Titel: | Der Einphasen-Wechselstrommotor. |
Autor: | A. Linker |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 795 |
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Der Einphasen-Wechselstrommotor.
Bauart, Wirkungsweise und Eigenschaften der bisher
angegebenen Konstruktionen.
Von Dipl.-Ing. A. Linker.
(Fortsetzung von S. 781 d. Bd.)
Der Einphasen-Wechselstrommotor.
V. Abschnitt.
Motoren mit vereinigter Wirkungsweise verschiedener
Klassen.
Bei den bisher behandelten Motorgattungen zeigte es sich, besonders in den ersten
Jahren der Entwicklung, daß sie nicht vollständig über den ganzen Arbeitsbereich vom
Anlauf bis zur normalen Leistung gleich günstige Eigenschaften besaßen, sondern die
eine Art sich vorteilhafter beim Anlauf, die andere günstiger bei normaler Belastung
erwies. Es lag daher der Gedanke nahe, die Wirkungsweise beider Typen in einem Motor
zu vereinigen, so daß er ihre Vorzüge besaß, ohne die Nachteile zur Geltung bringen
zu können. Während beispielsweise der Induktionsmotor von selbst nicht anläuft,
dagegen beim Lauf einen günstigen Wirkungsgrad und Leistungsfaktor besitzt und seine
Umdrehungszahl innerhalb der Belastungsgrenzen nur um wenige Prozente ändert, zeigt
der Repulsionsmotor ein kräftiges Anlaufsmoment, welches jedoch bei Synchronismus
klein ist. Außerdem ist seine Umdrehungszahl sehr stark mit der Belastung
veränderlich. Läßt man aber bei entsprechender Schaltung den Motor beim Anlauf mit
Repulsion oder Hintereinanderschaltung, bei normaler Last nach dem Induktionsprinzip
arbeiten, so erweist er sich als praktisch recht brauchbar, wie wir es später bei
den von Arnold und Schüler
konstruierten Motoren sehen werden.
Textabbildung Bd. 322, S. 795
Fig. 134.
Textabbildung Bd. 322, S. 795
Fig. 135.
Wenden wir uns nun den einzelnen Ausführungsformen zu, so finden wir, daß schon im
Jahre 1888 von A. M. Taylor (17) eine Vereinigung der Wirkung eines Nebenschlußmotors mit derjenigen
eines Synchronmotors veröffentlicht worden ist, wie Fig.
134 zeigt. Die Armatur A hat eine offene
Wicklung mit einzelnen Spulen und doppelt so viel Kommutatorlamellen K. Diese sind abwechselnd mit den Schleifringen s verbunden, denen der Wechselstrom durch Bürsten
zugeführt werden kann. Beim Anlauf wird der Umschalter S auf die Kontakte a gelegt, dann liegen Feld
F und Anker A parallel
zueinander und der Strom geht über die Bürsten zum Kommutator. Ist die synchrone
Geschwindigkeit nahezu erreicht, so wird S nach den
Kontakten b gelegt; dann erhält nur der Anker A den Wechselstrom über die Schleifringe, während das
Feld vom Anker mit Gleichstrom erregt wird.
Ferner ist von E. Thomson (61) eine KonstruktionE. T. Z. 1890, S.
441. angegeben, die beim Anlauf als reiner Hauptschlußmotor, bei
Belastung als Induktionsmotor arbeitet. In Fig. 135
ist A die Armatur, F das
Magnetfeld. Beide besitzen ausgeprägte Polwicklung, was für die Wirkungsweise
nachteilig ist. Hat der Anker eine bestimmte Umdrehungszahl erreicht, so wird der
Schalter S eingelegt, wobei gleichzeitig die
Kommutatorlamellen von Schleiffedern kurzgeschlossen und die Bürsten abgehoben
werden, so daß er als Induktionsmotor weiter arbeitet. Die Kurzschluß- und
Bürstenabhebevorrichtung kann auch automatisch durch einen Zentrifugalregulator
betätigt werden.
Textabbildung Bd. 322, S. 795
Fig. 136.
Textabbildung Bd. 322, S. 795
Fig. 137.
Auch N. Tesla (91) hat
allerdings nur für den Anlauf einen Synchronmotor mit einem asynchronen gekuppelt.
Diese Anordnung ist jedoch zu kompliziert, um praktische Bedeutung zu haben.
