Titel: | Die Obergurtkrümmung eines Kranauslegers. |
Autor: | Ludw. Andrée |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 395 |
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Die Obergurtkrümmung eines
Kranauslegers.
Von Ludw. Andrée,
Duisburg.
Die Obergurtkrümmung eines Kranauslegers.
Die statische Untersuchung des in Fig. 1 gezeichneten
Kranauslegers zeigt, daß bei ganz ausgefahrener Katze Druckspannungen in
einigen Diagonalstäben erzeugt werden. Zunächst sei angenommen, daß die fahrende
Last eine
Einzellast P ist. Steht dieselbe ganz am Ende des
Auslegers, so bestimmt sich die Diagonalspannung D10 aus der Gleichgewichtsbedingung:
D10 .
r + P . z = 0
nämlich zu
D_{10}=-P\cdot \frac{z}{r}. . . . . 1)
Die Abhängigkeit der Spannung D10 von der Laststellung wird ausgedrückt
durch die Veränderliche z, das ist die Entfernung der
Last von dem Schnittpunkte m des verlängerten
Obergurtstabes O10 mit
dem Untergurt. Der Verlauf der Spannung, wenn die Last wandert, läßt sich bildlich
darstellen durch den in Fig. 2 ermittelten
Linienzug, welcher entstanden ist durch Auftragung der Dreiecksverhältnisse
P : r = D
10
: z,
und zwar unter der Annahme P = 1
t.
Textabbildung Bd. 322, S. 396
Alle Laststellungen rechts von m bedingen
Druckspannungen in der Diagonale, während Laststellungen links von m Zugspannungen bewirken. Zu beachten ist, daß die
Größe der Spannung angegeben wird jedesmal durch die unter der Last gemessenen
Ordinate η. Mithin beträgt die Diagonalspannung für
jede beliebig große Kraft P
D'10 =
P . η
Offenbar erzeugt auch die Eigenlast Q des Auslegers Spannung in fraglichem Stabe. Bezeichnen wir mit
g=\frac{Q}{l} das Eigengewicht des Trägers f. d. lfd. m, so ermittelt sich jene zu
D''10
= g . F0,
wo unter F0 die Gesamtfläche des Linienzuges (Einflußfläche)
zu verstehen ist. Die resultierende Spannung D10 aus Last P und dem
Eigengewicht ermittelt sich infolgedessen aus der Summe
D10= P . η + g . F0. . . .
. 2)
Das Ziel unserer Aufgabe ist, diejenige Neigung des Obergurtstabes O10 zu finden, bei
welcher die Spannung D10 aus Eigengewicht und vollständig ausgefahrener Last P den Wert Null erreicht, daß also geschrieben werden
kann
– P . η + F0 . g = 0. . . . . 3)
Die geometrische Beziehung zwischen der Ordinate η0 der Einflußlinie und dem System des Auslegers
ermittelt sich wie folgt.
\frac{r}{z'-\lambda}=\frac{h}{d}
oder
r=\frac{h}{d}\,(z'-\lambda)=\frac{h}{d}\,(l-z-\lambda). . . 4)
mithin
\eta_0=\frac{z}{r}=\frac{z\,d}{h\,(l-z-\lambda)}.
Nach Einführung dieses Wertes in die Gleichung 3 ergibt sich
nunmehr
-P\cdot \frac{z\,d}{h\,(l-z-\lambda)}-g\cdot \frac{z^2\,d}{2\,h\,(l-z-\lambda)}+g\,\frac{d}{2\,h}\,(l-z)=0
oder nach z aufgelöst
z=\frac{g\cdot l\,(l-\lambda)}{2\,P+g\,(2\,l-\lambda)}. . . . . I)
Soll also bei ganz ausgefahrener Last P die
Diagonalspannung gleich Null sein, so muß der Schnittpunkt des verlängerten
Obergurtstabes O10 mit
dem Untergurt im ermittelten Abstande z vom
Auslegerende liegen. Woraus gefolgert werden kann, daß bei dieser Anordnung des
Obergurtstabes O10 der
Stab d10 bei keiner
Laststellung Druckspannung erleidet, vielmehr stets gezogen, höchstens aber
spannungslos wird.
Was im Vorstehenden von der Diagonale d10 gesagt ist, gilt sowohl für alle übrigen
Diagonalen, nur muß beachtet werden, daß in die jedesmal zugehörige Gleichung I für
l der richtige Wert eingeführt wird. Beispielsweise
wäre bei Diagonale d8
zu setzen:
z_8=\frac{g\cdot l_8\,(l_8-\lambda)}{2\,P+g\,(2\,l_8-\lambda)}.
Ein nach diesen Gesichtspunkten entwickelter, von einer Last P befahrener Ausleger ist in Fig. 3
aufgerissen. Es wurde nachgewiesen, daß, wenn die Last am Ende des Auslegers steht,
sämtliche Diagonalstäbe spannungslos sind. Dieser Tatbestand läßt den Schluß zu, daß
der Obergurt eine in zwei Punkten aufgehängte umgekehrte Kette ist, deren Krümmung
erzeugt wird durch die in den Vertikalstäben hängenden Eigengewichtslasten g . λ. Es liegt somit der Obergurt im Bogen einer
Parabel, deren Verhältnisse im folgenden bestimmt sein mögen. Mit Bezug auf Fig. 3 kann geschrieben werden
\frac{\y_0}{\lambda}=\frac{h}{l-z}=\frac{h}{l-\frac{g\cdot l\,(l-\lambda)}{2\,P+g\,(2\,l-\lambda)}}
oder, wenn mit λ die Abszisse x bezeichnet wird und mit y die zugehörige Ordinate
y=\frac{h\,x}{l-\frac{g\cdot l\,(l-x)}{2\,P+g\cdot (2\,l-x)}}=\frac{2\,P\,h\,x+2\,h\,l\,g\,x-h\,g\,x^2}{2\,P\,l+g\,l^2}.
