Titel: | Die Versuche mit dem Blocksignale „System Krizik“ auf der Strecke „Rothneusiedel–Oberlaa“ der k. k. österr. Staatsbahnen. |
Autor: | Adolf Prasch |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 189 |
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Die Versuche mit dem Blocksignale „System
Krizik“ auf der Strecke „Rothneusiedel–Oberlaa“ der k. k. österr.
Staatsbahnen.
Von Ingenieur Adolf Prasch.
Die Versuche mit dem Blocksignale „System Krizik“ auf der
Strecke „Rothneusiedel–Oberlaa“ usw.
Der bekannte Elektrotechniker und Konstrukteur Franz Krizik in
Prag, welcher sich, bereits zu Beginn seiner Karriere,
vielseitig mit der Konstruktion von Eisenbahnsignalen befasste, hat sich in neuerer
Zeit mit diesem Gegenstande wieder eingehender beschäftigt, und ist als Frucht
dieser seiner Bemühungen ein neues System der Blocksignalisierung entstanden. Dieses
Blocksignal-System beruht, da die Anwendung elektrischer Wirkungen bei diesen
Signalen überhaupt nicht entbehrt werden kann, im Gegensätze zu der Mehrzahl der
bestehenden derartigen Einrichtungen, ausschliesslich auf der Verwertung
elektrischer Starkströme und werden die früher mechanisch durch Menschenkraft
bewirkten Bewegungsfunktionen nunmehr nur auf elektromechanischem Wege vollzogen, so
dass die an den Wärter herantretenden physischen Ansprüche ganz geringe sind und
sich auf die einfache Umstellung eines Hebels beschränken.
Die Erwägungen, welche für diese Art und Weise der Ausgestaltung der bezogenen
Einrichtungen massgebend waren, sind folgende:
Die allgemeine Erfahrung lehrt, dass alle Einrichtungen, welche eine grössere
Arbeitsleistung erfordern, bei welchen aber zur Steuerung elektromotorische Kräfte
nötig sind, nur dann unter allen Verhältnissen zuverlässig wirken, wenn diese Kräfte
gross genug sind, um bedeutendere Widerstände zu überwinden. Sind diese steuernden
oder auslösenden Kräfte im Verhältnisse zu den Kräften, welche durch die Steuerung
zur Auslösung gelangen; jedoch klein, so können zwar Einrichtungen
geschaffenwerden, welche diesen Zweck auch erfüllen, dieselben sind aber sehr
verwickelter Natur und dabei naturgemäss auch zarter Konstruktion, so dass der
geringste äussere Anlass schon eine Störung der Wirkung herbeizuführen vermag. Dies
tritt in allen Fällen dann ein, wenn für die Auslösung der Steuerung Schwachströme
zur Anwendung gelangen und die eigentliche Arbeitsleistung einen bedeutenderen
Kraftaufwand erfordert, wie es beispielsweise bei Umstellung eines Semaphorarmes
durch einen Stellhebel der Fall ist, dessen Bedienung der Wärter zu besorgen
hat.
Derartige Einrichtungen, von welchen robuste Mechanismen, wie Weichen- und
Semaphor-Stellwerke abhängig gemacht werden sollen, können, wenn die zu ihrer
Betätigung verfügbare Kraft klein ist, nur dann zuverlässig wirken, wenn sie sehr
zart und vollkommen genau gebaut sind (Präzisionsmechanismen). Sie haben aber noch
die Aufgabe, einem derben Eingriff, wie solcher durch eine versuchte Umstellung des
in Abhängigkeit gebrachten Hebels stattfindet, Widerstand zu leisten.
Um diese Aufgabe zu lösen, bedarf es stets einer Reihe von Uebersetzungen, deren
Wirkung darin besteht, den auf die eigentliche Auslösevorrichtung auszuübenden Druck
so abzuschwächen, dass letztere keinen Schaden erleidet. Es entstehen auf diese
Weise sehr sinnreiche aber komplizierte Konstruktionen, von welchen eine gute und
zuverlässige Dauerwirkung nur dann vorausgesetzt werden kann, wenn sie sehr genau
ausgeführt und aus dem besten Materiale hergestellt sind. Es genügt dies aber allein noch immer
nicht, da schon das geringste Hemmnis, wie solches durch Verrosten eines der
gleitenden Teile, oder das Stocken und Verharzen des verwendeten Schmiermaterials
entstehen kann, ein Versagen herbeizuführen vermag. Es ist also auch noch eine
vorzügliche Wartung derartiger Einrichtungen ein unerlässliches Erfordernis. Diese
Wartung darf sich jedoch nicht darauf beschränken, entstandene Schäden zu
beseitigen, sondern muss vielmehr darauf gerichtet sein, vorbeugend zu wirken.
