Titel: | Gewinnanteil für die Arbeiterschaft in Amerika. |
Autor: | E. Arp. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 185 |
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Gewinnanteil für die Arbeiterschaft in
Amerika.
Gewinnanteil für die Arbeiterschaft in Amerika.
Die United-States Steel-CorporationNach Engineering vom 23. Januar
1903. hat mit der Anteilnahme ihrer Arbeiter am Gewinn der
Gesellschaft Ernst gemacht und zu Beginn dieses Jahres eine Aufstellung, nach
welcher dieselbe zu erfolgen hat, in Kraft treten lassen.
Gerade diese grossartig angelegte Gesellschaft, welche, wie erinnerlich sein wird,
vor zwei Jahren begründet wurde, dürfte wie keine andere berufen sein, allen
auftretenden Schwierigkeiten die Stirn zu bieten und dieselben zu überwinden.
Jedenfalls verdient das Vorgehen derselben die allseitige und vollste Aufmerksamkeit
unserer grossen gewerblichen Unternehmungen und lassen wir die Hauptpunkte dieses
weit ausschauenden Entwurfes, welcher alle
Angestellten, vom ersten Vorsitzenden mit einem Gehalt von 400000 M. jährlich
bis herab zum Arbeiter mit Picke und Schaufel umfasst, im Auszug folgen, obgleich
noch augenscheinlich ein Unterschied zwischen den mit der Leitung betrauten
Angestellten und den nicht-leitenden Teilen gemacht
ist.
Unter den leitenden Angestellten hat der erste Vorsitzende das bereits oben erwähnte
Gehalt von 400000 M. jährlich, welches entsprechend seiner
verantwortlichen Stellung bemessen ist.
Mit einem Gehalt von 40000 bis 80000 M. jährlich sind nicht über 50 Stellen bedacht,
während ungefähr 200 Stellen ein Jahreseinkommen von 20000 bis 40000 M. haben, dann
folgen noch etwa 1500 Anstellungen mit einer Bezahlung von 10000 bis 20000 M.
jährlich, wobei der Dollar zu 4 M. gerechnet ist.
Diese Ziffern ergeben eine ganz ansehnliche Ausgabe für die Verwaltung dieser
Riesengesellschaft.
Man darf, vorausgesetzt, dass alle Stellungen auch tatsächlich besetzt sind, sehr
wohl eine Ausgabe von 30000000 M. jährlich für die Beaufsichtigung und Verwaltung in
Anschlag bringen, wobei der technische und wissenschaftliche Stab eingeschlossen
ist.
Es ist berechnet, dass die Gesellschaft etwa 300000000 M. jährlich verdienen muss, um
nach den nötigen Abschreibungen auf ihre Vorzugsanteile 7 v. H. und auf ihre
gewöhnlichen Anteile 4 v. H. Gewinnanteil zu zahlen. Zur Zeit werden 55000
Anteilnehmer gezählt, welche Eigentümer dieses ganzen grossen Unternehmens sind.
Der Entwurf gliedert sich in 2 Teile, von denen der eine „die Erwerbung von Anteilen“, der andere „die Anteilnahme am Gewinn“ behandelt.
Teil I: „Die Erwerbung von Anteilen“ ist in
folgender Weise ins Werk gesetzt.
Vom Gewinn der Gesellschaft während des Jahres 1902 z.B. werden 8000000 M. zur
Verfügung gestellt und weiter ein Betrag, der es ermöglicht, wenigstens 25000
Vorzugsanteile der Gesellschaft zurückzukaufen. Diese Anteile stehen jedermann, der
bei der Gesellschaft seinen Unterhalt verdient, nach einer im Entwurf festgelegten
Ordnung zum Ankauf zur Verfügung. Die Gesamtzahl aller Angestellten beträgt etwa
168000, welche, entsprechend ihrem jährlichen Einkommen, in sechs Klassen zerfallen,
und zwar umfasst Klasse I alle Angestellten abwärts bis zu 80000 M. (80000 M.
ausgeschlossen); Klasse II alle Angestellten von 80000 M. bis zu 40000 M.; Klasse
III von 40000 M. biszu 20000 M.; Klasse IV von 20000 M. bis zu 10000 M.; Klasse
V von 10000 M. bis zu 3200 M. und endlich Klasse VI alle Angestellten von 3200 M.
und weniger Einkommen.
