Titel: | Die günstigsten Kurbelwinkel für stationäre Mehrkurbelmaschinen. |
Autor: | Reinhold Rüdenberg |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 437 |
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Die günstigsten Kurbelwinkel für stationäre
Mehrkurbelmaschinen.
Von Reinhold Rüdenberg,
Hannover.
(Fortsetzung von S. 420 d. Bd.)
Die günstigsten Kurbelwinkel für stationäre
Mehrkurbelmaschinen.
Am übersichtlichsten wird die ganze Rechnung werden bei der Anwendung auf ein
Beispiel. Um gleich eine bequeme Kontrolle der Ergebnisse zu ermöglichen, wähle ich
Diagramme, für welche die zuerst erwähnte graphische Bestimmung der besten
Kurbelwinkel bereits vorliegt. In Z. d. V. d. J. 1901, Seite 831 ff. veröffentlicht
Budil die Tangentialdruck-Diagramme einer stehenden
Zweizylinder-Verbundmaschine, deren Kurbelwinkel er zu 138° angibt, wenn die
Niederdruck-Kurbel voreilt. Dieser Winkel wurde weh Probieren gefunden. Sehen wir
nun, was die Rechnung liefert. Um die harmonische Analyse der Diagramme bis zum
fünften Gliede genau durchzuführen, genügt die Messung von zwölf gleichmässig über
die Periode verteilten Ordinaten, die das Bild der Kurve auch tatsächlich ziemlich
gut wiedergeben. Die Einzeldiagramme sind in Fig. 3
kopiert. Die Analyse wurde nach dem von Prof. RungeZeitschrift für
Mathematik und Physik, 1903, Bd. 48, Seite 443. angegebenen
Schema durchgeführt, das die Amplituden der Harmonischen nach kurzer Rechnung
liefert. Sie sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Dieselbe Tabelle zeigt auch die
schematische Berechnung der Werte an und bn; sie gehen durch einfache Operationen nach
Gleichung 11 aus A, B . . . hervor. Wir hätten uns nun
die Kurve (f (α) = Σn
an cos n α + Σn
bn sin α) als Funktion von α
aufzuzeichnen. Wie Prof. Runge gezeigt hat,Theorie und Praxis der Reihen, 1904 Seite
155. lässt sich dasselbe bequeme Rechenschema, das oben zur
Analyse der Kurven benutzt wurde, unverändert auch zu deren Synthese verwenden, d.h.
zur Berechnung von zwölf Ordinaten der
Tabelle 1.
n =
1
2
3
4
5
A, B
C, D
+ 1,22 + 3,32+ 0,95 + 3,62
– 4,30 + 2,54– 8,10 – 4,75
– 0,57 – 2,24– 0,87 – 2,54
– 4,94 + 3,34– 1,63 – 0,35
– 0,65 +0,32– 0,08 + 0,25
A × DB × C
+ 4,42+ 3,16
+ 20,40– 20,60
+ 1,45+ 1,95
+ 1,73– 5,44
– 0,16– 0,02
Differenz Δ– n . Δ = an
+ 1,26– 1,26
+ 41,00– 82,00
– 0,50+ 1,50
+ 7,17– 28,68
– 0,14+ 0,70
A × CB × D
+ 1,16+ 12,01
+ 34,80– 12,08
+ 0,50+ 5,69
+ 8,05– 1,17
+ 0,05+ 0,08
Summe Σ– n . Σ = bn
+ 13,17– 13,17
+ 22,72– 45,44
+ 6,19– 18,57
+ 6,88– 27,52
+ 0,13– 0,65
f (α) = Kurve aus den Zahlenwerten für an und bn. Hierdurch ist der Verlauf der Kurve annähernd
festgelegt, besser ist es jedoch, durch doppelte Anwendung des Schemas 24 Punkte zu
berechnenEbendaselbst, Seite
157., namentlich, wenn dieKurve, wie im vorliegenden Falle,
ziemlich verwickelten Bau besitzt (Fig. 4). Es würde
ja genügen, den Verlauf der Kurve in der Nähe der Durchschnittspunkte mit der
Nullinie zu kennen, doch macht die übliche Berechnung nur weniger Ordinaten an
diesen Stellen weit mehr Mühe als die gesamte Rechnung nach dem erwähnten
Schema.