Eine solche Wartung bietet aber grosse Schwierigkeiten, da die einzelnen Objekte
stets räumlich weit voneinander entfernt sind und ihre Anzahl stets eine grosse ist.
Hierdurch wird die Leistungsfähigkeit der Instandhaltungsorgane verhältnismässig
sehr gering und daher die Wartung sehr kostspielig. Desgleichen sind die
Reparaturkosten sehr bedeutende, da solche zarte Mechanismen, wenn sie stetig in
Anspruch genommen werden, einem starken Verschleiss unterliegen und einen häufigen
Ersatz wenigstens ihrer empfindlichsten Teile erfordern. Fehlt aber die erwähnte
Sorgfalt in der Erhaltung dieser Einrichtungen, so ist ein unzuverlässiges Wirken
und nach kurzer Zeit ein gänzliches Versagen zu befürchten. Diese Erfahrung bezieht
sich auf alle Einrichtungen, welche eine, grösseren Kraftaufwand erfordernde,
Arbeitsleistung zu vollziehen haben, dabei aber von einem entfernteren Punkte
elektro-magnetisch angeregt werden sollen.
Die ursprüngliche Idee des Erfinders ging nun dahin, für diese Auslösevorrichtungen
eine grössere Betriebskraft in Verwendung zu nehmen und sie so weniger empfindlich
zu machen. Eine Fernwirkung in diesem Sinne kann mit der erwünschten Sicherheit nur
auf elektromagnetischem Wege erzielt werden, und war es daher eine naturgemässe
Sache, die Verwertung von Starkströmen zu diesem Zwecke anzustreben, da mit
derartigen Strömen eine beliebige Arbeit auf ganz bedeutende Entfernungen geleistet
werden kann. Die zur Stellung der Semaphore benötigte Kraft kann, gegenüber den
eigentlichen Kraftübertragungsanlagen doch nur gering genannt werden. In logischer
Entwicklung dieses Grundgedankens ergab es sich fast naturgemäss, auch die
eigentliche Arbeitsleistung, nämlich das Stellen der Semaphore, dem elektrischen
Strome unmittelbar zu überantworten und hierdurch, da sich auf diese Weise auch die
gegenseitige Abhängigkeit in vollkommen sicherer Weise erreichen lässt, das
schwerfällige Zwischenglied der Auslösevorrichtung gänzlich zu beseitigen.
Bei der ursprünglichen Anordnung, die auch in dieser Zeitschrift bereits beschrieben
wurde s. D. p. J. 1899, 314, 8 gelangten für die
angestrebten Zwecke ausschliesslich Elektromotoren zur Anwendung, die nicht nur den
Antrieb besorgten, sondern auch durch Betätigung einer Reihe von Umschaltern die
gegenseitige Abhängigkeit in einer allen Anforderungen Rechnung tragenden Weise
regulierten.
Wenn sich auch die Verwerfung von Elektromotoren, die den angestrebten Zwecken
entsprechend ausgestaltet waren, wie dies die Versuchsmodelle erwiesen haben,
vollkommen bewährte und keinerlei Ursache zu Bedenken gab, bemühte sich Krizik dennoch, die Einrichtung noch einfacher
auszubilden, und ist hierbei unter Anwendung von Solenoiden zu einer Einrichtung
gelangt, die an Einfachheit der Konstruktion kaum mehr zu übertreffen sein
dürfte.
Nach vollständiger Ausarbeitung des Systemes und eingehender Untersuchung der
Versuchsmodelle war es ein natürliches Bestreben, die Richtigkeit der zugrunde
gelegten Anschauungen in einer den normalen Betriebsverhältnissen entsprechenden
Weise auszuproben, um das Verhaltender Apparats unter den gegebenen natürlichen
Bedingungen kennen zu lernen und sich so die Ueberzeugung zu verschaffen, dass sie
auch unter diesen Umständen den tatsächlichen Anforderungen entsprechen.
Das k. k. österr. Eisenbahnministerium hat nun den Erfinder in seinem Bestreben,
diese Einrichtungen unter normalen Betriebsverhältnissen zu erproben, über dessen
Ersuchen in anerkennenswerter Weise unterstützt, indem es gestattete, diese
Einrichtung auf einer der Strecken der k. k. österr. Staatsbahnen aufstellen und in
provisorischen Betrieb nehmen zu dürfen.
