Titel: | Elektromotoren für veränderliche Geschwindigkeit der Maschinenfabrik Oerlikon (Schweiz). |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 125 |
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Elektromotoren für veränderliche Geschwindigkeit
der Maschinenfabrik Oerlikon (Schweiz).Le Génie civil 1902, S. 398 nach Dr. Behn-Eschenburg.
Elektromotoren für veränderliche Geschwindigkeit der
Maschinenfabrik Oerlikon (Schweiz).
A. Drehstrommotoren. Für Anwendung von
Elektromotoren ist es meist Bedingung, dass die Tourenzahl veränderlich ist, ohne
Schädigung des Wirkungsgrades. Normale Drehstrommotoren besitzen eine Tourenzahl,
die sich aus Polzahl und Periodenzahl ergiebt und in ganz engen Grenzen schwankt,
wenn man nicht grosse Energieverluste in Widerständen in den Kauf nehmen will.
Textabbildung Bd. 318, S. 125
Fig. 1.
Seit 1893 baute die Maschinenfabrik Oerlikon
Drehstrommotors, bei denen mit Hilfe eines Umschalters die Polzahlim Verhältnis
1 : 2 geändert werden konnte, indem die Hingwickelung in 6 Spulengruppen unterteilt
war, wenn der Motor mit 2 und 4, in 2 × 6 Spulengruppen dagegen, wenn er mit 4 und 8
Polen laufen sollte. Die einer Phase zugeteilten 2 Spulen in Serie geschaltet,
besassen 3 Ableitungen; alle 9 Ableitungen gingen zu einein Umschalter, der entweder
die beiden Spulen einer Phase in Serie schaltete (4 Pole) oder parallel (2 Pole)
(Fig. 1 u. Fig.
2). Die magnetomotorische Kraft zweier aufeinander folgender Spulen hatte im
ersten Falle eine Phasendifferenz von 120°, im zweiten eine solche von 60°. Der
Megnetisierungsstrom war in beiden Fällen gleich; der Streuungskoeffizient aber war
bei zweipoliger Wicklung nur halb so gross wie bei vierpoliger Wicklung. Das
Drehmoment war nahezu konstant, die Leistung dagegen stand im Verhältnis der
Tourenzahl.
Später ging die Maschinenfabrik wegen verschiedener Vorteile zur Trommelwickelung
über, und verwandte seit 1897 beim Läufer wie beim Ständer zwei getrennte Wicklungen
in den gleichen Nuten. Die Vorteile dieser Anordnung sind:
Textabbildung Bd. 318, S. 125
Fig. 2.
Polzahl und Dimensionen jeder Wicklung sind ganz unabhängig von einander und können
verschiedenen Bedingungen angepasst werden. Die Nachteile bestehen darin, dass die
Motore mit einer besonderen Nutung auszuführen sind, um zwei Wicklungen fassen zu
können. Der Umschalteapparat besteht aus 2 dreipoligen Ausschaltern. Der Motor
besitzt 5 Klemmen, indem eine beiden Stromkreisen gemeinsam ist. Der Läufer enthält
ebenfalls 2 Wicklungen und entweder 5 Schleifringe oder 3 Schleifringe und eine
Vorrichtung:, um die Enden der einen oder anderen Wicklung zum neutralen Punkt zu
vereinigen. Bei stillstehendem Motor vermehren die beiden Wicklungen den
Magnetisierungsstrom, aber beim Lauf verschwindet dieser Einfluss, da die
Schleifringe kurz geschlossen sind.
Versuche, die Trommelwicklung ähnlich umzuschalten, wie oben die Ringwickelung,
scheiterten daran, dass die Trommelwicklung für eine bestimmte Polzahl einen
Wicklungsschritt entsprechend der Polteilung besitzt, und bei Verringerung der
Polzahl sehr grosse Streuung auftritt. Solche Motore geben mit kleiner Polzahl sehr
ungünstige Betriebsverhältnisse besonders beim Anlauf mit Kurzschlussankern.
Textabbildung Bd. 318, S. 126
Fig. 3.
Neuerdings hat die Firma Oerlikon eine Trommelwicklung
für Drehstfommotore eingeführt mit 6 p Spulenpruppen
(p kleinste Zahl der zu bildenden Polpaare), welche
p oder 2p Polpaare
ergiebt, je nachdem die 2 Spulenreihen jeder Phase parallel oder in Serie geschaltet
sind. Diese Motore besitzen ebenfalls ein konstantes Drehmoment.