Textabbildung Bd. 319, S. 437
Fig. 3.
Aus Fig. 4 geht hervor, dass für unsere Maschine zwei
Winkel bestehen, die wir als günstig bezeichnen dürfen, sie werden aber
wahrscheinlich nicht beide gleich gut sein. Um dies zu entscheiden, kann man die
gesamte Kurve integrieren und das absolute Minimum aufsuchen (Fig. 2a), man kann
aber auch schneller durch folgende Ueberlegung zum Ziele kommen. Die grösste
Ueberschussfläche im resultierenden Drehkraft-Diagramm würde bei gleicher Amplitude
aller Harmonischen offenbar durch die erste hervorgerufen, da sie von allen die
grösste Basis hat. Es wird also günstig sein, diese möglichst klein zu halten, und
da die erste Harmonische in allen Einzeldiagrammen ein ziemlich gleich starkes
Sinusglied bildet, so wäre eine Kurbelversetzung von rund 180° am besten. Weil auch
noch andere Schwingungen vorhanden sind, so wird der beste Winkel nicht 180° sein,
dagegen ist von den beiden günstigen der absolut günstigste der, welcher am nächsten
nach 180° hin liegt. Aus Fig. 4 ist also der
günstigste Kurbelwinkel zu 222° abzulesen, dabei haben wir die Hochdruckkurbel als
voreilend angenommen.
Wie oben bemerkt, wurde durch Probieren 138° Voreilung der Niederdruckkurbel
gefunden. Rechnen wir dies um, so erhalten wir 360° – 138° = 222°, also genau
denselben Wert, den die Rechnung liefert.
Textabbildung Bd. 319, S. 438
Fig. 4.
Um den Unterschied der Diagramme zu zeigen, sind in Fig.
5 die Kurven aus der oben erwähnten Quelle wiederholt für die Winkel a = 90°, 270°, 222°. Auch für den Winkel 53°, der ein
relatives Minimum liefert, ist die Kurve neu hinzugezeichnet. Man sieht, auch dieser
Winkel liefert ein recht brauchbares Diagramm.
Textabbildung Bd. 319, S. 438
Fig. 5.
Bei der Konstruktion der Drehkraft-Diagramme tritt eine Schwierigkeit auf. Es ist
nötig, zu derselben die Kurbelwinkel vorher zu kennen, die aber andererseits erst
durch das als bekannt angenommene Diagramm festgelegt werden sollen. Es ist daher am
besten, man zeichnet sich die Kurven für die meist gebräuchlichen Winkel von 90°,
bezw. 120° bei 3 Kurbeln, auf und legt diese der Rechnung zu Grunde. Durch die
Abweichungen von diesen Winkeln kommen natürlich Fehler in das Resultat, die man
herausschaffen kann, wenn man die ganze Arbeit wiederholt. Dies ist aber im
allgemeinen nicht nötig, da die Unterschiede nur sehr klein sind. Bei
Zweikurbelmaschinen kann man auch bei einiger Uebung annähernd vorher schätzen, ob
der beste Winkel grösser oder kleiner als 90° wird, unddies von vornherein
berücksichtigen; bei Dreikurbelmaschinen ist das allerdings nicht möglich und man
ist auf die Konstruktion der Diagramme mit 120° Versetzung angewiesen. Natürlich
muss Massendruck, Kolbengewicht ungleiche Indikatordiagramme etc. stets im
Drehkraft-Diagramm berücksichtigt werden.
An der Hand der hergeleiteten Gleichungen wollen wir nun einige Sonderfälle
untersuchen. Eine wichtige Frage ist die: Welche Beziehung muss zwischen den beiden
zu kombinierenden Drehkraft-Diagrammen bestehn, damit 90° günstigster Kurbelwinkel
wird? Durch Einsetzen in die Minimumsgleichung erhält man:
f\,(90^{\circ})=\left\{\left{{+a_1\,\cdot\,\mbox{cos}\,90^{\circ}+a_2\,\mbox{cos}\,2\,\cdot\,90^{\circ}+...}\atop{+b_1\,\cdot\,\mbox{sin}\,90^{\circ}+b_2\,\mbox{sin}\,2\,\cdot\,90^{\circ}+...}}\right\right\}=0
\left\{\left{{-a_2+a_4-a_6+-...}\atop{+b_1-b_3+b_5-+...}}\right\right\}=0
Diese Beziehung, die auf eine ähnliche zwischen den Konstanten A, B, C, D führt, wird, wie man leicht sieht, im
allgemeinen nicht erfüllt werden, daher ist der Kurbelwinkel von 90° fast stets
verbesserungsfähig.
