Titel: | Die Bereitung von Kalkmörtel, insbesondere zur Herstellung von Kalksandsteinen. |
Autor: | Steger |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 666 |
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Die Bereitung von Kalkmörtel, insbesondere zur Herstellung von Kalksandsteinen.
Von Dr. Steger, Charlottenburg.
Die Bereitung von Kalkmörtel, insbesondere zur Herstellung von Kalksandsteinen.
Zur Kalkmörtel- und Kalksandsteinherstellung bedarf man eines Kalkhydrats,
welches in allen seinen Teilen den Löschprozess durchgemacht hat. Das gilt besonders
von den träg ablöschenden Kalksorten, denen genügende Zeit zum beleihen zu lassen
ist. Denn das nachträgliche Löschen von Kalkteilchen in verarbeiteten Mörteln kann
zu Aufhellungen und schweren Schädigungen der Baukörper führen. In gleicher
Weise rächt sich die ungenügende Ablöschung des Kalks bei der Herstellung von
Kalksandsteinen. Es geht nicht nur der mit ungenügend gelöschtem Kalk hergestellte
Stein zu Grunde, sondern es können auch die anderen Steine des Stapels, die auf ihm
gelagert sind, zusammenfallen und zerbrechen.
Die Wasseraufnahme durch gebrannten Kalk erfolgt
bekanntlich unter beträchtlicher Wärmeentwickelung, die so gross ist, dass
frischgebrannter Kalk, wenn man ihm das zur Hydratisierung erforderliche Wasser in
Form von Eis zusetzt, sich bis zu 100° C erwärmen kann. Die entwickelte Wärme
begünstigt den Löschprozess ganz ausserordentlich. Man muss daher Sorge tragen, dass
dem Gemenge von Kalk und Wasser nicht unnötig Wärme entzogen wird, und darf auf
keinen Fall den zur Mörtelbereitung benötigten Sand schon während des Kalklöschens
zusetzen, um Abkühlungen zu vermeiden. Es wird sogar empfohlen, die Ablöschung durch
Wärmezufuhr zu unterstützen. Das geschieht durch besondere Beheizung der
Löschbehälter mittels Wasserdampfes oder heisser Gase, durch Vorwärmung des
Löschwassers und durch direkte Zuführung von Wasserdampf zum Löschgut. Ist der
eingeleitete Wasserdampf gespannt, dann trägt der höhere Druck zum Gelingen des
Vorganges wesentlich bei.
Das erhaltene Kalkhydrat kann von verschiedener Beschaffenheit sein, je nach der
Menge des zugesetzten Wassers. Weissen, fetten Kalkbrei erzielt man durch die
Zumischung eines Ueberschusses von Wasser, der bis auf ein Mehrfaches des zur
Bildung von Kalkhydrat erforderlichen Wassers ansteigen kann. Der Kalk quillt dabei
stark auf. Fettkalk nimmt im Durchschnitt ein 2½ bis 3 mal grösseres Volumen ein als
der ungelöschte Kalk.
Für manche Zwecke, z.B. für die Erzeugung von Kalksandsteinen bietet die Anwendung
pulverförmigen Kalkhydrats, d.h. eines Kalks, der nur soviel Wasser enthält, als
gerade zur Hydratisierung ausreicht, gewisse Vorteile. Solcher Kalk lässt sich
nämlich gründlicher mit dem Sande durchmischen als fetter Kalkbrei. Auch ist seine
Herstellung einfacher. Man braucht den gebrannten Kalk nur in Stückchen von
Nussgrösse zu zerschlagen und in einem Korbe kurze Zeit in Wasser zu tauchen. Der
Kalk zerfällt dadurch zu Staub und löscht sich mit dem aufgenommenen Wasser zu
pulverförmigem Kalkhydrat ab. Freilich ist eine Gewähr dafür, dass alle Kalkteilchen
abgelöscht sind, nicht gegeben. Denn es wird mit Recht darauf hingewiesen, dass der
Kalk verschieden dichte Partien enthält. Beim Eintauchen in Wasser werden die
dichteren Teile nicht dasselbe Quantum Wasser aufsaugen, wie die weniger dichten. Zu
lange Zeit darf man aber den Kalk nicht im Wasser halten, weil sich sonst ein Teil
zu weichem Brei ablöscht, was die Gewinnung pulverförmigen Materials vereitelt. Es
gehört daher grosse Vorsicht und Erfahrung dazu, den Löschprozess so zu führen, dass
spätere Rissbildungen in den Kalksandsteinen durch Nachlöschen vermieden werden.
