht werden usw. Unter dünnwandig sei ein Ringquerschnit verstanden, bei dem es statthaft ist anzunehmen, daß die Spannungen in allen Punkten der Wand, die auf einem Leitstrahl liegen, konstant ist, obwohl diese einzelnen Punkte offenbar einen verschiedenen Abstand von der Nullachse haben. Es ist klar, daß dies nur zulässig ist, wenn das Verhältnis der Wandstärke δ zum mittleren Halbmesser des Ringes klein ist. In allen anderen Fällen ist es eine Annäherung. Die Eisenarmierung, die als durchaus gleichmäßig verteilt angenommen ist, denke man sich in ein eisernes Rohr verwandelt, dessen Wandstärke δe=Fe2πr ist, wobei Fe den Gesamtquerschnitt der Armierung bedeutet. Die unbekannte Lage der Nullachse sei durch den Abstand ξ = r cos γ gekennzeichnet (Abb. 5), x = r cos φ. Die Winkel φ und a seien die Winkelkoordinaten der Ringpunkte, bezogen auf die x-Achse.
[Textabbildung Bd. 328, S. 357]
Abb. 5.
Wir rechnen zunächst die einzelnen Ausdrücke der Gleichung 2 aus. Der Ringmittelpunkt ist der Koordinatenursprung: n ∑e  ΔF (x – ξ) =  n ∑e ΔFx – n ∑e ΔFξ = – n ξFe, da e ΔeFx = 0 ist, ΔbΔF(xξ)=20γδ(cosφcosγ)dφ=2r2δ(sinγγ.cosγ), n ∑e  ΔFx (x – ξ) =  n ∑e ΔFx2 = nJe = nπr3 δe. ΔbΔF(xξ)=20γr3δcosφ(cosφcosγ)dφ=r3δ(γsinγcosγ), Somit lautet Gleichung 2 e=MN=\frakfamilyZ\frakfamilyN=r3δ(γsinγcosγ)+nπr3δe2r2δ(sinγγcosγ)nFeξ oder e=rδ(γsinγcosγ)+nπδe2[δ(sinγγcosγ)nπδecosγ] . . (2) Die Gleichung 3 erhält die Form: σba=N\frakfamilyN(aξ)=N(1cosγ)2r[δ(sinγγcosγ)nδeπcosγ] . . (3)       =M\frakfamilyZ(aξ)=M(1cosγ)r2[δ(γsinγcosγ)+nπδe] Die Gleichung 1 lautet nun: σbφ=σbacosφcosγ1cosγ, σeφ=nσba.cosφcosγ1cosγ. Die Lösung der Gleichung 2 kann probeweise erfolgen, was um so leichter geht, als man gewöhnlich die Lage der Nullachse, also die Größe der Unbekannten a, abschätzen kann. Nach Auflösung der Gleichung 2 bietet die Berechnung keine weiteren Schwierigkeiten.