Die von der Gesellschaft zu diesem Zweck zurückgekauften Anteilscheine werden den
Angestellten zum Preise von je 330 M. angeboten.
Für den Erwerb derselben darf jedermann in Klasse I 5 v. H., in Klasse II 8 v. H., in
Klasse III 10 v. H., in Klasse IV 12 v. H., in Klasse V 15 v. H. und in Klasse VI 20
v. H. seines Einkommens aufwenden.
Der erste Vorsitzende kann also von seinem Einkommen von 400000 M. in Höhe von 20000
M. für den Erwerb von Anteilscheinen aufwenden, er kann also 60 Anteile jährlich
kaufen. Der höchstbezahlte Angestellte in Klasse II mit 80000 M. kann 6400 M. auf
den Erwerb verwenden und etwa 19 Anteile für sich beanspruchen; der Höchstbezahlte
in Klasse VI mit 3200 M. Gehalt, der 20 v. H. dieses Betrages auf den Erwerb
verwenden darf, hat Anrecht auf nahezu 2 Anteile, während ein Angestellter dieser
Klasse mit 1600 M. Gehalt für sich allein noch keinen Anteil erwerben kann, er darf
sich aber mit seinen Arbeitsgenossen zum gemeinsamen Erwerb nach Massgabe ihres
Gesamtgehalts zusammentun.
Wenn die zum Angebot zurückgekauften Anteile, wie z.B. diesesmal in Anzahl von 25000
der entstehenden Nachfrage nicht genügen, so soll mit der Befriedigung der Ansprüche
in der untersten, also VI. Klasse begonnen werden, dann folgt Klasse V u.s.w., so
dass wohl der Fall eintreten kann, dass für Klasse 1 nur eine geringe Zahl Anteile
oder vielleicht gar keine zur Verfügung bleiben. Mehr wie ein Anteilnehmer kann auf
einen Anteil nicht eingetragen werden. Der Preis der Anteile wird sich in Zukunft
jedenfalls entsprechend dem Marktpreis ändern.
Soweit die Verteilung der Anteile, welche keine besondere Wohltaten für die Käufer –
in diesem Fall die Angestellten – erkennen lässt.
Vergünstigungen erscheinen jedoch sofort bei Bezahlung der Anteile, welche in
monatlichen Beträgen vorgenommen werden kann und welche zwischen einer oberen und
unteren Grenze von dem Gehalt oder Wochenlohn in Abzug gebracht werden kann, und
zwar dürfen diese Abzüge ein Viertel des gesamten Monats Verdienstes nicht
überschreiten, während andererseits die ganze Kaufsumme innerhalb dreier Jahre
abgetragen sein muss. Innerhalb dieser beiden Grenzen kann sich jedermann die Höhe
seiner Abträge selbst bestimmen.
Der Bezug von Gewinnanteil beginnt für den Erwerber vom Tage seiner Zahlung an, und
zwar wird ihm bei Kauf in Abträgen ein Zins von 5 v. H. gekürzt.
Ist z.B. jemand gezwungen, den Erwerb aufzugeben, bevor er den vollen Betrag
abgezahlt hat, so ist ihm gestattet, das eingezahlte Geld zurückzuziehen und erhält
er dann den Unterschied zwischen dem Gewinnanteil, z. Z. 7 v. H., und der Verzinsung
des Kaufbetrages mit 5 v. H. zu bezahlt.
