Titel: Bestimmung der Senkung des Angriffspunktes der Last bei einem Auslegerkran.
Autor: G. Ramisch
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 15
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Bestimmung der Senkung des Angriffspunktes der Last bei einem Auslegerkran. Von Prof. G. Ramisch, Breslau. Bestimmung der Senkung des Angriffspunktes der Last bei einem Auslegerkran. I. Der Kran besteht in Fig. 1 aus zwei Balken CE und CA, welche bei C gelenkartig miteinander verbunden sind, ersterer ist in E eingeklemmt und bildet in C mit letzterem einen rechten Winkel. Zu dem Zwecke sind sie durch den Stab DB gelenkartig miteinander verbunden. Der Kran soll im Punkte A mit P belastet sein und wir stellen uns zur Aufgabe, die hierdurch hervorgebrachte Senkung des Punktes A zu ermitteln. – Der Balken AC soll überall denselben Querschnitt F, dasselbe Trägheitsmoment J und denselben Elastizitätsmodul E, und der Balken CE überall denselben Querschnitt F1, dasselbe Trägheitsmoment J1 und denselben Elastizitätsmodul E1 haben.
[Textabbildung Bd. 317, S. 15]
Fig. 1.
Vom Stabe DB ist nur notwendig, wie wir uns überzeugen werden, den überall gleichen Querschnitt E5 und Elastizitätsmodul E5 zu wissen, weil das Trägheitsmoment ohne Bedeutung ist. Die Punkte A, B, C und D sollen Schwerpunkte der Querschnitte, worauf sie sich befinden, sein. Wir setzen noch AB = l1, BC = l2, A C = l1 + l2 = l, CD = l3, DE = l4 und BD = l5. Den Winkel CBD bezeichnen wir endlich noch mit α. Der Kran sei nur im Punkte c1 des Balkenteiles BA von CA elastisch. Infolge der Belastung wird sich das Stück c1 A um c1 drehen, und bezeichnet man mit M1 das Biegungsmoment in c1 so wird die momentane Arbeit M1 . 1 geleistet, wenn 1 dar unendlich kleine Drehwinkel um c1 ist. Von P wird, wenn wir noch c1 A = x1 setzen, die momentane Arbeit P . x1 . 1 vollbracht und es muss sein: P . x1 . 1 = M1 . 1. Es ist jedoch: M1=EJd\y1dx1 wenn dx1 das Element der Strecke BA bedeutet. Aus den beiden Gleichungen ergibt sich: E . J . dγ1= P . x1 . dx1. Hierbei legt A den unendlich kleinen Weg 1 = x1 . 1 zurück. Es ergibt sich daher auch: E . J . dσ1= P . x1 . xl . dx1. Solch eine Gleichung können wir für alle Punkte zwischen A und B bilden und sämtliche so entstehenden 1 addieren. Nennen wir σ1 die Summe, so ist: EJσ1=P0l1l12dx1 und hieraus entsteht: σ1=Pl133EJ . . . . . . 1) Weiter sei der Kran nur im Punkte c2 des Balkenteiles CB elastisch. Der Teil zwischen C und c2 ist um C drehbar, während der Rest, welcher mit dem Teile BA in fester Verbindung steht, um B drehbar ist. Nennen wir den unendlich kleinen Drehwinkel um B dβ und die unendlich kleine Drehung, welche die Teile Cc2 und Bc2 gegeneinander machen, 2, so gilt bekanntlich folgende Beziehung: c 2 C . dγ 2 =CB . dβ. Setzen wir Cc2 = x2, so ergibt sich hieraus: x2 . 2 = l2 . . . . . . . 2) Die Kraft P leistet dabei die unendlich kleine Arbeit P . l1 . dβ. Nennen wir M2 das Biegungsmoment in c2, so ist die davon geleistete Arbeit gleich M2 . 2. Es muss nun sein: M2 . 2 = P . l1 . dβ, wobei M2=EJdy2dx2 ist, wenn dx2 das Element der Strecke l2 ist. Daher entsteht auch: EJdy22dx2=Pl1dβ und mit Rücksicht auf die Gleichung 2) EJl22x22dx2dβ=Pl1. Nennen wir 2 den unendlich kleinen von P dabei zurückgelegten Weg, so ist 2 = l1 . dβ. Also erhalten wir aus den beiden letzten Gleichungen: EJdσ2=Pl12l22x22dx2. Diese Formel können wir für alle Punkte zwischen B und C bilden und alle so entstandenen 2 addieren. Setzen wir die Summe gleich σ2, so ist: EJσ2=Pl12l220l2x22dx2 woraus folgt: σ2=Pl12l23EJ . . . . . . 