Titel: | Der Arbeitswert der Heizgase und seine Ausnutzung. |
Autor: | K. Schreber |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 225 |
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Der Arbeitswert der Heizgase und seine
Ausnutzung.
(Schluss von S. 199 d. Bd.)
Der Arbeitswert der Heizgase und seine Ausnutzung.
Ich werde nun im nachfolgenden die Zweistoffdampfmaschine 310°, Anilin 100°,
Wasser 40° untersuchen in bezug auf die Ausnutzung des Arbeitswertes der Heizgase
und zwar das Beispiel der Steinkohle bei φ = 1,3 und
σ = 0,2 auch graphisch; die übrigen nur
tabellarisch. Für das graphisch behandelte Beispiel werde ich auch den
Arbeitsflusslauf geben. Die Temperaturen, mit denen die Heizgase die beiden Kessel
verlassen, seien 410° bezw. 250°.
Textabbildung Bd. 319, S. 225
Fig. 16.
Der Arbeitswert der Heizgase ist für dieses Beispiel schon durch Fig. 12 gegeben, darf also sofort nach hier (Fig. 16) übertragen werden. Um nach Gleichung 7 die
Entropieänderung des Anilins zu erhalten, ist zu beachten, dass zu der dem Anilin
aus den Heizgasen durch Leitung zugeführten Menge Wärmeenergie hier auch noch die
eingestrahlte Menge σ . H hinzukommt. Ferner ist zu
beachten, dass die in Gleichung 7 vorkommenden Werte von q und τ sich auf die Flüssigkeitsmenge
beziehen, welche in derselben Zeit durch die Maschine fliesst wie die Gasmenge G, während in den Tabellen diese Zahlen nur für die
Mengeneinheiten aufgeführt sind. Die durch die Maschine fliessende Flüssigkeitsmenge
ist dadurch bestimmt, dass sie imstande sein muss, vermöge der Zunahme ihrer
Flüssigkeitswärme und ihrer Verdampfungswärme die ihr zugeführte Wärmeenergie
aufzunehmen. Bezeichnen wie die Verdampfungswärme des Anilins bei der
Kesseltemperatur Tka
mit ra und die Zunahme
der Flüssigkeitswärme bei der Temperatursteigerung von Tkw bis Tka mit qa – q'a so erhalten wir die Anilinmenge A durch
A=\frac{G\,(T_r-T'_{kn})\,\left(a+\frac{b}{2}\,[T_r+T'_{ka}]\right)+\sigma\,\cdot\,H}{r_a+q_a-q'_a}
=\frac{H\,\left\{(1-\sigma)\,\left(\frac{T_r-T'_{ka}}{T_r-T_0}\right)\,\cdot\,\left(1+\frac{\frac{b}{2}\,[T'_{ka}-T_0]}{a+\frac{b}{2}\,[T_r+T_0]}\right)+\sigma\right\}}{\frac{r_a+q_a-q'_a}{r_a+q_a-q'_a}}
Damit erhält man nach einigen einfachen Umformungen
\Delta\,\tau=A\,\cdot\,\left(\frac{r_a}{T_{ka}}+\tau_a-\tau'_a\right) . 27)
Es wird also in der Anwendung die Gleichung 7 höchst einfach.
Der Wasserdampfkessel dient in erster Linie als Kondensator für den Anilindampf,
nachdem dieser in der Turbine gearbeitet hat; ausserdem empfängt er aber noch die
Wärme, welche die Heizgase abgeben, wenn sie sich von D
d = Tka bis
auf Gg = Tkw abkühlen.
Man wird also die für den Betrieb nötige Wassermenge W
erhalten, wenn man in die für die Anilinmenge gefundene Gleichung zunächst an Stelle
der auf Anilin bezogenen Grössen die für das Wasser gültigen setzt und dann im
Zähler die schon von der Anilinturbine in Arbeit verwandelte Wärme abzieht. Die
Entropieänderung des Wassers erhält man schliesslich aus Gleichung 27, indem man
wiederum nur die für Wasser gültigen Werte einsetzt.
Auf diese Weise ist das Diagramm Fig. 16
entworfen.D. p. J. 1902 317. S. 709.