Bei vollständiger Abzahlung erhält der Käufer den Anteilschein auf den Namen des
ursprünglichen Erwerbers lautend zur freien Verfügung ausgehändigt und kann mit
demselben thun und lassen, was er will, d.h. er kann den Schein entweder weiter
verkaufen oder ihn im eigenen Besitz behalten. In Anbetracht dessen, dass er für den
vergünstigten Erwerb immerhin einen recht beträchtlichen Zinsfuss für das ihm gestundete
Geld hat untergehen müssen, während die Gesellschaft den Anteilschein bis zuletzt in
sicherem Faustpfand behielt, dürfte diese Berechtigung nicht mehr wie billig
befunden werden.
Die beabsichtigte Wirkung des ganzen Vorgehens beruht jedoch darauf, dass der
einzelne Angestellte recht eng an das Gedeihen des ganzen grossen Unternehmens
gebunden werden soll, und muss derselbe daher noch einen besonderen Ansporn
erhalten, im dauernden Besitz seiner Anteile zu bleiben.
Zu diesem Zweck wird für alle so erworbenen und dauernd gehaltenen Anteile ein
besonderer Zusatz-Gewinnanteil gezahlt.
Wenn daher der Erwerber eines solchen Scheines in dessen Besitz bleibt und den
Besitztitel für denselben 5 Jahre lang, jedesmal im Januar – und zwar erstmals im
Januar 1904 – bei der Verwaltung nachweist, unter jedesmaliger schriftlicher
Bestätigung seines höheren Vorgesetzten, dass er im abgelaufenen Jahre den Vorteil
und das Gedeihen des Werkes in jeder ihm zukommenden Weise gefördert hat, so erhält
er nach Ablauf dieser 5 Jahre für jedes Jahr eine Zusatzzahlung von 20 M. und zwar
für jeden ihm gehörigen Anteilschein.
Der Eigner eines Anteiles erhält demnach 7 v. H. Gewinnanteil und einen weiteren
Gewinnanteil von 20 M., letztere als besondere Vergütung für
andauerndes treues Wirken im Dienste seiner Gesellschaft.
Unter der Voraussetzung, dass eine ganze Anzahl von Eignern der Anteile dieser
besonderen Vergütung verlustig gehen, sei es durch Austritt aus dem Dienst der
Gesellschaft, sei es durch anderweitige Verfehlungen, so zahlt die Verwaltung den
auf solche Anteile fallenden jährlichen Zusatzgewinnanteil in eine besondere Kasse
und bringt diesen so angewachsenen Gesamtbetrag mit einem Zinszuwachs von 5 v. H. am
Schlusse der fünfjährigen Zeitabschnitte ebenfalls an diejenigen zur Verteilung,
welche das Anrecht auf den Zusatzgewinnanteil unter der oben beschriebenen Weise
erworben haben. In dieser Hinsicht sollen jedoch noch besondere Erfahrungen
gesammelt werden.
Teil II „die Anteilnahme am Gewinn“
berücksichtigt die amtlichen bezw. halbamtlichen Stellungen aller derjenigen, welche in
der Leitung und Verwaltung der Geschäfte der Gesellschaft Verwendung finden.
Der Grundgedanke ist der: Die Beamten der Leitung und
Verwaltung teilen mit den Eignern von Anteilen allen Gewinn, welcher nach Abzug
eines gewissen Betrages von dem jährlichen Reingewinn noch vorhanden
ist.
Wie schon anfangs erwähnt, erfordern die Verzinsung des Grundstocks der Gesellschaft,
sowie die Abschreibungen jährlich 300000000 M. Wenn nun im laufenden Jahr 320 bis
360 Millionen verdient werden, so wird ein Betrag in Höhe von 1 v. H. vom
Gesamtverdienst zurückgelegt; bei 360 bis 400 Millionen Verdienst wächst die
Rücklage auf 1,2 v. H. an, bei 400 bis 440 Millionen auf 1,4 v. H., bei 440 bis 480
Millionen auf 1,6, bei 480 bis 520 Millionen auf 1,8 v. H., bei 520 bis 560
Millionen auf 2 v. H., bei 560 bis 600 Millionen auf 2,25 v. H. und bei 600 bis 640
Millionen auf 2,6 v. H.
