Titel: | Versuchsmethode zur Ermittlung der Spannungsverteilung bei Torsion prismatischer Stäbe. |
Autor: | Hugo Anthes |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 388 |
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Versuchsmethode zur Ermittlung der
Spannungsverteilung bei Torsion prismatischer Stäbe.
Von Dipl.-Ing. Hugo
Anthes.
(Fortsetzung von S. 359 d. Bd.)
Versuchsmethode zur Ermittlung der Spannungsverteilung bei Torsion
prismatischer Stäbe.
b) Erprobung der Methode an einzelnen
Beispielen.
Nach der im vorstehenden erörterten Methode sind folgende Querschnitte untersucht
worden: Kreis, Ellipse, Dreieck, Quadrat und mehrere Rechtecke mit verschiedenen
Seitenverhältnissen. Die Resultate sind im folgenden zusammengestellt. Die in den
nachfolgenden Tabellen angegebenen Werte von 2a, x und
y resp. 2A, X und Y sind in cm gemessen.
Fig. 19 und 20 zeigen
die Versuchsanordnung.
1. Untersuchung des
Kreisquerschnittes (s. Fig. 21 und 22).
Unter Voraussetzung isotropen Materials und der Gültigkeit des Hookschen Proportionalitätsgesetzes gelten für einen
auf Verdrehung beanspruchten Stab mit kreisförmigem Querschnitt folgende
Gleichungen:
Bezeichnet
Md das Torsionsmoment,
τmax
die grösste auftretende Torsionsspannung,
d den Durchmesser des
Querschnittes,
so ist
M_d=\tau_{\mbox{max}}\cdot \frac{d^3\,\pi}{16};
nach dem Analogon von Prandtl
ist;
Md =
2xV; τmax = x . αmax;
woraus
2\,x\,V=x\cdot \alpha_{\mbox{max}}\,\frac{d^3\,\pi}{16};
\alpha_{\mbox{max}}=\frac{32\,V}{d^3\,\pi}.
Bezeichnet ρ die Entfernung eines
Punktes des kreisförmigen Querschnittes vom Mittelpunkt, so ist die Spannung r in diesem Punkte
Textabbildung Bd. 321, S. 389
Fig. 19. Versuchsanordnung.
Textabbildung Bd. 321, S. 389
Fig. 20. Versuchsanordnung.
\tau=\frac{\tau_{\mbox{max}}\,\varrho}{\frac{d}{2}}
analog
\alpha=\frac{\alpha_{\mbox{max}}\,\varrho}{\frac{d}{2}}
Textabbildung Bd. 321, S. 389
Fig. 21. Kreis V = 0 ccm.
Textabbildung Bd. 321, S. 389
Fig. 22. Kreis V = 5 ccm.
Nach diesen Formeln sind die in der Tab. 1 eingetragenen theoretischen Werte von
a berechnet und den durch den Versuch gefundenen
Werten gegenübergestellt worden (s. Fig. 21 und 22).
Tabelle 1.
Querschnitt Kreis, Durchmesser d = 9,0 cm.
Angewandtes Luftvolumen V = 5 cm.
Abstand l = 60,3 cm; \frac{B}{G}=\frac{1}{4,8}.
Punkt
2a
x
y
α
Theore-tischerWert von α
Fehlerin %
1ρ = 1 cm
0,92
0,25
1,05
0,0153
0,0152
+ 0,7
2ρ = 2 cm
1,82
0,30
1,70
0,0302
0,0303
– 0,3
3ρ = 3 cm
2,75
0,26
2,42
0,046
0,045
+ 2,2
4ρ = 4 cm
3,62
0,20
2,98
0,060
0,060
–
5ρ = 4,5 cm
4,23
0,25
3,40
0,070
0,69
+ 1,3
Iρ = 0,5 cm
0,45
0,3
0,1
0,0075
0,0076
– 1,3
IIρ = 1,5 cm
1,35
0,3
0,7
0,0224
0,0227
– 1,3
IIIρ = 2,5 cm
2,25
0,1
1,3
0,0373
0,0379
– 1,6
IVρ = 3,5 cm
3,21
0,2
1,95
0,053
0,053
–
Vρ = 4,5 cm
4,10
0,4
2,55
0,068
0,069
– 1,4
2. Untersuchung des elliptischen
Querschnittes (s. Tab. 2 und Fig. 23–25).
Textabbildung Bd. 321, S. 389
Fig. 23.
Unter der Voraussetzung isotropen Materials und der Gültigkeit des Hookschen Spannungsgesetzes gelten für die Verdrehung
eines Stabes mit elliptischem Querschnitt folgende Formeln:Siehe Foppl, Bd.
III.
τ
xy
sei
die
Spannungskomponente
von
τ
parallel
zur
y-Achse
τ
xz
„
„
„
„
τ
„
„
z-Achse
\tau_{x\,y}=-\frac{2\,M_d}{r\,a\,b^3}-z;\ \tau_{x\,z}=+\frac{2\,M_d}{r\,a^3\,b}\,y.
Nach dem Analogon von Prandtl ist:
Md =
2x . V;
\tau_{x\,y}=-x\cdot \frac{\partial\,u}{\partial\,z};\ \tau_{x\,z}=x\,\frac{\partial\,u}{\partial\,y};;
also
\frac{\partial\,u}{\partial\,z}=-\frac{4\,V}{\pi\,a\,b^3}\cdot z;\ \frac{\partial\,u}{\partial\,y}=\frac{4\,V}{\pi\,a^3\,b}\cdot
y.