In demselben ist also [ABCca] = H = 8080 der Heizwert des Brennstoffes. Die im Maximum hieraus zu
erhaltende Arbeit, der Arbeitswert, ist [ABCc']. Die
Rosttemperatur ist \overline{B\,b}=\overline{C\,c}=T_r; die Temperatur, mit welcher die Heizgase vom
Anilinkessel abziehen, ist D\,d=T'_{ka}, und die, mit welcher sie vom Wasserkessel
fortgehen in den Schornstein ist \overline{G\,g}=T'_{kw}. Der Arbeitswert der im Anilinkessel
aufgenommenen Wärmeenergie ist [D'EFf'd'], während der
Wasserdampf den Arbeitswert [KJHh'k] enthält. Die
wirklich gewonnene Arbeit ist [D'EFf''] + [KJHh'']. Die Heizgase
enthalten, wenn sie vom Anilinkessel abziehen, noch den Arbeitswert [ADd'] und nehmen in den Schornstein mit den Arbeitswert
[AGk]. Da das Wasser die Wärmeenergie [GDD'JK] auf nichtumkehrbarem Wege aufnimmt, vermindert
sich der Arbeitswert derselben um [f'h'hf]. An den
Kondensator wird der Arbeitswert [Kh''h'k] abgegeben.
Bildet man die Verhältnisse der einzelnen Flächen, so erhält man die entsprechenden
Ausnutzungsverhältnisse.
Das Diagramm gibt uns also Auskunft über sämtliche Fragen, welche die Verwandlung der
Wärme in Arbeit betreffen.
In der nachfolgenden Tabelle XI habe ich die wichtigsten dieser Fragen zahlenmässig
beantwortet; die Einrichtung ist entsprechend der Tabelle X; die auf Anilin
bezüglichen Werte haben den Index a bekommen, während
die auf Wasser bezüglichen mit dem Index w
ausgezeichnet sind.
XI.
φ
a
ka
a
r
a
ka
a
ta
a
ka
a
r
a
sa
a
kw
a
r
a
kw
a
tw
a
kw
a
r
a
sw
∑aτ
11'4
1,0
0,3940,3910,383
0,5400,5370,542
0,1330,1320,129
0,0450,0450,052
0,2540,2530,250
0,3490,3460,354
0,2260,2240,222
0,0180,0190,022
0,3590,3560,351
11'4
1,3
0,3750,3730,363
0,5410,5370,542
0,1260,1260,122
0,0570,0600,065
0,2480,2460,245
0,3580,3530,364
0,2200,2190,218
0,0240,0260,027
0,3460,3450,340
11'4
1,6
0,3580,3540,344
0,5410,5360,538
0,1200,1190,116
0,0700,0700,078
0,2430,2420,239
0,3680,3660,373
0,2150,2140,211
0,0290,0320,032
0,3360,3340,327
11'4
2,0
0,3330,3280,319
0,5340,5250,526
0,1120,1110,107
0,0850,0880,094
0,2300,2330,232
0,3780,3730,384
0,2090,2080,205
0,0360,0370,040
0,3210,3180,312
14
2,5
0,3020,288
0,5170,508
0,1020,097
0,1040,116
0,2270,222
0,3880,391
0,2010,197
0,0450,049
0,3020,293
14
3,0
0,2710,252
0,5000,469
0,0910,085
0,1260,143
0,2170,212
0,3970,394
0,1930,188
0,0530,058
0,2850,272
Der Fluss der Arbeit im Beispiel: Steinkohle φ = 1,3 σ = 0,2 ist in Fig. 17
gegeben.
Die Tabelle zeigt in der aka die ganz bedeutende Verbesserung in der Ausnutzung des Arbeitswertes
der Heizgase durch die Einführung des Anilinkessels; während nach Tabelle X die
Heizgase durch den Kessel nur zu 0,42 bei den Luftmengen 1,3 und 1,6 ausgenutzt
werden, haben wir hier 0,54; also eine Verbesserung im Verhältnis 4 : 5.
Gleichzeitig steigt aber auch noch der Arbeitswert der vom Kessel abziehenden
Heizgase von 0,03 auf 0,06 bis 0,07; so dass der durch den nicht umkehrbaren
Wärmeübergang durch die Kesselwand bedingte Verlust in Bruchteilen des Heizwertes
von 0,38 auf 0,26 abnimmt und dadurch kleiner wird als der Verlust auf dem Rost. Der
Vergleich von Fig. 17 mit Fig. 14 zeigt dasselbe in graphischer Darstellung.