Sind die beiden Diagramme genau gleich, z.B. bei Zwillingsmaschinen, so ist (siehe
Formel 11):
An = Cn; Bn= Dn . an = 0; bn
=– nn
(An2 + Bn2) + f(α) = b1 sin α + b2 sin 2α + b3 . sin 3a + . : . =
0
diese Kurve für f (α) schneidet die Abszissenachse für α = 0° und 180° sicher, das entspricht aber einem
Maximum der Abweichungen (weil b2 gross und negativ ist)' Die anderen Schnittpunkte,
also die günstigen Winkel, hängen wieder von de: Grösse der A und B ab. 90° wäre nur dann der beste
Winkel, wenn
b1– b3+ b5– + . . . = 0.
Bei gleichen Diagrammen beider Kurbeln ist dies z. B.
der Fall, wenn die vorderen und hinteren Diagrammhälften genau kongruent sind, denn
dann verschwinden die ungeraden Glieder jedes für sich. Die geradzahligen
Harmonischen werden jetzt durch 90° Versetzung am besten ausgeglichen.
Will man sich die Mühe der Auswertung der Funktion f(α) ersparen, aus der die Kurbelwinkel zu berechnen waren, so kann man
dieselbe oft mit einiger Annäherung vereinfachen, nämlich dann, wenn die zweite
Harmonische das stärkste Gewicht hat, also wenn dem a2 und b2 gegenüber die anderen Amplituden zu
vernachlässigen sind. Man erhält dann als Lösung der Gleichung:
a2 cos
2α + b2 sin 2α = 0
tg\,2\alpha=-\frac{a_2}{b_2}=-\frac{A_2\,D_2-B_2\,C_2}{A_2\,C_2+B_2\,D_2} . 13)
woraus nun α sehr einfach zu
berechnen ist. Dies Verfahren liefert meist keine sehr guten Werte, doch kann es von
Nutzen sein, wenn man z.B. bei Wechselstromgeneratoren, die zum Pendeln neigen, eine
bestimmte Schwingung möglichst unterdrücken will, um sich vor Resonanz zu schützen.
Denn auf ähnliche Weise kann man auch irgend eine andere Oberschwingung zu einem
Minimum machen; ganz vernichten kann man sie natürlich nicht, Wenn sie nicht
zufällig in beiden Diagrammen von genau gleicher Stärke wäre. Auch ist zu beachten,
dass die so vermiedene Schwingung bei einer Füllungsänderung des Dampfzylinders doch
wieder zum Vorschein kommen wird, Wenn auch nur in massiger Stärke.
Ist nun schon bei einer Zweikurbelmaschine die Verbesserung des Ausgleichs der
Schwankungen im Drehmomente eine recht gute, so wird dieselbe bei Kombination von
drei Kurbeln noch weit besser, entsprechend der grösseren Mannigfaltigkeit der
Anordnungen. Die günstigten Winkel berechnen wir wieder nach unserem
Ausgleichsgesetz. Analog dem obigen mögen die Drehkraft-Diagramme der drei Kurbeln
durch folgende Fouriersche Reihen dargestellt
werden:
Kurbel„„
I:II:III:
F (φ) = A0 +
Σn An cos n φ + Σn
Bn sin n φG (φ) =
C0
+ Σn
Cn cos n φ + Σn
Dn sin
n φH (φ) =
E0 + Σn
En cos n φ + Σn
Fn sin n φ
14)
Der Nacheilwinkel von Kurbel II gegen I sei α, der von
III gegen I sei β. Dann ist die resultierende
Drehkraft:
T (φ) = F (φ) + G (φ – α) + H (φ – β),
die sich wieder in einen Ausdruck entwickeln lässt von der
Form
T (φ) = T0 + Σn
Tn . sin (n φ + ψn),
wobei jetzt Tn eine Funktion von a
und β ist und zwar:
Tn2 = An2 + Bn2 + Cn2 + Dn2 + En2 + Fn2 . 15)
+ 2 (An
Cn + Bn
Dn) cos n α – 2 (An
Dn
– Bn
Cn) sin n α + 2 (An
En
+ Bn
Fn) cos n β – 2 (An
Fn
– Bn
En) sin nβ + 2 (Cn
En
+ Dn
Fn) cos n (β – α) – 2 (Cn
Fn
– Dn
En) sin n (β – α).