Hierzu bemerkt „Engineering“: Der Ehrgeiz selbst einer United States Steel Corporation scheint vor dem Rein verdienst von
640000000 M. für die Arbeit eines Jahres Halt machen zu sollen.
In welcher Weise die so erhaltene Rücklage verteilt
werden soll oder welche Männer alle bei der Verteilung
bedacht werden sollen, ist noch unentschieden.
Die heikle Aufgabe, hier Vorschläge zu machen, ist vorläufig dem Vermögensausschuss
überwiesen.
Festgelegt ist jedoch schon jetzt, dass nicht allein der erste Vorsitzende, sowie der
Stab der Verwaltung und Aufsicht einen Anteil erhalten soll, sondern auch alle
anderen Angestellten, welche in irgend einer Weise für die gute Verwaltung der
Angelegenheiten der Gesellschaft verantwortlich gemacht werden können.
Die Geschäftsleitung ist hier vor die Schwierigkeit gestellt, zu bestimmen, wie weit
abwärts diese Marke der Verantwortlichkeit gezogen werden soll, ohne dass noch ein
triftiger Grund für ein Sichverletztfühlen für den – odersogar die –
nächstkommenden Angestellten übrig bleibt. Jedenfalls aber ist die Geschäftsleitung
sich bewusst, dass es noch nötig sein dürfte, in dieser Richtung eine genügende
Erfahrung zu sammeln.
Geplant ist, von dem zur Verfügung stehenden Betrage, die eine Hälfte während des
Jahres in 3 monatlichem Abstand in Bar zur Verteilung zu bringen; die andere Hälfte
bleibt bis Ende des Jahres in Rücklage und wird dann in Vorzugsanteilen angelegt.
Die eine Hälfte dieser letzteren Anlage wird dann wiederum an diejenigen verteilt,
welche später bei der Verteilung überhaupt eingeschlossen werden, während die andere
Hälfte, also ein Viertel der anfänglichen Rücklage bis ans Ende von 5 Jahren in den
Händen des Schatzkämmerers der Gesellschaft verbleibt und von diesem verwaltet wird.
Am Ende dieses Zeitabschnitts wird der Betrag endgiltig den Zur-Anteilnahme
berechtigten überwiesen.
Der Gewinnanteil jedoch, der inzwischen für diese Anteile nachwächst, gelangt an die
Angestellten der Gesellschaft, so lange sie sich in deren Dienst befinden, zur
Verteilung.
Stirbt jedoch jemand, während er im Dienst der Gesellschaft steht, oder wird er als
Angestellter dauernd dienstuntauglich, so wird der ihm zukommende Anteil seinen
Erben oder ihm ausgehändigt.
Verlässt jedoch ein Angestellter ohne vorherige Erlaubnis den Dienst der
Gesellschaft, so soll er jedes Anrecht auf diese Art der Anteile verlieren, wodurch
die übrigen im Anrecht verbleibenden am Ende des fünfjährigen Abschnittes im Vorteil
sind, ihnen sollen diese für die so ausscheidenden Angestellten verlorenen Anteile
zuwachsen.
Dieser ganze Entwurf hat das Gute für sich, dass er nicht den Eindruck einer Wohltat
– eines Almosens – nach irgend welcher Richtung hin erweckt, aber er ist gross und
weitausschauend angelegt und bekundet den freien Sinn, der sowohl das Wohl der
Gesellschaft, als auch seiner Angestellten gebührend in Rechnung zieht,
vorausgesetzt, dass es gelingt, denselben in der gedachten Weise aufrecht zu
erhalten und durchzuführen.
„Engeneering“ knüpft daran noch folgende Betrachtungen:
Lässigkeit ist die grosse Gefahr, die diesen Mammut- und Mamongesellschaften
droht.