Der Verlust durch die nichtumkehrbare Wärmeaufnahmeam Wasserkessel ist, wie
namentlich der Verlauf des Arbeitsflusses zeigt, sehr gering.
Die Folge der guten Ausnutzung am Anilinkessel ist die vermehrte Arbeit, welche an
die Welle abgegeben wird. Ich habe die Summe der von den beiden Turbinen geleisteten
Arbeit als ∑at in
Tabelle XI aufgenommen und für die Steinkohle ohne Einstrahlung in die Kurventafel
(Fig. 11) eingetragen. Steinkohle mit
Einstrahlung und Braunkohle geben nahezu dieselben Werte. Aus der Kurventafel
erkennt man sofort, dass diese Gesamtleistung wieder innerhalb der in Betracht
gezogenen Luftmengen geradlinig mit der wachsenden Luftmenge abnimmt: ∑at = 0,3948 (1 – 0,094
φ) Da der Faktor von φ
hier grösser ist, als oben bei der alleinstehenden Wasserdampfmaschine, so ist die
Kontrolle der Heizgase von noch grösserer Wichtigkeit. Bei der Verringerung der
Luftmenge von 2,5 auf 1,3 haben wir hier eine Ersparnis von ungefähr 15 v. H. der
Kohlen gegen 10 v. H. bei der alleinstehenden Wasserdampfmaschine.
Der Vergleich der Tabellen X und XI gibt das für die Praxis wichtige Resultat, dass
die aus einer bestimmten Kohlenmenge zu gewinnende Arbeit durch den Ersatz der
Wasserdampfmaschine durch eine Zweistoffdampfmaschine bei den Luftmengen 1,3 bis 1,6
von 25 v. H. auf 34 v. H. des Heizwertes steigt, d.h. man erhält aus drei Viertel
der Kohlen dieselbe Arbeit. Da die Abweichungen der in der Praxis durchgeführten
Prozesse von den theoretischen Voraussetzungen bei beiden Maschinenarten dieselben
sind, so bleibt das Verhältnis der aus einer bestimmten Kohlenmenge gewonnenen
Arbeit auch für die Praxis 4 : 3, wenn auch die Bruchteile des Heizwertes kleiner
sind als hier in den Tabellen.
Einen Wärmeplan der Zweistoffdampfmaschinen habe ich nicht besonders gegeben, da an
demselben gar nichts zu sehen ist; man erhält einen solchen, wenn man in die Fig. 15 gegebenen Wärmepläne zwischen Rost und
Kesselwand noch einen Strich einzeichnet, diesen Anilinkesselwand nennt und den nur
mit Kesselwand bezeichneten jetzt genauer als Wasserkesselwand bezeichnet. Die an
der Welle abzunehmende Arbeit steigt auf vier Drittel der bisherigen und diese
Zunahme wird dem Kondensator abgezogen, Ueber den Grund der besseren
Wärmeausnutzung erfährt man aus einem solchen Wärmeplan gar nichts; während der
Vergleich der Arbeitsflussläufe (Fig. 14 und 17) sogleich die Bedeutung des Anilinkessels sichtbar
macht.
Textabbildung Bd. 319, S. 227
Fig. 17.
In die Kurventafel (Fig. 11) habe ich noch die
Arbeitsmengen eingetragen, welche die Heizgase mit in den Schornstein nehmen, wenn
sie mit den Temperaturen 250° und 410° vom Kessel abziehen.Dosch. D. p. J.
1902, 317, S. 797. Diese Arbeitsmengen
sind auch als geradlinig mit der Luftmenge zunehmend anzusehen. Es würde leicht
sein, sie noch für andere Temperaturen zu berechnen. Man erkennt, dass bei 400°
selbst bei kleinen Luftmengen noch ganz stattliche Arbeitsmengen mit Hilfe eines
Vorwärmers gewonnen werden können.
Zusammenfassung der wichtigsten Resultate.
Die Wärmeenergie lässt sich als Produkt von Temperatur und Entropie darstellen, so
dass zur graphischen Lösung von Aufgaben über die Verwandlung von Wärme in Arbeit
ein Koordinatensystem benutzt werden kann, dessen Ordinatenachse die Temperatur,
dessen Abszissenachse die Entropie ist.
