Titel: | Moderne Probleme der drahtlosen Telegraphie. |
Autor: | Paul Ludewig |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 274 |
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Moderne Probleme der drahtlosen
Telegraphie.
Von Dr. Paul Ludewig, Privatdozent an
der Bergakademie Freiberg.
LUDEWIG: Moderne Probleme der drahtlosen Telegraphie.
1. Einleitung. Auf der im Juni vorigen Jahres in London abgehaltenen zweiten
internationalen radiotelegraphischen Konferenz wurden Beschlüsse gefaßt,
die für die Praxis der drahtlosen Telegraphie von der größten Bedeutung sind. Aus
dem Bericht, den der Delegierte Deutschlands über die Geschäfte der im Jahre 1906
auf der ersten Berliner Konferenz ins Leben gerufenen internationalen Union
erstattete, geht hervor, daß die Berliner Konvention damals von nur 27 Staaten
unterzeichnet wurde, daß dagegen im Laufe der Zeit so gut wie alle Staaten den
Verträgen beigetreten sind, sogar England, das anfangs den Berliner Bestrebungen
vollkommen ablehnend gegenüberstand. Ein Vergleich des Londoner und des Berliner
Vertrages zeigt, wie wesentlich der Fortschritt ist, der durch den neuen Vertrag
erreicht ist. Damals wurde nur die Bestimmung durchgesetzt, daß die Bordstationen
mit den Küstenstationen und umgekehrt verkehren müßten. Ebenso wichtig wäre die
Bestimmung gewesen, daß Bordstationen auch untereinander verkehren müßten. Die
Bedeutung dieser letzteren Bestimmung ist wohl besonders bei dem Untergang der Titanic hervorgetreten. Sie wurde auf dem
Berliner Kongreß nur in einem Zusatzabkommen aufgenommen, das von einer großen
Anzahl Staaten, wie England, Itatien, Portugal, den Vereinigten Staaten usw. nicht
unterzeichnet wurde. Dieser Widerstand ging speziell von Marconi aus, der sich auch weiterhin energisch weigerte, die nach seinem
System gebauten Stationen mit einer Station eines anderen Systems verkehren zu
lassen. Wenn jetzt auf der Londoner Konferenz sämtliche Staaten ihre Stationen
verpflichtet haben, ohne Rücksicht auf das benutzte System miteinander zu verkehren,
so ist gerade im Hinblick auf die Titanic-Katastrophe diese Aenderung als wichtigste
Errungenschaft der Konferenz anzusehen.
Auch hinsichtlich einer großen Anzahl anderer, neuerer Bestimmungen hat der große
Schiffsuntergang wesentliche Aenderungen veranlaßt. So müssen in Zukunft Notrufe
jeder Art sofort aufgenommen werden, so haben sich die einen Notruf
vernehmenden Stationen in jeder Beziehung hinsichtlich des telegraphischen Verkehrs
nach den Wünschen des in Not geratenen Schiffs zu richten, so haben die großen
Bordstationen ununterbrochenen Dienst einzurichten und mit der Normalwellenlänge von
600 m während der ersten zehn Minuten jeder Stunde in Hörbereitschaft zu stehen
usw.
Mit diesen internationalen Beschlüssen ist für den praktischen Verkehr der Stationen
für drahtlose Telegraphie ein bedeutsamer Abschluß
erfolgt. Das Problem einer großzügigen praktischen Verwendung der Telegraphie ist
jetzt in befriedigender Weise gelöst worden, so daß heute z.B. die Uebermittlung
eines Telegramms von jeder beliebigen Telegraphenstation an irgend ein in Fahrt
befindliches Schiff einen gleich sicheren Weg geht, wie jedes Telegramm zwischen
zwei Telegraphenstationen des Festlandes.
Neben dieser Londoner Konferenz hat das verflossene Jahr noch ein zweites Ereignis
gebracht, das für die weitere Entwicklung des internationalen drahtlosen Verkehrs
von großer Bedeutung ist. Die beiden führenden Gesellschaften auf dem Gebiete der
drahtlosen Telegraphie, die englische Marconi-Gesellschaft und die deutsche Telefunken-Gesellschaft, haben sich bisher sehr energisch bekämpft und die
oben erwähnte Weigerung der Marconi-Gesellschaft, ihre
Stationen mit Stationen anderen Systems verkehren zu lassen, war eine der
unliebsamsten Folgen dieses erbitterten Konkurrenzkampfes. Die beiden Gesellschaften
haben sich gegenseitig die Verletzung ihrer wichtigsten Patente vorgeworfen, so daß
auf beiden Seiten sehr große Summen für den einsetzenden Patentkampf geopfert
wurden.
