Titel: | Neuerungen auf dem Gebiete der Schwachstromtechnik. |
Autor: | Karl T. Fischer |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 741 |
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Neuerungen auf dem Gebiete der
Schwachstromtechnik.
Von Dr. Karl T. Fischer.
Neuerungen auf dem Gebiete der Schwachstromtechnik.
I. Der Telephonograph.
1. Prinzip. Der Telephonograph, oder wie der Erfinder, der dänische Ingenieur Voldemar PoulsenV. Poulsen, Das Telegraphophon, Drude's Annalen der
Physik, 3 1900 S. 754 ff. (1899), den Apparat nannte,
das Telegraphon, hat wie das Telephon den Zweck, das gesprochene Wort oder überhaupt
den Schall in die Ferne zu übertragen, löst jedoch noch die weitere Aufgabe, die
Uebertragung an der Empfangsstelle zu fixieren, so dass das fixierte übertragene
Gespräch beliebig oft und zu einer beliebigen Zeit abgehört werden kann. Das
Telegraphon löst also dasselbe wie Telephon und Phonograph zusammen. Die Art der
Uebertragung ist der telephonischen sehr ähnlich.
Bekanntlich werden im Mikrophon, das im Prinzip aus stromdurchflossenen
Kohlekontakten besteht, beim Sprechen auf die Mikrophonplatte die im Kontakt
stehenden Kohlestückchen mehr oder weniger fest aneinander gepresst und dadurch die
Widerstände, die der die Kontakte passierende elektrische Strom eines galvanischen
Elementes findet, verkleinert oder vergrössert, so dass in dem Stromkreis während
des Sprechens auf die Mikrophonplatte Schwankungen der Stromstärke entstehen. Ist in
den Stromkreis eine Spule, welche den Stahl- oder Eisenkern eines Telephons umgibt,
eingeschaltet, so wird infolge der Stromschwankungen dieser Kern verschieden stark
magnetisiert und dadurch die vorgelegte Eisenmembran des Telephons verschieden stark
herangezogen und somit die umgebende Luft in rhythmische Bewegung versetzt, so dass
das Ohr Schallempfindungen empfängt, welche im Rhythmus der in das Mikrophon
gesandten Schallwellen aufeinander folgen. Statt dass die Schwankungen im Mikrophon
selbst in die Telephonspule geleitet werden, werden sie oft benutzt, um in einer
Induktionsspule entsprechende Induktionsstromstösse hervorzubringen, die nun erst in
die Ferne zum Telephon geleitet werden.
Textabbildung Bd. 316, S. 741
Fig. 1.
Im Telephonographen werden die durch das Mikrophon hervorgebrachten Stromschwankungen
dazu benutzt, um einen Elektromagneten oder ein Elektromagnetpaar
(Hufeisenelektromagnet) verschieden stark zu magnetisieren und dadurch auf einem
rasch vorbeigeführten Draht D (Fig. 1) oder dünnemStahlband B (Fig. 2) quer zur Längsrichtung Pole hervorzurufen.
Textabbildung Bd. 316, S. 741
Fig. 2.
Merkwürdigerweise bleibt die auf einem Stahlband oder Stahldraht in dieser Weise
erzeugte komplizierte Magnetisierung erhalten, wenn man das Band aufwickelt, und
verschwindet selbst dann nicht, wenn man das Band an einem Elektromagneten – „dem
Empfangsmagneten“ – nahe vorbeiführt und dadurch in dem Elektromagneten
Induktionsströme hervorruft. Hat man das Stahlband rasch genug bewegt, was für ein
Band von 3 mm Breite und 0,05 mm Dicke bei einer Geschwindigkeit von 2 m/Sek. bis 10 m/Sek. der Fall
ist, so sind auf demselben entsprechend den einzelnen Schallwellen eine grosse
Anzahl von einzelnen Magnetpolen hervorgerufen worden; bewegt man daher dieses
magnetisch beschriebene Stahlband mit gleicher Geschwindigkeit an einem Empfänger
vorbei, der genau so wie der Schreibelektromagnet gebaut ist, so werden in diesem
Ströme induziert, welche im Rhythmus der ursprünglichen Schallbewegung aufeinander
folgen und welche daher, durch ein Telephon geleitet, dieses das an der Sendestation
aufgegebene Gespräch reproduzieren lassen.
Textabbildung Bd. 316, S. 741
Fig. 3.
