Titel: | Elektrischer Vollportalkran mit Selbstgreifer der Maschinenfabrik Joh. Wilh. Spaeth auf der Bayrischen Landesausstellung in Nürnberg 1906. |
Autor: | K. Drews |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 65 |
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Elektrischer Vollportalkran mit Selbstgreifer der
Maschinenfabrik Joh. Wilh. Spaeth auf der Bayrischen Landesausstellung in
Nürnberg 1906.
Von K. Drews, Ingenieur.
Elektrischer Vollportalkran mit Selbstgreifer.
Bei dem beschränkten Umfange der diesjährigen Bayrischen Landesausstellung auf
dem Gebiete des Maschinenwesens hatte der Hebezeugbau wenig Gelegenheit, besonders
hervorzutreten.
Von den wenigen vorhandenen größeren Hebezeugen möge hier der Vollportalkran mit
Selbstgreiferbetrieb der Maschinenfabrik Joh. Wilh.
Spaeth in Nürnberg-Dutzendteich besprochen werden.
Textabbildung Bd. 322, S. 65
Fig. 1.Portalkran von Spaeth.
Der Kran (Fig. 1) stand neben der Maschinenhalle auf
einem besonderen Gleis und wurde im Betrieb vorgeführt.
Seine Hauptdaten sind folgende:
Höchstlast
3 t einschl. Greifer,
Gewicht des Grei- fers
1,4 t
Ausladung
10,23 m
Hub
16 m
Geschwindigkeiten:
Heben
v = 0,424 m i. d. Sek.
Drehen
ungefähr zwei Umdrehung, i. d. Min.
Fahren
v = 0,3 m, d. Sek.
Krangerüst. Das Portal, das zwei Vollbahngleise
überspannt, hat eine lichte Weite von 8,64 m und eine lichte Höhe von 5 m.
Es besteht aus zwei sehr kräftigen genieteten vollwandigen Blechträgern, die oben
durch einen Horizontalverband und zwischen den Ständern durch einen Vertikalverband
gegeneinander wirksam versteift sind.
Die Entfernung von Mitte bis Mitte Träger beträgt 3,5 m. Die Ständer sind mit
den Radkästen fest vernietet. Jeder der beiden Radkästen besteht aus zwei genieteten
⁅-förmigen Trägern.
Die Spurweite des Portals beträgt 9 m, der Radstand 5,5 m.
Die Wand des einen Portalträgers trägt einen mit gelochtem Blech abgedeckten und mit
einem Geländer versehenen Laufsteg, der nach Fig. 1
den Fahrmotor und die Längswelle aufnimmt.
Der Schienenkranz von 3 m Durchmesser für die Laufrollen der Drehscheibe ist auf
einem Unterbau aus ⌶-und ⁅-Eisen befestigt, der zwischen die beiden Portalträger
genietet ist (Fig. 2).
Die Laufschiene ist eine 140 mm hohe Profilschiene.
In dem genannten Unterbau ist auch der hohle Königszapfen von 170 mm Durchmesser
befestigt, der zur Zentrierung der Drehscheibe dient.
Diese selbst besteht aus einem Rahmen in ⁅-Eisenkonstruktion, an dem auch die Lager
für die vier Laufrollen befestigt sind. Um der Drehscheibe gegenüber dem
Königszapfen eine gewisse Nachgibigkeit zu gewähren, st nach Fig. 2 das Mittellager kugelgelenkartig
ausgebildet.
Der den Königszapfen umschließende Kugelkörper b wird
von dem mit der Drehscheibe verschraubten Lagerkörper a
durch Mitnehmerstifte beim Schwenken mitgenommen.
Die auf den Königszapfen geschraubte kugelförmige Haube c soll ein Ueberkippen des Drehkranes bei starker Ueberlastung oder bei zu
schroffem Bremsen der abwärtsgehenden Last verhindern, indem sich beim Abheben der
hinteren Laufräder der Lagerkörper a mit entsprechender
Kugelfläche gegen die Haube legt.
