Die Schneidwinkel der Drehstähle.Die Schneidwinkel der Drehstähle.H. F.
Donaldson aus Woolwich hatte Mitte
Januar dieses Jahres die Ergebnisse seiner Versuche mit Schneidstählen an üblichen
Werkstücken der Institution of Mechanical Engineers vorgelegt,
welche nach Engineering 1903 I 124 in Folgendem kurz erwähnt werden.Zur Ermittlung der günstigsten Schneidwinkel benutzte Donaldson die in Fig. 1 bis 3 dargestellte Messvorrichtung, mit welcher die Stärke
der Drucke angezeigt werden, die während des Drehens auf die Schneidkanten des
Stahles wirken. Die Vorrichtung ist in den oberen Stahlhalter eingebaut und
besteht in der Hauptsache aus drei kleinen Presszylindern a,
b und c, welche in die Wände eines Ueberwurfkastens d eingeschraubt sind, der selbst mittels vier Schraubenbolzen f am Supportoberteil g
festgemacht ist. In diesen Zylindern spielen, mittels Ledermanschetten abgedichtet,
Kolben, in welche Stahlschneiden zum Nachstellen eingeschraubt sind, die den
Schneidstahl halten. Ausserdem ruht letzterer auf einer festen Schneide h, des Supportoberteiles wie ein Wagebalken auf, und
überträgt den tangentialen Schnittdruck auf den Kolben des oberen Zylinders a, welcher die Pressflüssigkeit nach dem Manometer i treibt.
[Textabbildung Bd. 318, S. 457]
Fig. 1.
[Textabbildung Bd. 318, S. 457]
Fig. 2.
[Textabbildung Bd. 318, S. 457]
Fig. 3.
[Textabbildung Bd. 318, S. 457]
Fig. 4.
[Textabbildung Bd. 318, S. 457]
Fig. 5.
[Textabbildung Bd. 318, S. 457]
Fig. 6.In ähnlicher Weise wird der Schnittdruck längs der Spitzenlinie und senkrecht dazu
mittels der Manometer j und k angezeigt. Um nun das für eine richtige Schneidwirkung überaus lästige
Spielen des Schneidstahles in etwas zu begränzen, sind die obere Stahlschraube l sowie ein Rückschlagstift m und ferner die beiden seitlichen Stellschrauben n vorgesehen. Diese an sich einfache Messvorrichtung besitzt jedoch
beträchtliche Mängel, die durch das Wandern, Wenden und Kippen des Werkzeuges über
die festen und beweglichen Schneiden hervorgerufen werden, deren Reibungswiderstände
die Genauigkeit der Kraftmessung stark beeinträchtigen werden.Um die Zuschärfungswinkel genau messen zu können, ist der Schneidstahl für schrägen
Seitenschnitt geformt und wird in der normalen Richtung x (Fig. 4) den Winkel α (Fig. 5) und in der
Drehungsebene y, also senkrecht zur Spitzenlinie, den
Stirnwinkel β (Fig. 6)
erhalten, während die entsprechenden Anstellungswinkel aus der Höhenlage und der
wagerechten Stellung des Werkzeuges abgeleitet werden. Von Bedeutung ist noch der
Winkel γ (Fig. 4),
welchen die Schneidekante mit der Richtung der Spitzenliniein wagerechter Ebene
bildet. Hiernach sind die geometrischen Verhältnisse des Werkzeuges bequem und
sicher festzulegen.Die Grenzwerte dieser Zuschärfungswinkel sind in Tab. I zusammengestellt, wobei
Anstellungswinkel 3 bis 8° bei Berechnung des Schneidwinkels angenommen werden. So
wird z.B. der seitliche Schneidwinkel für ein Werkstück aus hartem Stahl H H H, als Summe s = α + δ = 70 + 3 = 73° folgen. Da aber zu einem grösseren
Zuschärfungswinkel oft ein kleiner Anstellungswinkel und umgekehrt zugepaart wird,
so gibt Tab. I nur ein angenähertes Bild der gebrauchten günstigen
Schneidwinkel.Tabelle I.Grenzwerte der günstigen Zuschärfungswinkel bei Anstellungswinkel
δ = 3 bis 8°.
In Tab. II ist die chemische Zusammensetzung des zu Schnittversuchen gebrauchten
Werkstückmaterials, nebst Angabe der Zerreissfestigkeit und der verhältnismässigen
Dehnung auf 50 mm Länge angegeben.Die eigentlichen Versuchsergebnisse über die günstigsten Schneidwinkel sind in der
Tab. III für verschiedene Werkstücke, deren chemische Zusammensetzung in Tab. II
angeführt ist,
zusammengestellt. Die Bezeichnung z.B. No. III Stahl H H
N besagt mittelharten Nickelstahl; No. VII in Oel gehärteter Stahl H O; No. X geschmiedeter Rotguss F
H H. Die Schnittiefe h folgt aus den Angaben
der Durchmesserdifferenzen vor und nach dem Schnitt, woraus die eigentliche
Spannbreite b durch Division mit sin γ, dem Richtungswinkel berechnet werden kann. Ist
so wird als Spanbreite folgen, ebenso wird die eigentliche
Spandicke t = γ . sin γ
sein, sofern λ die lineare Schaltung für eine Umdrehung
ist. Hieraus folgt der wirkliche Spanquerschnitt bt:gleich dem volumetrisch aus Schaltung λ und Durchmesser d1 und d2 berechneten Querschnitt hλ. Die Schnittgeschwindigkeit, berechnet auf dem
äusseren Durchmesser des Werkstückes, bewegt sich nur in drei Fällen an der früher
üblichen Grenze von 50, 60 und 75 mm/sek. und nimmt sonst von 100 mm/sek. bei
Gusseisen auf 130, 140 und 160 mm/sek. bei Stahlmaterial zu; bei Schmiedeeisen
steigt sie auf 280, und bei Messing und Rotguss auf 600, 700, 800 und 1000
mm/sek.Bei Bearbeitung milder Bronze wird sogar der erstaunliche Höchstwert mm/Sek.