Dieser Kampf ist jetzt beigelegt. Sie haben beide die noch schwebenden Patentklagen
zurückgezogen und sich gegenseitig die Gültigkeit einer Anzahl von wichtigen
Patenten zuerkannt.
Wenn auch mit diesem Friedensschluß für beide Seiten Vorteile erreicht sind, so ist
doch der Sieg, den die deutsche Gesellschaft damit erreicht hat, ganz unverkennbar.
Gleich von
Beginn der Entwicklung an nahm die Marconi-Gesellschaft
eine gewisse Monopolstellung ein. Die Gesellschaft, die jetzt über ein Aktienkapital
von 20 Millionen Mark verfügt, hatte sich die Lieferungen der wichtigsten Staaten zu
sichern gewußt. Gegen diesen starken Gegner hatte die erst zehn Jahre später
gegründete Telefunken-Gesellschaft einen sehr schweren
Stand. Trotzdem hat sie es erreicht, daß heute nach 15 jährigem Konkurrenzkampf von
den 3000 Radiostationen der ganzen Welt, also auch mit Einschluß der Stationen der
anderen Systeme, die außer Marconi und Telefunken Stationen bauen, etwa 45 v. H. auf das
Telefunkensystem entfallen.
Dieser Aufschwung der deutschen Gesellschaft hat die Marconi-Gesellschaft wieder zu erneuten Bestrebungen veranlaßt und die
Durchführung des neuen Planes Marconis muß unbedingt als
ein großzügiger und wichtiger Faktor in der englischen Machtstellung angesprochen
werden. Sämtliche englischen Kolonien, und zwar zunächst
Aegypten, Britisch-Ostafrika, Indien, Singapore, Hongkong und Westafrika werden
danach durch radiotelegraphische Großstationen verbunden werden. Im letzten Jahre
ist zwischen der Marconi-Gesellschaft und der englischen
Regierung ein Vertrag zustande gekommen, nach dem diese Stationen vom Staat
übernommen werden. Die Stationen werden, um die großen Entfernungen von 4000 km und
mehr überbrücken zu können, je mit einer Leistung bis zu 2500 PS ausgerüstet. Der
eigentliche Sendedraht wird eine Länge von 900 m erhalten und von zehn 90 m hohen
Masten getragen werden. Für jede der Großstationen zahlt die Regierung 1,2 Millionen
Mark, Dazu erhält die Marconi-Gesellschaft als Entgelt
für die Benutzung der Marconi – Patente auf die Dauer von
28 Jahren 10 v. H. der Einnahmen aus dem Betriebe der Stationen.
Das verflossene Jahr bildet demnach in mehr als einer Beziehung einen gewissen Abschluß in der Entwicklung der drahtlosen Telegraphie,
so daß es fast den Anschein hat, als ob das ganze Problem seiner endgültigen Lösung
entgegengeführt sei. Ich möchte in meinen folgenden
Ausführungen zeigen, daß dies nicht der Fall ist, daß wir vielmehr mitten in
einer an glänzenden Erfolgen reichen Entwicklung stehen und daß gerade das
letzte Jahr neue, wichtige Fragen gestellt hat.
II. Die Antennenform. Das Problem der drahtlosen
Nachrichtenübermittlung mit elektrischen Wellen zerfällt in drei Einzelprobleme. Auf
einer Sendestation muß nach einer Methode gesucht werden, die mit möglichst großer
Energie elektrische Wellenimpulse von ganz bestimmten Eigenschaften auszusenden
gestattet, auf der Empfangsstation müssen diese Impulse in möglichst günstiger Weise
aufgenommen und durch möglichst empfindliche Detektoren zur sinnlichen Wahrnehmung
gebracht werden; daneben taucht noch die dritte Frage auf, die sich erst nach
praktischen Versuchen zur Diskussion gestellt hat und die im Gegensatz zu den
beiden ersten Fragen wesentlich theoretisches Interesse hat: welche Rolle spielt der
von den Wellen durcheilte Zwischenraum zwischen Sende- und Empfangsstation?
Es ist wohl zweckmäßig, das, was Sende- und Empfangsstation gemeinsam hat, nämlich
die Antenne, das eigentliche Wahrzeichen einer drahtlosen
Station vorweg zu behandeln. Sie hat auf der Sendestation die Aufgabe, die irgendwie
erzeugten elektrischen Schwingungen dem Aether zu übermitteln und auf der
Empfangsstation sich von den ankommenden Schwingungen Wegen zu lassen und dadurch
den Detektor zum Ansprechen zu bringen. Sie bildet in jeder ihrer verschiedenen
Formen einen elektrischen Schwingungskreis. Während aber der gewöhnliche elektrische
Schwingungskreis aus einer Hintereinanderschaltung von reiner Selbstinduktion und
reiner Kapazität besteht besitzt die Antenne eine auf ihre Länge verteilte
Selbstinduktion und Kapazität. Wenn dadurch auch für die rein theoretische
Betrachtung spezielle Schwierigkeiten entstehen, so bleibt das ganze Gebilde doch
ein Schwingungskreis. Nur hat er infolge dieser besonderen Induktions- und
Kapazitätsverteilung eine Fähigkeit erlangt, die dem normalen geschlossenen
Schwingungskreis nicht zu eigen ist und auf dem eben die Möglichkeit der drahtlosen
Telegraphie beruht: er strahlt die Wellen in den Raum hinaus und kann von
herankommenden Wellen zum Mitschwingen erregt werden.
