Titel: Untersuchung eines flachen Bogens mit festen Kämpfergelenken beansprucht von horizontalen Kräften.
Autor: G. Ramisch
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 372
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Untersuchung eines flachen Bogens mit festen Kämpfergelenken beansprucht von horizontalen Kräften. Von Prof. G. Ramisch in Breslau. Untersuchung eines flachen Bogens mit festen Kämpfergelenken usw. I. Bis jetzt hat man durchweg nur solche Systeme untersucht, welche, nachdem sie statisch bestimmt gemacht worden sind, ein festes und ein horizontal bewegliches Auflager enthielten und die Belastungen senkrecht zur Bahn des beweglichen Auflagers gerichtet waren. Hier nehmen wir die Kräfte parallel zur Bahn des beweglichen Auflagers an und behandeln dabei den flachen Bogen, dessen kreisförmige elastische Linie, d.h. die Verbindungslinie der Querschnittschwerpunkte, wir als Parabel auffassen dürfen. Wir machen in Fig. 1 den Bogen dadurch statisch bestimmt, dass das linke Auflager A fest liegen bleibt und das rechte Auflager B parallel zur Geraden AB, nämlich auf der Bahn mn beweglich gemacht wird. Der Bogen sei vorläufig nur von der Kraft P, welche parallel zu mn liegen soll, im Punkte D angreift, beansprucht, und habe p zum Abstand von A. Ist l die Spannweite AB und f die Pfeilhöhe MN des Bogens, so ist das Biegungsmoment für einen Punkt C rechts von D M=PplxHy . . . . . 1) Hierbei wirkt die Kraft H im Punkte B parallel zu mn und in Richtung von n nach m; sie ist vorläufig noch unbestimmt, soll jedoch den Zweck erfüllen, dass sie trotz der Einwirkung von P die Beweglichkeit des Auflagers B verhindern kann. – Wir gehen zunächst darauf hinaus, ihre Grösse zu ermitteln. Dann sind in dieser Gleichung y der Abstand des Punktes C von AB und x der Abstand des Punktes B von y. Wir nennen E den überall konstanten Elastizitätsmodul, J das überall konstante Trägheitsmoment des Querschnitts, ds das Element des Bogens und den unendlich kleineren Winkel, mit dem sich die Bogenteile AC und BC gegenseitig; drehen, wenn einzig und allein die Faserelemente des Querschnitts von C elastisch sind; es ist dann auch:
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Fig. 1.
M=EJdγds . . . . . 2) und diese Gleichung gilt für alle Punkte des Bogens, so dass wir sie später nicht mehr anzugeben brauchen. Beim flachen Bogen darf man statt dem Element ds seine Projektion dx auf AB setzen und erhält hierdurch aus den beiden Gleichungen: EJdγ=(PplxHy)dx Infolge der Kraft P verändert der Bogen seine Gestalt und der Punkt B bewegt sich um eine unendlich kleine Strecke, die wir nennen. Mittels kinematischer Geometrie lässt sich ableiten, dass dδ =y . dγ ist und daher entsteht: EJdδ=PplxydxHy2dx aus den beiden letzten Gleichungen. So kann man die Faserelemente aller Querschnitte von D bis B als elastisch, die übrigen aber als starr annehmen und die so entstandenen sämtlich addieren, wodurch man erhält, wenn d die Summe ist: EJδ=PplBDxydxHBDy2dx . 3) Weiter ist C1 der Schwerpunkt eines Querschnitts links von D und wir nennen y1 seinen Abstand von AB und x1 der Abstand des Punktes B von y1, so ist dafür das Biegungsmoment: M=Ppx1lP(py1)Hy1 . . 