Schnittgeschwindigkeit erreicht. Diese Werte zeigen auf den
ersten Blick, dass bei den Versuchen hauptsächlich Schnelldrehstähle gebraucht
wurden.Doch ist in dieser Beziehung in Woolwich nichts Aussergewöhnliches geleistet, wenn
man bedenkt, dass in Krupps Gusstahlwerk Stahlmaterial
mit 400 und 500, ja ausnahmsweise sogar mit 600 mm/Sek. Schnittgeschwindigkeit auf
der Drehbank bearbeitet wird.
[Textabbildung Bd. 318, S. 458]
Tabelle II. Chemische
Zusammensetzung des Werkstückmaterials; Kohlenstoff v. H.; Silicium; Mangan;
Nickel; Phosphor; Schwefel; Stahl; Gusstahl; Schmiedeeisen; Gusseisen; Kupfer;
Zinn; Zink; Blei; Phosphor Zinn; Aluminium; Eisen; Rotguss, hart; mittel; weich;
Gelbg., geschm.;
[Textabbildung Bd. 318, S. 458]
Tabelle III. Versuchsergebnisse
über die günstigsten Schneidwinkel an Drehstählen.; Werkstück Material;
Werkstück Duchmesser mm vorher; mm nachher; Umlaufzahl n Min.;
Schnittgeschwindigkeit mm/Sk.; Schaltung mm für 1 n; Zeitdauer Sek.; Schaltweg
mm; Winkel der Schneidestähle; Seitenschneide α;
Anstellung; Schneidstahl; Stirnschneide β;
Anstellung; Schneidwinkel; Richtungswinkel; Kühlmittel; Stahl; Gusstahl;
Schmiedeeis.; Gusseisen; Rotguss; Soda; Soda u. Seife; trocken Soda.In Tab. III ist für Stahlmaterial die kleinste Schaltung λ = 0,36 mm, für d = 47 mm, und die grösste
λ = 3,15, bei d = 212
mm Durchmesser des Werkstückes angeführt.Das sekundliche Spanvolumen stellt sich in No. II u. VI:vII = 0,5 (47,0 – 43,2) . 162,6 . 0,36 = 108 cmm/Sek.vVI = 0,5 (212,1 – 190,5) . 61 . 3,15 – 2075 cmm/Sek.wobei die seitlichen Schneidwinkel s = 65,5 bezw. 57° angewendet sind.Da nun das Werkstück No. VI mit d = 212 mm Durchmesser,
die grösste Abmessung in dieser Versuchsreihe, besitzt, und dieses Stück mit der
verhältnismässig kleinen Schnittgeschwindigkeit von v =
61 mm/Sek. bearbeitet wird, Wobei der Schneidstahl ungewöhnlich kleine Winkel
erhält, also auf besonders scharfen Schnitt eingerichtet ist, so kann dieser Fall
No. VI nicht gut zu Vergleichungen mit den anderen Schneidstählen, namentlich mit
No. II, herangezogen werden.Die volumetrische Spanleistung bei No. VII, Stahl H O, und
IV Gusstahl stellt sich aufvVIII = 0,5 (171,5 – 158,8) . 50,8 . 1,81 = 584 cbmm/sek.vIV = 0,5 (152,4 – 130,8) . 139,7 . 0,41 = 589 cbmm/Sek.Es ist also bei annähernd gleichen Schneidwinkeln s = 63
und 64°, kleiner und grosser Schnittgeschwindigkeit v =
51 und 140 mm/sek., grober und feiner Schaltung λ = 1,8
und 0,4 mm, und annähernd gleichem Richtungswinkel γ =
40 und 42° die berechnete sekundliche Spanleistung gleich. Zu bedauern ist es, dass
in dieser interessanten Versuchsreihe keine Angaben über den Schnittdruck gemacht
Worden sind- und dass man sich auf verhältnismässig geringe Spanleistungen
beschränkt hat, was wohl mit Rücksicht auf den Bestand der Messvorrichtung
erklärlich erscheint. Dafür sind in Tab. IV die Schnittleistungen für Dauerversuche
angegeben und diese nach den steigenden Schnittgeschwindigkeiten von v = 70 bis 250 mm/Sek. geordnet. Um eine bessere
Vergleichung zu ermöglichen, sind die volumetrischen Leistungen aus Geschwindigkeit,
Schaltung und Schnittiefe berechnet, und diese, aus dem Spangewicht (γ = 7,5 kg/cdm) abgeleiteten, in der letzten Kolumne
angeführt. Mit zwei Ausnahmen sind die aus der Schaltung ermittelten Spanvolumen
durchgehend kleiner als jene aus dem Spange wicht berechneten, sodass eine
Aufstellung von Mittelwerten empfehlenswert erscheinen könnte.Ebenso stellen sich diese Werte in Tab. V, welche sich nur auf Einzelfälle bezieht,
wobei No. E eine vollständige Uebereinstimmung zwischen
den beiden Volumwerten zeigt.Wenn auch giltige Schlüsse aus diesen Versuchsergebnissen zu ziehen noch nicht
angängig erscheint, so ist doch die Bekanntgabe solcher Ergebnisse für die fernere
Beurteilung der günstigsten Schnittverhältnisse von Wert.Prégel.Tabelle IV.Dauerversuche an Stahlwerkstücke.