Bei Marconi bestand dieser offene Schwingungskreis, die
Antenne, wie er sie nannte, aus einem gerade in die Höhe gespannten Draht, der unten
über die Senderesp. Empfangsapparatur an Erde gelegt wurde. Bei dieser Anordnung
wird die eine Belegung der Kapazität von der Erde, die andere von dem nach oben
gehenden Draht gebildet, während die Selbstinduktion längs des Drahtes verteilt ist.
Diese einfache Antenne wird heute bei festen Stationen nicht mehr benutzt, weil die
wirksame Kapazität und damit die Größe der ausgestrahlten Energie nicht sehr groß
ist. Sie wird nur noch bei fahrbaren Militärstationen benutzt, bei denen der Draht
durch einen kleinen Ballon oder bei genügender Windstärke durch einen Drachen in die
Höhe genommen wird.
Mit der Zeit haben sich bei den festen Stationen andere Formen eingebürgert. Sind
zwei feste Masten vorhanden, wie auf den meisten Schiffen, so gibt man der Antenne
eine T-Gestalt. Zwischen den Spitzen der Masten spannt
sich ein wagerechtes Drahtseil, von dessen Mitte ein Draht nach unten geht. Oder man
läßt nach Art eines Fächers eine große Anzahl Drähte von
einem Punkte aus nach dem Horizontaldraht gehen. Besonders viel werden in neuester
Zeit sogenannte Schirmantennen gebaut. Eine derartige
Form hatte die kürzlich zusammengestürzte Antenne der Nauener Station. Dort diente
der eiserne Turm, der zuletzt bis zu 200 m Höhe hinaufgeführt war, selbst als
Antennenteil. Von seiner Spitze gingen nach allen Seiten Drähte aus, die in einer
gewissen Höhe über dem Boden endeten und dort durch isolierte Spanndrähte gehalten
wurden. Das Ganze bekam so die Form eines Schirmgestelles in aufgespanntem Zustande. Der
Vorteil dieser Anordnung ist das Vorhandensein einer großen Kapazität, so daß große
Energiemengen ausgesandt werden können. Die spezielle Form der Nauener Antenne mit
dem aus vielen Abbildungen bekannten Gitterturm wird von der Telefunkengesellschaft bei den von ihr gebauten Großstationen fast
allgemein ausgeführt.
Während man in der ersten Entwicklungszeit der drahtlosen Telegraphie der Ansicht
war, daß die Benutzung der Erde als zweite
Kapazitätsbelegung von großer Wichtigkeit sei, ist man in letzter Zeit etwas anderer
Ansicht geworden. Der ideale Fall eines offenen Schwingungskreises ist durch zwei
gleich lange Drähte gebildet, in deren Mitte die eigentliche Sende- resp.
Empfangsapparatur eingeschaltet ist. Spannt man, wie bei Marconis ersten praktischen Erfolgen, nur den oberen Drahtteil aus und
ersetzt den unteren durch einen Anschluß an Erde, so übernimmt die Erde die Rolle
des unteren Antennendrahtes. Man kann aber auch andererseits diese Erdung
dadurch ersetzen, daß man als unteren Antennenteil ein über der Erde ausgespanntes
ziemlich großes Drahtnetz benutzt. Es ist wichtig, zu wissen, welche Anordnung
zweckmäßiger ist. Aus eingehenden, vor kurzem in der Göttinger Station für drahtlose
Telegraphie gemachten Versuchen geht hervor, daß bei direkter Erdung der Antenne die
Dämpfung der Antennenschwingungen wesentlich größer ist als bei Benutzung eines
Gegengewichtes, und daß die Dämpfung immer kleiner wird, je höher man das
Gegengewicht über dem Erdboden ausspannt. Benutzt man bei der drahtlosen
Ueber-tragung ungedämpfte Schwingungen, so ist zu einer scharfen Abstimmung und
damit zu einem höheren Grad von Störungsfreiheit durch andere
Stationen eine möglichst ungedämpfte Antenne von großem Vorteil. Es wird
daher dort, wo auf diesen Gesichtspunkt großer Wert gelegt wird, heute allgemein mit
Gegengewicht gearbeitet.
(Fortsetzung folgt.)