Trotz der 9 Enden erhält der Motor nur 6 Klemmen (Fig.
1), da die Ableitungen 7, 8, 9 dauernd kurz geschlossen sind. Für eine
zweipolige Wicklung tritt der Strom ein in 4, 5, 6, während 1, 2, 3 kurz geschlossen
sind, für eine vierpolige Wicklung tritt der Strom ein in 1, 2, 3.
Textabbildung Bd. 318, S. 126
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 318, S. 126
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 318, S. 126
Fig. 6.
Führt man an Stelle der Sternschaltung die Dreiecksschaltung ein, so verringert sich
bei hoher Tourenzahl das Drehmoment. Die 6 Spulengruppen bleiben für 2 und 4 Pole
und jedes weitere Vielfache dieser Polzahl in Serie geschaltet, während der Strom
bei 1, 2, 3 eintritt (Fig. 3, 4, 5 und 6). Bei dieser Anordnung hat man es in der Hand, die
elektrischen und mechanischen Eigenschaften im Sinne der einen oder anderen Polzahl
zu verschieben durch Wahl eines entsprechenden Wicklungsschrittes.
Benutzt man nun noch zwei getrennte Wicklungen, so erhält man 4
Geschwindigkeitsstufen. Die Zahl der Ableitungen beträgt 12, ist also nicht grösser
als bei vier getrennten Motoren. Der Umschaltapparat besteht aus zwei getrennten
dreipoligen Umschaltern. Diese Einfachheit der Umschaltung und der Wicklung, die
symmetrisch und ähnlich wie heim Gleichstrommotor ist, ist der Hauptvorzug der neuen Anordnung. Der Uebergang von einer höheren
Tourenzahl zu einer niederen erfolgt momentan, da der Motor als Generator Strom ins
Netz schickt. Pur die doppelte Polzahl istdie Streuung im allgemeinen
mindestens zweimal so gross, als bei halber Polzahl, bei gleich bleibendem
Magnetisierungsstrom: der Anlaufstrom bei Kurzschlussankern halb so gross. Die
Anordnung ist daher ohne weiteres eine Anlassvorrichtung zur Verkleinerung des
Anlaufstromes bei Motoren, die oft angelassen werden müssen.
In Verbindung mit Anlass widerständen lässt sich diese Methode unmittelbar
vergleichen mit dem Serien-Parallel-Schaltungssystem von Gleichstrommotoren.
Fig. 7 zeigt einen solchen Motor, Normaltype der
Maschinenfabrik Oerlikon für 8 PS. 1450 Touren bei 50
Perioden, 220 kg Gewicht, 240 mm Unterdurchmesser. ISO mm Eisenbreite, 440 mm
äusseren Gehäusedurchmesser, 470 mm äussere Länge. Von den beiden Wicklungen giebt
die eine 12 und 6, die andere 8 und 4 Pole. Bei den beiden hohen Geschwindigkeiten
1000 und 1500 Touren sollte der Motor 6 PS leisten und möglichst vorteilhaft
arbeiten. Der Rotor hat 2 getrennte Wicklungen aus nacktem Draht und von jeder
Wicklung sind die Spulen mit ihrem entsprechenden Wicklungsschritt in sich kurz
geschlossen.
Die nachstehende Tabelle zeigt die Verhältnisse für einen zum Antrieb einer Drehbank
bestimmten Motor, weshalb bei geringer Tourenzahl das Drehmoment kleiner sein muss.
Es sind daher 2 Zeilen für Dreiecksschaltung beigefügt.
Polzahl
12
8
6
4
6
4
Schaltung
Stern
Stern
Stern
Stern
DreieckBei
110 Volt beobachtete Werte reduziert auf 190 Volt.
Dreieck
Spannung
190
190
190
190
190
190
Touren (leer)
500
750
1000
1500
1000
1500
Leistung norm. PS
3,5
4
7
8
3,5
4
Drehmoment norm. kgm
5,5
4,1
5,2
4
2,75
2
Wirkungsgrad bei 1/1 Last
72
73
85
86
80
80
Wirkungsgrad bei ½ Last
70
72
82
86
82
75
cos φ bei 1/1
Last
0,7
0,82
0,85
0,92
0,89
0,92
cos φ bei ½ Last
0,5
0,65
0,70
0,83
0,80
0,88
Schlüpfung bei 1/1 Last %
10
7
3
4
8
6
Drehmoment max. kgm
9,5
6,2
18
12
5,7
4
Leerlaufstrom Amp.