Textabbildung Bd. 322, S. 66
Fig. 2.Drehscheibe mit Königszapfen.
Textabbildung Bd. 322, S. 66
Fig. 3 und 4.Portalkran von Spaeth.
B Bremsmagnet; C Kontroller; D zwei
Drahtseile von 20 mm Durchmesser; E Hebel der Entleerungsbremse und
Reibkupplung; H Hebel der Hubbremse; Hm Hubmotor 26 PS n = 540; K Kette von 20
mm Stärke; Sch Schleifkontakt; Schm Schwenkmotor 8 PS n = 680; T Hebel zum Trieb
1; W Widerstände.
Auf der Drehscheibe ist ein Gerüst in ⁅- und Flacheisenkonstruktion aufgebaut,
an das sich der Ausleger mit vier Gelenkbolzen anschließt.
Dieses Gerüst dient gleichzeitig als Gerippe für die Wände des Führerhauses.
Die Wände und das Dach tragen Holzverschalungen, deren Fugen mit Holzleisten gut
verdeckt sind.
Ueber die Holzverschalung des Daches ist ein Wellblech gelegt.
Fenster, die nach der Lastseite fast die ganze Breite der Wand einnehmen, gewähren
dem Führer einen allseitigen guten Ueberblick über das Arbeitsfeld des Kranes. Auf
den Kran gelangt man mittels einer bequemen eisernen Leiter.
Der Ausleger besteht aus zwei Fachwerkträgern in ⁅- und ∟-Eisenkonstruktion, die
durch einen kräftigen Windverband gegeneinander versteift sind.
Eine Leiter in der Ebene des Windverbandes führt zum Rollenkopf.
Die Höhe von Mitte Rollenkopf über Schienenoberkante beträgt 12,975 m.
Die Entfernung der Drehachse des Kranes von Schienenmitte beträgt 1,5 m.
Der Selbstgreifer ist ein Zweiseilgreifer von 1,5 cbm Inhalt der Firma Guilleaumewerke in Neustadt a. d.h.
Er kann in jeder beliebigen Höhe vom Führer entleert werden.
Das eigentliche Huborgan ist eine Gliederkette von 20 mm Eisenstärke; zur Entleerung
dienen zwei Stahldrahtseile von 20 mm Durchmesser.
Hubwerk. Das Hubwerk wird von einem Elektromotor
angetrieben, der bei 540 minutlichen Umdrehungen 26 PS leistet. Der Motor treibt
zunächst mittels zweier Stirnrädervorgelege mit der Gesamtübersetzung \frac{27}{910}
nach Fig. 3
und 4 die
Kettenhubtrommel an, mit deren Antriebsrad die Bremsscheibe e verschraubt ist. Die Entleerungsseiltrommel wird von der Hubtrommel
durch zwei Stirnräderpaare mit der Uebersetzung \frac{1}{1} angetrieben; beide
Trommeln haben mithin die gleiche Umlaufzahl.
Mit der Entleerungstrommel ist ebenfalls eine Bremsscheibe f verschraubt.
Die Entleerungstrommel wird nur dann von der Hubtrommel mitgenommen, wenn die
Reibkupplung g (Fig. 3, 4, 5 und 6) geschlossen ist.
Das Trieb c ist auf der verlängerten Nabe der losen
Kupplungshälfte befestigt.
Die Kupplung wird geschlossen, indem ein Keilstück a
(Fig. 5
und 6), das
auf der achsial verschiebbaren, mit der Welle durch Feder und Nut verbundenen Kupplungshälfte
befestigt ist, den gußeisernen Ring b spreizt und ihn
dadurch gegen den inneren Umfang der losen Kupplungshälfte preßt.
Textabbildung Bd. 322, S. 67
Fig. 5 und 6.Kupplung für den Greiferbetrieb.