Die Wahl fiel auf die Strecke „Rothneusiedel- Oberlaa“ der Linie
„Wien–Schwechat–Kaiserebersdorf–Heiligenstadt“ der k. k.
Staatsbahndirektion Wien. Hierfür waren folgende Gründe massgebend: 1) Sollte die
Strecke von Wien aus leicht zu erreichen sein, um so gute Gelegenheit zur
Besichtigung der Anlage zu geben. 2) Sollte der Zugverkehr ein ziemlich dichter
sein, um häufigere Gelegenheit zur Beobachtung zu haben, aber doch nicht so dicht,
dass die Sicherheit der die Einrichtung überwachenden Personen hierdurch gefährdet
werden könnte, was bei dem äusserst regen Verkehr der übrigen Wiener Lokalstrecken
der Fall gewesen wäre.
Mit der Montierung der Probestrecke wurde bereits im Jahre 1901 begonnen, doch konnte
der Betrieb erst am 29. September 1902 aufgenommen werden, weil sich anfänglich
bedeutende Schwierigkeiten in bezug auf Ladung der als Stromquelle verwendeten
Akkumulatorenbatterie ergaben, indem der Benzinmotor einer für diese Zwecke eigens
gebauten Ladedraisine sich als nicht besonders zuverlässig erwies und nach längeren
vergeblichen Versuchen denselben in Ordnung zu bringen, der Fabrik zur Reparatur
übergeben werden musste. Da ein Bestandteil desselben erst neu aus Deutschland zu
beschaffen war, nahm dies längere Zeit in Anspruch. Mittlerweile wurden aber wieder
eine Reihe von Verbesserungen an den Apparaten durchgeführt, die selbstverständlich
gleich verwertet werden sollten, so dass die bereits fertig gestellte Strecke wieder
neu montiert werden musste.
Ehe nun auf die Beschreibung der Art und Weise, wie die Versuche durchgeführt wurden,
und an die Vorführung der Versuchs-Ergebnisse gegangen werden kann, ist es im
Interesse des allgemeinen Verständnisses unbedingt notwendig, die Einrichtung als
solche etwas eingehender zu beschreiben. In vornehinein ist zu erwähnen, dass es
sich bei diesen Versuchen nur um die Erprobung der Funktionssicherheit der Apparate
unter allen Witterungsverhältnissen handelte, um so überhaupt ein Bild über die
Anwendungsmöglichkeit dieses Systems zu gewinnen. Demnach wurde die
Gesamteinrichtung nur provisorisch ausgeführt und namentlich die Semaphore in der
einfachsten Weise hergestellt.
Auf die Einrichtung einer vollständigen Blockstrecke wurde mit Rücksicht auf die
damit verbundenen grossen Kosten, die von dem Erfinder zu tragen waren, verzichtet.
Es gelangten demnach nur zwei Blockstellen mit den zugehörigen Semaphoren zur
Aufstellung, deren eine als Abschlussblock, die andere als Stationseinfahrtblock
anzusehen war.
Wenn sich hierdurch auch die Notwendigkeit ergeben hat, die normale Schaltung etwas
abzuändern, so hatte dies nichts zu bedeuten, war im Gegenteile insofern von
Vorteil, als sich daraus ersehen liess, wie der Uebergang auf die vollständige
Blocksignalisierung vollzogen werden kann.
Die Versuchsstrecke ist nur eingleisig, die Einrichtung in der vorzuführenden
Anordnung war jedoch für eine doppelgleisige Bahn bestimmt. Es wurden demnach die Apparate nur
für eine Fahrtrichtung und zwar in der Richtung von Wien nach Schwechat aufgestellt.
Die Umwandlung derartiger Einrichtungen auf eingleisige Bahnen begegnet jedoch
keinen Schwierigkeiten, da es nur einer die beiden Endstationen verbindenden
Doppelleitung bedarf, um die hier durchaus notwendige gegenseitige Abhängigkeit
zwischen den beiden Stationen in der Weise sicher zu stellen, dass die Ausfahrt
eines Zuges aus einer Station in der Richtung der anderen Station nur dann erfolgen
darf, wenn seitens dieser Station die Erlaubnis hierzu gegeben wird. Selbstredend
müssen dann beide Stationen mit Ausfahrtssemaphoren ausgerüstet werden, deren
mögliche Freistellung von der erteilten Zustimmung der Gegenstation in Abhängigkeit
gebracht werden müsste.