Doch steht diese grossartige Unternehmung auf dem Boden, auf dem das
Genossenschaftswesen überhaupt geboren wurde, und auf welchem es zur mächtigen
Kraftentfaltung gelangt ist, aber es stellt unbedingt die grössten Anforderungen an
Alle, welche in seinen Bannkreis einbezogen sind. Aus diesem Grunde und weil die
Vorbedingungen so schwer einzuhalten sind, erfolgten in den letzten Jahren viele
Zusammenbrüche in dieser Richtung.
Die grosse Masse der Arbeiter muss Selbstbeherrschung und Massigkeit in Zeiten der
Hochflut des Geschäftes lernen und nicht in Schwelgerei verfallen, wodurch dann in
Zeiten des kleinen Verdienstes der Notpfennig verbraucht sein würde.
Auch darf der Ueberschuss über einen gewissen Verdienst den Arbeiter nicht
veranlassen, seine Arbeit zu vernachlässigen, um Zeit zum Vergeuden des
Mehrverdienstes zu erhalten.
Andererseits aber darf der Arbeiter auch nicht mit Neid und Missgunst auf die grossen
in der Verwaltung und Leitung des Unternehmens gezahlten Gehaltsbeträge sehen.
Schwer mag es den niederen Angestellten, welche sich von
einem Wochenende bis zum anderen hart mühen, fallen, zu verstehen, weshalb die an
die Spitee gestellten so unendlich viel mehr wie sie selbst verdienen sollen. –
Schwer ist es jedenfalls auch einzusehen, dass in dieser Anordnung eine
wirtschaftliche Notwendigkeit liegt, und dass, wenn ein tüchtiger Geschäftsleiter
nicht gut – sagen wir selbst über die Massen gut – bezahlt wird, derselbe zu
anderweitigen Werken geht, denen er jedenfalls sehr willkommen ist.
Im übrigen dürfte der Verwaltung dieses Riesenunternehmens sehr wohl darüber klar
sein, dass die ungeheuere Entwicklung der amerikanischen Stahl-Erzeugung – eine
Erscheinung, die selbst in der neuzeitigen gewerblichen Entwicklung ohne gleichen
dasteht – zu schnell vor sich gegangen ist, um von Dauer zu sein. Dazu kommt, dass
bisher Schutzzölle das Ausland vom heimischen Markt nach Möglichkeit fern hielten,
die es der Gesellschaft ermöglichten, die Preise hochzuhalten und mit grossem Gewinn
zu arbeiten. Augenblicklich haben die amerikanischen Einrichtungen mit der wachsenden
Nachfrage noch nicht gleichen Schritt halten können, und auch Deutschland hat
immerhin beträchtliche Mengen Stahl trotz der Schutzzölle auf den amerikanischen
Markt geliefert – freilich sind die deutschen Auslandspreise derart niedrig, dass z.B. Stahlschiffe im Ausland für
deutsche Rechnung und mit deutschem Baustoff billiger gebaut werden können, als auf
deutschen Werften – gewiss ein trauriger nicht wohl gutzuheissender Zustand.
Wenn aber der Absatz nachlässt?
Selbst wenn Eisenbahnen sich im Masstab der letzten Jahre weiterentwickeln, Bauten
mit Stahlgerippen, Stahlbrücken, Stahl wägen und namentlich Stahlschiffe ebenfalls
denselben Bedarf beibehalten – namentlich die Schiffe haben bei der raschen
Entwicklung der amerikanischen Schiffahrt grosse Mengen Stahl verschlungen – so ist
von vorn herein einzusehen, dass sich das Wesen des Schutzolles gegenüber einer so
gewaltig ausgewachsenen Körperschaft, wie es die amerikanische Stahlerzeugung ist,
nicht wohl wird aufrecht erhalten lassen und das Land selbst, – umvillig sich zum
Nutzen dieser Körperschaft über gewisse Grenzen hinaus besteuern zu lassen –, wird
verlangen, dass ihm die Möglichkeit, allenfalls im Ausland billiger zu kaufen, offen
gehalten wird, falls nicht das heimische Gewerbe mit seinen Preisen herabgehen will,
die dann selbstverständlich in ihren Preisen dem Mitbewerb des Auslandes zu folgen
haben.
