Titel: | Ueber Resonanzschwierigkeiten bei der drahtlosen Telegraphie. |
Autor: | A. Koepsel |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 625 |
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Ueber Resonanzschwierigkeiten bei der drahtlosen
Telegraphie.
Von Dr. A. Koepsel.
Ueber Resonanzschwierigkeiten bei der drahtlosen
Telegraphie.
Die Tatsache, dass bisher in der drahtlosen Telegraphie inbezug auf Abstimmung
wenig oder nichts geleistet worden ist, legt die Vermutung nahe, dass hier
prinzipielle Schwierigkeiten bestehen, die von der Technik bisher teils nicht
bemeistert werden konnten, teils wohl auch in ihrem ganzen Umfange noch nicht
erkannt worden sind.
Einen sehr bemerkenswerten Beitrag zu dieser Frage hat Herr Professor Max Wien in seiner Abhandlung: „Ueber die Verwendung
der Resonanz bei der drahtlosen Telegraphie“ Ann. d. Phys. Bd. 8, S. 686 ff.
(1902) geliefert. Herr Wien sagt: „Die Dämpfung
durch die Funkenstrecke ist leider noch wenig untersucht. Bjerknes gibt an, dass er für einen 7 mm langen
Funken einen Widerstand von 11 Ohm aus Resonanzversuchen gefunden habe, während
Braun den Funkenwiderstand auf höchstens einige
Zehntel Ohm schätzt“. „Es ist möglich, dass je nach der übergehenden
Elektrizitätsmenge der Widerstand grösser oder kleiner ausfällt. Dafür spricht,
dass bei Einschaltung grosser Kapazitäten, also bei grossen Elektrizitätsmengen,
stets verhältnismässig geringe Dämpfung durch den Funken beobachtet
wurde“.
Ich möchte an diese letzten Worte anknüpfend hier auf eine Voraussetzung hinweisen,
welche bisher bei der Behandlung des geschlossenen Sclrwingungskreises immer
stillschweigend gemacht wurde und welche darin besteht, dass der in Betracht
kommende Ohmsche Widerstand, also hauptsächlich der Widerstand der Funkenstrecke,
als so klein betrachtet wurde, dass der Ausdruck \frac{r^2}{4\,L^2} gegen \frac{1}{LC}
verschwindend klein ist. Nimmt man den Widerstand der Funkenstrecke von der
Grössenordnung eines Ohm an, so wird bei den in der drahtlosen Telegraphie üblichen
Grössenordnungen der Kapazität und der Selbstinduktion diese Voraussetzung ja in den
meisten Fällen statthaft sein. Es kann ja nun zweifelhaft sein, ob die Aenderung des
Widerstandes der Funkenstrecke, selbst wenn sie von der übergehenden
Elektrizitätsmenge abhängig ist, mit derselben Schnelligkeit erfolgt, mit der die
Elektrizitätsmenge sich ändert, ob nicht vielmehr dieser Widerstand eine träge Masse
bildet, die zwar die Neigung zu einer solchen Aenderung besitzt, aber wegen ihrer
Trägheit den äusserst schnellen elektrischen Aenderungen nicht zu folgen vermag,
sodass während des Schwingungsvorganges der Funkenwiderstand als annähernd konstant
betrachtet werden kann, auch wenn er von der zuerst übergehenden Elektrizitätsmenge
abhängig ist.