3) Aber auch σ1 und σ2 können wir addieren, weil sie beide Wege von oben nach unten bedeuten. Nennen wir σ0 die Summe, so ist: σ0=Pl123EJ(l1+l2), worin l1 +12 = l ist. Also entsteht: σ0=Pl12l3EJ . . . . . . 4) Dieser Ausdruck bedeutet die Senkung des Punktes A, wenn einzig und allein der Balken A C elastisch ist. Nunmehr möge der Kran nur im Punkte c3 des Teiles CD elastisch sein. Es liegt dann c3 D fest, Cc3 dreht sich um c3, DB um D, während der Balken CA auch um D drehbar ist. Nennen wir den unendlich kleinen Drehwinkel des Balkens CA um D, so bewegt sich A senkrecht zu DA und legt dabei den Weg DAdδ zurück. Von diesem Wege ist, wie man sich leicht ableiten kann, l . dδ die Senkung des Punktes A. Wir nennen sie 3 und haben zunächst die Gleichung: d σ3 = l · d δ . . . . . . 5) Die von P geleistete Arbeit ist P . 1 . dδ. Nennen wir M3 das Biegungsmoment in c3, so ist die davon geleistete Arbeit M3 . 3, wenn 3 der unendlich kleine Winkel ist, mit dem sich der Teil c3 C um c3 dreht. Es muss nun sein: M3 . 3 = P . l . dδ. Wenn x3 der Abstand des Punktes c3 von C ist, so ist nach der kinematischen Geometrie: l3 . dδ = x3 . 3 . . . . . 6) Also entsteht: M3 . l3 = P . l . x3. Da jedoch, wenn dx3 das Element der Strecke CD bedeutet, M3=E1J1dy3dx3 ist, so hat man weiter: E1J1dy3=Pll3x3dx3. Aus den Gleichungen 5) und 6) ist zunächst: dσ3=lx3l3dγ3. Also folgt aus den beiden letzten Gleichungen: E1J1dσ3=Pl2l32x32dx3. Diese Gleichung kann man für alle Punkte zwischen und D bilden, ferner kann man alle so entstandenen 3 addieren, weil sie sämtlich die Richtung von oben nach unten haben. Setzen wir σ3 die Summe, so ist: E1J1σ3=Pl2l320l3x32dx3, woraus folgt: σ3=Pl2l33E1J1 . . . . . . 7) Jetzt soll der Kran nur im Punkte c4 zwischen D und E elastisch sein; der Teil c4 E liegt fest, während der übrige Teil desselben um c4 drehbar ist. Nennen wir 4 den unendlich kleinen Drehwinkel um c4, so legt dabei der Punkt A den Weg c4 A . dγ4 zurück. Hiervon gibt die Komponente l . dγ4 die Senkung des Punktes A an. Nennen wir sie 4, so haben wir die Gleichung: 4= l . dγ4. . . . . . 8) Die von P geleistete Arbeit ist P . l . dγ4. Ist noch M4 das Biegungsmoment in c4, so wird davon die Arbeit M4 . 4 vollbracht; da M4=E1J1dγ4dx4 ist, wenn dx4 das Element der Strecke DE bedeutet, so hat man: Pldγ4=E1J1dγ4dx4dγ4 oder auch: Pl=E1J1dγ4dx4. Mit Rücksicht auf die Gleichung 8) entsteht hieraus: E1 . J1 . 4 = Pl2 . dx4. Diese Gleichung kann man für alle Punkte zwischen D und E bilden. Addieren wir sämtliche so entstandene 4 was geschehen darf, weil sie alle die Richtung von oben nach unten haben, so ergibt sich E1J1σ4=Pl20l4dx4, also entsteht: σ4=Pl2l4E1J1 . . . . . . 9) Endlich sei auch der Stab BD im Punkte c5 allein elastisch. Wir haben es dann mit einer viercylindrigen zwangläufigen Cylinderkette zu thun, welche CD als festliegendes Glied, CB und Dc5 als um C bezw. D sich drehende Glieder und Bc5 zur Kuppel hat. Man findet, falls c5 genau auf der Verbindungslinie DB liegt, dass, wenn sich die Teile c5 D und c5 B um einen unendlich kleinen Winkel 5 verdrehen, die Punkte C, B und D fest liegen bleiben, d.h. es entsteht keine Senkung des Punktes A, daher ist die Kenntnis des Trägheitsmoments vom Querschnitt dieses Stabes belanglos und deshalb ist es auch nicht mitgeteilt worden. Anders würden sich die Verhältnisse gestalten, wenn der Schwerpunkt c5 des betreffenden Querschnitts auf der Geraden BD nicht liegen würde. Wir können nun σ0, σ3 und σ4 addieren. Bezeichnen wir mit σ die Summe, so ergibt sich schliesslich aus den Gleichungen 4), 7) und 9): σ=Pl[l123EJ+lE1J1(l33+l4)] . . . 