Ausserdem leidet das Verfahren an dem Uebel, dass ein grosser Teil der Löschwärme,
die, wie bereits gesagt ist, auf die völlige Ablöschung von der günstigsten Wirkung
ist, verloren geht.
Der auf diese Weise gewonnene, sogenannte trocken gelöschte Kalk kann, damit er als
feinstes Pulver gewonnen wird, noch gemahlen und gesiebt werden. Weniger
empfehlenswert ist die Aufbereitung durch Wind, bei welcher das Kalkhydrat
kontinuierlich in einen senkrechten Schacht eingebracht und einem Strome kalter oder
erhitzter Pressluft ausgesetzt wird, welche das ganz feine Pulver in die Höhe reisst
und nach Ablagebehältern treibt, die gröberen Kalkteilchen aber zu Boden sinken
lässt. Das Verfahren ist nicht billig. Die groben Teile müssen zerkleinert und von
Neuem aufbereitet werden. Für gewöhnliche Zwecke genügt die Feinheit des Korns,
welche man durch einfaches Sieben erhält.
Da das Trockenlöschen keine Gewähr dafür bietet, dass der Kalk in allen seinen
Partieen in Hydrat verwandelt worden ist, hat Michaelis, der eigentliche Begründer der Kalksandsteinindustrie ein
Verfahren angegeben, durch welches man aus Gemengen von Kalkbrei und trocken
gelöschtem Kalk ein für die Kalksandsteinfabrikation sehr geeignetes Kalkhydrat
erhält. Der gewöhnliche Kalkbrei hat für diesen Zweck zuviel Wasser; die aus ihm und
Sand hergestellten Formlinge lassen sich daher schlecht verpressen. Michaelis mischt daher den Kalkbrei mit trocken
gelöschtem Kalk in bestimmten, durch Rechnung festgestellten Verhältnissen, und
setzt die Masse der Einwirkung gespannten Dampfes aus, wodurch er Kalkhydrat
gewinnt, welches einen mittleren Wassergehalt hat, und in dem alle ungelöschten
Kalkteilchen, die sich etwa noch im trocken gelöschten Kalk vorfanden, nachträglich
abgelöscht worden sind. Hierzu wird das Gemenge von Kalkbrei und trocken
gelöschtem Kalk in bedeckten, aber nicht hermetisch geschlossenen Gefässen. welche
die zu rasche Verdunstung des Quellungswassers im Kalkbrei verhindern sollen, in
Hochdruckkessel eingebracht und dort mit gespanntem Wasserdampf behandelt.
Die Verarbeitung von Sand mit Kalkbrei auf Kalksandsteine hat den Vorteil, dass die
Masse plastischer und bindefähiger ist, als bei der Verarbeitung von Sand und
trockenem Kalkhydrat. Dafür ist aber die gründliche Durchmischung des Ganzen, durch
welche erst die unumgänglich notwendige gleichmässige Verteilung des Kalks zwischen
den Sandkörnern möglich wird, schwieriger. Es ist daher empfehlenswerter, mit
trocken gelöschtem Aetzkalk, der sich auch bequemer transportieren lässt, zu
arbeiten, und das um so mehr, als inzwischen durch Olschewski ein neues Verfahren zur Gewinnung staubförmigen Kalkhydrats
angegeben worden ist, welches die Arbeit des Löschens vereinfacht und die Aussichten
auf erfolgreiche völlige Ablöschung wesentlich erhöht. Bringt man den zu löschenden
Kalk in dampf dicht verschliessbaren Behältern mit einer abgemessenen, während des
Ablöschens unverändert bleibenden Menge Wassers zusammen und mischt man beides
