Titel: | Die geplante Einführung des Automobilbetriebes für die Löschzüge der Berliner Feuerwehr. |
Autor: | Thiess |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 685 |
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Die geplante Einführung des Automobilbetriebes
für die Löschzüge der Berliner Feuerwehr.Aus dem Bericht
des Branddirektors Reichelt an den Magistrat.
(Verwaltungsbericht 1905).
Von Dipl.-Ing. Thiess.
Die geplante Einführung des Automobilbetriebes für die Löschzüge
der Berliner Feuerwehr.
Die Stadtverwaltung von Berlin plant die Umwandlung des Pferdebetriebes der
städtischen Feuerwehr in Automobilbetrieb und beabsichtigt mit einem
elektrischen und einem Dampfautomobil demnächst grössere Uebungsfahrten zu
veranstalten.
In Deutschland wurde der erste automobile Löschzug, bestehend aus drei
Fahrzeugen, von der Stadtverwaltung in Hannover im Jahre 1902 in Betrieb gestellt.
Die jährlichen Unterhaltungskosten dieses automobilen Löschzuges betragen etwa 2000
M., die des Löschzuges mit Pferdebetrieb dagegen rund 12 000 M. Die mit dem
Automobilbetrieb in Hannover in wirtschaftlicher und technischer Beziehung erzielten
günstigen Ergebnisse bildeten die Veranlassung, dass in der Folgezeit auch andere
Stadtverwaltungen den Automobilbetrieb für Feuerwehrzwecke einführten. Die Wiener
Feuerwehr beabsichtigt den Pferdebetrieb vollständig auszuschalten und wird in
wenigen Jahren nur über automobile Löschzüge verfügen. Elektrische
Automobilfahrzeuge besitzen die Feuerwehren zu Paris, Antwerpen, Köln, Duisburg usw.
Die Umwandlung des Pferdebetriebes in Automobilbetrieb haben auch die Feuerwehren
der Städte Schöneberg und Charlottenburg in Angriff genommen.
Durch Einstellung von Automobilen im Feuerwehrbetrieb können bedeutende Ersparnisse
an Betriebs- und Unterhaltungskosten erzielt werden, die eine schnelle Tilgung der
höheren Anschaffungskosten ermöglichen. Eine Automobilwache beansprucht bedeutend
weniger Raum als eine Wache mit Pferdebespannung, weil die Räume für Pferde,
Kutscher, Futter usw. in Wegfall kommen. Durch die Verwendung von Automobilen
gestaltet sich der Betrieb auf den Wachen einfacher, der Alarm vollzieht sich
schneller und die Fahrzeuge können auf entfernter belegenen Brand- oder
Unfallstellen früher als bespannte Wagen eintreffen.
Bei der Wahl der Betriebskraft war in Berlin zwischen Explosionsmotoren, elektrischen
Motoren und Dampfmotoren Entscheidung zu treffen. Für Automobile, die sportlichen,
gewerblichen oder Verkehrszwecken dienen, besteht zwischen den angeführten Motoren
im allgemeinen kein wesentlicher Unterschied. Für Feuerwehrzwecke handelt es sich
dagegen in erster Linie um vollständige Betriebssicherheit und sofortige
Betriebsbereitschaft des Motors, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass die
Feuerwehrwagen im starken Strassenverkehr und in schneller Gangart bei jeder
Witterung fahren müssen. Hinsichtlich der Betriebssicherheit und
Betriebsbereitschaft entspricht der Explosionsmotor am wenigsten den Anforderungen.
Bei Temperaturwechsel, durch Schwankungen der Fahrgeschwindigkeit und des
Kraftbedarfes, Erschütterungen der schweren Fahrzeuge, Beschädigungen der
Zuleitungen, Verstopfung der Ventile durch Rost oder festgebrannten Schmutz, durch
Versagen der Zündung usw. entstehen bei den Explosionsmotoren häufig
Betriebsstörungen. Vor allem sind sie aber wegen der grossen Feuergefährlichkeit des
Benzins für den Feuerwehrbetrieb ungeeignet. Auf den Strassen Berlins sind in den
letzten Jahren zahlreiche Benzinautomobile durch Feuer vollständig zerstört worden.
Für Feuerwehrbenzinwagen wird die Brandgefahr durch das Mitführen brennender
Fackeln, auf der Brandstelle nicht selten durch die Einwirkung strahlender Hitze und
durch Funkenflug bedeutend erhöht. Zahlreiche Automobile sind auch in den
Wagenschuppen beim Umfüllen des Benzins durch Feuer zerstört worden. Die
Betriebssicherheit der elektrischen Automobile ist nach den Erfahrungen der Pariser
und Wiener Feuerwehr bedeutend grösser als die der Explosionsmotoren. Die
elektrischen Automobile sind sehr einfach zu handhaben, die Betriebssicherheit auf
den Wachen kann ohne besondere Unkosten erzielt werden. Der Wirkungskreis der
elektrischen Automobile ist zwar beschränkt, je nach Wahl der Batterie können
indessen mit einer Ladung Wegstrecken zurückgelegt werden, die im allgemeinen für
Zwecke der Feuerwehr als ausreichend zu betrachten sind. Durch vervollkommneten Bau
der Akkumulatoren werden heute Batterien hergestellt, die bei verhältnismässig
geringem Gewicht eine grosse Leistungsfähigkeit besitzen. Bei Zuführung des
Stromes zum Laden der Batterien aus elektrischen Zentralen besteht zwar die Gefahr,
dass durch plötzlich auftretende, grössere Betriebsstörungen die Stromlieferung auf
längere oder kürzere Zeit eine Unterbrechung erleidet. Durch Aufstellung von Dynamos
auf den Kompaniewachen wird man indessen dieser Gefahr begegnen können. Die
Reservebatterien der Zugwachen müssen dann ausnahmsweise von den Kompaniewachen
bedient werden.