Die Nachteile der bisher angegebenen Konstruktionen beseitigt E. Arnold (116, 117) dadurch, daß er den
primären Teil (Fig. 136) als gleichmäßig verteilte
Wicklung ausführt und Feld F wie Anker A von den Sekundärwicklungen IIa und IIb eines Transformators T speist. Bei einer anderen Ausführung (Fig.
137) ist der Ankerstrom durch Verschieben eines Kontaktes K, der die Windungszahl von IIb zu ändern gestattet, regulierbar. Hat
der Motor eine bestimmte Geschwindigkeit erlangt, so wird K nach a gelegt, wodurch der Anker
kurzgeschlossen wird und der Motor bei maximaler Spannung als Repulsionsmotor
weiterläuft. Die erfolgreichste Bauart des Wechselstommotors von E. Arnold gibt jedoch Fig.
138. Die Statorwicklung wird dabei direkt ans Netz gelegt und die
Rotorwicklung ist über Bürsten kurzgeschlossen, deren Entfernung einer Polteilung
entspricht. Der erste Motor dieser Art wurde von der Maschinenfabrik Oerlikon (121) ausgeführt.
Damit man die Bürsten beim Lauf abheben kann, werden die Kommutatorlamellen durch
einen Metallring R entweder von Hand (Fig. 136 u. 137) oder
automatisch kurzgeschlossenE. T. Z. 1893, S.
300.. Dieser Motor ist nach einem Patent von E. Arnold (160) aus dem
Jahre 1896 mit einigen Verbesserungen der Kurzschlußvorrichtung von der Wagner El & Mfg. Co., St. Louis soweit
durchgebildet, daß er als der erste praktisch brauchbare EinphasenmotorEl., 21. August 1903, Bd. 51, S. 743.El. Anz. 1903. S. 2319. eine große Verbreitung, speziell in
Amerika unter dem Namen „Wagner-Motor“, gefunden
hat, wo das Einphasensystem mehr eingeführt ist als in Europa.
Textabbildung Bd. 322, S. 796
Fig. 138.
Der Motor (Fig. 138) besteht aus einem mit
gleichmäßig verteilter Wicklung versehenen Feld F und
einem Trommelanker A mit Kommutator. Die Lauffläche des
Kommutators liegt in einer Ebene senkrecht zur Achse und die Bürsten sind achsial
angeordnet. Er läuft als Repulsionsmotor mit kurzgeschlossenen Bürsten an. Sobald
eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht ist, welche nicht weit von Synchronismus
abweicht, wurden bei der älteren Ausführung die Lamellen vermittels eines
Zentrifugalregulators durch einen in den Kommutator eingeschobenen federnden Ring
kurzgeschlossen. Neuere Typen haben statt des Kurzschlußringes ein System von
kleinen radial angeordneten Lamellen l, welche durch
die Zentrifugalkraft gegen die Innenfläche des Kommutators gepreßt werden. Der Motor
läuft dann als asynchroner Induktionsmotor weiter. Tritt infolge Ueberlastung eine
zu große Schlüpfung ein, so daß ein Außertrittfallen eintreten könnte, dann wird der
Kurzschluß selbsttätig geöffnet und die Maschine arbeitet als Repulsionsmotor
weiter. Infolge seiner günstigen Betriebseigenschaften eignet er sich daher
besonders für den Antrieb von Aufzügen. Werkzeugmaschinen und Anlagen mit starken
Belastungsschwankungen. Durch einen besonderen dritten Anschluß am Motor ist man
imstande, beim Anlauf etwa 10 v. H. der Windungen abzuschalten, wodurch das
Drehmoment ungefähr um 20 v. H. gesteigert wird. Mit induktionsfreiem
vorgeschaltetem Widerstand wird bei normalem Anlauf ström das Anzugsmoment etwa 50
v. H. größer als das normale.
Versuche, die S. E. WhitingEl. World, 15. Dezember 1900, S.
938., Prof. an der Harvard Universität, an einem vierpoligen Motor
für 3 PS, 104 Volt, 1730 Umdr./Min., 60 Period./Sek. vornahm, ergaben die in Fig. 139 dargestellten Kurven. Der Leistungsfaktor
steigt von cos φ = 0,24 bei Anlauf schnell an und erreicht bei normaler
Belastung den maximalen Wert von 82 v. H. Fig. 140
zeigt die Wirkungsweise eines sechspoligen Motors für 15 PS Leistung, 104 Volt
Spannung, 1150 Umdr./Min., 60 Perioden.