gründlich durcheinander, dann erhält man ein untadliges pulverförmiges Kalkhydrat,
sofern dafür gesorgt wird, dass das an den Behälterwänden sich verdichtende
Kondenswasser immer wieder dem Kalk zugeführt, und die Trommel nicht früher geöffnet
wird, als bis aller Kalk gelöscht ist. Die hohe Wärmeentwicklung befördert den
Löschprozess. Wegen des entstehenden Dampfdrucks, der auf mehrere Atmosphären
Ueberdruck ansteigen kann, müssen die Löschbehälter von starkem Eisenblech gefertigt
werden. Die Füllung ist der Quellung des Mischguts und der Druckentwicklung im
Innern anzupassen. Als Löschgefässe werden am besten drehbare Trommeln gewählt. Der
trocken gelöschte Kalk und Wasser werden in abgewogenen Mengen durch ein Mannloch
eingebracht und letzteres wird luftdicht verschlossen. Das Ablöschen beginnt unter
Dampf- und Druckentwicklung, und die Stösse beim Drehen der Trommel befördern das
Zerfallen und vollständige Ablöschen selbst der dichtesten Kalkteile zu feinem
Pulver. Das Verfahren ist von grosser Bedeutung für diejenigen
Kalksandsteinfabriken, welche mit trocken gelöschtem Kalk arbeiten, weil es ihnen
ein durch, und durch abgelöschtes Material ohne Ueberschuss an Wasser bietet. Es ist
aber ebenso wertvoll für Kalk- und Mörtelwerke, welche eine grössere Menge Kalk in
gelöschtem Zustande eine Zeit lang aufzubewahren wünschen. Gebrannter, aber nicht
gelöschter Kalk leidet durch längeres Lagern. Er ist zwar nicht imstande Kohlensäure
aufzunehmen, zieht aber Feuchtigkeit an und absorbiert dann begierig Kohlensäure,
unter Bildung von kohlensaurem Kalk, wodurch er für die Mörtelbereitung unbrauchbar
wird. Man löscht daher den Kalk ab und bewahrt ihn als Brei in verdeckten Gruben
auf. Als solcher enthält er aber stets grosse Mengen überschüssigen Wassers und
nimmt ein so grosses Volumen ein, dass er viel Platz beansprucht. In solchen Fällen
gewährt die eben besprochene trockene Ablöschung des Kalks wesentliche Vorteile,
weil er nur das zur Hydratisierung notwendige Wasser enthält und nicht so stark
gewachsen ist wie Kalkbrei. Natürlich muss auch er durch Bedeckung mit Sand oder
dergleichen gegen die Einwirkung von Kohlensäure geschützt werden.
Soll derartig zu löschender Kalk sofort zu Mörtel weiter verarbeitet werden, dann
kann ihm die zum Trockenlöschen erforderliche Wassermenge auch zum Teil oder ganz
durch Beimengung nassen Sandes zugeführt werden, dessen Feuchtigkeitsgehalt man
kennt und in Rechnung stellt.
Bei der Kalksandsteinfabrikation wird mit einem nur wenig feuchten Kalksandgemenge
gearbeitet. Das Rohmaterial muss aber gründlich durchgemischt werden, d.h. das
Kalkhydrat muss zwischen den Sandkörnern, die den Hauptbestandteil ausmachen,
gleichmässig verteilt sein. Durch die rotierende Bewegung des Löschbehälters, der
zugleich als Mischbehälter dient, wird das erstrebte Ziel erreicht. Die harten
Sandkörnchen befördern dabei in günstigster Weise die Zerkleinerung des Kalks bis
zum feinsten Pulver.