2. Praktische Ausführung. Im sogen. Drahtapparat (Fig. 3) ist der etwa 1 mm starke Stahldraht in einen
feinen Gewindegang eingelegt, welcher in einen Cylinder von etwa 14 cm Durchmesser
und 28 cm Länge eingeschnitten ist und etwa 100 m Draht aufnehmen kann. Der Cylinder
wird mittels Elektromotor in gleichmässige Drehung versetzt und während der Drehung
durch den Schreibelektromagneten, dessen Kern aus 1 mm starkem, weichstem
schwedischen Eisen und dessen Wickelungen auf feinstem Relaisdraht hergestellt sind,
magnetisiert; die Fortbewegung des Elektromagneten erfolgt dadurch, dass er vermöge
der Form seiner Pole und seines Eigengewichtes an dem Draht entlang gleitet.
Textabbildung Bd. 316, S. 742
Fig. 4.
Will man das Gespräch reproduzieren, so wird der Elektromagnet
in die Anfangsstellung zurückgebracht, was bei mehreren Apparaten automatisch
besorgt wird, und nun mit einem Telephon verbunden. Dreht sich die Walze mit genau
derselben Geschwindigkeit wie bei der Aufnahme des Gespräches, so gibt der
Telephonograph dasselbe getreu wieder; das überraschendste ist dabei, dass die
Wiedergabe mit grosser Intensität und Genauigkeit erfolgt, sowie dass ein Gespräch
mehr als 10000 mal abgehört werden kann, ohne dass eine Schwächung eintritt. Will
man mit demselben Band ein anderes Gespräch aufnehmen, so wird erst der Draht
entmagnetisiert, indem der genannte Elektromagnet mit einem genügend starken
konstanten Strom beschickt wird, und nun während er über den Draht gleitet, die dort
liegenden Polaritäten verwischt, d.h. „löscht“.
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Fig. 5.
Der Bandapparat (Fig. 4),
welcher ermöglicht, ein längeres Gespräch aufzunehmen als der Drahtapparat, benutzt
als Gesprächsträger, statt des Drahtes, ein Stahlband, das wie oben angegeben, quer
magnetisiert und wie der Streifen eines Morsetelegraphen von einer Walze auf eine
andere aufgerollt wird. Da das Band mit einer Geschwindigkeit von2 m/Sek. bewegt
wird, so werden in der Minute ungefähr 120 m Band verbraucht; nachdem man ohne
weiteres 1 bis 2 km Band aufrollen kann, so lässt sich ein Gespräch von 16 bis 18
Minuten Dauer mit dem Apparat fixieren. Wird statt des zweipoligen Schreibmagneten
ein einpoliger verwendet, so muss die Geschwindigkeit des Bandes viel grösser sein
und 16 bis 20 m betragen.
3. Verwendung. a) Das Bandtelegraphon gestattet ohne
weiteres, bei Abwesenheit des telephonisch Angerufenen vermittelst einer
automatischen Auslösung, die beim Anruf erfolgt, dem Anrufer eine Mitteilung
zukommen zu lassen, wie z.B. „N. N. ist zur Zeit nicht anwesend; bitte um 3 Uhr
wieder anzurufen“, oder „N. N. ist nicht anwesend, bitte sprechen Sie in
den Telephonographen“. Kommt dann N. N. später nach Hause, so kann er das
Gespräch ohne weiteres abhören.
b) Es kann ein telephonisch aufgenommenes Gespräch gleichzeitig von einer grösseren
Anzahl von Personen abgehört werden; es dient dazu folgende Einrichtung, welche als
„Telephonzeitung“ bezeichnet werden kann (Fig.
5). Ein endloses, rasch rotierendes Stahlband ist über zwei Rollen
gespannt und wird mittels Mikrophon und Sprechmagneten beschrieben. Unten ist dann
eine entsprechende Anzahl von Abhörelektromagneten angebracht, deren jeder mit dem
Telephon eines Zeitungsabonnenten in Verbindung steht. Nachdem eine Bandstelle den
letzten Abhörmagneten passiert hat, wird sie durch den Löschmagneten für eine neue
Aufnahme vorbereitet; eine dauernde Aufbewahrung der Magnetschrift findet also hier
nicht statt. Dass bei dem Passieren des Löschmagneten das Band eine konstante
Quermagnetisierung erfährt, ist nicht schädlich, sondern hat sich im Gegenteil als
so nützlich herausgestellt, dass man, auch wenn ein Band neu beschrieben werden
soll, erst dasselbe an einem konstant magnetisierten Elektromagneten vorbeiführt und
so eine konstante Quermagnetisierung hervorruftErnst Ruhmer, Wirkungsweise des
Polarisationselements beim Telephonographen, Phys. Zeitschrift, II
1900 S. 129..
Textabbildung Bd. 316, S. 742
Fig. 6.