11
9
8,5
6
2,8
2
Anlaufstrom Amp.
50
50
130
135
43
45
Anlaufzugkraft kgm
5,5
3,5
6
5
1,5
1,5
Erwärmung nach 3 St. Volllast °C.
50
50
40
40
35
35
Diese Motore für 2 Geschwindigkeitsstufen haben gleiche Abmessungen, gleiche
Leistung, gleichen Wirkungsgrad und Leistungsfaktor, wie Motore für eine einzige
Geschwindigkeit, die Zunahme der Grösse und des Preises für Motore mit 4
Geschwindigkeitsstufen ist unbedeutend.
Dieses System ist auch anwendbar für Ein- und Zweiphasen-Motore.
B. Gleichstrommotore. Zum Vergleich hat die Fabrik Oerlikon Versuche gemacht mit einem neuen
Gleichstrom-Nebenschluss-Motor, dessen Tourenzahl zwischen 350 und 1600 Touren
geändert werden kann, bei gleicher Bürstenspannung nur durch Regulierung des
Nebenschlusses. Es durfte kein Feuer an den Bürsten auftreten, wenn diese in der neutralen Zone standen, bei normalem Strom, sowohl
bei voller Spannung, als auch bei Kurzschluss der Bürsten. Dies lässt sich bei so
grosser Veränderung (1 : 5) nur mit Hilfe einer Kompensationsspule im
Hauptstromkreis erreichen (Fig. 8). Das Feld dieser
Kompensationsspule ist dem Ankerfelde entgegengesetzt und vernichtet die Spannung
zwischen 2 Spulen in der neutralen Zone. Die nachfolgende Tabelle giebt die
Versuchsergebnisse eines ganz geschlossenen Motors von 3 PS bei 130 Volt für
intermittierenden Betrieb Gewicht 400 kg, äusserer Durchmesser 500 mm, äussere Länge
400 mm, Bohrung 250 mm, Eisenlänge 180 mm. Das Polgehäuse ist Stahlguss die Pole
lamelliertes Eisen, die Polschuhe haben offene Nuten für die Kompensationswicklung
Diese Kompensationsspule hat einen Ohmschen Widerstand
ungefähr gleich der Hälfte des Ankerwiderstandes. Ein gleicher Motor kann bei 1000
Touren in ununterbrochenen Betriebe 9 PS leisten.
Tourenzahl pro Minute
1500
1000
750
500
350
Spannung Volt
130
130
130
130
130
Strom bei Leerlauf Amp.
4
2,3
1,8
1,5
1,5
Strom bei Volllast Amp.
25
25
25
25
25
Erregerstrom b. Leerlauf Amp.
0,12
0,21
0,29
0,3
0,8
Erregerstrom bei Volllast Amp.
0,06
0,12
0,18
0,3
0,6
Textabbildung Bd. 318, S. 127
Fig. 7.
Leistung bei Volllast PS
2,9
3,15
3,2
3,3
3,2
Leistung bei Halblast PS
1,4
1,74
1,75
1,75
1,75
Wirkungsgrad bei Volllast %
66
72
73
74
73
Wirkungsgrad bei Halblast %
50
71
74,5
76
74
Erwärmung des Ankers nach 2 St. Volllast in
geschloss. Gehäuse °C.
50
50
50
50
45
Der Hauptunterschied zwischen Drehstrom- und Gleichstrommotor besteht darin,
dass ersterer bei allen Tourenzahlen mit annähernd gleicher Kraftlinienzahl im
Luftraum arbeitet und darum bei grösseren Geschwindigkeiten grössere Leistung und
besseren Wirkungsgrad ergiebt. Während letzterer seine Tourenzahl durch Aenderung
der Kraftlinienzahl erreicht und darum eine grössere Leistung und ein besserer
Wirkungsgrad nicht auftreten können. Einem Drehstrommotor, wie dem
obenbeschriebenen, entspräche ein Gleichstrommotor mit 2 Kollektoren, die in Serie
oder parallel geschaltet werden können, oder eine Kombination von mehr Motoren.
Textabbildung Bd. 318, S. 127
Fig. 8.