Das Trieb l kann mittels des Handhebels II, des Gestänges m, des
Kegelräderpaares n und eines weiteren Hebels aus dem
Trommelrade gerückt werden (Fig. 3 und 4).
Rädertabelle des Hubwerkes.
Vorgelege
Teilung inm
Zähnezahl
Teilkreis-durchm. inmm
Zahn-breite inmm
MotorritzelRad
t = 8 π
1891
144 728
90 90
Trieb lTrommelrad
t = 14 π
1280
1681120
150110
Rad aTrieb b
t = 10 π
7230
720 300
80 80
Trieb cTrommelrad d
t = 10 π
3072
300 720
80 80
Wicklungsdurchmesser der Hub- und Entleerungstrommel 500 mm.
Der Scheibendurchmesser der Hubbremse beträgt 1000 mm, derjenige der
Entleerungsbremse 800 mm.
Beide Trommeln haben aus dem Vollen gedrehte Rillen.
Die Zahnräder sind aus Stahlguß hergestellt, ihre Zähne sind geschnitten.
Das Material des Motorritzels ist Phosphorbronze. Das Motorvorgelege läuft in
Oel.
Das Material der Wellen und Achsen ist Stahl. Alle Lager sind mit Rotgußschalen
versehen. Um der Hubkette bei ihrem Wandern auf der Trommel folgen zu können, ist
die Führungsrolle p in einer kleinen Laufkatze oberhalb
des Führerstandes beweglich gelagert (Fig. 3).
Die beiden Räder der Katze, deren Achse mittels eines Bügels die Kettenführungsrolle
trägt, laufen auf den Flanschen zweier -Eisen; diese sind so angebracht, daß
die Raddrücke der Katze normal zur Ebene der Flanschen gerichtet sind.
Die beiden Seilführungsrollen q können den Seilen bei
ihrem Wandern auf der Trommel ebenfalls folgen, indem sie sich auf ihren Achsen
verschieben.
Hätte man die Verschiebung der Kettenführungsrolle p in
derselben Weise bewirkt, so wäre deren Achse bei der Länge der Trommel sehr stark
ausgefallen. Zudem erreicht man durch die vorliegende Konstruktion, daß die Rolle
der wandernden Kette willig folgt.
Die Konstruktion arbeitete bei der Besichtigung sehr gut.
Im Kranschnabel sind ebenfalls nach Fig. 7 drei
Rollen für die Hubkette und die beiden Seile gelagert. Die Kettenrolle hat hier drei
Rillen; dies ist durch die Konstruktion des Greifers bedingt, indem dessen
Schließen durch zwei Flaschenzüge und dementsprechend auch durch zwei Schließketten
erfolgt. Diese werden außerhalb des Greifers durch ein flaches dreieckiges
Schmiedestück miteinander und zugleich mit der Hubkette verbunden.
Von den drei Rillen der Kettenrolle gibt die mittlere der Hubkette, die beiden
äußeren den Schließketten Führung; das Verbindungsstück schlüpft dabei über die
Rolle hinweg.
Das Heben und Senken, Füllen und Entleeren des Greifers geht nun in folgender Weise
vor sich: Der Greifer wird geöffnet auf das Fördergut niedergelassen, indem der
Führer die Hubbremse lüftet, damit die Hubkette von der Trommel ablaufen kann, den
Kontrollerhebel auf Senkbremsstellung bringt und den an den Seilen hängenden Greifer
mittels der Entleerungsbremse abläßt.
Textabbildung Bd. 322, S. 67
Fig. 7.Rollen am Auslegerkopf.