c) Der telephonische Multiplikator E. S. Hagemann's
eines Mitarbeiters von Poulsen, ermöglicht ein einmal
aufgegebenes Gespräch mit mehrfach verstärkter Intensität wiederzugeben; er besteht
aus mehreren n (Fig. 6)
parallel zu einander stehenden und über dieselbe Walze gespannten Stahldrähten oder
-bändern; von der Mikrophonleitung her wird der Sprechmagnet „S“ erregt und durch ihn auf dem Bande ein Gespräch fixiert;
abcd... n sind
Abhörmagnete, welche aber selbst sofort wieder mit Schreibmagneten a1b1c1d1 ... n1 in Verbindung sind; während daher
unter den Abhörmagneten n ... dcba das durch S
beschriebene Band vorbei bewegt wird, werden gleichzeitig in n1 ... d1c1b1a1 die Bänder n ...
54321 beschrieben. Ordnet man daher weiter die
Abhörmagnete α1α2α3 ... αn in solchen
Lagen an, dass sie von den durch abcd
... n nacheinander identisch beschriebenen Stellen
gleichzeitig passiert werden, und schaltet man die Abhörmagnete α1α2α3
... αn
hintereinander in die Telephonleitung des Abnehmers ein, so addieren sich hier die
in den einzelnen Magneten induzierten elektromotorischen Kräfte und bringen in dem
Telephon eine n-fache Lautverstärkung hervor – erfüllen
also denselben Zweck, den man durch das viel angestrebte, aber noch nicht gefundene
telephonische Relais erreichen wollte.
Textabbildung Bd. 316, S. 743
Fig. 7.
d) Die Multiplextelephonie, welche von P. O. Petersen ersonnen wurde, sei an dem Beispiel
einer Duplextelephonie klargelegt: sie bezweckt auf ein und derselben Fernleitung
gleichzeitig zwei oder mehrere Gespräche unabhängig voneinander zu führen und wird
dadurch in der einfachsten Weise ermöglicht, dass man als Schreib- bezw.
Abhörmagnete nicht einfache Hufeisen elektromagneten, sondern kompliziertere
Kombinationen von Magneten verwendet, die dann auch ihre besonderen komplizierteren
Magnetfelder hervorbringen. Verbindet man z.B. als Schreibmagnete zwei
Hufeisenelektromagnete, welche nach Fig. 7 mit ihren
Wickelungen hintereinander geschaltet sind und welche von der Induktionsspule eines
Mikrophons aus magnetisiert werden, so werden sie auf dem Stahlband Doppelpole
hervorrufen, und wenn man diese unter einem identisch gebauten Doppelmagnetsystem
hinwegführt, so werden dort Ströme induziert, welche dieselben Pulsationen zeigen
wie diejenigen, welche das Schreibmagnetsystem umflossen hatten. Ein verschieden
gebautes Magnetsystem würde dagegen keine genaue Reproduktion ermöglichen; ein
Magnetsystem, das wie E3E4
geschaltet ist (Fig. 8), wo also beide Elektromagnete
gegeneinander geschaltet sind, würde überhaupt keine Wirkung ergeben, da die
Doppelpole SS bezw. NN in
E3 und E4 entgegengesetzt
gerichtete elektromotorische Kräfte induzieren würden.
Textabbildung Bd. 316, S. 743
Fig. 8.
Würde man dagegen E3 und
E4 als
Schreibmagnete verwendet haben, so würden E3 und E4 auch wieder als Hörmagnete eine richtige
Reproduktion liefern, dagegen E1E2 als Abhörmagnete unbrauchbar sein. Verwendet man
als Schreibmagnete 1. ein Magnetsystem E1E2, die gleichsinnig gewickelt sind, und 2. ein
Magnetsystem E3E4 die in verschiedenem
Sinn gewickelt sind, so kann man zwei Gespräche auf demselben Band fixieren; das
Band, das die beiden Gespräche trägt, ist dabei so magnetisiert, wie es sich aus der
Uebereinanderlagerung der durch beide Magnetsysteme hervorgerufenen Polaritäten
ergibt. Führt man ein so beschriebenes Band an einem einfachen Hufeisenmagneten als
Abhörmagneten vorüber, so hört man die beiden Gespräche wirr durcheinander; man
erhält in ihm Ströme, die sich als Resultanten infolge der Teilmagnetisierungen
durch ElE2 bezw. E3E4 ergeben. Sowie man
dagegen als Abhörmagnete nur ein System E1E2 verwendet, hört man nur das von E1E2 aufgeprägte
Gespräch; ein System E3E4 gibt nur
ein Gespräch wieder, das durch E3E4 aufgegeben war.
