Titel: | Die Wärmekraftmaschinen der Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906. |
Autor: | H. Meuth |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 725 |
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Die Wärmekraftmaschinen der
Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906.
Von Dr.-Ing. H. Meuth,
Karlsruhe.
(Fortsetzung von S. 646 d. Bd.)
Die Wärmekraftmaschinen der Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg
1906.
3. Die Allgemeine Dampfturbinenbau-Gesellschaft in
Nürnberg hat drei Maschinen ausgestellt und im Betriebe mit Dynamomaschinen
vorgeführt. Fig. 23 zeigt die Gesamtausstellung der
Firma. Im Vordergrund links erblickt man die einstufige Ueberdruckturbine nach dem
System Parsons, die bei 5000 Umdrehungen i. d. Minute
40 PSe leistet und mit einer Gleichstromdynamo von
110 Volt direkt gekuppelt ist. Die Turbine arbeitet auf der Ausstellung mit Auspuff.
Der Dampf tritt mit fast vollem Druck in das erste Laufrad und expandiert darauf in
vielen Leit- und Laufradschaufeln auf den Enddruck. Die Schaufeln der Laufradtrommel
aus Siemens-Martinstahl sind aus dem vollen Stück
gefräst, ein schwieriges und teures Verfahren.
Textabbildung Bd. 321, S. 724
Fig. 23. Die Dampfturbinen der Allgemeinen Dampfturbinenbaugesellschaft
Nürnberg.
Die Regulierung der Maschine wird nach dem Vorgange Parsons durch das abwechselnde Oeffnen und Schliessen des doppelsitzigen
Regulierventiles p (Fig.
24) bewirkt. Auf der Ventilspindel sitzt ein kleiner Kolben n, der sich im Zylinder h
auf- und abbewegen kann. Der Raum unter dem Kolben ist durch Röhrchen i und bei geeigneter Stellung des Steuerschiebers b im Zylinder r mit dem
Dampfraum des Ventilkastens in Verbindung und der Kolben wird unter der Wirkung des
Dampfdruckes hochgehoben; gleichzeitig gelangt auch das Einlassventil in seine
höchste Stellung. Sobald der Dampfdruck unter dem Kolben abnimmt, wird der letztere
durch die Feder o niedergedrückt und das Ventil
geschlossen. Das Verfahren zur Veränderung des Druckes unter dem Kolben
unterscheidet sich nur durch ein anderes konstruktives Mittel von dem bei Parsons-Turbinen angewendeten. Der Steuerzylinder (Fig. 25) ist mit einer Büchse mit schrägen
Schlitzen f1f2 und g1g2 versehen, welche
abwechselnd mit dem Dampf im Ventilkasten und dem Auspuffraum oder Kondensator in
Verbindung gebracht werden können durch die Bewegungen des Steuerschiebers b, der ebenfalls schräg verlaufende Steuerkanten
besitzt. Der Steuerschieber wird wie bei einer Rider-Schiebersteuerung, durch den Regulator in der aus Fig. 24 ersichtlichen Weise verdreht und dadurch der
Abstand der Steuerkanten von den Schlitzen (auf die Mittellage des Schiebers
bezogen) geändert.
Textabbildung Bd. 321, S. 725
Fig. 24. Regulierung der 40 PSe-Reaktionsturbine.
Beim Anlaufen der Turbine, wenn also die Hülse des Regulators in ihrer tiefsten
Stellung ist, sind die Steuerkanten des Schiebers in ihrer äussersten Stellung
rechts (1 in Fig. 25);
der Hub des auf der Regulatorspindel sitzenden Exzenters, welches durch Vermittlung
des Hebels d den Steuerschieber hin- und herbewegt, ist
so gewählt, dass die Schlitze f1 und f2 nie geschlossen und die Schlitze g1 und g2 nie geöffnet
werden. Es kann also durch i1 und i Dampf unter
den Kolben n treten und denselben dauernd in seiner
höchsten Lage halten, bis durch Zunahme der Geschwindigkeit die Regulatorhülse
steigt und der Schieber verdreht wird. Solange jedoch die normale Umdrehungszahl
nicht überschritten ist, solange also die äussere Belastung der Leistung der
Turbine bei ganz geöffnetem Einlassventil entspricht, werden auch jetzt noch immer
nur die Kanäle f1 und
f2 geöffnet und
erst wenn durch eingetretene Entlastung der Maschine die Tourenzahl über den
normalen Wert gestiegen ist, bewirkt die weitere Verdrehung des Schiebers, dass nun
auch die Schlitze glg2
zeitweise geöffnet, die Schlitze f1f2 zeitweise geschlossen werden. Die Schlitze g1g2 sind durch die
Kanäle k1 und k4 und durch Rohr i3 mit dem
Kondensator verbunden, dessen Druck sich beim Oeffnen von g1 und g2 dem Raum unter dem Kolben n mitteilt. Durch den Ueberdruck der Feder wird jetzt
das Einlassventil geschlossen. Durch das abwechselnde Oeffnen und Schliessen der
Schütze f1f2 und g1g2 wird der Kolben
und mit ihm das Ventil jedesmal in seine höchste Stellung gehoben und wieder auf
seinen Stitz gedrückt. Lage 3 in Fig. 25 entspricht
der höchten Geschwindigkeit der Maschine; der Schieber öffnet bei einer weiteren
Verdrehung die Schlitze f1f2
überhaupt nicht mehr, das Einlassventil bleibt dauernd jetzt geschlossen.
Textabbildung Bd. 321, S. 725
Fig. 25. Steuerschieber.