Da indessen die Voraussetzung, dass der Funkenwiderstand in jedem Moment von der
übergehenden Elektrizitätsmenge abhängig ist, zu sehr interessanten Betrachtungen
führt, und Erscheinungen hervorrufen müsste, welche die Schwingungsvorgänge
wesentlich zu modifizieren geeignet sind und welche bei der Beobachtung dieser
Vorgänge, wenn auch nicht in dem von der Theorie geforderten Masse, so doch noch
deutlich genug hervortreten dürften, um wichtige Schlussfolgerungen daraus zu
ziehen, so wollen wir diese Voraussetzung machen und annehmen, dass der
Funkenwiderstand eine Exponentialfunktion der Zeit sei. In diesemFalle wird
sein Wachstum mit der Zeit sehr schnell erfolgen, und die Annahme, dass der Ausdruck
\frac{r^2}{4\,L^2} gegen \frac{1}{LC} verschwindend klein ist, würde schon nach Verlauf einiger
Schwingungen nicht mehr zutreffen. Hieraus würde sich ergeben, dass die Schwingungen
durchaus nicht so verlaufen würden, wie man bisher angenommen hat, nämlich dass eine
Reihe von gedämpften Sinusschwingungen erfolgt, deren Amplituden nach einer
geometrischen Reihe abnehmen, und deren Anzahl unendlich gross ist, sondern dass nur eine begrenzte Anzahl von Schwingungen zu Stande
kommt, und dass von einem bestimmten Moment ab, welcher gegeben ist durch die
Gleichung:
\left\frac{1}{CL}-\frac{{r_0}^2\,e^{2at}}{4\,L^2}=0\right\} . . . 1.)
überhaupt keine Schwingungen mehr erfolgen, sondern die
Entladung aperiodisch verläuft. Dieser Zeitmoment hängt ganz davon ab, nach welchem
Gesetz sich der Widerstand r der Funkenstrecke ändert,
d.h. von dem Ausdruck für a. Da der Funke nur beim
Maximalwert der Amplitude übergeht, so brauchen wir nur die Maximalwerte zu
betrachten.
Nehmen wir an, dass der Widerstand der Funkenstrecke der übergehenden
Elektrizitätsmenge umgekehrt proportional ist, so wird:
r=r_0\cdot ^{a\,t},\ a=\frac{r_0\cdot e^{a\,t}}{2\,L}
da
Q=Q_0,\ e=\frac{r_0}{2\,L}\,t
ist. Es ist also:
e^{a\,t}=\frac{2\,L\,a}{r_0}
Aus Gleichung 1.) ergibt sich aber:
e^{2\,a\,t}=\frac{4\,L}{{r_0}^2\,C}
Es muss daher:
\frac{4\,L^2\,a^2}{{r_0}^2}=\frac{4\,L}{{r_0}^2\,C}
a=\frac{1}{\sqrt{L\,C}}
sein; also:
\frac{2}{e^{\sqrt{L\,C}}}\,t=\frac{4\,L}{{r_0}^2\,C}
t=\frac{\sqrt{L\,C}}{2}\,ln\,\frac{4\,L}{r^2\,C}=\sqrt{L\,C}\,ln\,\frac{2}{r}\,\sqrt{\frac{L}{C}}
Nach Verlauf dieser Zeit würde also der Schwingungsvorgang aperiodisch verlaufen.
Da nun die Dauer einer Schwingung angenähert
T = 2 π
√LC
ist, so ersieht man hieraus, dass, um überhaupt Schwingungen
zu erhalten
ln\,\frac{2}{r_0}\,\sqrt{\frac{L}{C}}\,>\,2\,\pi\,n
sein muss, worin n eine ganze
Zahl bedeutet, d.h.
\frac{2}{r_0}\,\sqrt{\frac{L}{C}}\,>\,e^{2\,\pi\,n}
Für C = 10–18, r = 109, n = 1 ergibt sich
L\,>\,\frac{e^{4\,\pi}}{4}=71200
für C = 10–17, r = 108,
n = 1
L\,>\,\frac{e^{4\,\pi}}{40}=7120
Wird allgemein C1 =
Ca, so wird r^1=\frac{r}{a} und daher L^1=\frac{L}{a} d.h.
für ein und dieselbe Wellenlänge wäre in bezug auf die Anzahl der Schwingungen die
Wahl von Selbstinduktion und Kapazität völlig gleichgiltig, man würde daher im
Hinblick auf die Energie zweckmässig eine möglichst grosse Kapazität und kleine
Selbstinduktion wählen. Bei konstanter Wellenlänge würde man daher eine
Ver-grösserung der Anzahl der Schwingungen überhaupt nicht erzielen können; um die
Dämpfung des Kreises zu verkleinern, müsste man also unbedingt zu einer grösseren
Wellenlänge übergehen. Um eine Schwingung zu gewinnen, müsste aber die Wellenlänge
e2π = 500
mal grösser gemacht werden, d.h. entweder die Selbstinduktion 250000 mal oder
Selbstinduktion und Kapazität je 500 mal.