4) Daher hat man mit Rücksicht auf Gleichung 2): EJdγ=(Pplx1Pp+Py1Hy1)dx. Sind nur die Fasern des Querschnitts von C1 elastisch, so legt B dabei den Weg 1 zurück und es ist: 1=y1 . dγ, so dass nunmehr entsteht: EJdδ1=(Pplx1Pp+Py1Hy1)y1dx. Diese Gleichung kann man für alle Querschnitte zwischen A und D bilden und sämtliche 1 zusammenzählen. Ist δ1 die so entstandene Summe, so ergibt sich: EJδ1=PplADx1y1dxPpADy1dx+PADy12dxHADy12dx. Damit nun das Auflager B auch unbeweglich bleibt, der Bogen also zwei feste Kämpfergelenke hat, muss δ + δ1= 0 sein und es folgt aus diesem und der Gleichung 3: Ppl{BDxydx+ADx1y1dx}PpADy1dx+PADy12dx=H{BDy2dx+ADy12dx} Hierbei ist jedoch der Einfluss der Komponente normal zum Querschnitt jedesmal als ausserordentlich gering vernachlässigt worden. Letzte Gleichung dient zur Berechnung der statisch unbestimmten Kraft H, weiche sich Jedoch wesentlich vereinfachen lässt, was hiermit geschehen soll. Zunächst kann man setzen: BDy2dx+ADy12dx=ABy2dx und es ist: y=4fxt2(lx) welche Gleichung genau für die Parabel und sehr angenähert für den flachen Kreisbogen giltig ist. Wir haben daher: ABy2dx=16f2l401(l2x22lx3+x4)dx=815f2l. Dann ist: BDxydx+ADx1y1dx=ABxydx und dieser Ausdruck ist nichts anderes als das statische Moment der Fläche, die von AB und dem Bogen begrenzt ist in bezug auf eine Achse durch B, die normal zu AB liegt. Nennen wir F den Inhalt der Fläche, so ist: AB=xydx=Fl2 und ADy1dx ist der Inhalt der Fläche, welche von der Normalen DG auf AB, dem Bogen AD und der Strecke AG begrenzt ist. Wir erhalten daher, wenn wir diese Fläche F1 nennen: Ppl{BDxydx+ADx1y1dx}PpADy1dx=Pp(F2F1) und es ist: F2=13fl. Ferner ist: ADy1dx=oq4fxl2(lx)dx, wobei q die Strecke AG ist. Dieser Integral ist nun: 4fl2q2(12l13q), so dass man hat: F2F1=13fl4fl2q2(12l13q). Endlich ist: ADdx=16f2l4oq(l2x22lx3+x4)dx. Man hat also durch Integration: ADy12dx=16f2l4q3(l2312lq+15q2). Aus diesen Gleichungen entsteht endlich: H=12P(ql){55(ql)10(ql)2+20(ql)38(ql)4} und hiermit ist die unbestimmte Kraft H berechnet. Setzt man: 12l(ql){55(ql10(ql)2+20(ql)3)8(ql)4}=z, dann hat man einfacher: H=Pzl . . . . . . 6) Man nehme der Reihe nach ql=0, 0,1, 0,2, 0,3, 0,4, 0,5, 0,6, 0,7, 0,8, 0,9 und 1,0 und erhält zl=0,00000, 0,22096, 0,37472, 0,46128, 0,49504, 0,50000, 0,50496, 0,53872, 0,62528, 0,77904 u. 1,0000. Man nehme AB zur Q-Achse eines rechtwinkligen Koordinatenkreuzes mit A als Koordinatenanfangspunkt an, dessen andere Achse Z heisst, und zeichne in Fig. 1 nach den Gleichungen 5) und 6) die Kurve hin, so ist dieselbe die Einflusslinie zur Bestimmung des Horizontalschubes im Punkte B. Die Einflusslinie ist mit Hilfe der berechneten Zahlen für zl in Fig. 1 gezeichnet worden. Wirken demnach auf den Bogen die Kräfte P1, P2, P3 usw. und sind z1, z2, z3 usw. deren entsprechenden Ordinaten der Einflusslinie, so entsteht in B der Horizontalschub: H=1l(P1z1+P2z2+P3z3+...). Wenn das System statisch bestimmt ist, also das Auflager B sich bewegen kann, so wird nur im Punkt A ein Horizontalschub ausgeübt, welcher gleich der horizontalen Kraft P ist. Wirkt noch weiter in B die Horizontalkraft H, so entsteht in A eine gleiche Kraft H, welche aber entgegengesetzt gerichtet ist. Wenn daher das System statisch unbestimmt ist, so wirkt in A der Horizontalschub: H' = P – H, d.h. mit Rücksicht auf Gleichung 6) ergibt sich: H=P(lzl). Man ziehe die Parallele A1B1 zu AB im Abstande l und verlängere GK bis zum Schnittpunkte G1 mit A1B1 so ist: G1K=lz, wobei K ein Punkt der Einflusslinie ist. Setzt man lz = z', so hat man: H=Pzl . . . . . . 