Titel: | Verschiedene Uebersetzungen für Motorräder. |
Autor: | Lud. v. Löw. |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 269 |
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Verschiedene Uebersetzungen für
Motorräder.
Von Lud. v. Löw., Dipl.-Ing.
Verschiedene Uebersetzungen für Motorräder.
Einer der wundesten Punkte unserer heutigen Motorräder ist, dass sie nur mit
einer einzigen, unveränderlichen Uebersetzung ausgerüstet sind. Infolge hiervon
nimmt die Pferdestärkeleistung ab, sobald die Fahrgeschwindigkeit kleiner wird, also
gerade in Steigungen, wo man doch über eine grössere Pferdestärkezahl zu verfügen
wünscht, leistet die Maschine weniger.
Zwei Riemen, die durch Spannrollen in Tätigkeit gebracht
werden, veranlassen einen unangenehmenArbeitsverlust, besonders wenn die zum
schnellen Fahren dienende Uebersetzung arbeitet. Beim Benutzen des Riemens für die
Bergfahrt dagegen ist die Einbusse an Motorleistung geringer, denn nun tritt, wie
man sich an einer Skizze leicht klarmachen kann, die Reibung des nicht arbeitenden
Riemens im Sinne der Rotation, also als voreilendes Gleiten auf.
Bei Verwendung der für Kraftwagen meist gebräuchlichen, wechselbaren Zahnradübersetzungen ist es stets schwierig, die richtige
Mitte zu finden zwischen kleinen und grossen Zahnrädern. Erstere sind mit hohem
Zahndruck und daher kurzer Lebensdauer verbunden; letztere bringen besonders in
Anbetracht ihrer staub- und öldichten Einkapselung eine Gewichtsvermehrung mit sich,
die sich nur schwer vereinbaren lässt mit einer Maschine, die doch eine gewisse
Aehnlichkeit mit dem leichtwiegenden Fahrrad haben soll, um nötigenfalls über ein
Hindernis hinweggehoben werden zu können.
Textabbildung Bd. 319, S. 270
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 319, S. 270
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 319, S. 270
Fig. 3.
Am geeignetsten zum Aendern des Uebersetzungsverhältnisses zwischen Motorwelle und
Treibrad sind wohl die seit einiger Zeit sich im Kraftwagenbau so rasch
verbreitenden Diskusgetriebe, die sich, wie aus den
Fig. 1 bis 3 zu
ersehen ist, in der verschiedensten Weise zum Antrieb von Motorräder verwerten
lassen.
Die einfachste, dem gewöhnlichen Fahrrad ähnlichste Anordnung zeigt Fig. 1. Die Motorwelle liegt hier nicht, wie bei
unsern heutigen Motorrädern quer zur Fahrrichtung, sondern in ihr. Sie endigt in der
Diskusscheibe d, gegen welche die Stirnscheibe s angepresst wird. Letztere ist parallel zur Bildebene
verschiebbar, so dass sie mehr oder weniger dem Mittelpunkt von d genähert werden kann, wodurch sich das
Uebersetzungsverhältnis ändert. Von der Welle der Scheibe s aus wird die Kraft vermittels Kette, wie gezeichnet, auf das Hinterrad
übertragen.
Ist jemand ein Gegner der Kette, so kann er einen Antrieb durch Kegelräder, wie bei
kettenlosen Fahrrädern, erhalten, in der Weise, wie es durch Fig. 2 als Grundriss zum Ausdruck kommt. Der Motor
steht hier ebenso wie bei Fig. 1, aber am Ende
seiner Welle befindet sich kein Diskus, sondern eine feste Stirnscheibe f. Wider diese wird ebenso wie gegen die verschiebbare
Scheibe v von oben und unten je ein Diskus d gedrückt, zwei Diskusse deshalb, um die Lager von dem
Reaktionsdruck der Anpressungskraft zu entlasten. Das Aendern des
Uebersetzungsverhältnissesgeschieht durch Verschieben der Stirnscheibe v.
Eine weitere Anordnung, bei der das Treibrad nicht an der Nabe, sondern an der Felge
(ähnlich wie bei dem Lutz'schen Fahrrad, jedoch ohne
Verzahnung) (s. D. p. J. 1897, 306 56 *) den Antrieb
empfängt, ist in Fig. 3 im Grundriss dargestellt.
Auf die eigenartig geformte Felge wird in der Richtung der beiden kleinen Pfeile der
sowohl als Plan- wie als Stirnscheibe arbeitende Diskus d angepresst; gleichzeitig wird er aber auch im Sinne des grossen Pfeiles
wider die behufs Aenderung des Uebersetzungsverhältnisses auf der Motorwelle
verschiebbare Stirnscheibe v gedrückt.
Die Einwände, die man gegen die Diskusgetriebe machen kann, spielen für Motorräder
noch eine geringere Rolle als bei Kraftwagen, da es infolge der hier in Betracht
kommenden hohen Umfangsgeschwindigkeiten und geringen Drucke möglich ist, die
Stirnscheiben sehr schmal zu gestalten.
Grosse Schwierigkeiten jedoch für die Einführung irgend einer wechselbaren oder
veränderlichen Uebersetzung für Motorräder bildet die heute übliche Kühlung der
Zylinder. Bei Motorrädern mit unveränderlicher Uebersetzung hat nämlich der Zylinder
bei rascher Fahrt eine gute Kühlung durch den Luftzug. Bei langsamer Fahrt wird der
Luftzug und mit ihm die Abkühlung geringer, aber, wie wir anfangs gesehen haben,
leistet die Maschine auch weniger und hat infolgedessen nur eine geringere Kühlung
nötig. Wenn wir aber durch verschiedene Uebersetzungen erzielen, dass der Motor
stets mit seiner normalen Umlaufzahl und vollen Pferdestärkeleistung arbeitet, dann
ist es sehr wahrscheinlich, dass beim Bergauffahren infolge des verminderten
Luftzugs der Motor heiss läuft. Die Vervollkommnung der Motorräder in der
beschriebenen Weise muss daher mit einer Vervollkommnung der Kühlung, die wir in der
nächsten Abhandlung betrachten wollen, Hand in Hand gehen.