Textabbildung Bd. 322, S. 796
Fig. 139.
J = Stromstärke (Amp.), N =
abgegebene Leistung (PS), n = Umdrehungszahl i. d. Minute, η = Wirkungsgrad (v.
H), cos φ = Leistungsfaktor (v. H)
O. Dahl (133) vereinigt die
Wirkungsweise eines Hauptstrommotors für Anlauf mit der eines synchronen für Lauf.
In Fig. 141 besitzt der Anker A zwei Teile, von denen der eine (I) mit einem zweiteiligen Stromwender K, der andere (II) zu
Schleifringen s geführt wird, und das Feld F zwei Wicklungen für Anlauf resp. Lauf.
Textabbildung Bd. 322, S. 796
Fig. 140.
J = Stromstärke (Amp.), N =
abgegebene Leistung (PS), s = Schlüpfung (v. H.), η = Wirkungsgrad (v. H.), cos
φ = Leistungsfaktor.
Nachdem die Maschine als Hauptschlußmotor angelaufen ist, wird in der Nähe des
synchronen Ganges der Schalter S nach rechts gelegt,
wodurch der Wechselstrom dem System II zugeleitet wird,
während der Anker A den vom Kommutator K gleichgerichteten Erregerstrom liefert, wodurch der
synchrone Lauf erhalten wird. Infolge der geringen Materialausnutzung ist diese
Anordnung jedoch praktisch wenig brauchbar.
Textabbildung Bd. 322, S. 796
Fig. 141.
Textabbildung Bd. 322, S. 796
Fig. 142.
Auch C. E. L Brown (115, 118,
135) hat einige Konstruktionen angegeben, in denen die Wirkungsweise eines
Kommutatormotors mit derjenigen eines synchronen Motors vereinigt ist.
Sie decken sich jedoch im Prinzip mit den Ausführungen der Fig. 136 und 137, so daß wir nicht weiter
darauf eingehen wollen.
Zur Vermeidung toter Punkte beim Anlauf wickelt E.
Thomson (138) auf den Eisenkern der Armatur eine
ungerade Anzahl von Spulen und schließt diese über einen Kommutator durch
Doppelbürsten, so daß der Motor durch Repulsion zum Anlauf kommt. Ist die
Geschwindigkeit ungefähr gleich der synchronen, so werden die Kommutatorlamellen
kurzgeschlossen und die Maschine läuft als Asynchronmotor. Infolge der großen
Nachteile dieser Konstruktion mit körperlichen Polen ist jedoch der Motor praktisch
ebenso wenig brauchbar wie der von C. E. L. Brown (158), wobei der Anker A (Fig. 142) mit zwei
Kommutatoren versehen ist. Der eine (K1) besteht aus vielen Lamellen und dient zum Anlauf
als Repulsionsmotor mit Hilfe des Widerstandes R. Ist
ungefähr die synchrone Umdrehungszahl erreicht, so wird die Sekundärwicklung II des Transformators T an
den zweiteiligen Kommutator K2 angeschlossen und R geöffnet. Dadurch
erhält der Anker einen gleichgerichteten Strom und die Maschine arbeitet im normalen
Betrieb als Synchronmotor.
Textabbildung Bd. 322, S. 797
Fig. 143.
Textabbildung Bd. 322, S. 797
Fig. 144.
Während bei Dahl (Fig.
141) nach erreichtem Synchronismus eine Feldwicklung ausgeschaltet wird,
hat A. J. Churchward (170,
171) bei der in Fig. 143 angegebenen
Konstruktion zwei Feldwicklungen (I und II) für den normalen Lauf nutzbar gemacht. Der Motor
läuft als reiner Hauptschlußmotor an und arbeitet dabei nur mit der Spule II, während I
ausgeschaltet ist. Durch einen besonderen Umschalter (173) wird dann nach erreichtem Synchronismus die Spule I zugeschaltet, wodurch sie von dem Kommutator K1 und den Bürsten B Gleichstrom erhält. Der Motor arbeitet dann als Synchronmotor, da auch
die Wicklung II vom Kommutator K2 mit dem gleichgerichteten Wechselstrom
gespeist wird. Zur Abdämpfung der Pulsationen ist ein Kondensator C parallel geschaltet.