10 Anmerkung. Müller-Breslau untersucht den gleichen Kran in dem Buche: Die neueren Methoden der Festigkeitslehre und der Statik der Baukonstruktionen, S. 135 und 136. Er kommt aber dabei nicht zu gleichen Ergebnissen, wie wir sie gefunden haben. Es liegen aber seinerseits Versehen vor; denn für M=1x3l3l ist 0l3M2dx3E1J1=l2l33E1J1 und nicht ll323E1J1, und ferner für M=x2l2 ist 0l2Mdx2EJ=l12l23EJ und nicht l1,l223EJ, wie S. 136 angegeben worden ist. Verbessert man das Versehen, so kommt man genau zu der eben gefundenen Formel 10).
II. Man bilde in Fig. 1 den Schnittpunkt O von P mit DB und zerlege P in die Seitenkräfte, von denen die eine in DB wirkt und die andere nach dem Gelenke C hingeht, also OC zur Kraftlinie hat. Ist r der Abstand des Punktes C von BD, so ist erstere Seitenkraft Plr. Die andere Seitenkraft zerlege man im Punkte C in zwei Seitenkräfte, von denen die eine U in der Linie DC und die andere V in der Linie CA wirkt. Es ergibt sich dann: U=Pl1l2 . . . . . 11) und V=Plrcosα . . . . . 12) Die Kraft U bringt eine Vergrösserung des Stabes DC hervor. Dieselbe ist nach dem Hooke'schen Gesetze: CC1=Ul3F1E1=Pl1l3l2F1E1 . . . . . 13) Man schlage um D mit DB und um C1, mit CB Kreise, welche sich in Fig. 2 im Punkte B1 treffen, verlängere C1 B1 um BA = l1 bis A1, so ist A1 die Lage, wohin A gelangt sein muss, wenn nur die Längenveränderung des Stabes CD geschieht. Der Abstand des Punktes A1 von A, nämlich AA, ist dann die hierdurch hervorgebrachte Senkung des Punktes A, welche wir nunmehr bestimmen wollen. Bedenkt man, dass DB=DB1=l5, CB=C1B1=l2 ist, und nennt φ den Winkel CC1 B1, so ist nach dem Cosinussatze im Dreieck DC1 B1: l32 = (l3 + C C1)2 + l22 – 2 l2 (l3 + C C1) cos ϕ.
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Fig. 2.
Da aber l52 = l32 + l22, so entsteht hieraus 2l2(l3+CC1)cosφ=(2l3CC1+CC12), d.h. cosφ=CC1(2l3+CC1)2l2(l3+CC1) Nun ist CC1cosφ=C1K. wenn K der Schnittpunkt von A1 C1 und AC ist. Also ist KA1=(l1+l2)C1K=l1+l22l2(l3+CC1)2l3+CC1 oder auch: KA1=l1l2CC12l3+CC1. Weil CC1 nach der Formel 13) sehr klein ist, so dürfen wir KA1=l1 setzen, d.h. K und B fallen zusammen. Dieses Ergebnis liess sich mittels kinematischer Geometrie einfacher finden. Es ist nun: A1ACC1=KA1KC1=l1l2, also A1A=CC1l1l2 Mit Rücksicht auf die Gleichung 13) ergibt sich hieraus: A1A=Pl12l22l3E1F1 . . . 14) Die Kraft V muss man sich im Punkte B angebracht denken und sie bewirkt eine Verlängerung der Strecke CB um BB2 in Fig. 3. Nach dem Hooke'schen Gesetze ist nun: BB2=Vl2FE und mit Rücksicht auf die Gleichung 12) entsteht hieraus: BB2=Plrcosαl2FE . . . 15) Ist nur der Stab CB in Fig. 3 der Längenveränderung unterworfen, so gelangt B nach B'; hierin ist B' der Schnittpunkt der Kreisbögen, welche mit den Radien DB und CB2 bezw. um D und C als Mittelpunkte beschrieben werden. Man ziehe CB' und verlängere diese Strecke um l1 bis A'. Es ist dann A' die hierdurch bewirkte neue Lage des Punktes A. Der Abstand A'A1 von CA ist dann die verlangte Senkung des Punktes A. Wir setzen den Winkel ACA' gleich φ, so ist nach dem Cosinussatz: DB2=DC2+CB22DCCBcos(Rφ, d.h. l52=l32+(l22+BB2)22l3(l2+BB2)sinφ.