Diese Gleichung auf die zweckmäßige Form gebracht, ergibt
schließlich die Beziehung:
y=\frac{h\cdot g}{l\,(2\,P+g\,f)}\cdot x\cdot \left\{\frac{2\,(P+g\cdot l)}{g}-x\right\} . II)
welche eine Parabel ausdrückt von der Länge
l_0=\frac{2\,(P+g\cdot l)}{g} . . . . III)
und der Bogenhöhe
f=\frac{h\,(P+l\,g)^2}{g\,l\,(2\,P+g\,l)}. . . . IV)
Der Verlauf der Obergurtkrümmung ist nunmehr leicht gefunden,
indem man eine Parabel konstruiert zwischen den in Gleichung III und IV angegebenen
Grenzen
\frac{l_0}{2}=l+\frac{P}{g}
und
f=h+\frac{h\cdot P^2}{g\,l\,(2\,P+g\,l)}=h\,\left\{1+\frac{P^2}{Q\,(2\,P+Q)}\right\}
Bezüglich der Obergurt- und Untergurtspannungen ist zu bemerken, daß das Maximum
derselben eintritt bei gänzlich ausgefahrener Last. Zur Ermittlung der größten Druckspannung der
Vertikalstäbe dürfte es sich empfehlen, wie dies bei Bestimmung der größten
Zukkräfte der Diagonalen dargetan wurde, das Verfahren der Einflußlinien
anzuwenden.
Natürlich ist die vorstehend abgeleitete Trägerform, wenigstens hinsichtlich des
spitzen Schnabels, ein theoretisches Gebilde; praktisch ausgeführt wird das System
vielleicht einen Umriß erhalten, wie er bereits in Fig. 1 angedeutet ist.
Immerhin hat die Kenntnis der äußerst zulässigen Krümmung des Obergurtes, bei der
wie erörtert keinerlei Druckspannung in den Diagonalen auftritt, und die
Maximaldruckkräfte der Vertikalstäbe relativ am kleinsten sind, den Vorteil, daß wir
nicht behindert sind, nunmehr eine gefällige Gestalt des Auslegers
herauszubilden.
Der vorstehend behandelte Fall einer Einzellast dürfte in der Praxis weniger geläufig
sein als der Fall, daß der Ausleger von zwei gleich großen im Abstande a sich befindlichen Kräften befahren wird. Es soll
daher nicht versäumt werden, insbesondere für diese Belastung die vorteilhafteste
Obergurtkrümmung des Trägers festzulegen.
Bringen wir zu diesem Zweck das Kräftepaar in die äußerste Stellung auf dem Ausleger.
Mit Zuhilfenahme der in Fig. 2 gezeichneten
Einflußlinie für d10
kann die Entwicklung der Formeln analog derjenigen des ersten Abschnittes
vorgenommen werden.
Mithin und so weiter:
-P\cdot \eta_0-P\cdot \eta+F_0\cdot g=0 . . . 3)
-P\cdot \frac{z\,d}{h\,(l-z-\lambda)}-P\cdot \frac{(z-a)\,d}{h\,(l-z-\lambda)}
-g\,\frac{z^2\,d}{2\,h\,(l-z-\lambda)}+g\,\frac{d\,(l-z)}{2\,h}=0
z=\frac{g\,l\,(l-\lambda)+2\,P\cdot a}{4\,P+g\,(2\,l-\lambda)} . . . I)
z_8=\frac{g\cdot l_8\,(l_8-\lambda)+2\,P\cdot a}{4\,P+p\,(2\,l_8-\lambda)}
\frac{y_0}{\lambda}=\frac{h}{l-z}=\frac{h}{l-\frac{g\,l\,(l-\lambda)+2\,P\,a}{4\,P+g\,(2\,l-\lambda)}}
y=\frac{h\,x}{l-\frac{g\,l\,(l-x)+2\,P_a}{4\,P+g\,(2\,l-x)}}=\frac{4\,P\,h\,x+2\,h\,l\,g\,x-h\,g\,x^2}{2\,P\,(2\,l-a)+g\,l^2}
y=\frac{h\,g}{2\,P\,(2\,l-a)+g\,l^2}\,x\,\left\{\frac{2\,2\,P+g\,l}{g}-x\right\} II)
Eine Parabel von der Länge
l_0=\frac{2\,(2\,P+g\,l)}{g}. . . . . III)
und der Bogenhöhe
f=\frac{h\,(2\,P+g\,l)^2}{g\,\{2\,P\,(2\,l-a)+g\,l^2\}}. . . IV)
Der Verlauf der Obergurtkrümmung ist somit (wie beim ersten Fall) leicht gefunden,
indem man eine Parabel entwirft zwischen den Grenzen
\frac{l_0}{2}=l+\frac{2\,P}{g}
und
f=h\,\left\{1+\frac{2\,P\,(2\,P+g\,a)}{Q\,\left\{\frac{2\,P\,(2\,l-a)}{2}+Q\right\}}\right\},