In neuerer Zeit ist auf Grund von Beobachtungen festgestellt worden, dass
ungelöschter pulverisierter Kalk, welcher mit weniger Wasser oder Wasserdampf in
Berührung gebracht wird, als zur Ueberführung in das normale Hydrat
notwendig ist, sehr bald erhärtet. Um ein derartiges Produkt zu erhalten, mahlt
man den Kalk zu feinstem Mehl und lässt ihn in einem Schachte in Form eines Regens
niederfallen, Während man ihm gleichzeitig einen Strom von Wasserdampf oder fein
verteiltem Wasserstaub entgegenführt. Durch Passende Ventileinstellung hat man es in
der Hand, eine bestimmte Menge Feuchtigkeit zuzuführen. Später ist das Verfahren
dahin erweitert worden, dass man gepulverten, gebrannten Kalk mit trockenem, völlig
hydratisierten Aetzkalk zusammenmischt und fein vermahlt. Ja, man soll dasselbe
Resultat auch dadurch erreichen, dass man ungelöschten Kalk mit einer zur normalen
Hydratisierung nicht hinreichenden Menge Wasser in geschlossene, drehbare Trommeln
einbringt und ihn einem unvollständigen Löschprozess unterwirft. Das gewonnene
körnige Produkt muss vor seiner Verwendung noch auf das feinste gemahlen werden,
wodurch zugleich eine sehr gründliche Durchmischung erzielt wird. Die Vorgänge, die
sich bei allen diesen Arbeitsverfahren abspielen, bedürfen noch des Studiums. Es
bleibt vor allem fraglich, ob sich nach dem Zusätze einer zur völligen
Hydratisierung der ganzen Masse ungenügenden Menge Wasser wirklich Verbindungen
bilden, die als ungenügend hydratisierte Moleküle von Kalk anzusprechen sind, wie
behauptet wird, oder ob es sich nicht vielmehr, wie bisher angenommen wurde, um
blosse Mischungen von völlig abgelöschtem mit ungelöschtem Kalk handelt. Aber die
Thatsache steht fest, dass der nach den vorgenannten Verfahren behandelte Kalk in
kurzer Zeit zementartig erhärtet, und dass eine wesentliche Bedingung des Gelingens
die feine Verteilung von Kalk und Wasser durch einander ist. Die
Erhärtungserscheinung kann derartig vorbehandelten Kalk für die Herstellung von
Kalksandsteinen wertvoll machen, indem sie die Festigkeit der die Presse
verlassenden Formlinge und dadurch ihre Transportfähigkeit erhöht. Alle diese
besonderen Hydrate sind aber, wenn sie überhaupt existieren, auf die Dauer
nicht haltbar. Sie nehmen Wasser auf und setzen sich bei Gegenwart von Kohlensäure
in kohlensauren Kalk, bei Gegenwart von Kieselsäure und Einwirkung von Wasserdampf
in Kalksilikat um. Auf diesen Vorgängen beruht bekanntlich die Erhärtung der Mörtel-
und der Kalksandsteine. Inwieweit dabei nachträglich ein schädliches Aufquellen des
Kalks stattfindet, bedarf noch der Untersuchung. Auf keinen Fall darf unter eine
bestimmte Menge Hydratisierungswasser herabgegangen werden, weil sonst
Treiberscheinungen auftreten.
In manchen Gegenden Deutschlands finden sich diluviale Ablagerungen von Geröllen, die
neben Silikaten verschiedener Art Kalksteine führen. Derartige Vorkommen an der Isar
haben Veranlassung gegeben, dass man zur Zeit niedrigen Wasserstandes die grösseren
Kalkgerölle sammelt und zu Aetzkalk brennt. Doch ist diese Betriebsweise natürlich
eine beschränkte, schon weil sie den Kalkstein nur aus dem Flussbett gewinnt,
während mächtige Ablagerungen auch anderwärts, weitab von Flussläufen, auftreten,
die reich an Kalkstein sind und, wie Untersuchungen gelehrt haben, eine gewisse
Durchschnittszusammensetzung zeigen. In solchen Fällen kann es lohnend erscheinen,
von dem kostspieligen Auslesen der Kalksteine abzugehen und die ganze Geröllmasse
nach dem Aussieben des in ihr enthaltenen Sandes behufs Mörtelgewinnung zu brennen.
Das gebrannte Gut wird darauf in Wasser abgeschreckt, gelöscht und gemahlen, und
ergiebt mit oder ohne Zusatz des beim ersten Aussieben gewonnenen Sandes einen
gebrauchsfähigen Mörtel. Wo Mangel an Sand ist, hilft dieses Verfahren den immerhin
teuren Brennprozess mitbezahlen. Die in Gesellschaft der Kalkgerölle gebrannten und
dann zerkleinerten Gesteine – sie sind hauptsächlich plutonischen Ursprungs,
Granite, Gneisse, Glimmerschiefer – ersetzen ganz oder teilweise den Sand.