Titel: | Neue Mitteilungen über das Schwefelsäurekontaktverfahren. |
Autor: | Arndt |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 43 |
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Neue Mitteilungen über das
Schwefelsäurekontaktverfahren.
Neue Mitteilungen über das
Schwefelsäurekontaktverfahren.
Vor gerade 75 Jahren wurde das erste Patent auf das Verfahren genommen,
schweflige Säure und Sauerstoff über erhitztem Platin zu Schwefelsäureanhydrid zu
vereinigen. Die Hoffnungen, die man auf den neuen Weg setzte, blieben unerfüllt.
Auch die berühmte Arbeit von Clemens Winkler über das
Kontaktverfahren, die 1875 in dieser ZeitschriftD. p.
J. 1875, Bd. 218, S. 128. erschien, tat dem alten Kammerprozeß
wenig Abbruch. Erst den vieljährigen Bemühungen von Knietsch und seinen Mitarbeitern in der Badischen Anilin- und Sodafabrik
gelang es, diese schöne Herstellungsart zum Wettbewerb zu befähigen. Die
Hauptschwierigkeit hatte darin bestanden, das Arsen aus den Röstgasen der Schwefelkiese zu beseitigen, da durch die geringste Spur von
Arsen das Platin bald unwirksam gemacht wurde.
In einem Vortrage, den der jüngst verstorbene Knietsch
1901 in der deutschen chemischen Gesellschaft hielt, teilte er eine Menge
wissenschaftlich interessanter Einzelheiten mit, sagte aber über die Fabrikation
selber nur wenig. Während die wissenschaftliche Seite der Sache durch die Arbeiten
von Lunge, Bodländer, Küster und Bodenstein eingehend aufgeklärt wurde, verlautete über
die technische Durchführung fast gar nichts, bis kürzlich auf dem Umwege über Amerika eine genaue Beschreibung einer Fabrik, die nach
dem Kontaktverfahren arbeitet, zu uns gelangte.
In der ChemikerzeitungChemikerzeitung 30 (1906), 87. beschrieb nämlich
F. Winteler den Betrieb der Contactproceß-Co. in Buffalo, die nach dem
System des Vereins chemischer Fabriken in Mannheim Oleum herstellt. In diesem Verfahren werden
Eisenoxyd und Platinasbest hintereinander als Kontaktsubstanzen benutzt.
Eisenoxyd hat den Vorzug, daß es gegen Arsen unempfindlich ist, und den Nachteil, daß
es erst über 600° die Bildung des Anhydrids genügend beschleunigt. Bei diesen
Temperaturen ist aber die Vereinigung von schwefliger Säure und Sauerstoff
unvollständig, da das Anhydrid schon bei 500° sich wieder in diese Bestandteile zu
spalten beginnt. Das Platin beschleunigt schon bei 400° in ausreichendem Grade, so
daß über ihm die Vereinigung vollständig wird.
In Buffalo wird nach „Systemen“ gearbeitet, d.h. man baut Oefen von bestimmter Größe
mit zugehörigen Kondensationseinrichtungen und vermehrt beim Anwachsen des Betriebes
nicht die Größe, sondern die Zahl der Systeme. Ein System des Vereins chemischer Fabriken verbrennt täglich 3000 kg
Kiese und erzeugt daraus etwa 3700 kg Schwefelsäure (auf H2SO4 umgerechnet).
Jeder Ofen besteht aus acht „Kilns“zu Deutsch „Brennöfen“.;
jeder Kiln wird täglich in regelmäßigen Zeitabschnitten mit insgesamt 375 kg Erz
beschickt, indem alle zwei Stunden zwei einander gegenüberliegende Kilns gefüllt
werden. In Buffalo wird nur Stückenkies verarbeitet und
zwar solcher aus Rio Tinto. Da Feuchtigkeit beim
Kontaktverfahren schädlich ist, so läßt man die Kiese vor dem Gebrauch in Schuppen
geschützt lagern; die Verbrennungsluft wird erst in einem mit reiner konzentrierter
Schwefelsäure („Monohydrat“) berieselten Tonturm getrocknet. Weil die Luft in
Buffalo wegen der Lage am See fast stets mit
Wasserdampf gesättigt ist, so sind große Mengen Wasser täglich aus der Luft zu
entfernen. Da zur Verbrennung von 3000 kg Kies 13300 cbm Luft gebraucht werden, so
sind bei einem Wassergehalt von 12 g im cbm täglich 160 kg Wasser im Trockenturm
zurückzuhalten.