Textabbildung Bd. 321, S. 390
Fig. 24. Ellipse V = 0 ccm.
Da
\tau=\sqrt{{\tau^2}_{x\,y}+{\tau^2}_{x\,z}},
so ist
\alpha=\sqrt{\left(\frac{\partial\,u}{\partial\,y}\right)^2+\left(\frac{\partial\,u}{\partial\,z}\right)^2}.
Ist a < b, so ist
\tau_{\mbox{max}}=\frac{2\,M_d}{\pi\,a^2\,b},
\alpha_{\mbox{max}}=\frac{4\,V}{\pi\,a^2\,b}.
3. Untersuchung des gleichseitig
dreieckigen Querschnittes (s. Tab. 3 und Fig.
26–28).
Nach den in der Einleitung (S. 343) gegebenen theoretischen Grundlagen ist:
1. \tau_{x\,y}=-\frac{\partial\,\Psi}{\partial\,z};\ \tau_{x\,z}=\frac{\partial\,\Psi}{\partial\,y};
2. \frac{\partial^2\,\Psi}{\partial\,y^2}+\frac{\partial^2\,\Psi}{\partial\,z^2}=2\,G\,\vartheta
3. Für die Randkurve muss die Stromfunktion ψ konstant sein, da die Randkurve eine
Strömungslinie ist. (Vergleiche Foppl, Bd. IV, S. 401
und 402.)
Den Bedingungen 2 und 3 wird genügt durch eine Funktion ψ:
\Psi=\frac{G\,\vartheta}{6\,a}\,(y^3-3\,y\,z^2+3\,a\,(y^2+z^2)-4\,a^3),
woraus sich ergibt:
\tau_{x\,y}=-\frac{G\,\vartheta}{4}\,z\,(y-a);
\tau_{x\,z}=+\frac{G\,\vartheta}{2\,a}\,(y^2-z^2+2\,a\,y)
Textabbildung Bd. 321, S. 390
Fig. 25. Ellipse V = 10 ccm.
Das Torsionsmoment Md ist alsdann:
\begin{array}{rcl}M_d&=&\int\,(\tau_{x\,y}\cdot z-\tau_{x\,z}\cdot y)\,d\,F\\&=&\int\,\int\,(\tau_{x\,y}\cdot z-\tau_{x\,z}\cdot
y)\,d\,y\,d\,z.\end{array}
Die Werte für τxy und τxz eingesetzt und die Integration ausgeführt,
gibt:
Textabbildung Bd. 321, S. 390
Fig. 26.
M_d=1,8\,G\,\vartheta\,a^4\,\sqrt{3}.
G\,\vartheta=\frac{M_d}{1,8\,a^4\,\sqrt{3}}.
Demnach
\tau_{x\,y}=-\frac{z\,(y-a)\,M_d}{1,8\,a^4\,\sqrt{3}\,a};
Tabelle 2.
Textabbildung Bd. 321, S. 391
Querschnitt: Ellipse, Achse 2a = 11
cm, Achse 2b = 15 cm; Angewandtes Luftvolumen V = 10 cm; Abstand l = 60,3 cm;
Punkt; Theoretischer Wert von α; Fehler in v. H.
y und z sind die Koordinaten des untersuchten Punktes in bezug auf ein durch die
Hauptachsen der Ellipse gelegtes Koordinatensystem. (S. Fig. 24 und 25)
\tau_{x\,z}=+\frac{(y^2-z^2+2\,a\,y)\,M_d}{2\,a\,(1,8\,a^4\,\sqrt{3})}.
Da
\tau_{x\,y}=-x\cdot \frac{\partial\,u}{\partial\,z},\ \tau_{x\,z}=x\,\frac{\partial\,u}{\partial\,y},\ M_d=2\,x\,V
Textabbildung Bd. 321, S. 392
Fig. 27 Gleichseitiges Dreieck V = 0 ccm.
Textabbildung Bd. 321, S. 392
Fig. 28. Gleichseitiges Dreieck V = 1,5 ccm.
ist, so wird:
\frac{\partial\,u}{\partial\,z}=\frac{z\,(y-a)\cdot 2\,V}{(1,8\,a^4\,\sqrt{3})\,a};
\frac{\partial\,u}{\partial\,y}=\frac{(y^2-z^2+2\,a\,y)\cdot 2\,V}{(1,8\,a^4\,\sqrt{3})\,2\,a}.
Daraus findet man:
\alpha=\sqrt{\left(\frac{\partial\,u}{\partial\,y}\right)^2+\left(\frac{\partial\,u}{\partial\,z}\right)^2}.
Tabelle 3.
Querschnitt: Gleichseitiges
Dreieck. Seitenlänge s = 9 cm.
Angewandtes Luftvolumen = 1,5
ccm.
Abstand l = 60,3 cm;
\frac{B}{G}=\frac{1}{4,8}.
Textabbildung Bd. 321, S. 392
y, z sind die Koordinaten des untersuchten Punktes in bezug auf ein
Koordinatensystem, dessen y-Achse durch eine Ecke
des Dreiecks, und dessen z-Achse parallel der
dieser Ecke gegenüberliegenden Seite ist. Koordinatenanfang ist der Schwerpunkt
des Dreiecks. (S. Fig. 27 und 28.)
(Fortsetzung folgt.)