Durch die in einem solchen einfachen Hufeisenmagneten m infolge der komplizierten Magnetisierung hervorgerufenen Ströme lassen
sich sogar mittels eines zweiten einfachen Hufeisenelektromagneten als
Schreibmagneten auf einem zweiten Stahlband genau dieselben magnetischen
Verteilungen hervorbringen, wie sie E1E2 und E3E4 zusammen hervorgebracht haben, und wenn man daher
neuerdings dem zweiten Stahlband genau gleich gebaute und in genau gleichen
Abständen befindliche Magnetsysteme E1E2 bezw. E3E4 als Hörmagnetsysteme gegenüberstellt, so ist man
im stande, mit diesen die magnetische Verteilung in ihre Komponenten zu zerlegen und
die einzelnen Gespräche getrennt aufzufassen. Fig. 9
zeigt die Anordnung einer Linie mit Petersen'scher
Duplextelephonie, in der Absenderstation können zwei Teilnehmer I und II gleichzeitig auf
ein und dasselbe Band sprechen, während dasselbe wie bei der Telephonzeitung
abrollt, und in der Empfangsstation können zwei mit den entsprechenden
Hörmagnetsystemen 1 und 2
ausgestattete Teilnehmer, und zwar jeder, das ihn betreffende Gespräch abhören. Es
ist dazu nur nötig, dass die korrespondierenden Teilnehmer I und 1 bezw. II
und 2 ein und dasselbe Magnetsystem E1E2 bezw. E3E4 benutzen. Man sieht
ohne weiteres, dass sich durch Verbindung von mehreren
Paaren von Elektromagneten noch mehrere
Gespräche gleichzeitig auf derselben Linie übertragen lassen.
Textabbildung Bd. 316, S. 743
Fig. 9.
4. Zu einer allgemeinen Einführung ist der Telephonograph noch nicht gelangt; von
seiner Brauchbarkeit konnte man sich jedoch bereits auf der Pariser Weltausstellung
öffentlich überzeugen, und jeder der ihn hörte, war von der Genauigkeit überrascht,
mit welcher die Wiedergabe erfolgte und von der Reinheit des Klanges, die den
Telephonographen vor dem gewöhnlichen Edison'schen
Phonographen auszeichnet.
Was vorläufig der allgemeinen Einführung des Telegraphophons noch im Wege steht, ist,
dass er einen höheren Energieaufwand erfordert als der Mikrophon-Telephonbetrieb, da
das Band mechanisch in Bewegung gesetzt werden muss, dass die Kosten des Apparates
wegen der grossen Menge des nötigen Schreibmaterials noch ziemlich hohe sind – legt
man einen Preis von 20 Pfg. für 1 m Stahlband zu Grunde, so erfordert ein Band von 2
km Länge bereits 400 M. – und dass die Selbstinduktion des Schreibelektromagneten,
an dem das Stahlband bezw. der Stahldraht rasch vorübergeführt werden muss, ziemlich
gross ist, so dass mit hohen Spannungen gearbeitet werden muss und Nebenschlüsse in
den Fernleitungen, die schon beim Telephon störend wirken, sich recht unliebsam
bemerkbar machen. Auf isolierten und von Nebenschlüssen freien künstlichen Leitungen
mit einer Länge von 150 km, die die entsprechenden Selbstinduktionen und Kapazitäten
enthielten, konnte man ohne Schwierigkeit gute Phonogramme erhalten. Als
Lokalphonograph ist der Telephonograph dem Edison'schen
mechanischen Phonographen insoferne weit überlegen, als er mit Leichtigkeit grössere
Gespräche aufnehmen kann und diese mit grosser Klarheit und Deutlichkeit
reproduziert, sowie dass die Auslöschung eines Gespräches in bequemster Weise und
ohne Abnutzung des Schreibmaterials erfolgen kann, wenn er auch an Lautstärke dem
mechanischen Phonographen noch nachsteht.
Ohne Zweifel hat Poulsen mit dem Telegraphophon auf ein
neues Gebiet hingewiesen, das lebensfähig sein wird und das nicht nur selbst hoher Vollendung fähig
ist, sondern zur Uebertragung auf andere Gebiete hohe Anregung bietet.
Das Photographophon Ruhmer's, in dem gewissermassen eine
Uebertragung des Telegraphophonprinzips aufdas optische Gebiet sich verkörpert,
ist eines der interessantesten Beispiele dafür, auf das hier deshalb nicht näher
eingegangen werden soll, weil in dieser Zeitschrift an anderer Stelle ein
Originalbericht erstattet werden wird.
(Fortsetzung folgt.)