Eine grössere Betriebssicherheit besitzt der Dampfmotor. Kessel und Maschinen dieses
Motors sind unempfindlicher und leistungsfähiger als die der Akkumulatoren und
Benzinmotoren. Die Bedienung ist ausserordentlich einfach und die Mannschaften
erlernen die Handhabung des Dampfmotors weit leichter als die der übrigen Motoren.
Dampfautomobile können von den bereits geschulten Maschinisten und Heizern ohne
weiteres sachgemäss bedient und instandgehalten werden, während bei den elektrischen
oder Benzinautomobilen erst eine gründliche Ausbildung der Bedienungsmannschaft
stattfinden muss. Auch hinsichtlich der Dauer der Fahrt sind Dampfautomobile den
elektrischen Automobilen gegenüber zu bevorzugen. Wasser und Heizstoffe können im
Notfall unterwegs beschaffen werden.
Das Dampfautomobil besitzt aber gegenüber dem elektrischen Automobil den Nachteil,
dass der Kessel zur Erzielung der Betriebsbereitschaft beständig unter Dampf
gehalten werden muss, wodurch grössere Unkosten entstehen. Das elektrische Automobil
ist dagegen auch in der Ruhe stets alarmbereit, ohne Kosten zu verursachen.
Dampfkessel bedürfen auf der Wache einer ständigen Beaufsichtigung, die bei den
elektrischen Automobilen nicht erforderlich ist.
Mit Rücksicht auf die angedeuteten Vorzüge und Nachteile der genannten Motoren wurde
vor Einführung des Automobilbetriebes für die Berliner Feuerwehr beschlossen,
zunächst die Explosionsmotoren auszuschalten und mit je einem elektrischen und
Dampfautomobil als Probefahrzeuge eingehende Versuchsfahrten zu veranstalten. In
erster Linie handelt es sich bei diesen Versuchsfahrten um Ermittlung der für
Berliner Verhältnisse geeignetesten Betriebskraft sowie der Betriebs- und
Unterhaltungskosten der beiden Probefahrzeuge, deren Einrichtung in nachfolgendem
beschrieben werden soll.
Das elektrische Automobil. Oberhalb der Vorderräder sind
unter einer wasserdichten Haube zwei Batteriekästen angebracht, der dritte
Batteriekasten liegt unter dem Sitz des Wagenlenkers. Zu beiden Seiten dieses Sitzes
sind Plätze für den Zugführer und einen Mann angeordnet. Hinter diesen Sitzen
befindet sich ein grösserer Gerätekasten mit seitlichen Sitzplätzen für je zwei Mann
und mit einem mittleren Reitsitz für zwei bis drei Mann. Auf einem leichten Gerüst
werden zwei Steck- und zwei Hakenleitern mitgeführt; ein Schlauchwagen mit 15 Enden
45 mm Druckschlauch ist an der Rückseite des Wagengestelles freitragend
aufgehängt.
Die Batterie, deren Gewicht etwa 1000 kg beträgt, besitzt eine Kapazität von 30000
Wattstunden; sie kann das Fahrzeug von etwa 4000 kg Gesamtgewicht mit einer Ladung
bei einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/Std. mindestens 60 km fortbewegen.
Die unter dem Vorderwagengestell eingebauten Elektromotoren treiben die Vorderräder
an. Das Ein- und Ausschalten, das Vorwärts- und Rückwärtsanlassen und die Regelung
der Geschwindigkeit findet durch Schaltapparate am Führersitz statt, wo sich auch
das Steuerrad für die Schwenkachsen der Vorderräder und die Handhebelbremse
befinden, die auf besondere Bremsscheiben der Hinterräder wirkt. Im Notfall kann das
Fahrzeug auch elektrisch gebremst werden. Die Räder sind aus Eisen hergestellt und
mit 125 mm breiten Vollgummistreifen versehen.
Das Fahrzeug ist eine Gasspritze und dient zum ersten Angriff auf der
Brandstelle; der Wasservorrat von etwa 400 Liter wird mittels Kohlensäuredruck
verspritzt. Während die Gasspritze Wasser gibt, werden die in der Nähe der
Brandstelle befindlichen Hydranten der Wasserleitung betriebsfähig hergerichtet und
mit dem Verteilungsstück der Gasspritze verbunden.