Die Röstgase werden aus dem Ofen von unten in einen Schacht eingeführt, der mit
Eisenoxyd als Kontaktsubstanz in Form von groben Kiesabbränden gefüllt ist und durch die heißen; Gase auf etwa 700° erhitzt
wird. Hier vereinigen sich etwa 50–60 v. H. der schwefligen Säure mit dem
überschüssigen Sauerstoff der Verbrennungsluft zu Schwefelsäureanhydrid.
In den Kiesabbränden bleibt der größte Teil des von den Röstgasen mitgeführten
Arseniks in Form von arsensaurem Eisen zurück. Zweckmäßig läßt man den Arsengehalt
der Abbrände zwischen 2 und 4 v. H., indem man täglich etwa 200 kg der Abbrände
durch frisches Material ersetzt.
Die aus den Kiesabbränden tretenden Gase, die außer dem Anhydrid noch 3–3½ v. H.
Schwefeldioxyd und 12 v. H. Sauerstoff enthalten, werden nun gekühlt, indem man sie zuerst durch eine lange gußeiserne Röhre, die durch
die Außenluft gekühlt wird, und dann durch einen gußeisernen außen mit Wasser
berieselten Turm leitet. Darauf werden die Gase in gußeiserne mit Quarz oder anderen
säurebeständigen Stoffen gefüllte Absorptionstürme
geleitet, die nach dem Gegenstromprinzip arbeiten; und zwar sind im ganzen fünf
Türme hintereinander geschaltet. Der erste Turm wird mit Schwefelsäure von 96–98 v.
H. Gehalt berieselt, die sich bei der Absorption auf 100 v. H. anreichert und dann
in hochstehende Behälter gedrückt wird, von wo aus sie in einen zweiten Turm
herabrieselt usw., bis sie schließlich mit 25–28 v. H. Oleum beladen austritt.
Nachdem dem Gasgemisch so das über Eisenoxyd gebildete Schwefelsäureanhydrid entzogen
ist, werden die geringen Reste von Schwefelsäure und die letzten Spuren von Arsen entfernt, indem die Gase durch eine poröse Koksschicht und dann durch gekörnte basische Hochofenschlacke geleitet werden. Nun werden die
gereinigten Gase in einem Vorwärmer, der über dem
Eisenoxydkontakt in den Pyritofen eingebaut ist, und in einem besonders geheizten
Ueberhitzer auf 540–560° erwärmt.
Der Platinkontakt ist aus 30 platzierten gitterförmigen
Asbesttüchern zusammengesetzt, die in einem dicht verschlossenen Eisenkasten
übereinander liegen. Jedes Tuch ist mit 25 g Platin durchsetzt; das Platinieren
erfolgt nach der bekannten Vorschrift von Cl. Winkler
durch Reduktion von Platinchlorid mit ameisensaurem Natrium. Die Maschen der Tücher
sind so weit, daß der Gesamtwiderstand, den die Gase in dem Kontakt erfahren, nur
etwa 3 cm Wassersäule Ueberdruck entspricht, damit der ganze Betrieb mit
Ventilatoren durchgeführt werden kann.
Die Gase durchstreichen den Kontakt von unten nach oben; da etwas Flugstaub aus dem
Schlackensand mitgerissen wird, so müssen nach einigen Wochen die Tücher
herausgenommen und mit schwacher Salzsäure ausgekocht werden. Der Verlust an Platin
beim Auswaschen, durch mechanische Fortfühlung mit den Gasen und durch Sublimation
beträgt etwa 5 mg auf 100 kg erzeugter Schwefelsäure. Nach einiger Zeit müssen
deshalb die Tücher neu platiniert werden. Ein Jahr lang hält der Asbest selber vor;
dann wird er mürbe und bröckelt. Im Platinkontakt wird der Rest der schwefligen
Säure zu Schwefelsäureanhydrid umgewandelt, das nach erfolgter Abkühlung in den vorhin beschriebenen Absorptionstürmen ebenfalls aufgenommen wird. Bei
ordnungsmäßigem Betriebe entweichen nur etwa 0,5 v. H. schwefliger Säure ungenutzt
in den Kamin.
Die Kosten der so erhaltenen rauchenden Schwefelsäure
werden für 100 Pfund Oleum auf 0,554 Dollar berechnet (ohne Verzinsung und Tilgung
der Anlagekosten, Steuern und sonstige Abgaben).