Dazu kommt noch ein Drittes. Selbst die tüchtigste und gewissenhafteste
Geschäftsleitung kann nicht überall sein, und Lässigkeit, die grösste Gefahr, reisst ein, während andererseits in
kleineren Unternehmungen – noch dazu, wenn dieselben in einer Hand ruhen – das
überwachende Auge des Besitzers, die Vorteile des Ein- und Verkaufs im grössten
Masstabe wettmacht und mit gutem Erfolg seine Arbeit auf dem Markt absetzt.
Vielleicht liegt der Rückgang noch in weiter Ferne, jedenfalls aber erscheint es
weise und voraussehend, heute schon das ziemlich künstliche Gefüge dieses ganzen
ungeheuren Arbeitsverbandes durch eine Förderung des Gefühls der Zugehörigkeit jedes
einzelnen zum grossen Ganzen nach Möglichkeit zu kräftigen und sich die tauglichsten
und fähigsten Mitarbeiter zu sichern.
In einem jeden Unternehmen beruht das Gedeihen vor allen Dingen in der Fähigkeit, der
Tatkraft und dem ausdauernden Fleiss und Eifer jedes einzelnen, der in dem ganzen
Getriebe mitzuarbeiten berufen ist. Kein geringerer wie Carnegie, jener weitsichtige und von so glänzendem Erfolg gekrönte
Stahlwerksbesitze hat darauf hingewiesen und behauptet, dass sein Stamm von
Mitarbeitern dem Wert seiner Unternehmung seinerzeit die Wage gehalten habe.
Wie sehr aber der Morgan-Trust darauf sehen muss, diese
Eigenschaften unter seiner Arbeiterschaft auszubilden, das zeigt auch die Gründungszusammenstellung für das Jahr 1902.
Hiernach sind im Gebiet der Stahl- und Eisenerzeugung etwa zwei Dutzend unabhängige
Gesellschaften mit insgesamt 394400000 M. Grundvermögen gebildet.
Nach Massgabe des Volkszählungsberichtes beläuft sich derjenige Teil des in dieser
Erzeugung angelegten Geldes, soweit er sich in den Händen des Morgantrusts befindet, auf 5619200000 M., während
weitere 1072000000 M. sich in Händen von Gesellschaften befinden, welche ausserhalb
dieses Trust stehen. Das gesamte in dieser Unternehmung angelegte Geld erreicht also
die Höhe von 6 691200000 M. Die gesamte Stahl- und Eisenerzeugung geht vor sich in
669 Werken.
Der Gesamtbesitz dieser Werke an Grund und Boden, Gebäuden, Maschinen, Werkzeugen und Geräten, Barvermögen, Wechseln, ausstehenden Forderungen,
Rohstoffen, unfertiger und fertiger Waren
beträgt nach Aufstellung des Schätzungsausschusses 2362121936 M.
Da hinzu kommen noch der Wert der Bergwerke, der
Eisenbahnen und der Dampfschiffe im Besitz des Morgantrust.
Es muss also notwendiger Weise irgendwo eine ganz beträchtliche Ueberzeichnung der
vorhandenen Werte nachzuweisen sein.
Der Morgan-Trust umfasst 80 v. H. der oben
angegebenen, in der Stahl- und Eisenerzeugung angelegten Werte, aber nur 60 v. H.
der Gesamtauskehr der roheren Formen und der Stahlerzeugung.
Ebenfalls sind noch zu verkokende Kohlen und Bessemererze vorhanden, die wiederum
noch zur Gründung neuer I Unternehmungen Veranlassung geben werden.
Es liegt in der Natur der hier in Frage kommenden Sache begründet, dass die Meinungen
in ein Für und Wider
auseinander gehen und kann daher nicht Wunder nehmen, wenn auch in Amerika selbst,
wo die Ausbeutung der Menschen und die Selbstsucht noch ganz andere und riesigere
Gestalt angenommen hat, als hier in der alten Welt, einzelne Stimmen laut werden,
welche diese Einrichtungen als Geschäftsmache und als ein Mittel, die grosse Menge
bisher nicht untergebrachter Vorzugsanteile auf diese Weise zu verwerten,
bezeichnen.