Das Dampfautomobil. Dieses Fahrzeug ist eine kleine
Automobildampfspritze, die gleichzeitig die Gasspritze ersetzt. Die mitgeführte
Wassermenge von etwa 400 Liter wird nicht durch Kohlensäuredruck, sondern mittels
einer kleinen Dampfpumpe verspritzt. Die Vorzüge dieser Anordnung bestehen darin,
dass die Pumpe nach Anschluss der Wasserleitung oder nach Auslegen der Saugeleitung
unter hoher Druckentwickelung beständig weiter arbeiten kann.
Im vorderen Teil des Fahrzeuges ist ein stehender, kombinierter Siede- und
Heizrohrkessel von 6,5 qm Heizfläche derartig eingebaut, dass er vom Fahrersitz, der
unmittelbar hinter dem Kessel liegt, genau beobachtet werden kann. Der
Betriebsüberdruck beträgt 20 at. Die Feuerung ist für Petroleumgas eingerichtet, das
in einem besonderen, unter dem Kessel befindlichen Brenner erzeugt wird. Durch
Veränderung der Brennstoffzufuhr wird der Kesseldruck selbsttätig geregelt. Die
Brennstoffzufuhr findet aus zwei Petroleumgefässen von je 50 Liter Inhalt durch
Kohlensäuredruck statt, wobei die Kohlensäure aus zwei mit Reduzierventilen
versehenen 5 kg Kohlensäureflaschen entnommen wird. Die Speisung des Kessels
geschieht durch eine automatisch wirkende Pumpe, die selbsttätig das verbrauchte
Kesselwasser ersetzt. Ein Teil des verdampften Kesselwassers wird durch Kondensation
wieder gewonnen.
Der Antriebsmotor ist eine dreizylindrige, umsteuerbare Dampfmaschine mit
Dreistufenexpansion und Doppelwirkung. Die Maschine ist zwischen dem Führersitz und
den rückwärtsbelegenen Mannschaftssitzen auf der linken Wagenseite neben dem
Pumpwerk eingebaut. Die Kurbelwelle liegt senkrecht zur Hinterachse und treibt
mittels Cardanwelle und Differentialgetriebe die Hinterräder an. Das Pumpwerk, ein
stehende, einzylindrige, doppeltwirkende Dampfpumpe von 500 l Minutenleistung, ist
mit dem unter dem Wagen befindlichen Wasserbehälter durch eine Saugleitung
verbunden. Ausserdem kann durch einen Saugstutzen auf jeder Seite des Wagens die
Verbindung mit dem Hydranten, einem Brunnen oder einem offenen Gewässer
hergestellt werden. Die mit einem Schnellschieber versehene Druckleitung für 75 mm
weiten Schlauch befindet sich auf der rechten Seite des Wagens. Sonst entspricht die
Anordnung der Sitzplätze, des Schlauchwagens, der Leitern und sonstigen Geräte der
des elektrischen Automobils. Zum Bremsen des Fahrzeuges dient eine Handhebelbremse,
die mit Innenbandbremsen auf die Hinterachsen wirkt. Im übrigen kann auch der
Gegendampf der Maschine zum Bremsen benutzt werden.
Das Gewicht des Fahrzeuges einschliesslich Ausrüstung und Besatzung beträgt etwa 4000
kg, die höchste Fahrgeschwindigkeit 35 km/Std. Die mitgeführte Brennstoffmenge dient für eine
Wegstrecke von 50 km.
Die Probefahrzeuge werden vorläufig nicht in den Dienstbetrieb eingestellt, sondern
täglich grössere Uebungsfahrten veranstalten, bis jedes Fahrzeug etwa 10000 km
zurückgelegt hat. Diese Strecke, die etwa der Fahrleistung eines Berliner Löschzuges
innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren entspricht, wird zur Ermittlung der
Brauchbarkeit der Batterie und der Dampfkessel als ausreichend erachtet.
Die Uebungsfahrten werden demnächst in dem inneren Stadtgebiete und nach entfernter
belegenen Ortschaften stattfinden.
Für die Durchführung der Versuche einschliesslich Herstellung der beiden
Automobilfahrzeuge sind von der Stadtverwaltung 50000 M. bewilligt worden. Nach dem
Voranschlag setzt sich diese Summe aus folgenden Einzelbeträgen zusammen.
1. Anfertigung eines Kessels nebst Arma- turen für
Dampfautomobile, nach be- sonderen Angaben rund
2500
M.
2. Bau von zwei Petroleumbrennern
für Dampfautomobile, desgl.
2000
„
3. Bau eines Dampfautomobils, desgl.
16000
„
4. Bau eines elektrischen Automobils, desgl.
17500
„
5. Vergütung an zwei Ingenieure für Mit- wirkung bei
den Vorarbeiten und für Teilnahme an den Versuchsfahrten
2000
„
6. Für erforderliche Umänderungen an den Fahrzeugen
und zur Bestreitung der Kosten der Versuchsfahrten
10000
„
––––––––––
Zusammen:
50000
M.