7) Hieraus folgt, dass die Einflusslinie für H zugleich auch Einflusslinie für H' ist, die Q-Achse ist aber nicht mehr AB, sondern A, B1. Nennen wir also die entsprechenden Ordinaten für dieses Koordinatenkreuz mit A1 als Anfangspunkt z1, z2, z3 usw. für P1, P2, P3 usw., so ergibt sich die Horizontalkraft in A Prime causes double exponent: use braces to clarify. Wir haben also sowohl zur Bestimmung von H als als auch von H' die Strecke l zum Divisor. Ist im besonderen der Bogen von A an mit g für die Längeneinheit gleichmässig belastet bis zum Abstand p, wozu die Abszisse q gehört, so entsteht der Horizontalschub: H=12goq(5(ql)5(ql)210(ql)3+20(ql)48(ql)5)dq    =12gl(52(ql)253(ql)3104(ql)4+205(ql)586(ql)6). Hieraus entsteht für q = l H=12gl und für q=l2 H=35192gl . . . . . 8) In der Praxis kommt der Fall am meisten vor, dass q=l2 ist, z.B. beim Winddruck. Es hat dann der Horizontalschub in B den ebengefundenen Wert, der Horizontalschub in A ist jedoch: H=12gl35192gl, d.h. H=61192gl . . . . . 9) Uebrigens ist unter allen Umständen, sei es, dass es sich um Einzellasten, um kontinuierliche oder um gemischte Belastung handelt, die Summe der Horizontalkräfte in A und B gleich der gesamten Belastung des Bogens, wie sich aus den Gleichungen 6) und 7) sofort ergibt. Die Kraft P bringt im Punkte B den zu mn senkrechten Auflagerdruck Ppl, von unten nach oben wirkend hervor, und ausserdem noch die Horizontalkraft H. Im Punkte A bringt P den ebenfalls zu mn senkrecht gerichteten Auflagerdruck Ppl, welcher aber von oben nach unten wirkt, und die Horizontalkraft H' hervor. Man vereinige sowohl die in A als auch die in B wirkenden Kräfte zu Mittelkräften, und wenn S deren Schnittpunkt, so liegt derselbe auf P, und unsere Aufgabe soll es sein, die Lage des Punktes, welcher Kämpferdruckpunkt heisst, zu bestimmen: Bildet H mit der Mittelkraft den Winkel φ, so ist tgφ=PplH und mit Rücksicht auf Gleichung 6) entsteht: tgφ=pz. Hieraus ergibt sich folgende Konstruktion für S: Man mache auf AB die Strecke GL=GK und ziehe LD. Hierlauf lege man zu LD die Parallele durch B und letztere trifft P in dem verlangten Punkte S. Zeichnet man für verschiedene Lagen von P den Punkt S hin und verbindet die so entstandenen Kämpferdruckpunkte miteinander, so erhält man eine krumme Linie, welche Kämpferdrucklinie heisst; sie ist darum von Wichtigkeit, weil damit sehr rasch für Einzellasten die Auflagerdrucke und Horizontallasten gefunden werden können. Zeichnet man sie auf, so findet man, dass sie nicht sehr viel von der Verbindungslinie des Punktes B mit dem Mittelpunkte M des Bogens abweicht, so dass die Gerade MB in der Praxis als Kämpferdrucklinie genommen werden kann, wenn die Last an der einen Bogenhälfte AM wirkt. Wirkt jedoch die Belastung an der anderen Bogenhälfte BM, so ist die noch zu ziehende Gerade AM als Kämpferdrucklinie angenähert zu nehmen.
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Fig. 2.
Nehmen wir z.B. an, dass der halbe Bogen AM gleichmässig mit g für die Längeneinheit in Fig. 2 belastet ist, so ist die Gesamtbelastung gl2 und der zu mn senkrechte Auflagerdruck ist nun B1=gl2f2l4=gf4. In Wirklichkeit ist B1 etwas grösser, weil die Mittelkraft gl2 in einem etwas grösseren Abstande als f2 wirkt. Wir haben: tgφ=fl2=2fl und tgφ=B1H, also: H=gf4l2f oder auch: H=gl8=0,125gl, und dieser Wert ist etwas zu klein. In Wirklichkeit ist H = 0,182 gl nach Gleichung 8). Nehmen wir also BM als Kämpferdrucklinie an, so erhalten wir einen kleineren Wert, weil die Mittelkraft gl2 durch den Schwerpunkt des Bogens geht und sein Abstand von AB etwas grösser als f2 ist. Da nun tatsächlich H grösser als 0,125 . gl, nämlich gleich 0,182 gl ist, so ist hier an einem Sonderfalle bestätigt, dass die Benutzung von BM und AM zur Kämpferdrucklinie genügend genaue Ergebnisse liefert. (Schluss folgt.)