Allein wir stehen hier unwiderlegbar vor einer Entwickelung von
Geschäftsunternehmungen, für welche die bis jetzt bestehende gesetzliche
Ueberwachung und Beeinflussung nicht ausreichen dürfte, und es liegt daher schon von
diesem Standpunkte aus für solche Unternehmungen die Notwendigkeit vor, die Schärfen
abzuschleifen und die gute Meinung der Oeffentlichkeit für sich zu gewinnen.
Wenn ferner weiter darauf hingewiesen wird, dass namentlich George W. Perkins, Mitinhaber des Hauses Morgan und Vorsitzender des Finanzausschusses des Stahltrusts, – der
Urheber dieses ganzen Entwurfes der Gewinnbeteiligung ist, welchen er für die auch
in Deutschland vertretene New-Yorker Lebensversicherungs-Gesellschaft, in welcher er
das gleiche Amt bekleidet, vergeblich zur Einführung vorschlug, so ist doch zu
hoffen, dass er für die Durchführung dieser Einrichtung Mitarbeiter findet,
geeignet, die anfängliche Abgeneigtheit der misstrauischen Arbeiterschaft zu
überwinden.
Es handelt sich doch für die Arbeiterschaft darum, wie werden sich diese Anteile in
schlechteren Geschäftsjahren bewähren.
Mit ähnlichen Massnahmen für Gewinnbeteiligung sind, wie berichtet wird, bereits im
Jahre 1893 von der Illinois Centralbahn Versuche gemacht, die fehl schlugen. Nach
fünf Jahren hatten nur 750 Angestellte insgesamt nicht mehr als 2500 Anteilscheine
erworben; dann scheint dieselbe das ganze Vorgehen aufgegeben zu haben. Hierin liegt gewiss ein sehr grosser Fehler.
Die Newyork–, Newhaven- und Hartfordbahn kündigte einen ähnlichen Plan an, gab
denselben aber sofort wieder auf, als sie anfänglich Mangel an Geneigtheit für
denselben fand, hier tritt also der gleiche Fehler zu Tage.
James J. Hill stellte im Jahre 1900 für 4 Millionen Mark
Great-Northern Anteilscheine für die Bahnangestellten zur Erwerbung bereit. Die
Scheine selbst wurden nicht übergeben, sondern nur eine Besitz-Bestätigung, mit
welcher in diesem Fall kein Stimmrecht verbunden war, kein Wunder, dass hier
ebenfalls keine grosse Geneigtheit zum Erwerb hervortrat.
Im vorliegenden Fall wird es ebenfalls von dem Anhalten des guten Willens bei der
Geschäftsleitung, von dem Eifer, die Arbeiterschaft von der Güte des ihr gemachten
Anerbietens zu überzeugen, und zuletzt nicht zum wenigsten von der richtigen
Erkenntnis der letzteren, sich dies Anerbieten gesetzlich zu Nutze zu machen,
abhängen, ob und wie bald ein guter Erfolg zu verzeichnen sein wird.
Die Erzielang eines solch guten Erfolges wird aber auch ebenfalls eine weitsichtige
Gesetzgebung zu berücksichtigen haben.
Ist auch augenblicklich noch von keinem vollständigen Genossenschaftsunternehmen
zureden, so sind doch jedenfalls die Vorbedingungen gegeben und es bleibt
abzuwarten, wie weit sich die amerikanische Arbeiterschaft der ihr hier
gegenübertretenden Aufgabe gewachsen zeigt, zu welcher Bedeutung sie ihre durch die
jetzigen kleinen Anfänge eingeleitete Vertretung innerhalb der Anteilhaber dieses
Mammutunternehmens auszubilden befähigt ist.
E.
Arp.