Führen wir wieder die folgenden Abkürzungen ein:
an = – n (An
Dn
– Bn
Cn), bn
= – n (An
Cn
+Bn
Dn)cn = – n (An
Fn
– Bn
En), dn
= – n (An
En
+Bn
Fn)en = – n (Cn
Fn
– Dn
En), fn
= – n (Cn
En
+Dn
Fn)
16)
und differentiieren wir ΣnTn2 nach α und nach β. so erhalten wir:
\frac{\delta\,m^2}{\delta\,\alpha}=
\left\{\left{{+\Sigma_n\,a_n\,\mbox{cos}\,n\,\alpha+\Sigma_n\,b_n\,\mbox{sin}\,n\,\alpha}\atop{-\Sigma_n\,e_n\,\mbox{cos}\,n\,(\beta-\alpha)-\Sigma_n\,f_n\,\mbox{sin}\,n\,(\beta-\alpha)}}\right\right\}=0
\frac{\delta\,m^2}{\delta\,\beta}=
\left\{\left{{+\Sigma_n\,c_n\,\mbox{cos}\,n\,\beta+\Sigma_n\,d_n\,\mbox{sin}\,n\,\beta}\atop{+\Sigma_n\,e_n\,\mbox{cos}\,n\,(\beta-\alpha)+\Sigma_n\,f_n\,\mbox{sin}\,n\,(\beta-\alpha)}}\right\right\}=0
\left\{\left{{+\Sigma_n\,a_n\,\mbox{cos}\,n\,\alpha+\Sigma_n\,b_n\,\mbox{sin}\,n\,\alpha}\atop{+\Sigma_n\,c_n\,\mbox{cos}\,n\,\beta+\Sigma_n\,d_n\,\mbox{sin}\,n\,\beta}}\right\right\}=0
17)
Die letzte Gleichung entsteht durch Addition der beiden ersten. Dieses
Gleichungssystem ist natürlich inbezug auf die drei Winkel zwischen den Kurbeln: α, β und β – α
gleichwertig. Um in übersichtlicher Weise die Lösungen für α und β zu finden kann man es schreiben:
f (α) + g (β) = 0f (α) – h (β – α)= 0g (β) + h (β –
α) = 0
17a)
Textabbildung Bd. 319, S. 439
Fig. 6.
wobei die Bedeutung dieser Funktionen ohne weiteres klar ist;
jede stellt uns eine Fouriersche Reihe dar, die man
sich nach den oben angeführten Regeln aufzeichnen kann. Am besten zeichnet man die
drei Kurven + f (α), – g (β) und+ h (β – α)
nebeneinander und schreibt sich die Winkel α, β und
(β – α) die zu gleichen Ordinaten aller Kurven
gehören, in einer Tabelle nieder. Jede der drei Gleichungen gibt uns eine Beziehung,
die zwischen je zwei Winkeln herrschen muss und diese Abhängigkeit der Winkel von
einander lässt sich aus der Tabelle ersehen. Uebersichtlicher wird das Ganze, wenn
man die Tabelle graphisch darstellt; sie liefert drei Kurvensysteme, die man
sämtlich in den Koordinaten α und β darstellen kann, am einfachsten so, dass man die
jeweiligen (β – α) von einer um 45° geneigten Geraden
abträgt, dann erhält man direkt β abhängig von α. Wie dies gemeint ist wird aus Fig. 6 ersichtlich sein. Unsere günstigsten
Kurbelwinkel liegen nun gleichzeitig auf diesen drei Kurven, man findet sie also,
indem man die Schnittpunkte aufsucht, die natürlich für alle drei Kurven gemeinsam
sein müssen. Das dritte Kurvensystem hätte auch fortgelassen werden können, es dient
nur zur Kontrolle. Es wird gut sein auch für diesen komplizierteren Fall ein
Beispiel kurz durchzurechnen.
(Schluss folgt.)