Bei umkehrbaren Wärmeübergängen, d.h. bei Wärmeübergängen zwischen Körpern von
derselben Temperatur sind die Entropieänderungen der beiden Körper einander
entgegengesetzt gleich.
Bei nicht umkehrbaren Wärmeübergängen, d.h. bei Wärmeübergängen zwischen Körpern von
verschiedener Temperatur ist die Entropieänderung des kälteren Körpers grösser als
die des wärmeren um einen Betrag, den man erhält, wenn man die bei umkehrbarem
Uebergang aus derselben Wärmemenge im Maximum zu erhaltende Arbeit durch die
Temperatur des kälteren Körpers dividiert.
Wärmeübergänge zwischen Körpern von verschiedener Temperatur sind möglichst zu
vermeiden, und wo das nicht ganz zu erreichen ist. ist der nicht zur Arbeitsleistung
herangezogene Temperaturunterschied der Wärme möglichst klein zu machen.
Die Molekelwärme bei konstantem Volumen für die Temperatur T ist für
die einfachen Gase O2, N2, CO
cv = 4,560 +
0,00120 T
Wasserdampf H2O
cv = 6,840 +
0,00240 T
Kohlensäure CO2
cv = 6,840 +
0,00360 T
Die Molekelwärme bei konstantem Druck erhält man hieraus durch die Beziehung cp
– cv = 1,970.
Die Rosttemperaturen dürfen, will man vollkommene Verbrennung erzielen, nicht über
1500° bis allerhöchstens 1600° steigen.
Der Arbeitswert der Heizgase beträgt im günstigsten Falle nur zwei Drittel des
Heizwertes und nimmt, wenn die Luftmenge bis auf das Dreifache der chemisch nötigen
steigt, bis auf die Hälfte ab.
Durch Innenfeuerung kann man vollkommene Verbrennung mit geringerem Luftüberschuss
und somit eine grössere Ausnutzung des Heizwertes erzielen.
Das Ausnutzungsverhältnis durch die Kesselwandung eines Wasserdampfkessels beträgt
ungefähr 40 v. H. bis 45 v. H., d.h. durch den nicht umkehrbaren Wärmeübergang von
den Heizgasen an das Wasser durch die Kesselwandung hindurch, geht mehr als die
Hälfte des Arbeitswertes der Heizgase verloren, selbst wenn man sämtliche Verluste
an Wärme vermeidet.
Der Arbeitswert des Wasserdampfes beträgt im günstigsten Falle 0,28 bis 0,29 des
Heizwertes und nimmt geradlinig mit wachsender Luftmenge ab, so dass, wenn man durch
Kontrolle der Heizgase die Luftmenge von der 2,5 fachen auf die 1,3 fache
erniedrigt, eine Kohlenersparnis von ungefähr 11 v. H. erzielt wird.
Der Arbeitswert des Wasserdampfes ist, gleiche Luftmenge, vorausgesetzt, nahezu
unabhängig vom Brennstoffe. Der Arbeitswert, welcher durch den Kondensator einer
Wasserdampfmaschine abgeführt wird, ist ausserordentlich klein.
Durch den nichtumkehrbaren Wärmeübergang von den Heizgasen an das Anilin einer
Zweistoffdampfmaschine 310° Anilin 190° Wasser 40° gehen nur 0,26, durch den an das
Wasser einer alleinstehenden Wasserdampfmaschine dagegen 0,38 des Heizwertes für die
Verwandlung in Arbeit verloren, so dass der Unterschied beider Zahlen die durch die Anilinstufe gewährte Verbesserung
der Anlage ist.
Die an die Welle abgegebene Arbeit beträgt bei der Zweistoffdampfmaschine 0,34,
dagegen bei der alleinstehenden Wasserdampfmaschine 190° Wasser 40° nur 0,25 des
Heizwertes, so dass aus einer bestimmten Menge Kohlen mit Hilfe der ersteren 1,36
mal so viel Arbeit gewonnen werden kann, wie mit Hilfe der letzteren.
Die Arbeitsmengen, welche die Heizgase mit in den Schornstein nehmen, sind der
Luftmenge proportional und betragen für die erste Steinkohlensorte in Bruchteilen
des Heizwertes bei der Schornsteintemperatur 250° 0,0181 φ und bei 410° 0,0425 φ.
Dresden, Anfang September 1903.
Dr. K. Schreber.