Wir wollen nun unter derselben Voraussetzung bestimmen, wie gross die Zeit ist,
welche verläuft, bis die Maximalamplitude der Schwingungen auf \frac{1}{e} ihres
Anfangswertes herabgesunken ist. Diese Maximalamplitude ist:
Q = Q0
e–at
und es sei wieder
a=\frac{r_0\,e^{a\,t}}{2\,L}
Soll nun Q=\frac{Q_0}{e} werden, so muss t=\frac{1}{a} sein, d.h.
t=\frac{2\,L}{r_0\,e^{a\,t}}
e^{a\,t}=\frac{2\,L}{r_0\,t},\ a\,t=ln\,\frac{2\,L}{r_0\,t}=1,
t=\frac{1}{e}\,\frac{2\,L}{r}
Die Zeitkonstante des Schwingungskreises wäre also unter der Voraussetzung, dass der
Widerstand der Funkenstrecke umgekehrt proportional der übergehenden
Elektrizitätsmenge wächst, e mal kleiner, als bei
Annahme eines konstanten Widerstandes.
Wir wollen nun eine andere Annahme machen, und zwar die, dass der Widerstand der
Funkenstrecke umgekehrt proportional der Quadratwurzel
aus der übergehenden Elektrizitätsmenge wächst. Wir haben in diesem Fall nur für a eine andere Wahl zu treffen. Es sei also
r=r_0\,e^{\frac{a}{2}\,t}
a=\frac{r_0\,e^{\frac{a}{2}\,t}}{2\,L}
e^{\frac{a}{2}\,t}=\frac{2\,L\,a}{r_0}
e^{a\,t}=\frac{4\,L^2\,a^2}{{r_0}^2}
Beim aperiodischen Zustand ist unter dieser Voraussetzung
\frac{1}{L\,C}=\frac{{r_0}^2\,e^{a\,t}}{4\,L^2}=0
Hieraus ergibt sich
e^{a\,t}=\frac{4\,L}{{r_0}^2\,C}
Also ist
\frac{4\,L}{{r_0}^2\,C}=\frac{4\,L^2\,a^2}{{r_0}^2}
a=\frac{1}{\sqrt{L\,C}}
Da nun
a\,t=ln\,\frac{4\,L}{{r_0}^2\,C}
ist, so ergibt sich
t=\sqrt{L\,C}\,ln\,\frac{4\,L}{{r_0}^2\,C}
Vergleicht man diesen Ausdruck wieder mit der Schwingungsdauer
T =2π√LC
so sieht man, dass
ln\,\frac{4\,L}{r^2\,C}\,>\,2\,\pi\,n
sein muss, wenn überhaupt Schwingungen zustande kommen
sollen.
Ich will hierbei, was wichtig ist, gleich bemerken, dass innerhalb des Zeitraumes
t=\sqrt{L\,C}\,ln\,\frac{4\,L}{r^2\,C}
es gestattet ist
T =2π√LC
zu setzen, da eine merkliche Abweichung der Schwingungsdauer
von dem Wert 2 π√LC erst
nach Verlauf der Zeit eintritt, wo die Maximalamplitude auf \frac{1}{e} ihres Wertes
gesunken ist; letztere Zeit ist aber, wie wir gleich sehen werden
\frac{t_1}{e}=\frac{1}{\sqrt{e}}\,\frac{2\,L}{r_0}
und bei den üblichen Dimensionen von Selbstinduktion Kapazität
und Widerstand bedeutend grösser als
t=\sqrt{L\,C}\,ln\,\frac{4\,L}{r^2\,C}
Es muss also
L\,>\,\frac{r^2\,C}{4}\,e^{2\,\pi\,n}
sein. Hier ist nun in bezug auf die Anzahl der Schwingungen
die Wahl von Selbstinduktion und Kapazität bei konstanter Wellenlänge nicht mehr
gleichgiltig; denn da r2
C konstant ist, so muss sich bei gleichzeitiger
Aenderung von L und C auch
n ändern, d.h. man wird bei konstanter Wellenlänge
eine Vermehrung der Anzahl der Schwingungen durch Vergrösserung von L und entsprechende Verkleinerung von C erzielen können, aber auch hier geht diese Vermehrung
sehr langsam von statten, da man für jede zu gewinnende Schwingung L e2π = 500
mal grösser und C ebensovielmal kleiner machen müsste.