Als Grundprinzipien für diese Einrichtung waren festgesetzt:
1) Die Stellung eines Signales auf „Frei“ kann nur dann erfolgen, wenn der
zugehörige Blockapparat von jener Stelle aus „Frei“ gestellt wird, von
welcher derselbe in Abhängigkeit steht.
2) Die Stellung des von der Station abhängigen Einfahrts-Semaphores auf, ‚Frei‛ kann
nur dann erfolgen, wenn der zugehörige Blockapparat von der Station aus deblockiert
war und die Station ausserdem noch eine besondere Zustimmung zur Freistellung des
Signales gegeben hat.
3) Die Station ist jederzeit in der Lage, das bereits auf „Frei“ gestellte
Einfahrtssignal auf „Halt“ zu stellen und umgekehrt.
4) Die Haltstellung jedes auf „Frei“ gestellten Fahrtsignales erfolgt durch
den vorbeifahrenden Zug in selbsttätiger Weise, wobei auch der Blockapparat auf
„Halt“ gestellt wird und eine neuerliche Freigabe des Signales so lange
ausgeschlossen ist, bis der betreffende Posten wieder deblockiert wird.
5) Die Haltstellung eines auf „Frei“ gestellten Fahrtsignales durch den Zug
darf erst dann erfolgen können, wenn der letzte Wagen des Zuges an dem Signal
vorbeigefahren ist.
6) Die Deblockierung oder Freigabe des Vorpostens kann nur bei auf „Halt“
gestelltem oder gesperrtem eigenen Blockapparate und zwar nur einmal erfolgen.
Verwendete Apparate und Leitungen. Zur Erreichung des
durch die vorstehend gegebenen Bedingungen angestrebten Zweckes wurden, wie dies aus
der schematischen Darstellung des Leitungsverlaufes (Fig.
1) zu ersehen ist, folgende Apparate aufgestellt und Leitungen
gespannt:
a) In Rothneusiedel (km 12,23). Ein Blockapparat BL, ein Signalstellwerk ST. und ein
Zustimmungsschalter Z.
b) Bei Wächterhaus No. 820 (km 12,92). Ein Blockapparat BL, ein Signalstellwerk ST, ein
Zustimmungsschalter B und eine Akkumulatorenbatterie
Z.
In der Station Oberlaa (km 13,39) Ein elektrischer Kontrollapparat Co in Verbindung mit einem Umschalter U.
Ausserdem war auf der Strecke zwischen Rothneusiedel und W.H. No. 820 bei km 12,59
und zwischen W.H. No. 820 und Oberlaa bei km 13,62 je ein Schienenkontakt C angebracht.
Die Leitungen zur Verbindung der einzelnen, in gegenseitiger Abhängigkeit stehenden
Posten waren längs eines besonderen Gestänges gezogen. Als Leitungsmaterial diente 3
und 4 mm starker, hartgezogener Kupferdraht. Für die Rückleitung auf deren Zweck
später eingegangen wird, gelangte gleichfalls 3 mm starker Kupferdraht zur
Benutzung.
An Leitungen waren nun erforderlich: a) Die Blockierungsleitung d.h. eine Leitung zwischen Rothneusiedel und dem
Schienenkontakte bei km 12,59 über welche die Blockierung des Blockapparates durch
die Verbindung dieser Leitung mit dem Schienenkontakte erfolgte.
b) Die Stromzuführungsleitung zwischen Rothneusiedel und
Wächterhaus No. 820, durch welche der Strom der Batterie B dem Blockapparate bei Rothneusiedel zugeführt wurde.
c) Die Deblockierungsleitung zwischen Rothneusiedel und
W.H. 820, über welche die Deblockierung des Blockapparates in Rothneusiedel
erfolgte.
Die Blockierungsleitung zwischen Wächterhaus No. 820 und
dem Schienenkontakte bei km 13,62.
d) Zwischen W.H. No. 820 und Oberlaa 4 Leitungen und zwar eine Deblockierungsleitung,
eine Kontrollleitung und zwei Stell-, bezw. Zustimmungsleitungen, deren Zweck
späterhin eingehend erläutert wird.
Textabbildung Bd. 319, S. 190
Fig. 1.
Zur Unterscheidung der Leitungen sind dieselben in dem Schema Fig. 1 verschiedenartig, wie folgt, ausgezogen:
Blockierungsleitungen – . – . – . – . – –
Deblockierungsleitungen – . . . – . . . –
Kontrolleitung - - - - - - - - - - - - - - - - -
Stell- bezw. Zustimmungsleitung – – – –
Stromzuführungsleitung –––––––––––––
(Fortsetzung folgt.)