Bei einer anderen Ausführung (172) werden die Spulen II durch einen Hebelmechanismus nach dem Anlauf aus-
und die Spulen I eingeschaltet.
In einfacher Weise erhält L. B. Atkinson (176, 178) eine Vereinigung der Wirkungen eines
Repulsions- mit einem Asynchronmotor, indem er nach Fig.
144 auf der Welle des Ankers drei Schleifringe anbringt, die mit drei um
120° gegeneinander verschobenen Punkten der Ankerwicklung verbunden sind. Der Motor
läuft infolge dieser Anordnung als Repulsionsmotor an. Nach Erreichung einer
bestimmten Geschwindigkeit werden die Schleifringe über Widerstände geschlossen, so
daß er schließlich als Asynchronmotor mit kurzgeschlossenem Anker arbeitet (vergl.
auch Fig. 149).
Während die bisher angegebenen Motoren mit Kunstphase bei großem Stromverbrauch nur
eine geringe Anzugskraft besitzen, wird von der Oesterr.
Union E.-G.,
Wien nach Patenten von M. Déri (177, 188) ein moderner Einphasenmotor mit hoher
Anzugskraft gebaut, der durch Repulsion zum Anlauf kommt und beim Lauf als
Asynchronmotor arbeitet. Auch die Firma Helios A.-G.,
Köln (174, 189). hat diese Motoren angefertigt.
Die Umschaltung von der Anlauf- zur Laufstellung erfolgt im Stator und zwar durch
Aenderung der Polzahl entweder von Hand aus oder selbsttätig durch einen
Zentrifugalapparat, sobald der Rotor nahezu die synchrone Umdrehungszahl erreicht
hat. Zu dem Zweck ist die Statorwicklung wie bei einem gewöhnlichen
Wechselstrommotor ausgeführt und besteht aus zwei Hälften, die beim Anlauf so
geschaltet werden, daß sie Ströme in der Armatur erzeugen, welche sich über den
Kommutator und die kurzgeschlossenen Bürsten schließen. Dabei wird ein hohes
Anzugsmoment bei geringer Stromaufnahme erzeugt, da die beiden Statorwicklungen
zueinander parallel geschaltet sind und dadurch ein starkes Feld hervorrufen.
Um die Wirkungsweise der Umschaltung von der niedrigen zur höheren Polzahl auf einen
mit Kommutator und entsprechenden Verbindungen versehenen Kurzschlußanker zu
erläutern, denken wir uns eine Kurzschlußwicklung abcdefgha (Fig. 145) aus vier induzierten
Seiten in einem zweipoligen WechselfeldeE. T.
Z., 15. September 1898, S. 626 undZ. f. E., 12. Juni 1898, S. 285. angeordnet.
Die in den Stäben induzierten E M Ke sind in bezug auf die Punkte a und e zueinander
parallel geschaltet.
Textabbildung Bd. 322, S. 797
Fig. 145.
Infolge der von a und e
nach zwei diametralen Lamellen eines Kommutators K
führenden Verbindungen an und eo, welche mit den
kurzgeschlossenen Bürsten den beiden parallel geschalteten Zweigen einen Ausgleich
darbieten, entstehen Ströme im Rotor und damit ein Anlaufdrehmoment. Der Widerstand
der Verbindungen an und eo ist nun so abgeglichen, daß das maximale
Anlaufmoment auftritt.
Textabbildung Bd. 322, S. 797
Fig. 146.
Wird nun die Statorwicklung auf vier Pole umgeschaltet, so ändert sich die Richtung
der induzierten E M Ke, so daß sich eine Stromverteilung einstellt, wie sie Fig. 146 zeigt. Dabei sind die Verbindungen an und oe und
der Kommutator stromlos. Der Rotor arbeitet jetzt wie bei einem Asynchronmotor.
Ordnet man nun auf einem Eisenkern mehrere solcher Elemente von 2 p (Anzahl der Pole
beim Lauf) induzierten Seiten an, deren Anzahl von der Polzahl unabhängig ist, so
kann man Motoren für verschiedene Leistungen erhalten. Die Motoren haben zwischen
Leer- und Volllast einen Tourenabfall von weniger als 4 v. H. bei etwa doppelter
Ueberlastungsfähigkeit, so daß sie auch Betrieben mit starken
Belastungsschwankungen, so z.B. als Aufzug- oder Krahnmotoren, in vollkommener Weise
gewachsen sind.
(Schluß folgt.)