Es kann aber, wenn eine Vergrösserung der Wellenlänge statthaft ist, die Kapazität
konstant bleiben und für jede Schwingung, die man gewinnen will, brauchte nur die
Selbstinduktion e2π mal, d.h. die Wellenlänge eπ mal grösser gemacht zu werden.
Andererseits ergibt sich aber im Hinblick auf die Konstanz von r02
C das interessante Resultat, dass durch Vergrösserung
der Kapazität
die Anzahl der Schwingungen in keiner Weise beeinflusst wird.
Für das von Herrn Wien behandelte System
L = 2,5 . 103, r = 109, C = 2,7 . 10–18
würde sich ergeben
t = 6,73 . 10–7 Sek.
und da
T = 5,15 . 10–7 Sek.
ist, so wäre n = 1,3, d.h. es
würde nur eine vollständige Schwingung zustande kommen. Um zwei vollständige
Schwingungen zu erhalten, müsste L = 1,78 . 105 sein, die Wellenlänge müsste also 8,7 mal
grösser werden.
Hält man an der Grössenordnung 109 des anfänglichen
Funkenwiderstandes für eine Kapazität von der Grössenordnung 10–18 fest, so müsste, um bei einer Kapazität von
0,01 Mi (10–17) drei
Schwingungen zu erhalten, die Wellenlänge über 17000 m sein, für vier Schwingungen
über 750000 m und für fünf Schwingungen 16000000 m.
Die Zeit, welche unter der Voraussetzung, dass der Funken widerstand der
Quadratwurzel aus der übergehenden Elektrizitätsmenge umgekehrt proportional ist,
vergeht, bis die Maximalamplitude auf \frac{1}{e} ihres Anfangswertes gesunken ist,
ergibt sich folgendermassen
a=\frac{r_0\,e^{\frac{a}{2}\,t}}{2\,L}, t=\frac{1}{a}
a=\frac{1}{t}=\frac{r_0\,e^{1/2}}{2\,L}
t=\frac{1}{\sqrt{e}}\,\frac{2\,L}{r_0}
Die Zeitkonstante ist also in diesem Fall √e mal
kleiner, als bei Annahme eines konstanten Widerstandes.
Wir könnten noch weitere Annahmen über die Abhängigkeit des Funken Widerstandes von
der übergehenden Elektrizitätsmenge machen, z.B. dass der Funkenwiderstand umgekehrt
proportional der Kubikwurzel aus der Elektrizitätsmenge sei, in welchem Fall die
Zeit, nach deren Verlauf die Schwingungen aufhören, dargestellt wird durch den
Ausdruck
t_{1/3}=\sqrt{L\,C}\,ln\,\left(\frac{4\,L}{{r_0}^2\,C}\right)^{\frac{3}{2}}
oder bei Annahme der umgekehrten Proportion nach der vierten
Wurzel
t_{1/4}=\sqrt{L\,C}\,ln\,\left(\frac{4\,L}{{r_0}^2\,C}\right)^2
oder allgemein
t_{1/m}=\sqrt{L\,C}\,ln\,\left(\frac{4\,L}{r^2\,C}\right)^{\frac{m}{2}}
welche Annahmen immer günstigere Resultate ergeben würden,
doch dürften die behandelten beiden Fälle bereits genügen, um die Wichtigkeit des
Zusammenhanges zwischen Funkenwiderstand und Elektrizitätsmenge genügend zu
illustrieren.
(Schluss folgt.)