In den Zwischenstellungen des Schiebers ist die Zeit, während
welcher die Schlitze f1f2 bezw.
glg2 geöffnet sind,
mehr oder weniger verkürzt und damit die Dauer des Dampfzutrittes zur Turbine. In Fig. 26 ist der Vorgang der Regulierung bei
Entlastung der Turbine graphisch veranschaulicht, u ist
die doppelte Hubzeit des Exzenters; v ist die Zeit, in
der das Ventil geschlossen, w die Zeit, in der es
geöffnet ist. Diese letztere Zeit wird also mit zunehmender Entlastung der Turbine
immer kürzer, x bedeutet den Hub des
Einlassventiles.
Textabbildung Bd. 321, S. 726
Fig. 26. Reguliervorgang bei Entlastung der Turbine.
Die Regulierung ist im Grunde auch nichts anderes als eine Art Drosselregulierung; je
nach den längeren oder kürzeren Oeffnungszeiten des Ventiles wird sich hinter
demselben ein höherer oder niederer Druck einstellen. Die hier gewählte Anordnung
strebt im besonderen an, wenigstens für die normale Belastung eine Drosselung zu
vermeiden und das Ventil ganz offen zu halten. Das konnte aber nicht ganz ohne
Nachteile erreicht werden; denn einmal fehlt jetzt eine Kraftreserve, da schon bei
normaler Leistung das Ventil ganz offen ist und ferner ist die Regulierung aus dem
Zustand normaler Belastung, wo Einlassventil und Regulierkolben stille stehen, durch
die grössere Reibung der Ruhe weniger exakt als im Falle der dauernden Oscillation
dieser Teile.
Die Bauart der Turbine ist die bekannte der Parsons-Turbine; die Lager haben Presschmierung. Die Entlastung der
Laufradtrommel vom axialen Schub erfolgt durch eine Scheibe, vor welche durch einen
am Gehäuse herumgeführten Kanal Frischdampf geleitet wird. Zur Kupplung mit der
Dynamowelle ist eine elastische Zodel-Voith-Kupplung
angewendet.
Die Maschine fällt dem Besucher auf durch die sorgfältige Ausführung ihres Aeusseren,
ihren ruhigen Gang und durch den vollkommen funkenfreien Lauf des Kommutators bei
5000 Umdrehungen.
Die Firma hatte weiterhin noch eine Aktionsturbine von 200 PSe ausgestellt. Fig.
27 zeigt eine Abbildung davon. Sie ist mit einer Gleichstromdynamo von 550
Volt direkt gekuppelt und macht 2500 Umdrehungen i. d. Minute. Wie aus der
schematischen Schnittfigur 28 hervorgeht, tritt der Dampf durch eine Reihe am Umfang
verteilter Düsen vollständig entspannt vor das Laufrad und gibt in drei
Geschwindigkeitsabstufungen seine Bewegungsenergie an die Welle ab. Das Laufrad
besitzt dementsprechend drei Schaufelkränze, zwischen denen die am Gehäuse
festen Leitschaufelkränze angeordnet sind. Im Prinzip und in der Anordnung ist sie
somit mit der Curtis-Turbine identisch.
Textabbildung Bd. 321, S. 726
Fig. 27. Aktionsturbine von 200 PSe
Leistung.
Textabbildung Bd. 321, S. 726
Fig. 28. Dreistufige Aktionsturbine der Allgemeinen
Dampfturbinenbaugesellschaft Nürnberg.
Der Hartungsche Federregulator erhält seinen Antrieb von
der Turbinenwelle mittelst Schnecke und Schneckenrad. Die Regulierung erfolgt durch
Drosselung mit dem Einlassventil unter Zwischenschaltung eines Hubkolbens. Die Düsen
werden einzeln von Hand zu- oder abgeschaltet; bei geringer Belastung wird mit nur
einer oder zwei Düsen gearbeitet. Von der Schneckenradwelle des Regulators wird auch die
Oelpumpe angetrieben, welche das Drucköl für die Lager liefert. Ein Kammlager
sichert die genaue Stellung der Schaufelkränze. Das gebrauchte Oel wird im
Fundamentrahmen der Maschine gekühlt und wieder benutzt.
Die Maschine arbeitet mit einem Einspritzkondensator, dessen Luftpumpe mittels Riemen
von der Turbinenwelle aus angetrieben wird.
Textabbildung Bd. 321, S. 727
Fig. 29. Turbolokomotive von 50 PSe Leistung
der Allgem. Dampfturbinenbaugesellschaft und Maschinenfabrik Hering,
Nürnberg.
Eine dritte Turbine von der gleichen Bauart wie die zuvor beschriebene hat die Firma
im Zusammenbau mit einem Heissdampflokomobilkessel von Hering im Betriebe ausgestellt. Fig. 29
gibt eine Abbildung davon. Sie leistet bei 3000 Umdrehungen 50 PSe und ist mit einer Dynamomaschine direkt gekuppelt.
Ausserdem ist sie noch mit einem Zahnradvorgelege ausgerüstet, welches die
Umdrehungszahl der Vorgelegewelle mit Riemenscheibe auf 800 reduziert. Die
Firma hofft, mit diesem Aggregat mit der Heissdampflokomobile in Konkurrenz treten
zu können. Sie betritt wohl damit ein zur Zeit noch wenig erfolgreiches Gebiet in
Anbetracht der hohen Oekonomie und hervorragenden Durchbildung der heute auf dem
Markt befindlichen Heissdampflokomobilen, die zudem von dem Nachteil der übermässig
hohen Umdrehungszahl kleiner Dampfturbinen frei sind. Die ausgestellte Turbine
arbeitet mit Oberflächenkondensation. Die Luft- und Wasserpumpen werden von der
Vorgelegewelleaus angetrieben; weil sie samt dem Kondensator unter dem Kessel
liegen, ist ihr Antrieb etwas umständlich ausgefallen, wie aus Fig. 29 hervorgeht.
(Fortsetzung folgt.)