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Fig. 3.
Es ist jedoch l52 = l32 + l22, also entsteht: 2 l3(l2 + BB2) sin φ = (2 l2 + BB2) . BB2 oder auch: sinφ=2l2+BB22(l2+BB2)BB2l3. Da auch: sinφ=A1ACA=A1Al ist, so hat man: A1A=l2l2+BB22(l2+BB2)BB2l3, worin BB2 gegen 2l 2 und l2 zu vernachlässigen ist. Mit Rücksicht auf die Gleichung 15) erhält man jetzt: A1A=lPlrcosαl3l2FE. Da jedoch l3=rcosα ist, so entsteht: A1A=Pl2r2cos2αl2EF . . . 16) Jetzt soll nur der Stab BD der Längenveränderung unterworfen sein. Dieselbe wird von der Kraft Plr veranlasst und bringt eine Verkürzung des Stabes hervor, die nach dem Hooke'schen Gesetze BB=Plrl5E5F5 . . . . 17) in Fig. 4 ist. Man schlage um D mit DB und um C mit CB Kreisbögen, welche sich in B1 treffen. Zieht man nun CB1 und verlängert diese Gerade bis A', so dass B1A=l1 ist, so erhält man in A' die Lage, wohin A gekommen ist, wenn der Stab DB allein der Längenveränderung unterworfen ist. Der Abstand des Punktes A' von CA, nämlich AA1, ist dann die verlangte Senkung, die wir ermitteln wollen.
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Fig. 4.
Nach dem Cosinussatz ist: DB12=CD2+CB122CDCB1cos(Rφ). Darin ist DB1=(l5BB), und weil l32 = l32 + l22 ist, so entsteht: l522\l5BB+BB2=l32+l222l3l2sinφ, d.h. 2l3l2sinφ=BB(2l5BB), also sinφ=BB2l5BB2l3l2. Da jedoch sinφ=AA1l ist, so hat man: AA1=lBB2\l3BB2l3l2. Hierin ist l2l3l5=r gegen 2l3 zu vernachlässigen. Mittels der Gleichung 17) entsteht daher: A1A=lPlrl5E5F5l5l3l2. Hierin ist l2l3l5=r, also haben wir endlich: A1A=Pl2r2l5E5F5 . . . . 18) Auf den Balkenteil DE wirkt nur die Längskraft P und bringt nach dem Hooke'schen Gesetze die Verkürzung Pl4E1F1 hervor. Genau so gross ist die Senkung λ des Punktes A. Wir erhalten daher: λ=Pl1E1F1 . . . . . . 19) –––––––––– Anmerkung. Von den in diesem Abschnitte entwickelten Formeln stimmt die Gleichung 14) nicht mit der entsprechenden von Müller-Breslau überein. Es kommt dies daher, dass nach Müller-Breslau im Punkte C die Last Plr statt Pl1l2 wirken müsste. Die Ermittelung der Senkung wäre aber auch dann nicht richtig. Alle in diesem Abschnitte gefundenen Formeln kann man auch mittels der Arbeitsgleichung bestimmen. Addiert man nun die Gleichungen 14), 16), 18) und 19), so erhält man die Senkung σ', welch! der Punkt A infolge der Längen Veränderung sämtlicher Stäbe erfährt. Es ist daher: σ=P[l12l22l3E1F1+l2r2cos2αl2EF+l2r2l5E5F5+l4E1F1] oder auch: Missing or unrecognized delimiter for \left Die Gesamtsenkung des Punktes A ergibt sich schliesslich durch Addition der Gleichungen 10) und 20). Sie ist: Missing or unrecognized delimiter for \left In der Formel für δ in dem Buche von Müller-Breslau auf S. 136 muss es cos2 α statt cos3 α heissen.