Nachteile des Verfahrens sind, daß die erhaltene
Schwefelsäure durch Flugstaub aus den Kiesabbränden getrübt ist und daß sie Arsen
enthält. Diese Fehler werden vermieden, wenn I man nur Platin als Kontaktsubstanz
benutzt.
Ueber dieses reine Platinkontaktverfahren sind aus einem Aufsatze von M. FeigensohnChemikerzeitung 1906, S. 851. in der
Chemikerzeitung noch folgende Angaben zu erwähnen:
Der schwerere Teil des von den Röstgasen mitgeführten Staubes wird in Staubkammern abgefangen, die nach dem Tangentialsystem
eingerichtet sind; der feine Staub wird in einem Zentrifugalgasreiniger (meist nach Theisen)
niedergeschlagen. Dann gehen die Gase durch Schwefelsäurewäscher, einen Trockenreiniger
und einen Druckausgleicher nach den Ueberhitzern, bevor sie über das Platin treten. In der
Trommel des Trockenreinigers, der mit gekörnter basischer und sulfidhaltiger
Hochofenschlacke gefüllt ist, wird durch ununterbrochenes Peitschen der Fällung,
während das Gas durchgeleitet wird, jede Verstopfung vermieden und für innige
Berührung des Gases mit den Schlackenteilchen gesorgt.
Die mit Platinasbest beschickten Kontaktröhren haben je
3 m Höhe und 10 cm Durchmesser. Der Platingehalt des Asbestes ist in den
verschiedenen Fabriken verschieden; mehr wie 8 v. H. werden wohl nirgends angewandt.
Die Temperatur des in die Kontaktröhren eintretenden und des aus ihnen austretenden
Gases wird durch Pyrometer gemessen. Geregelt wird diese Temperatur mittels der aus
den Kontaktöfen kommenden Rauchgase. Die bei der Bildung des Schwefelsäureanhydrids
freiwerdende Wärme wird zum Vorwärmen benutzt, indem die Gase nach dem Austritt aus
den Kontaktröhren noch außen herumgeführt werden, bevor sie in die Kühltürme und
Absorptionstürme eintreten. Durch Verstellen von Schiebern kann man auch statt der
Rauchgase kalte Außenluft zwischen die Kontaktröhren leiten.
Die Absorption erfolgt am besten in „Glockenabsorbern“ mit äußerer Wasserkühlung,
denen am Schluß noch ein Lunge-Rohrmannscher Plattenturm folgt.
Die Säure wird am besten durch Pulsometer
(„Emulseure“) gepumpt, die zwar viel Luft gebrauchen, aber billig sind
und wegen ihrer Einfachheit keiner Ausbesserungen bedürfen.
Zum Schlusse dieser Uebersicht sei noch das kürzlich ausgegebene D. R. P. Nr.
169728 (Kl. 12i) der Höchster Farbwerke kurz
besprochen, das die Hintereinanderschaltung mehrerer
Platinkontakte mit verschiedenem Platingehalt und verschiedener Temperatur
zum Gegenstand hat:
Ueber Platinasbest von geringerem Gehalt verläuft die Schwefelsäurebildung langsam;
diesen Nachteil kann man aber
Platingehaltder
Kon-taktmasse
In SO3 umgewandelteGewichtsmenge SO2
400°
500°
2 v. H.
123
147
0,2 „
7
118
0,1 „
2,5
113
durch Temperaturerhöhung ziemlich ausgleichen, wie
vorstehende Tabelle zeigt:
Die Strömungsgeschwindigkeit betrug bei diesen Versuchen 14 cbm Röstgas in der
Minute. Die Gewichtsmengen sind in kg auf die Stunde gemessen.
In der technischen Durchführung dieses Patentes werden die Röstgase zunächst über 0,2
v. H. Platinasbest bei etwa 530° geleitet, wobei 75 v. H. SO2 in SO3 umgewandelt werden, und dann über 2 v. H. Asbest
bei 430°–400°, wobei der Rest der schwefligen Säure oxydiert wird. Dieses Verfahren
erlaubt mit höheren Gasgeschwindigkeiten als bisher zu arbeiten. Die Ersparnis an
Platin beträgt 40 v. H., was bei den riesig gestiegenen Platinpreisen (jetzt 1 kg
5000 M.) sehr ins Gewicht fällt.
Arndt.