Der Handhebel III der Entleerungsbremse betätigt
gleichzeitig vermittels des Kegelräderpaares r und des
Hebels 5 die Reibkupplung g (Fig. 3 und 4), und
zwar, so, daß diese beim Lüften der Bremse geschlossen, beim Festziehen aber
geöffnet wird. Soll sich der Greifer schließen, so muß die Hubkette aufgewunden
werden; der Kontroller wird daher auf Heben gestellt, Durch rechtzeitiges Kuppeln
beider Trommeln mittels der Reibkupplung g geht die
Schließbewegung ohne weiteres in die Hubbewegung über; die Zugorgane wickeln sich
dann mit gleicher Geschwindigkeit auf.
Nachdem durch Heben des Greifers und Drehen des Auslegers diejenige Stellung erreicht
ist, wo die Entleerung vor sich gehen soll, wird die Entleerungsbremse angezogen,
die Kupplung geöffnet und die Schließkette abgelassen. Hierbei spannen sich die
Entleerungsseile; der Greifer öffnet sich und das Ladegut wird ausgeschüttet. Beim
Laden mittels des Greifers arbeitet der Führer demnach lediglich mit dem Hebel des
Kontrollers und dem Hebel III der Entleerungsbremse,
während die Hubbremse gelüftet und das Trieb l
beständig eingerückt bleibt.
Der Kran kann auch zum Verladen von Stückgütern benutzt werden, indem anstelle des
Greifers ein Gehänge angebracht wird.
Die Nutzlast kann dann natürlich um das Gewicht des Greifers erhöht werden und
beträgt somit 3000 kg.
Die Entleerungstrommel bleibt bei dieser Arbeitsweise dauernd ausgeschaltet, indem
ihre Bremse angezogen, die Kupplung g ausgerückt
wird.
Die Senkgeschwindigkeit der Last läßt sich dann auf zweierlei Art regulieren:
1. Von Hand durch die Hubbremse bei stillstehendem Motor. Das Trieb l muß dann vor dem Lüften der Bremse stets aus dem
Trommelrade gerückt werden, da die Motorvorgelegewelle durch die von einem
Elektromagneten betätigte Backenbremse t festgebremst
ist.
Das Gewicht des Gehänges beträgt ungefähr 200 kg; ist also groß genug, um auch den
leeren Haken ohne Stromstoß flott zu senken. Etwas unbequem ist das Aus- und
Einrücken des Triebes l.
2. Die Hubbremse bleibt dauernd geöffnet; die Regulierung der Senkgeschwindigkeit
geschieht auf elektrischem Wege durch Kurzschließen des Motors mit einem Widerstand,
wobei jener als Dynamo wirkt.
Der unbelastete Haken und kleinere Lasten können außerdem noch mit Strom aus dem
Netz gesenkt werden. Die Last wird dann durch die elektromagnetische Backenbremse
allein gehalten.
Diese doppelte Methode des Lastsenkens wurde, lediglich in diesem Falle, deshalb
gewählt, um festzustellen, welche sich im Betriebe als zweckentsprechendere erweisen
werde. Dem Kranführer wird an Stromersparnis weniger als an einem flotten Fördern
der Güter gelegen sein; er wird daher voraussichtlich das wiederholte Aus- und
Einrücken des Ritzels zu vermeiden suchen. Sehr wichtig ist es auch, daß der Führer
den Nachlauf des Windwerkes nach dem Abstellen des Motors noch gehörig
ausnutzen kann und nicht durch vorzeitiges Einfallenlassen der Magnetbremse
unnötigerweise Energie vernichtet. Zu diesem Zweck ist der Kontroller noch mit einer
Schaltung versehen, bei der der Motor zwar stromlos ist, der Bremsmagnet aber unter
Strom steht und die Bremse gelüftet hält.
Das Vorhandensein der Backenbremse nebst Bremsmagneten ist schon durch den
Endausschalter für die Hubbewegung bedingt, wie es in folgendem Abschnitt erklärt
werden wird.
Das Einfallen der Backenbremse kommt außerdem der Abkürzung des Auslaufweges beim
Heben zugute.
(Schluß folgt.)